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Alt 04.01.2013, 06:12
Ayslinn Ayslinn ist offline
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Registriert seit: 30.07.2012
Beiträge: 15
Standard Sie hat jetzt einen Platz an der Sonne

Hallo zusammen,

ich war oft hier, habe nur im Hintergrund mitgelesen und selbst nur 2-3 Beiträge verfasst.

Meine Mama hatte Brustkrebs, Knochen- und Lebermetastasen - seit 2007.
Vom ersten Tag an habe ich sie begleitet, sie nicht allein gelassen, mit ihr gekämpft, mit ihr gelacht und geweint.
Wir wohnen 200 km auseinander - aber was sind schon 200 km im Vergleich zum Diesseits und Jenseits.

Am 11.12. um 13:30 Uhr schlief sie ein - für immer.

Am Samstag davor hab ich ihr noch zugeflüstert "Mama, wir sehen uns am Dienstag". Es war Dienstag und es schneite fürchterlich, die Straßen waren glatt, im Radio kamen nur Staumeldungen. Mein Papa rief mich am Vormittag an "magst du wirklich fahren? - fordere nur nichts heraus, nicht dass noch was passiert!" - meine Antwort "ich fahre sobald das große Chaos vorbei ist. Aber gib mir noch Mama, ich möchte gern mit ihr reden".
Das Reden fiel ihr schon seit Tagen äußerst schwer, den Telefonhörer konnte sie schon seit mehreren Wochen nicht mehr allein halten - die Freisprecheinrichtung war ein Segen. "Mama, wir sehen uns - ich hab dich lieb! Bussi", so verabschiedeten wir uns immer und so war es auch diesmal - ihre Antwort "ich dich doch auch" kam wie gewohnt. Papa nahm das Telefon zu sich und ich hörte meine Mutter ein zweites Mal laut, ja fast rufend "ich dich doch auch!" ... es sollte das letzte Mal sein, dass ich ihre Stimme hörte...

Es war uns allen klar, dass der Tag des Abschiedsnehmens einmal kommen würde - doch Mama wollte leben, wollte miterleben wie Emma (meine Nichte) ihr Sonnenschein ihren 1. Schultag hat, wollte mit ihr Karten spielen, ... sie wollte nicht aufgeben - und wir haben ihr versprochen, dass wir sie unterstützen - egal was die Ärzte, Bekannte oder Betroffene sagen - wir geben nicht auf, "wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren"... "wir können nur scheitern, kapitulieren werden wir nicht",... lautete ihr Credo.

Um 13:10 Uhr rief mich mein Vater an - er war ruhig und gefasst "Du, Mama liegt im Sterben.... ich geh wieder zu ihr"... es war alles so still in mir, dann war ich verzweifelt. Ich wollte doch bei ihr sein, ihre Hand halten, ihr beruhigende Worte zuflüstern... einfach für sie dasein, so wie sie es für uns immer war. Der Griff zum Telefon war das Nächste, meine Schwester anrufen, sie informieren. Ich weiss nicht mehr warum - aber ich musste dann unbedingt nochmal mit Papa reden - er ging ans Telefon "ich muss wieder zu ihr - die Atmung ist ganz flach"...
Um halb zwei nachmittags - an diesem schneesturmartigen Dezembertag - hat sie dann ihr Leben ausgehaucht - sie musste nicht kämpfen, sie ist friedlich eingeschlafen.
"Mama, wir sehen uns am Dienstag" - wir sollten uns sehen - aber doch nicht so!!!

Sie konnte zu Hause sein, zumindest dieses Versprechen konnten wir halten, auch wenn wir uns einige Fragen gefallen lassen mussten. Wir hatten auch schon Pläne, wie wir die Zimmer umbauen, damit Mama barrierefrei am Alltag teilnehmen konnte - wenn sie wieder fit genug ist. Seit Mitte Oktober war alles nur ein einziger Albtraum - und wir hinkten immer einen Schritt hinterher.

Mein Herz ist endlos schwer und ich vermisse sie. Nein, nicht, weil ICH sie brauche - nein, weil sie so gern lebte, ich ihr soviele schöne Erlebnisse, Augenblicke voller Liebe und ein längeres Leben ohne Leiden von Herzen gewünscht hätte - sie hätte es so verdient!
Sie war examinierte Altenpflegerin, ihr Traumberuf, ja... ihre Berufung, ihre Passion und blieb oft länger bei ihren Patienten als es der Dienstplan vorsah - und sie stand dazu auch wenn ihr der Vorgesetzte dadurch Ärger machte und sie wiedersetzte sich erneut... 2 Jahre bevor sie die alles verändernde Diagnose Brustkrebs bekam, machte sie noch eine Palliativschulung...

Sie ertrug alles so geduldig und ohne Klagen - sie bekam eine Lungenentzündung, Lungenembolie, Lymphoedem, brach sich im Mai 2012 den 2. Halswirbel (einfach so) und trug seitdem Tag und Nacht eine Halskrause, 118 Bestrahlungen und an die 48 Chemos ... nie hat sie sich beschwert. "Anderen gehts noch schlimmer", hat sie immer gesagt und sie musste es ja wissen. Und sie war ein lebensfroher, lustiger Mensch, ihr Lachen war ansteckend und sie hat bis zum Schluss ihren Humor nie verloren.
Auch dann nicht als sie pflegebedürftig wurde obwohl sie das unwahrscheinlich belastete. Ach, wieso musste sie das alles mitmachen und ertragen!

Wir haben ihr gesagt, dass wir sie auffangen werden, wenn sie ein Netz braucht. Wir haben unsere Kochgewohnheiten ihren Essensbedürfnissen angepasst, ich hab mir solidarisch zu ihrer "Kurzhaarfrisur" meine Haare auch kurz schneiden lassen... kurz gesagt: sie war unser Mittelpunkt... ich habe sie so unendlich lieb... ... und jetzt ist die Mitte leer...

Allen hier in diesem Forum, die auch einen lieben Menschen verloren haben gilt mein tiefstes Mitgefühl - die Kälte die in einen kriecht lässt einen nicht schlafen. Ich hoffe, dass wir unsere Liebe eines Tages wiedersehen werden.

Adieu Mama, es ist ein Stück vom Himmel, dass es dich gibt,
ich trag dich bei mir, bis der Tod auch über mein Leben siegt.

Die Liebe währt ewig und die Erinnerung vertreibt die Einsamkeit.
__________________
Schöne Grüße
Ayslinn

Das sind die Starken im Lande,
die unter Tränen lachen,
ihr eigenes Leid vergessen
und anderen Freude machen.
(Franz Grillparzer... Lebensmotto meiner Mutter)

Ich trage dich in meinem Herzen
trotzdem vermisse ich dich, Mama!
*02.07.1956
+11.12.2012

Diagnose Brustkrebs 15.11.2007

Geändert von Ayslinn (04.01.2013 um 06:59 Uhr)
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