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  #1  
Alt 29.10.2012, 19:31
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kdagmars kdagmars ist offline
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Beiträge: 73
Standard Wie das Gehen "erlauben",..

Hallo,...

leider muss ich nun in diesen Teil des Forums wechseln,....

Es geht um meine ehemalige Fastschwiegermutter,.. ich war mit meinem Ex fast 10 Jahre zusammen. L. hat mich von Anfang an, ohne das wir je geheiratet haben als Schwiegertocher angenommen, meine in die Beziehung mitgebrachte Tochter als Enkelin aufgenommen.
Ist mir ein Mutterersatz, ein herzenguter Mensch.

Hatte mit ca. 30 Jahren Krebs im Unterleib, GM raus, eine Niere weg. Darmverschluss,.. über ein Jahr im Krankenhaus.
Dann Ruhe. Gearbeitet bis zum geht nicht mehr, ihre Kinder gross gezogen.

Nach ihrem 70igsten Geb. hat sie uns mitgeteilt das sie Brustkrebs hat.
OP, Brustabnahme, Bestrahlung.
Trügerische Ruhe.
Vor ca. 3 Jahren Lebermetastasen.
Beobachtet, andere zusätzliche gesundheitliche Probleme, gebrochene Wirbel.

Die Lebermetastase wurde gezielt bestrahlt. Über einen Punkt am Rücken,.. in dem Bereich sind nun Wirbel und Rippen gebrochen. Schmerzen.
Ein Unfall durch Unachtsamkeit einer Verkäuferin,.. wieder Wirbeleinbrüche.

Seit einem Jahr fast durchgehend Chemo, so gut wie ohne Pause.

Sie verfällt, körperlich und seelisch.
Heute hat sie mich fahren lassen, wenn sie zu gibt das ihr das laufen zuviel ist,.. wer diese Frau kennt, weiss was das bedeutet.

Es geht ihr schlecht, kann sich kaum rühren, nicht essen, kommt heim und legt sich hin.

Es wird überlegt die Chemo die nur noch lebensverlängernd ist, aufzuhören. Metastasen wachsen während der Chemo munter weiter.

Ich, als nicht ihr Kind,.. ich hab sie schon lange freigegeben. Ich bin dafür die Chemo abzubrechen.
Ihrdie Nebenwirkungen zu ersparen, wissen das der Krebs so oder so in ihr wächst, aber mit einer vielleicht kurzen Zeit, aber vielleicht mit mehr Qualität zu lassen.

Nur, ich habs Gefühl, ich weiss sie mag nicht mehr,..aber ihr Verantwortungsgefühl ihren (längst erwachsenen) Kindern gegenüber, ihrem Urenkel den sie oft noch betreut. (weil keiner nachdenkt was ihr damit zugemutet wird),..
ihr Verantwortungsgefühl lässt sie nicht gehen

Sie ist über 80. Hat in ihrem ganzem Leben nur für Andere gearbeitet, gelebt, immer Rücksicht genommen.

Wie bring ich ihren Kindern bei das sie mit ihr reden müssen. Endlich den Tatsachen in die Augen sehen. Ihre Tochter (47) weigert sich übers sterben zu reden, mein Ex (51) glaubt immer noch an ein Wunder.

Keiner nimmt ihr die Last zu entscheiden ab, alle halten sie fest,........

Dagmar
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  #2  
Alt 29.10.2012, 22:02
J.F. J.F. ist offline
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Beiträge: 1.508
Standard AW: Wie das Gehen "erlauben",..

Hallo Dagmar,

mir stellt sich eigentlich nur eine Frage: Was will die Fastschwiegermutter?
Hast Du sie explizit danach gefragt?
Will sie die Chemo abbrechen? Ist der Besuch des Urenkels ihr zuviel oder gibt er ihr trotz Kraftanstrengung das Gefühl von Normalität, von Geliebtsein, von Lebendigkeit? Wie stellt sie sich die Tage bis zu dem wie Du es nennst "gehen" vor?

