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  #1  
Alt 30.12.2011, 12:35
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sywal sywal ist offline
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Standard Myxoides Liposarkom - Rezidive

Guten Morgen, schönen Tag, ganz einfach Hallo!

Ich lebe seit 1991 mit einem lästigen Gast, einem myxoiden Liposarkom Grad 1-2, welches leider immer wieder Nachwuchs im rechten Oberschenkel bekommt. In diesen 20 Jahren habe ich, krankheitsbezogen, so einiges erlebt. Nun, auf meine letzte, hoffentlich beinerhaltende Operation wartend, möchte ich zuerst über den Istzustand, im Anschluss über lustiges, trauriges, nachdenkliches der letzten 20 Jahre berichten.

Heuer im September war ich mit meiner Tochter 3 Nächte in Venedig/Lido. Da wir erst am Nachmittag das Zimmer beziehen konnten, deponierten wir die Koffer am Bahnhof und eroberten gleich mal Venedig per pedes und Rucksack. Am nächsten Tag, nachmittags, hatte ich in der rechten Hüfte starke Schmerzen. So stark, dass ich ins KH fuhr. Es dauerte 4 Stunden bis die verabreichte Spritze etwas wirkte, am nächsten Tag waren die Schmerzen weg. Etwas bequemer, hauptsächlich mit den Vaparettos fortbewegend erkundeten wir die Umgebung bis - ja bis die Schmerzen wieder kamen. So nahm ich das verschriebene Medikament ein, mit etwas Bauchweh, da der Beipacktext ja auf italienisch war.

Zu Hause angekommen ging ich zum Hausarzt, mit der Überweisung zum Röntgen und erhielt die Empfehlung zur MRT wegen Verdacht auf Hüftkopfnekrose. Na ja, bei dieser Gelegenheit konnte man gleich den Oberschenkel mitnehmen. Die letzte OP war Anfang 2006, die letzte MRT Ende 2006 und dann hatte ich ganz einfach die Schnautze voll von Arzt, Spital, Sarkom. Bis heute kann ich den Oberschenkel nicht ansehen oder abtasten.

Obwohl zwei Körperteile auf der MRT-Überweisung standen, bewilligte die Kasse nur 1 Körperteil. In 9 Wochen sollte der früheste MRT-Termin sein - trotz starker Hüftschmerzen. Dies bedeutete 3x täglich starke Schmerzmittel. Eine Bekannte meiner Tochter trat von ihrem Termin zurück, so wurde die MRT nach 1 Woche Wartezeit durchgeführt. Zuvor mußte ich noch bei der Kasse den 2. Körperteil urgieren bzw. bewilligen lassen.
Den MRT-Befund in Händen fiel mir sofort auf, dass der Oberschenkel nicht befundet war. Zur MRT war er aber von der Assistentin markiert worden. Der Arzt darauf angesprochen meinte, auf zwei Fremdwörter deutend, dass das der Oberschenkel sei, er die Bilder nochmals angesehen und kein Rezidiv festgestellt hat.

Mit diesem mangelhaften Befund ging ich zur Hausärztin und zum Orthopäden. Beide nahmen den Befund kommentarlos zur Kenntnis. Der Orthopäde spritzte erfolglos in meine Hüfte und nach 5 Spritzen empfahl er eine Stoßwellentherapie - privat selbstverständlich. Zu Hause angekommen suchte ich im Internet die Nebenwirkungen. Diese Therapie ist bei Karzinomen (damit auch Sarkomen) kontraindiziert.

Stinksauer ging ich zur Hausärztin und verlangte die Überweisung zur Zweitmeinung. Mit der Kassenbewilligung ging ich zum Institut meiner 1. Wahl, wurde am nächsten Tag angerufen. Ich musste mich nochmals in die Röhre legen.
Dem Besitzer des Erstinstitutes schrieb ich einen Bericht über die Vorkommnisse in seinem Institut und erinnerte ihn an den hippokratischen Eid. Sofort nach Erhalt dieses Briefes rief mich dieser Insitutsbesitzer und Arzt an, entschuldigte sich, er hätte die Bilder nachbearbeitet und 1 Rezidiv gefunden. Für den verlogenen schlampigen Arzt hätte das Vorgehen Konsequenzen. Der Befund (nunmehr mit 3 Rezidiven) wurde mir, mit einemm riesengroßen Blumenstrauß zur Wohnung gebracht.
Die Zweitmeinung ergab 2 Rezidive.

