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  #76  
Alt 30.03.2010, 11:11
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HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe - was meint ihr dazu ?

Guten Morgen,

meine Frau wurde mit akuter Atemnot in die Klinik eingeliefert. Pleuraerguss. Der Notarzt gab noch Cortison und das Atmen fiel ihr leichter. Auf der Intensivstation versuchte man alles, um diesen Pleuraerguss zu lösen. Erfolglos und unmöglich, ich hab die Röntgenbilder gesehen. Man muss nicht Arzt sein, um das zu verstehen.

Man erklärte mir sehr genau im Klartext, was die weitere Gabe von Medikamenten zur Linderung der Atemnot bedeutet. Das Problem für sie war nämlich nicht, nicht genug Sauerstoff zu bekommen, sondern das Ausatmen. Das heisst CO2 wird nicht genügend ausgeatmet, was wiederum heisst, es reichert sich im Blut an und sie vergiftet sich dadurch im Endeffekt selbst. Das ist Fakt und nur eine Frage der Zeit. Ohne Medikamente eine grausame Art zu sterben, langsam, bei Bewusstsein, mit allen Begeliterscheinungen der Atemnot und absolut sicher.

Das heisst im Klartext: je mehr Sauerstoff meine Frau einatmet, um so schneller wird sie sterben. Wobei niemand sagen konnte, dauert es nur Stunden oder werden es Tage. Da die Medikamente die Sauerstoffzufuhr begünstigten, brauch ich nicht zu erläutern, welche Wirkung das hatte.

In Sekunden musste ich als medizinischer Laie entscheiden, was zu tun ist. OK, ich hab es zugelassen, dass sie Medikamente gegen ihre Atomnot zur Verhinderung ihrer Qualen bekam. In dem Wissen, richtig zu entscheiden, nach ihrem Willen.

Eine Frage möchte ich in dem Zusammenhang mal gerne stellen. Jeder hat das Recht selbst zu entscheiden, wie er sterben möchte. Wer sich gegen Medikamente entscheidet, OK, das ist sein Wille und dem muss Rechnung getragen werden.

Woher will irgendjemand wissen, was er dann später will, wenn es soweit ist und er sich nicht mehr artikulieren kann? Wer kennt die Schmerzen, Qualen, Ängste zu diesem Zeitpunkt denn am eigenen Körper? Muss ich als Angehöriger dann tatenlos daneben stehen und zusehen? Weiss der- oder diejenige, was er/sie ihren Angehörigen, die zusehen müssen, zumutet?

Ich würde in diesem Fall nicht tatenlos daneben stehen. Da bin ich sicher. Ich würde in diesem Fall den Willen des Sterbenden ignorieren. Cori hat es geschrieben, warum. Ich würde ihm oder ihr zu helfen versuchen dann doch friedlich gehen zu dürfen.

Einen schönen Tag

Helmut
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  #77  
Alt 30.03.2010, 18:35
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suze2 suze2 ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe - was meint ihr dazu ?

lieber helmutL,
Zitat:
Woher will irgendjemand wissen, was er dann später will, wenn es soweit ist und er sich nicht mehr artikulieren kann? Wer kennt die Schmerzen, Qualen, Ängste zu diesem Zeitpunkt denn am eigenen Körper? Muss ich als Angehöriger dann tatenlos daneben stehen und zusehen? Weiss der- oder diejenige, was er/sie ihren Angehörigen, die zusehen müssen, zumutet?
also der letzte satz erschreckt mich - ich meine ich möchte nicht das gefühl haben, das ich meinen lieben etwas ZUMUTE, wenn ich leide. und ich weiß natürlich NICHT, niemand weiß, was "später" ist und wie schmerzhaft alles ist. aber dies gilt für beide richtungen: ich kann auch nicht wissen, ob ich nicht doch aushalten kann, will. deswegen ist es ja so schwierig und ehrlich gesagt glaube ich auch nicht, dass jemand andrer das WISSEN kann, was in mir vorgeht.

liebe cori, ja, böse angehörige, das will doch niemand jemand anderem unterstellen, um himmels willen, wir haben doch wirklich genug durchgemacht, als kranke, als angehörige, um einander zu respektieren, also -
ich möchte wirklich respekt haben allen meinungen und vor allem auch erfahrungen, die hier beschrieben werden.

trotzdem ist "freiwilligkeit" ein sehr schwieriges thema.

und trotzdem - krankheit und behinderung sind nicht das gleiche, da gebe ich dir recht, aber sie berühren einander. wer schwer krank ist, ist "behindert", kann nicht für sich sorgen, nicht alle handlungen selbstbestimmt ausführen. nicht alle behinderten sind krank, manche aber schon.

ich hab einfach nur die sorge, dass wir vor entscheidungen stehen, für die es kein richtig oder falsch gibt und die einfach in jeder hinsicht allzuviel von uns verlangen.

liebe grüße
suzie
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  #78  
Alt 31.03.2010, 07:52
Silleke Silleke ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe - was meint ihr dazu ?