Ob Du sie freigibst, ob es ihre Kinder tun, ist letztendlich zweitrangig. Jeder, auch der sogenannte Du-Mensch, entscheidet für sich wann und mit wem er geht. Manche ziehen es vor im Beisein ihrer Angehörigen zu sterben, andere wollen lieber diesen Weg alleine beschreiten. Weil sie es mögen. Oder weil sie die Traurigkeit der Angehörigen nicht sehen wollen. Weil sie eventuell ihre Entscheidung nochmals umschmeissen und es dann zu dem Kampf kommt vor dem jeder Angst hat. Das kann kein Außenstehender entscheiden, freigeben.

Ansonsten sehe ich es wie LiebesMädl, vorher mit den Kindern reden kann zum Bumerang werden. Insbesondere, wenn man die Wünsche von der Fastschwiegermutter nicht wirklich kennt. Denn es stellen sich ja dann noch weitere Fragen, wie zB Essen zuhause, Pflege, Einkaufen. Denn wenn einmal die Schwelle der Selbsterkenntnis überschritten ist, dann kommen weitere Zugeständnisse schneller zum Vorschein

Bitte rede erstmal mit ihr.
__________________
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  #3  
Alt 29.10.2012, 22:24
Benutzerbild von kdagmars
kdagmars kdagmars ist offline
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Ort: Allgäu
Beiträge: 73
Standard AW: Wie das Gehen "erlauben",..

Danke euch.

Sie hat mir letztes Jahr schon gesagt das sie nicht mehr will. Aber gleichzeitig spüre ich auch ihr Verantwortungsgefühl.
Sie war immer für alle Anderen da, nie für sich selber.
Hat sich nie eingestanden was SIE SELBER will. Immer nur an Andere gedacht.
Aber ich seh wie müde und abgekämpft sie ist. Wie sehr sie inzwischen unter den Schmerzen zerbricht.
Eine Frau die immer stark war, kann nicht mehr.
Sie sagt sie will keine Chemo mehr. Und weiss dabei was das bedeutet. Nur kann keiner, auch die Ärzte ihr nicht sagen auf welche Art es länger geht.
Ich denke mehr Lebensqualität hat sie ohne Chemo.
Sie weiss das sie im Moment nur gegen die Nebenwirkungen der Chemo kämpft, jeden Tag.
Mit ihrem Sohn hab ich heute geredet, er und seine Schwester denken eine Weile auszusetzen mit der Chemo wär eine Lösung.

Mir geht es wenn ich mit beiden reden möchte nicht darum einzusehen das L. sterben wird. Aber einzusehen das diese Chemo seit langem nur palliativ ist.
Beide wundern sich bei jeder neune Metastase wieder,... geht doch gar nicht, bekommt doch Chemo,..

Ich denke doch das ein "freigeben" wichtig ist. Für den Mensch, für die Seele. Dafür das sie, wenn sie weiß sie darf,.. das sie sich dann wirklich frei entscheiden kann was sie möchte, ohne Rücksicht auf Andere.

Dagmar
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  #4  
Alt 30.10.2012, 20:15
Viki Viki ist offline
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Ort: Süddeutschland
Beiträge: 175
Standard AW: Wie das Gehen "erlauben",..

Hallo Dagmar,

deine Situation habe ich genau vor Augen. Du kannst das Elend nicht mehr mitansehen. Deine Schwiegermutter leidet und du willst das Beste für sie.

Meine Mutter ist 84 Jahre alt, 2007 Brustkrebs, seit 2008 Lebermetastasen. Inzwischen ist die ganze Leber voll, seit 2 Wochen fängt das Wasser im Bauch an. Sie befindet sich seit 2008 mit kurzen Unterbrechungen (kannst du in meinem Profil sehen) in Dauerchemo. Hat sie bis vor 3 Monaten auch gut weggesteckt, aber jetzt geht es rapide bergab.

Sie lebt in der eigenen Wohnung und versorgt sich selbst. Sie ist inzwischen dauermüde, hat Gleichgewichtsstörungen, geht seit kurzem nur noch mit Rollator und verbringt den Tag meist auf der Couch. Sie weiß eigentlich wie es um sie steht, liest jeden Arztbericht.