So suchte ich die Tumorambulanz eines orthopädischen Krankenhauses auf, ein CT/PET Termin in einem anderen Krankenhaus wurde vereinbart. 14 Tage später wurde ich 3 Tage im Ortho-KH aufgenommen, am 2. Tag mit dem Krankentransport zum anderen KH gefahren und die CT/PET durchgeführt.
Ich wußte nicht, wie schmerzhaft 1 1/2 Stunden bewegungslos liegen sein kann. Das lange ca. 30minütige, mit dem Kopf in der Spule liegen (die Spule hatte ca. 10cm Abstand) war weniger problematisch als die Schmerzen ab der Hüfte vom liegen.
Na ja, hab's in einem Zug hinter mich gebracht. Ach ja, bekam vom Krankenhaus im welchem ich aufgenommen war ein Jausensackerl mit, da ich ja sehr lange ausser Haus war. Dieses Jausensackerl, diese Fürsorge, hat mir sehr sehr gut getan! Wieder eingelangt, wartete das Mittagessen in einer Warmhalteschüssel auf mich. Auch gab es kein Problme mit dem von mir erbetenen heißen Wasser. Ich hatte mir Instant-Misosuppe (selbstverständlich vor Fukushima importiert) mitgenommen, für den Abbau des radioaktiven Kontrastmittels.

Der orthopädische Tumorchirurg freute sich mit mir, dass im CT keine Lungenmetastasen entdeckt wurden aber....
er will einen plastischen und einen Gefäßchirurgen zuziehen. Der Plastische ist klar und oK. Den Gefäßchirurgen braucht er, weil er die Rezidive en bloc rausholen will und dabei die Hauptschlagader mitnehmen will. Davor habe ich mehr Bammel als vor'm Rezidiv. Was ist wenn der Schlagadernersatz abgestoßen wird? Dann ist das Bein, bis über die Hüfte, ab.
Mein Vater hatte eine Plastikvene wegen Durchblutungsstörungen eingesetzt, da sind zuerst die Zehen, dann die Fersen abgestorben und dann hatte er Glück, dass der Oberschenkel (für eine Prothese) gerettet werden konnte. Bei mir würde dies nicht gehen, ich könnte dann nur mehr im Bett liegen oder auf einer A.-Backe sitzen.

Im Internet finde ich absolut nichts zur Schlagaderntransplantation. So bleibt mir nichts anderes übrig als zu hoffen, dass der Gefäßchirurg Gefahren und Nutzen mit mir bespricht und wir offen und ehrlich entscheiden.

Ich wünsche allen Menschen ein zufriedenes Neues Jahr
Sywal
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  #2  
Alt 31.12.2011, 00:31
mädl2010 mädl2010 ist offline
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Standard AW: Myxoides Liposarkom - Rezidive

Da fehlen mir schon zum Teil die Worte und dann muss ich sagen werde ich sehr wütend, was die sogenannten Ärzte anbelangt!

Ohne Zweitmeinung ist bei Sarkomen einfach nix und man muss selber einfach mitdenken und mithandeln. Ich bin so dankbar, dass ich in der damaligen Situation mit meiner Tochter RICHTIG gehandelt habe. Wer weiss, wie es ihr sonst nun gehen würde.

Hut ab wie Du das alles meisterst und auch den Ärzten gegenüber trittst!

Ich wünsche Dir alles, alles erdenklich Gute und geniesse das Musical!!!