Hallo Cori,
Du verstehst mich ziemlich falsch. Ich sage nicht anderes, als dass der Wille der Erkrankten respektiert werden muss. Von einer Verweigerung der Sterbebegleitung einschließlich lindernder Medikation habe ich kein Wort geschrieben.
Worum es mir ging, ist nur, dass tatsächlich der Wille des Betroffenen maßgeblich sein muss, und nicht Leiden und Verzweiflung Angehöriger. Nochmal gesagt: Fast alle unheilbar Krebskranken haben die Möglichkeit, selber Entscheidungen zu treffen . Seit einigen Monaten ist das auch gesetzlich so klar geregelt, dass es wirklich realistisch ist. Wenn daher ein Krebspatient selbst nichts tut, um sein Leben und Leiden vorzeitig zu beenden, so steht es Angehörigen nicht zu, aktive Sterbehilfe zu wünschen.

Deine familiäre Lage kenne ich nicht. Wenn du sicher weisst,dass du im Sinne deiner Mutter gehandelt hast, ist doch alles in Ordnung. Mein Problem wäre, dass ich es nicht sicher wüsste. Denn Wahrnehmungen verändern sich .Was unerträglich ist, beurteilt man wahrscheinlich vorher anders als im Eintreten. Das erlebe ich persönlich aufgrund schwerer fortschreitender Behinderung, und ich habe es auch oft bei Krebserkrankten erlebt. Ein Beispiel,was eigene Entscheidungen betrifft: In meiner Patientenverfügung steht ausdrücklich, dass ich nicht auf künstliche Ernährung verzichten will . Das überrascht viele, denn ich lehne die allermeisten verlängernden Maßnahmen ab. Aber ich empfinde die Vorstellung als grauenhaft ,langsam verhungert zu werden. Genau das aber wird immer so dargestellt wie ein Akt der Barmherzigkeit, der Standard der Menschlichkeit sozusagen . Andere mögen es als Gnade empfinden, für mich ist es furchtbar. Schon mein eigener Vater kannte meine Haltung tatsächlich nicht. Er hat das verblüfft zur Kenntnis genommen, heute denkt er nach, selber entsprechend vorzusorgen.

Aus solchen Erfahrungen heraus traue ich mir nicht zu, ohne vorausgegangene intensive Gespräche mit meinem Angehörigen irgendetwas in seinem Sinne zu regeln . Wenn ich aber mit ihm rede, muss ich ihn ermutigen, selber Regelungen zu treffen. Sofern mein betroffener Verwandter nicht klar festlegt, was er möchte, wäre ich unsicher. Wie schnell man als Angehöriger angesichts großen Leidens eigene Unerträglichkeit verwechseln kann mit dem Wunsch des Betroffenen, hat gerade HelmutL geschrieben. So viel Liebe und bester Wille auch dahinter steht, aber das darf nicht sein. Den Willen des Sterbenden ignorieren und die Zumutbarkeit für Angehörige in Frage stellen, das sind genau die gefährlichen Entwicklungen, vor denen viele Betroffene Angst haben.
Und wir reden hier ja nicht über private Fragen, sondern über gesetzliche Vorgaben, die von Krebs ,seelischer Krankkeit, körperlichem Leiden , Alter, bis zu sogar vorgeburtlichen Behinderungen alle Formen des Leidens am Leben umfassen müssen. Und die von der liebevollen Tochter bis zum Erbschleicher jedem Angehörigen die Maßstäbe setzen.

LG Silleke

Geändert von Silleke (31.03.2010 um 07:57 Uhr)
  #79  
Alt 31.03.2010, 22:13
Esmiralda Esmiralda ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe - was meint ihr dazu ?