Man kann sich mit ihr sehr wohl über das Thema Tod unterhalten. Sie meint, wenn es jetzt vorbei wäre, ist das in Ordnung, sie hätte ein langes Leben gehabt.

Aber trotzdem: Sie fährt mit dem Taxi wöchentlich zur Chemo (Abraxane mit starken Nebenwirkungen), ist total erschöpft, putzt trotzdem die Wohnung, kocht und empfängt Besuch und backt vorher Kuchen.

Sie will sich selbst beweisen, dass sie noch lebt! Sie will leben, deshalb Chemo, obwohl absolut sinnlos inzwischen. Die Metastasen scheren sich nicht mehr darum.

Liebe Dagmar, ich glaube dass deine Schwiegermutter genau wie meine Mutter noch nicht so einfach Abschied nehmen kann. Sie ist noch nicht soweit. Sie hat dir letztes Jahr gesagt, dass sie nicht mehr wolle. Aber dann wirklich mit der Chemo aufzuhören und damit selbst die Entscheidung zu treffen, in kurzer Zeit zu sterben, das ist ziemlich viel verlangt.
Ich glaube man kann sich als Angehöriger nicht so leicht in Betroffene hineinversetzen.

Ich gebe J.F. Recht, das Gefühl des Gebrauchtwerdens, von Geliebtsein, von Lebendigkeit... Das ist Leben!

Alles Gute für Euch

Viki
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  #5  
Alt 31.10.2012, 12:50
J.F. J.F. ist offline
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Beiträge: 1.508
Standard AW: Wie das Gehen "erlauben",..

Liebe Viki,

ich danke Dir. Genau das habe ich versucht in Worte zu packen. Leider immer etwas schwierig, wenn man sowohl Betroffene als auch Angehörige und Hinterbliebene ist.


Liebe Dagmar,

okay, ist es in Deinen Augen - und mit Sicherheit auch vieler anderer - wichtig einen Menschen freizugeben. Es ist aber für den Angehörigen wichtig, nicht für den Betroffenen. Wichtig für die Trauerverarbeitung den Verlust eines Menschen zu begreifen. Der Betroffene kann irgendwann nicht mehr, will nicht mehr, hat die Kraft nicht mehr .... und lässt los. Seine Angehörigen, dann sein Leben, er kann nicht anders. Aber diesen Schritt wird er allein gehen, denn er allein weiß wann es soweit ist. Er kann ggf darin bestärkt werden, aber mit Sicherheit nicht beeinflusst. Denn auch für ihn ist es nicht einfach seine Angehörigen zu verlassen. Sein Leben nicht mehr erfahren zu können. Und da ist das Alter völlig egal. Hört sich jetzt alles hart an, gerade in einem Angehörigenthread, aber ich bin ja auch Angehörige. Und sehe es als "Befindlichkeit" des Angehörigen an zu meinen das er darüber entscheidet, ob jemand gehen darf oder nicht. Bevor Du jetzt denkt, ja, ja, die hat gut reden, möchte ich dazufügen, dass ich diese Situationen selber zu Genüge kenne. Und auch Entscheidungen von "endlich sterben zu können" mit den Ärzten gemeinsam getragen habe.

Dieses Loslassen ist ein wichtiger Aspekt des Weiterlebenskönnen. Des Akzeptierens des Unvermeidlichen. Wer nicht losgelassen hat bleibt eventuell in der Trauerbewältigung der ersten Stufe hängen. Denn Trauerbewältigung besteht aus vielen Schritten. Und im Grunde genommen ist das Loslassen schon die Vorstufe.

Zitat:
Zitat von kdagmars
Mir geht es wenn ich mit beiden reden möchte nicht darum einzusehen das L. sterben wird
Dieser Satz hat mich grübeln lassen und letztendlich auch dazubeigetragen nochmals hier zu schreiben

Ich wünsche Euch, dass Ihr gemeinsam einen Weg findet.
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