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  #3  
Alt 01.01.2012, 10:57
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sywal sywal ist offline
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Standard AW: Myxoides Liposarkom - Rezidive

1991 / 1992

Ende 1991 bemerkte ich einen kleinen Dippel am Oberschenkel, knapp unter der Leiste. Wird mich wohl was gestochen haben dachte ich. Sollte sich das Ding nicht entzünden aber weiter bleiben wollte ich gleich 1992 zum Hausarzt gehen. Jetzt nicht. Ich war noch zu müde. Am Samstag vor Muttertag war meine jüngere Tochter gestorben, mit der größeren gab's auch Probleme und der Berufsalltag war nicht gerade leicht gewesen.
Jänner ging ich also zum Hausarzt. Es sollte eine Biopsie gemacht werden, Dr. M. wollte mir in ein paar Tagen einen Kollegen nennen, welcher die Biopsie durchführen sollte. Beim nächsten Arztbesuch erfuhr ich, dass kein Kollege gefunden wurde, Dr. M. am nächsten Tag die Biopsie selbst machen wollte.
Am Arbeitsplatz angelangt fragte ich meinen Chef ob er einen Chirurgen kennt. Sofort griff er zum Telefon und rief seinen Freund, einen Chirurgen, an. Ich sollte in 14 Tagen in die Privatordination von Dr. S. kommen. Doch als ich sagte, dass morgen eine Biopsie durchgeführt werden soll wurde mir mitgeteilt, dass man in einen Dippel nicht so einfach hinein sticht, der Termin wurde auf in 2 Tagen vorverlegt und die Biopsie abgesagt.
Als ich 3 Wochen später im KH ankam wartete man schon auf mich. Der 1. Patient war ausgefallen. Die Anmeldung war schnell erledigt, eine Schwester führte mich eilig zum Tagesbettenraum. Die dort diensthabende Schwester pflaumte mich gleich mal an, dass es von mir eine Frechheit sei, ein Tagesbett in Anspruch zu nehmen „so was macht man bei uns ambulant“ und sagte abschließend, „ziehen sie sich aus“. Wo fragte ich, sie antwortete ätzend „haben's keinen Platz?“ Na ja Platz war genügend, vor den Betten der anderen, anwesenden Patienten und den am Gang wartenden Patienten – die Türe stand weit offen. Mir war noch nicht mal ein Bett zugewiesen worden. Ich überlegte kurz, dachte, machst den alten Männern eine Freude und ziehst dich halt aus. Bei der Unterwäsche angelangt kam vom Gang eine Schwester gelaufen, zog mich zu einem freien Bett und schob einen Paravant vor. Noch nicht im Bett angelangt kam schon der OP-Lieferant, stolperte über meine noch nicht weggeräumte Reisetasche und schob mich letztendlich in den OP-Bereich.
Rechts neben mir war eine Türe offen. Ich konnte beobachten und hören wie eine Frau in KH-Kleidung privat telefonierte, dabei hatte sie ihre Füße in die unterste Schublade des Schreibtisches abgelegt. So etwas mochte ich nun mal gar nicht. Dann kam noch mein Chirurg, sagte zu dieser Frau „wir fangen an“, sie antwortete „siehst du nicht dass ich telefoniere“ und er lief mit „Frechheit“ und zu mir „ich schicke ihnen wen anderen“ davon. Dieser andere war sehr sehr jung, zittere am ganzen Körper und sollte mir Blutdruck messen. Pfff. Wo war ich da reingekommen? Sollte ich vom Bett springen und davon laufen? Ziemlich schnell gings aber dann ab in den OP.
Aufgewacht bin ich im Tagesbettenraum. Hatte Durst, wollte was zum trinken. Um 12 Uhr würde ich einen Kaffee bekommen. Dann fragte ich die grantige Schwester, ob ich eine Vorlage haben könnte, das Bett war von meiner Menstruation schon voll Blut, das fing zum jucken an. Die Antwort war nein, so was haben wir hier nicht. So verlangte ich eine Bettschüssel – die bekam ich wenigstens und lag bis 16:30 Uhr auf dieser Schüssel.