Hallo,eigentlich wollte ich mich nicht zu diesem Thema äußern, aber die meisten Beiträge finde ich sind doch sehr Ich-bezogen, daher hier meine Meinung zu diesem etwas brisanten Thema.
Wie Stefan schon schrieb, gibt es seit einiger Zeit eine recht eindeutige gesetzliche Regelung, drum wundere ich mich, warum bestimmte Angehörige hin und her gerissen werden, um zu einem objektiven Standpunkt zu kommen.
Ich will hier niemanden bejahen oder verneinen, finde aber, es ist doch recht einfach, eine Regelung zu finden.
Z.B. habe ich in meiner Patientenverfügung eindeutig festgelegt, ich zitiere: wenn eine aktive Teilnahme am Leben - und unter Leben verstehe ich denken, fühlen, selbständig sein und schmerzlos - und der Tod aufgrund des Erkrankungszustandes absehbar und von 3 unabhängigen Ärzten bestätigt, absehbar ist, dann lehne ich alle lebensverlängernden Maßnahmen ab. Das ist mein eindeutiger Wille und mit dieser Entscheidung entbinde ich meine Verwandten, die Ärzte und das Pflegeperson von einer Entscheidungsfindung. Die in meiner Vorsorge- und -Versorgungsvollmacht benannten Personen sind verpflichtet, diesen meinen e i n de u t i g e n Willen zur Durchsetzung zu verhelfen.
ich bin der Auffassung, daß das ganze Thema von der verkehrten Seite angefaßt wird. Es gibt eine gesetzliche Regelung, aufgrund dessen haben wir z.B. in unserem Stadtteil in allen Seniorenklubs, Kieztreffpunkten und den Selbsthilfegruppen mit informierten Personen der Krankenkasse und einem Rechtsanwalt Beratungen durchgeführt und dargelegt, wie wichtig die Anfertigung einer Patientenverfügung ist. Das Ergebnis hat uns recht überrascht, viele Menschen beschäftigen sich nicht mit diesem Thema (es erinnert ja immerhin an den Tod, womit man sich nicht gern auseinandersetzt), aber es erfolgte eine sehr gute Resonanz und die meisten!!! sahen die Notwendigkeit der Darlegung ihres eigenen Willens ein. Es kam zu vielen entsprechenden Festlegungen.
Wenn in unserer Gesellschaft so vorgegangen werden würde, hätten Angehörige nicht die Last der Entscheidung und der Betroffene weiß, daß nach s e i n e m Willen gehandelt wird.
Da alle 2 Jahre diese Patientenverfügung erneut als noch gültig vom Verfasser untersc hrieben werden muß, wird ausgeschlossen, daß eine inzwischen erfolgte Denkungsänderung eingetreten ist.
Eine meiner Nichten (sie ist scchwer Astmahkrank) hat schon vor 3 Jahren ihre Patientenverfügung geschrieben, obwohl sie damals erst 33 Jahre alt war und einen 6 jährigen Sohn hat. Dem Sohn hat sie gleichzeitig einen Brief geschrieben, der ihm im Falle des Falles zur Kenntnisnahme überreicht wird. Unsere Familie findet diese Handlungsweise richtig.
Sicher bedeutet es eine ungeheure Aufklärungsarbeit, aber bisher beschäftigen sich nur die Krankenkassen mit diesem Thema, in den Zeitungen, Zeitschriften usw. wird über allen möglichen Mist wochenlang geschrieben, warum eigentlich nicht über dieses so wichtige Thema?
Soviel dazu, nun könnt ihr mich entweder verstehen oder zerreißen, es ist nun mal mein persönlicher Standpunkt und Meinung. Hier zu diskutieren ist eine Seite, besser wäre es, im jeweiligen Fall mit den akut Betroffenen zu reden und deren Willen zu erfahren.
Esmiralda
  #80  
Alt 31.03.2010, 22:22
Dirk1973 Dirk1973 ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe - was meint ihr dazu ?

Leute, bleibt bitte sachlich und werdet nicht persönlich. Ich möchte das Thema hier nicht schließen müssen.
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  #81  
Alt 01.04.2010, 01:29
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HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe - was meint ihr dazu ?

Hallo Esmiralda,

warum sollte dich jemand zerreissen, weil du deine Meinung geschrieben hast? Das tun doch alle. Stefan, suzie, Silleke, Tante Emma, Cori die ihre und ich die meine.

Im allgemeinen denke ich so.

Das grosse Problem dabei ist anscheinend doch, dass zwar alle ihre Meinung schreiben (mich eingeschlossen), diese aber eine jeweils ganz persönliche Auffassung der Sachlage beschreibt. Aus der eigenen Situation heraus eben. Und genau das ist meiner Auffassung der Knackpunkt: das lässt sich nicht unter einen Hut bringen. Nicht an dieser Stelle.

Prinzipiell ist es doch mal so: man sollte/muss den letzten Wunsch des Sterbenden respektieren. Ich muss ihn jedoch nicht gutheissen. So differenziert die Meinungen in diesem Thread sind, so unterschiedlich sind die Auffassungen auch neben dem Sterbebett. Es liegt am Gesetzgeber, dem Sterbenden die Sicherheit zu geben, dass alles genauso abläuft, wie er das vorausbestimmt hat.

Will jemand Hilfe haben, so soll er sie auch bekommen. Mit allen Begleiterscheinungen. Möchte er diese Hilfe nicht, so soll er auch auf diese Weise sterben dürfen. Mit allen Begleiterscheinungen. Das ist heute bereits möglich.

Was aber, soweit ich mich erinnere, bis jetzt niemand ernsthaft in Betracht gezogen hat: wie geht es dem Angehörigen, wenn er den Willen des Sterbenden durchsetzen soll!

Jetzt wieder was persönliches.

Um es vielleicht deutlicher auszudrücken, was ich mit meinem letzten Beitrag ausdrücken wollte: gehen wir davon aus, meine Frau hätte sich gegen jegliche Art der Sterbehilfe ausgesprochen. Der Gesetzgeber schreibt dann vor, wie ihr geäusserter, freier Wille durchgesetzt wird und ich habe keine Möglichkeit das zu ändern.

Dann hab ich nur 2 Möglichkeiten. Ich bleibe bei ihr, erlebe und muss tatenlos zusehen wie qualvoll ein langsamer Erstickungstod ist oder .......... ich gehe! Niemand, auch nicht der Sterbende, kann mich zwingen dabei zu zu sehen. Meine Frau hätte es dann irgendwann hinter sich gehabt. ICH müsste jedoch für den Rest meines Lebens damit klarkommen, wie meine Frau mit Schrecken und Qualen gestorben ist, ohne dass ich ihr helfen konnte/durfte. Da ich meine Frau jedoch über alles liebe, hätte ich, für mich ganz allein, meine persönliche Konsequenz gezogen. Und damit hätte ich leben können und sie einigermassen friedlich sterben.

Genau das ist meine absolut persönliche Auffassung, die niemand zu verstehen oder zu akzeptieren braucht. Meine persönliche Auffassung, welche auch nur zu diesem ganz speziellen Fall passt. In einer anderen Situation könnte sie durchaus anders sein. Ich muss Kritik daran weder zulassen noch abwehren ..... sie interessiert mich in diesem, einzigartigen Fall überhaupt nicht.

Worum es mir geht? Um den einen Satz da oben: wie geht es dem Angehörigen. Ein Aspekt, welchen man allzu gerne unter den Tisch fallen lässt. Wie man das nun wieder unter einen Hut bekommt? Keine Ahnung. Noch ne Frage, mal von der anderen Seite: wer hat schonmal die Entscheidung fällen müssen, bei einem geliebten Menschen die Maschinen abzuschalten und damit zu sagen: "Du stirbst jetzt!"? Denn so einfach, wie ihr euch das vorstellt, geht das nicht. Auch da sind die Bevollmächtigten und die Hinterbliebenen gefragt.


Alles Liebe

Helmut

Änderung: in dem Satz "Auch da sind die Bevollmächtigten und die Hinterbliebenen gefragt." ist der Begriff "die Hinterbliebenen" natürlich durch "die Angehörigen" zu ersetzen.
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Geändert von HelmutL (01.04.2010 um 01:37 Uhr) Grund: Wortwahl
  #82  
Alt 01.04.2010, 02:30
Boxerhund1 Boxerhund1 ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe - was meint ihr dazu ?

hallo miteinander,

ich stimme Helmut absolut zu. Und Esmi - danke für deinen Beitrag, er hat mir ein paar zusätzliche Tips gegeben, an die ich noch gar nicht gedacht hatte.

Wie geht es den Angehörigen? Schlecht - normalerweise! Egal, was und wie man als Angehöriger entscheidet, man stellt sich für den Rest seines Lebens die Frage, ob es richtig war. Auch wenn der Verstand und das Herz sagt, daß es richtig war - die kleinen fiesen Zweifel im Hinterkopf bleiben immer. Und das neben dem Schmerz und der Trauer.
Wobei... wir als Angehörige/Hinterbliebene leben weiter und müssen irgendwie damit klarkommen. Niemand nimmt uns unseren Schmerz ab, wenn unsere Lieben ihre Schmerzen längst hinter sich gelassen haben. Das ist unser Schicksal als Angehörige und Hinterbliebene. Und damit müssen wir leben, leben lernen und fertig werden.

Und bitte... wir reden hier immer um das Thema eines Finalzustandes! Ein Zustand, der ohne jede Chance auf Rettung ist. Wir reden NICHT davon, Leben zu erhalten oder zu verlängern, wir reden davon, das Sterben irgendwann zu akzeptieren und NICHT zu verlängern.

Ich war 40, als ich wieder mit dem Motorrad fahren anfing. Ich hatte Freude dran, aber ich wußte auch um die mögliche Gefahr. Meine Eltern waren damals auch schon nicht mehr die Jüngsten - und drum machte ich mir Gedanken, was im schlimmsten Fall passieren könnte - und wie man das dann absichert - für mich und auch für meine Eltern, daß sie im Zweifelsfall versorgt wären.
Diese Gedanken waren für mich sehr schwierig, aber das.. was wäre wenn.. .das hat mich doch beschäftigt, auch wenn ich nicht damit gerechnet hatte, daß es wirklich eintritt. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod hat etwas wirklich Frustrierendes - wer macht sowas schon gerne?
Meine Mutter hätte mich fast erschlagen, als ich wieder ein Motorrad gekauft habe - aber wir haben dann irgendwann mal ein vernünftiges Gespräch geführt - und dann kam die Patientenverfügung und die Generalvollmacht, die damals meine Mutter innehatte.
Und im gleichen Termin beim Notar haben meine Eltern ebenfalls dann eine Generalvollmacht für mich ausgestellt.
Für mich ging es damals um einen möglichen Unfall mit allen dramatischen Folgen - und daß ich unter keinen Umständen als "beatmeter Kopf" enden will, ohne daß mich dann jemand gehen läßt. Ich habe für den absoluten Extremfall vorgesorgt - der ist Gott sei Dank nie eingetreten. Aber im Zuge dieser Gespräche wußten wir alle, was wir in so einem Extremfall dann für uns selber wollen.

Inzwischen ist meine Mutter an ihrem 4. Karzinom gestorben - und heute ist für mich das ebenfalls ein Thema. Wer weiß schon, was in einem wächst, bis es sich dann zeigt? Ich habe meine Mutter im Sterben begleitet, so gut es mir möglich war. Es kam so grausam schnell, daß ich kaum mit dem Begreifen nachkam - für meine Mama war es eine Gnade, für mich war es fürchterlich.
Aber gerade auch deswegen weiß ich, was ich für mich defintiv NICHT will. Und das ist mein ganz persönlicher Egoismus - wenn es keine Rettung mehr gibt, dann will ich nicht leiden! Und die Ursache dieses Finalzustandes ist dann für mich nur noch nebensächlich - ob es Krebs ist oder ein Unfall - wenn ich nicht mehr leben kann, dann will ich auch sterben dürfen.