Es wurde 12 Uhr, ich bat um den versprochenen Kaffee, bekam eine alte Schnabeltasse in die Hand und machte einen Schluck von dem lauwarmen Gebräu. Kaffee? Das war ein übel schmeckender Tee. Vor der Zimmertüre stand ein Kaffeeautomat und so fragte ich die Schwester, ob sie mir einen Kaffee bringen würde. Nein. Jetzt reichte es. Schwester, Kellner, Fräulein, Bedienung, bitte wer bringt mir einen Kaffee von dem Automaten vor der Türe rief ich laut. Ich hatte die Schnautze voll. Genau diese böse Schwester brachte mir dann den Kaffee. Genüsslich wollte ich ihn trinken, mit Ohrstöpsel von meinem mitgebrachten Mini-Kassettenrekorder hören, doch da hatte ich vorerst die Rechnung ohne den Wirt – oder die Schwester – gemacht. Als ich mir das Gerät, welches unter dem Bett in der Reisetasche war greifen wollte – ohne meinen Oberkörper oder Bein zu bewegen – begann die Schwester handgreiflich zu werden, wollte mir das Gerät wegnehmen und schlug mich dabei auf die Hand. Ich sagte zu ihr ganz trocken „so was machen sie bei mir nie wieder“, gab die Stöpsel in die Ohren und hörte meine Musik.
Gegen 14 Uhr kam Dr. S., sah sich den Verband an, entfernte das Schläuchel sagte, um 16:30 Uhr könne ich nach Hause gebracht werden, wir vereinbarten einen Termin zur Nahtentfernung, und er gab mir einen Arztbrief (hochdifferenzierte Liposa möglich). Darüber regte sich wieder die Schwester auf. Nicht beim Arzt, bei mir. Sie hätte ein Kind und sieht überhaupt nicht ein, dass sie hier bis 16:30 warten müsse. Ich empfahl ihr den Beruf auf Häuslfrau (Toilettenfrau) zu wechseln, dafür wäre sie wohl besser geeignet.
Im Medizinlexikon fand ich kein Liposa, bei der Nahtentfernung würde ich ohnehin mehr erfahren. Vor der Nahtentfernung sagte Dr. S. am Telefon, dass ich das Ganze (den Dippel) vergessen könne. Mittlerweile ahnte ich, dass ein Krebsverdacht bestanden „hatte“, aber ich konnte ja das Ganze vergessen.
Voll Freude „ich könne das Ganze vergessen“ ging ich zum Hausarzt, überreichte der Sprechstundenhilfe ein Buch mit einem Dankebillett und verlangte den WC-Schlüssel. Als ich zurückkam sagte die Sprechstundenhilfe, Dr. M. wolle mit mir sprechen, ich soll warten. Ich stand also im Warteraum, Dr. M. fragte mich, vor allen anderen Patienten, was ich unter gutartig verstehe. Na ja, ich kann's vergessen. Er wieder holte seine Frage lauter werdend immer wieder so lange, bis ich kein Krebs sagte. Nein rief er, sie haben Krebs. Ich glaubte, mir nimmt wer die Luft zum atmen weg. Die anderen Patienten starrten mich an. Haltung bewahren war die Devise, so antwortete ich: „mein Chirurg hat gesagt ich kann's vergessen und heute Abend, bei der Nahtentfernung erfahre ich wer von euch lügt“ und ging zur Tür raus.
Bei einem befreundeten Buchhändler, dessen Laden in der Nähe war, bekam ich Trost und konnte mich etwas niederlegen und beruhigen. Am Abend erfuhr ich dann von Dr. S., dass Liposa Liposarkom heisst, es äusserst hoch differenziert war und keine Nachbehandlung notwendig sei. Auch bekam ich die Histo überreicht. Auf das Verhalten von Dr. M. angesprochen meinte Dr. S., dass sie wohl nicht die besten Freunde seien, obwohl Dr. M. seine Tante monatelang falsch behandelt hatte und er, der Chirurg, dieser Tante das Leben rettete. Sie hatte eine (nicht erkannte) Thrombose.