Heute hat mein Cousin die Generalvollmacht. Da er Anwalt ist außerdem, wird er meinen Wunsch durchzusetzen wissen, falls es je soweit kommen sollte.
__________________
Liebe Grüße, Cori

Als Angehörige kam ich, als Hinterbliebene blieb ich.

Mama: 4.10.1924 - 29.6.2009
  #83  
Alt 01.04.2010, 08:16
Silleke Silleke ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe - was meint ihr dazu ?

Guten Morgen,
1. Nein, Tante Emma, so meinte ich das nicht. Man kann auch mutwillig falsch verstehen. Um ein paar wenige Wochen Lebensverlängerung macht man schon so viel. Ich glaube daher bloß nicht, dass man sich als Nichtbetroffener tatsächlich in den Willen des Betroffenen hineinversetzen kann und beurteilen kann, wann eine Situation untragbar wird .
2. Esmiralda hat auf den Boden der Wirklichkeit zurück geholt . Die Verfügungen sind seit September rechtsverbindlich. Manche Debatte ist überflüssig, denn der Patientenwille entscheidet heute. Und man könnte ja drüber nachdenken, wie der Patientenwille aussieht, wenn der Patient nichts verfügt. Meine Angehörigen und ich wissen, ohne einen ausgedrückten Willen dürfen wir gegenseitig nicht Entscheidungen gegen das Leben treffen. Ich widerhole mich: Es ist jedem Menschen zumutbar, selber vorzusorgen.
3. Helmut, du hast recht, es kann für Angehörige sehr schwer werden. Ich denke schon, das klang hier auch an. Ich habe aber niemals einen Patienten erlebt, der erleichternde Maßnahmen abgelehnt hätte. Und die Palliatvmedizin kann viel Leiden lindern. Die Angst, unvorstellbares Leid mit ansehen zu müssen, verschwindet meist, wenn der Betroffene gute Ärzte hat. Ich habe wirklich viele Patienten und Angehörige begleitet auf diesem Weg. Und immer wieder sagten mir Angehörige später, dass diese letzte Zeit des Abschieds auch kostbar war für sie, das sie die Zeit brauchten. Voraussetzung ist dafür aber eine gute Palliativmedizin.
4. Cori,nein, du liegst wirklich falsch. Es geht nicht nur um das Finalstadium, sondern um den Grundsatz. Ein Apalliker ist defintiv nicht im Finalstadium , er ist nicht beatmet und kann in diesem Zustand Jahrzehnte leben. Und ab wann bin ich im Finalstadium ? Definier das doch mal bitte. Wenn die Atmung aussetzt ? Oder schon,wenn die Blase gelähmt ist,wenn ich nicht sprechen kann, den PC nicht bedienen kann, dement werde ? Ich bin heute schon so dran, dass ich Ärzten deutlich sagen muss, trotzdem alle Krebstherapien bekommmen zu wollen. Für mich persönlich klingen die Sorgen darum, übertherapiert zu werden, merkwürdig, denn ich gehöre zu denen, die umgekehrt aufpassen müssen. Tja, aber vielleicht ist das echt unvorstelbar,wenn man fit ist.
Das Gesetz ist jedenfalls weiter als du, es billigt das Recht auf die eigene Entscheidung jedem Bürger zu seit letztem Jahr. Nicht nur im Finalstadium, sondern gerade auch Menschen wie mir.

Entweder man hat also Krebs oder was anderes , oder wie ? Ihr könnt ja nicht einmal wahrnehmen, wie persönlich betroffen ich von diesem Thema bin. Auch wenn ihr es unverschämt findet, aber um ein Krebssterben mache ich mir weniger Gedanken. Das passiert, wenn es passiert. Aber wie gehe ich damit um, eine jahrelange Zukunft als Schwerstpflegefall zu ertragen ? Für mich grotesk , das Thema zu beschränken auf Finalsituationen. Vergesst dabei bitte nicht,ich habe selbst Krebserkrankungen . Bin einigermaßen sprachlos und entsetzt über so viel Ignoranz.

Silleke

Geändert von Silleke (01.04.2010 um 08:28 Uhr)
  #84  
Alt 01.04.2010, 09:00
Dirk1973 Dirk1973 ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe - was meint ihr dazu ?

Ich hoffe, dass wir jetzt hier vernünftig weitermachen können.

Bitte postet nur noch neutral, sachlich und lasst Persönliches aussen vor.

Wenn das nicht funktioniert, werde ich endgültig schließen. Dieses Thema ist mir einfach zu wichtig und sensibel, als dass ich es durch Unterschwelliges vermurksen lasse.
__________________

  #85  
Alt 02.04.2010, 18:42
Stefans Stefans ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe - was meint ihr dazu ?

Hallo Helmut,

Zitat:
Zitat von HelmutL Beitrag anzeigen
Was aber, soweit ich mich erinnere, bis jetzt niemand ernsthaft in Betracht gezogen hat: wie geht es dem Angehörigen, wenn er den Willen des Sterbenden durchsetzen soll!
(...)
Dann hab ich nur 2 Möglichkeiten. Ich bleibe bei ihr, erlebe und muss tatenlos zusehen wie qualvoll ein langsamer Erstickungstod ist oder .......... ich gehe!
Ja, so ist es. Du schaust dabei zu, oder du leistest Sterbehilfe (kann auch aktiv sein, wird bei einem Krebskranken im Endstadium nachher kaum auffallen bzw. nachweisbar sein, wenn du entsprechend vorsichtig handelst), oder du gehst, wenn du das mit deinem Gewissen nicht vereinbaren kannst.

Mir ist dein letztes posting schon aufgefallen, aber ich habe nicht geantwortet, weil ich deine Frage erstmal "nebensächlich" finde. Wenn jemand stirbt, geht es um den Sterbenden. Wie die "Überlebenden" im nachhinein mit ihrem Gewissen umgehen, ist m.E. allein deren Problem.

Sie können schließlich die einfache Variante wählen: Rückzug antreten, den Sterbenden allein lassen. Wie du so richtig schriebst: "Niemand (...) kann mich zwingen dabei zu zu sehen". Dann geh' halt, wenn du es für richtig hältst. Aber egal, wie du dich entscheidest: du wirst damit leben müssen.

Wie du mit deiner Entscheidung weiterleben kannst, ist m.E. aber kaum dem Sterbenden anzulasten. Der hat ganz andere Probleme.

Ich habe mit meiner Frau auch tabulos über Sterbehilfe gesprochen (abseits der gesetzlichen Regelungen, sondern privat - ich für sie). Sie wusste nicht, ob sie das wollen würde, ich wusste nicht, ob ich das tun würde. Wir waren vorbereitet, aber Gottseidank war die Frage dann nicht aktuell. Meine Frau ist "rechtzeitig" von selbst gestorben, bevor sie zum Pflegefall wurde. Insofern spreche ich auch nur aus der Theorie heraus.

Trotzdem finde ich: der Serbende hat ein Recht darauf, dass nach seinem Willen gehandelt wird. Wie die Hinterbliebenen damit umgehen, muss ihn nicht interessieren. Nichts wäre schlimmer, als dem Todkranken deswegen noch ein schlechtes Gewissen zu machen. Und wie du gsagt hast: wer als Angehöriger diesen Konflikt nicht aushält... dem steht es jederzeit frei, zu gehen.

Niemand zwingt einen, einem geliebten Menschen in seinen letzten Stunden beizustehen, wie der sich das wünscht - so what?

Viele Grüße,
Stefan
  #86  
Alt 03.04.2010, 01:53
Norma Norma ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe - was meint ihr dazu ?

Sterbehilfe ist und bleibt für mich tabu.
Ich bin nicht Herr über Leben und Tod; auch nicht, wenn es um mein eigenes Leben geht.

Norma, bekennende Christin
  #87  
Alt 04.04.2010, 22:09
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Ingrid50 Ingrid50 ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe - was meint ihr dazu ?

Habe bis jetzt nur bei euch mitgelesen,
aber ich hatte das Glück daß ich vor 15 Jahren als mein ersterMann starb auf der Palliativstation einen Prof. hatte der Mensch war. Mein Mann lag da Bspk im Endstadium das Immunsystem war zusammengebrochen nach der 3. Chemo.
Nach 5 Tagen fragte ich wie lange er noch daliegen müßte, er war nicht mehr ansprechbar, wundgelegen und nur noch ein Häufchen Elend und das mit 47 Jahren. Der Prof. erklärte mir daß ich die Morphiumdosierung selber regeln könnte und genau das habe ich damals auch gemacht. Ich hatte kein schlechtes Gewissen denn wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre hätte ich es nicht anderst gewollt.
Nun ist mein 2. Mann an Kehlkopfkrebs gestorben auch er war die letzten 24 Stunden im KH. die Ärztin kam und hat gefragt ob sie den Port abhängen und auf Mophium einstellen solle. Ich habe eingewilligt. Er ist friedlich eingeschlafen. Es war mir klar daß es keinen letzten Abschied geben würde, nur ein Hinüberdämmern. Aber was gesagt werden mußte haben wir lange vorher geklärt, es tut weh wenn man so etwas entscheiden muß, aber wenn es bei mir soweit ist wünsche ich mir daß ein Mensch dabei ist der genau so denkt.
  #88  
Alt 04.04.2010, 22:25
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annika33 annika33 ist offline
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Hallo an alle (und jedem ein frohes Osterfest),

ich würde auch gerne etwas zu diesem Thema beitragen.

Ich bin seinerzeit als Angehörige in das Forum gekommen. Meine Mutter, 2008 unheilbar an Lungenkrebs erkrankt, verstarb im Septemper vergangenen Jahres.

Sie, wie auch ich, und alle die in ihr Krankheitsgeschehen involviert waren, haben uns häufig auch nach dem "wie" gefragt. Mama hatte Angst leiden zu müssen. Ich hatte Angst, dass sie leiden würde müssen, aber auch davor, dieses hilflos mit ansehen zu müssen. Wie schützt man sich davor? Wie geht man da heran, um sich bestmöglich abzusichern? Der legale Weg, der jedem von uns offensteht, ist einmal die Patientenverfügung. Gut, sie regelt natürlich nur bis zu einer gewissen "Toleranzgrenze" die eigenen Belange.

Da möchte ich gerne das Beispiel meiner Großmutter aufgreifen. März 2009 - mehr oder minder unerwartet (wenn man mit 83 Jahren von unerwartet sprechen darf/kann), versagten die Nieren. Oma hatte eine Patientenverfügung, dem Herrgott sei Dank. Medizinisch gesehen wäre es so gewesen, dass man sozusagen "auf Biegen und Brechen" in der Verpflichtung gestanden hätte, auch noch das letzte Quäntchen Leben, welches keines mehr gewesen wäre, zu erhalten. Dialyse, so die Ärzte, sei unter der gesundheitlichen Vorgeschichte keine Option mehr gewesen. Wäre aber eben diese Verfügung nicht existent gewesen, wären wir als Angehörige in der Verpflichtung - , mein Vater u. ich, angesichts dieser Extremsituation gnadenlos überfordert und nicht in der Lage objektiv zu entscheiden, was hätte geschehen können? Ich war froh, dass Oma Zeit ihres Lebens selbstbestimmt und klar orientiert, genau festgelegt hat, soundso hat das zu laufen. Oma verstarb und ich möchte behaupten, dass sie schmerzfrei war dabei, und "sanft" entschlief.

Mama war dann mit ihrem Mann auch bei einem Notar und hat per Patientenverfügung geregelt, was man im Rahmen der Gesetzgebung für sich regeln darf u. kann. Das ist bei weitem nicht alles, was man da regeln kann u. darf, aber doch schon einiges.

Womit ich (endlich! ) den Übergang zur aktiven Sterbehilfe gefunden habe. Aktive Sterbehilfe sollte meines Erachtens immer dann legitim sein, wenn das Leben eines Patienten im Endstadium einer unheilbaren Erkrankung an die Grenzen dessen stößt, was im Grundgesetz unserer Verfassung ausdrücklich geregelt ist. Nämlich, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Wenn ein Leben nicht mehr als selbiges zu bezeichnen ist, sondern nur noch als das Warten auf Erlösung. Und ich denke wenn dann, nur mal angenommen das würde Gültigkeit finden als Vorschlag, für das "rechtliche Prozedere" 2 Mediziner unabhängig voneinander befinden, dass das Leben alsbald endet, unumkehrbar - dann sollte auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten hin, mündlich oder vorher in Schriftform (da wäre die PV wieder im Spiel), dessen Wunsch Akzeptanz finden. Wenn dieser eben lautet, den Prozess des Sterbens als solchen mildernd zu beschleunigen, dann sollte eben dieser Wunsch, Berücksichtigung finden.

Mein Großvater starb ´97 an den Folgen seiner Prostatakrebserkrankung. Er litt. In der Trauerbegleitung "lernte" ich, dass sich seither viel getan hat, in der Schmerzbehandlung. "Heute muss niemand mehr so leiden!", hörte ich. Nun gut, selbst wenn dem so ist - ich denke so oder so hätte mein Großvater ab einem Zeitpunkt x sein Leben als solches nicht mehr als lebenswert empfunden.

Wenn ich heute so an mich denke, toi toi toi, soweit gesund, und die "automatisierte Krebsangst" durchspinne, dann weiß ich nur eines - ich möchte nicht leiden müssen. Ich möcht aber auch nicht meinen Kindern oder meinen Angehörigen zumuten, dass sie eine Entscheidung zu fällen haben, mit der sie Zeit ihres Lebens evtl. hadern, an der sie knabbern. Man muss es so regeln können, dass jeder Mensch (wie viele Menschen gibt es, die keine Angehörigen haben?!) per Verfügung dererlei Entscheidungen für sich fällen kann und selbige muss im Notfall dann greifen und respektiert werden. Wunschdenken ist das, ich weiß. Aber das wäre mein Beitrag für heute, das, was ich mir wünschen würde.

Liebe Grüße Euch allen

Annika
  #89  
Alt 05.04.2010, 13:40
Stefans Stefans ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe - was meint ihr dazu ?

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Zitat von rafael31 Beitrag anzeigen
Jedoch sind die medizinischen Mittel bereits so weit, dass Betroffenen die Qualen und Schmerzen recht gut genommen werden.
Wer jemanden schonmal unter hohen Morphium-Gaben langsam und qualvoll hat sterben sehen, ist da vielleicht anderer Meinung.

Davon abgesehen geht es bei dem Thema nicht nur um Schmerzen. Sondern um _Würde_.

Viele Grüße,
Stefan
  #90  
Alt 15.04.2010, 01:56
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HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe - was meint ihr dazu ?

Hallo Stefan,

du hast recht, wenn du sagst, der/die Überlebende muss mit seinem Gewissen fertig werden. Er MUSS, der oder die Verstorbene nicht. Der oder die ist fein raus. Hört sich jetzt grass an, ist aber de fakto so. Eine absolut nüchterne Feststellung, sonst nichts.

Für mich als Angehörigen ist das ein ganz wichtiger Fakt. Ich selbst bin inzwischen sowohl Vollmachtgeber als auch Bevollmächtigter. Die Dringlichkeit einer Patientenverfügung wurde mit und durch den Tod meiner Frau ganz deutlich. Wir haben sie umgesetzt. Dazu waren auch Gespräche mit den Menschen nötig, welche z.B. für mich später irgendwann vielleicht die Verantwortung übernehmen müssen oder sollen. Intensive Gespräche, denn auch die Bevollmächtigten müssen sich im klaren sein, was da auf sie zukommen kann. Sie müssen sich im klaren sein, ob sie das auch durchhalten können und welche Verantwortung auf sie zu kommt. Zumindest zu dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.

Die Patientenverfügung, auch wenn sie keine spezielle Person zur Durchführung der eigenen Interessen und Wünsche benennt, ist ein Vertrag. Zu einem Vertrag gehören IMMER Zwei. In diesem Fall eben ein Vertrag mit der Gesellschaft im allgemeinen. Die Rahmenbedingungen werden/sind gesetzlich geregelt.

Erkläre ich verbindlich einfach meine Wünsche, ohne jemand spezielles als Bevollmächtigten einzusetzen, dann ist die Gesellschaft angesprochen. Die gesetzlichen Bedingungen für die Erfüllung dieser Wünsche sind gegeben und es besteht eine gewisse Rechtssicherheit für die ausführenden Personen. In diesem Falle stehen die Angehörigen, falls vorhanden, ganz klar aussen vor. Als Verfasser einer Patientenverfügung hab ich also einen gesicherten Rahmen, in welchem ich mich als Vollmachtgeber bewegen kann, ohne von irgendjemandem etwas zu verlangen, was ungesetzlich wäre. Wobei der Vertrag hinfällig wäre, wiederspräche er dem Gesetz.

Setze ich eine andere Verfügung auf, in der ich jemand ganz persönlich als Bevollmächtigten einsetze, so verhält sich das grundlegend anders. Das kann man nicht machen, ohne dessen Einverständniss. Es ist ein Vertrag, auch der Bevollmächtigte muss damit einverstanden sein. Andersrum läuft das nicht. Der Bevollmächtigte muss sich also zu diesem Zeitpunkt sehr genau überlegen, ob er solch einen Vertrag annimmt. Wie immer der auch aussehen mag. Die beiden Extreme hab ich bereits angesprochen.

Per Gesetz hat der Vollmachgeber zu jedem Zeitpunkt die Möglichkeit, diesen Vertrag zu ändern. Das ist auch gut so. Auf der anderen Seite muss ich dann aber auch dem Bevollmächtigten zugestehen, seine Auffassung zum Vertrag zu überdenken und jederzeit ändern zu können. Er kann seine Vollmacht jederzeit abgeben. Dieses Recht muss ihm zustehen, genauso wie o.a. Recht des Vollmachtgebers. Auch diese Art der Patientenverfügung ist keine einseitige Angelegenheit.


Das gesellschaftliche Gewissen ist ihr Gesetzeswerk. Oberste Instanz für mich ist mein Gewissen. Nicht immer und überall muss es mit dem jeweilig gerade gültigen Gesetz übereinstimmen. Wenn sich also in bestimmten Situationen mein Handeln mit meinem Gewissen vereinbart, so tu ich das "reinen Gewissens". Welche gesellschaftlichen Konsequenzen das eventuell nach sich zieht, ist mir in dem Moment völlig egal und ist eine völlig andere Geschichte.

Im Gegensatz zum Sterbenden kann ich, in der Regel, als Bevollmächtigter oder auch als Nichtbevollmächtigter bis zur letzten Sekunde meine Entscheidungen vor meinem Gewissen überdenken. Ich kann(!) den Vertrag erfüllen, ihn abändern, ablehnen oder eben ignorieren. Wie gesagt: vor meinem Gewissen und in meinem Verständnis FÜR UND IM SINNE des Sterbenden.

Auch du hast nicht anders gehandelt und würdest es jederzeit wieder tun, in allen Varianten, die du bereits angesprochen hast.

Es kann jedoch nicht sein, dass da Verträge aufgesetzt werden, die absolut egoistischer Art sind, ohne auch nur im geringsten zu überlegen, welche Konsequenzen dieser Vertrag für andere haben könnte. Zumal diese Verträge ja im Vollbesitz der geistigen Fähigkeiten aufgesetzt werden. Was wiederum bedeutet: nicht nur Rechte sondern auch Pflichten!

Ich habe versucht, diesen Beitrag so nüchtern wie möglich zu schreiben, ohne Emotionen. Soweit das überhaupt geht. Ich hoffe, dass jetzt klar ist, was ich mit dem, zugegeben, provokanten "oder ...... ich gehe!" ausdrücken wollte. Selbstverständliche werde ich mit allen Mitteln versuchen, diesen Vertrag zu erfüllen. Ginge jedoch die Erfüllung des Vertrages, auch Teile davon, in der dann bestehenden Situation gegen mein Gewissen, so müsste ich mich entscheiden. Wie, brauche ich wohl nicht zu erläutern und mein Gewissen brauche ich nicht auf dieser Welt zu verantworten. Dafür gibt es eine höhere Instanz.


Einen schönen Tag wünsch ich euch

Helmut
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