Jahre später, 1998, ich hatte mich in „das Liposarkom“ eingelesen, ersuchte ich die Pathologie dieses KH um Ergänzung der Histo. Es war weder das Ausmaß des chirurgischen Randes noch der Tumorgrad angegeben. Die Antwort kam zügig: Das Resektionspräparat war in mehreren Teilen übersandt, die Resektionsränder nicht markiert worden und daher war es unmöglich die chirurgischen Abtragungsränder nachzuvollziehen. Entsprechend der Fachliteratur (Kopie beiliegend) werden myxoide Liposarkomme immer als Grad I-Tumoren klassifiziert.

Im Sommer 1992 zeigte sich ein großer, rasch wachsender Dippel in der Brust. Ich rief Dr. S. an, der Dippel sollte nun in einem Privatkrankenhaus entfernt werden. Bei einem Krebs-Informationsdienst hinterfragte ich, wie lange ich Zeit hätte, nach Resektion, eine Entscheidung zu fällen. Längstens 1 Monat erfuhr ich. Dr. S. wollte meine Einwilligung zu einer weiterführenden OP. Die gab ich nicht, verweigerte im vorhinein den Gefrierschnitt zu bezahlen. Ich kann's vergessen hat's geheissen und ich habe 1 Monat Zeit. Wollte mich ganz einfach wegen etwas was gar nicht ist (sein kann) fertig machen lassen. Nun gut, dieser Dippel war gemäß Histo ein myxochondroides Syringom in einer mastopathischen Brust. Basta und tschüß ihr Dippel – dachte ich.
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  #4  
Alt 02.01.2012, 13:04
mädl2010 mädl2010 ist offline
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Standard AW: Myxoides Liposarkom - Rezidive



Ich bin wirklich geschockt über Deinen Bericht!

Wenn ich das lese... das ist nicht mehr Wut sonder Traurigkeit!
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  #5  
Alt 03.01.2012, 10:02
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1992/1993

Da ich mit meiner jüngeren Tochter eine Deutschlandrundreise, nach Hamburg zu Bon Jovi, nach Berlin zum Mauerfall und nach Bochum zu Starlight express machte, war ich meiner älteren Tochter schon lange eine gleichwertige Reise schuldig. So bestiegen wir Ende September einen Flieger und flogen 14 Tage nach London. Im Hotel angekommen entdeckte ich beim umziehen einen sichtbaren Dippel in unmittelbarer Nähe der Primärtumornarbe. Verzweifelt rief ich meinen Chirurgen an. Dr. S. beruhigte mich, ich sollte den Urlaub genießen und bei Rückkehr baldigst eine CT machen lassen.

Mitte Oktober hatte ich den Befund in der Hand. Der Dippel war, lt. Befund ein Nuss großes Lipom und im großen Becken zeigte sich eine 85x65mm große Verdichtung. Die in der Umgebung liegenden Organe werden deutlich verdrängt. Zwecks weiterer Abklärung wird die Durchführung einer Dünndarmpassage, Irrigoskopie sowie Sonographie empfohlen.

Ich spürte wie sich meine Nackenhaare aufstellten. War das mein Todesurteil? Immer wieder las ich diesen Befund und dann fiel mir auf, dass, wenn man schon mit CT das Innenleben eines Menschen genau betrachten kann, meine Myome doch auch zu sehen sein müssten. Das können, nein das müssen meine Myome sein!

So wurde ich von meinem Hausarzt, Herrn Dr. T. in ein neu eröffnetes Krankenhaus überwiesen und legte dem dortigen Ambulanzchirurgen den CT-Befund vor. Er las den Befund durch, suchte nach Worten bis der Begriff „nicht operationswürdig“ fiel. Was? Bitte was soll den das? Das Lipom ist ein Liposarkomrezidiv und diese Verdichtung im großen Becken sind meine Myome, korrigierte ich den Arzt ganz Fachfrau. Der Ambulanzchirurg sah mich erstaunt an und bat mich ihm die CT-Bilder bis am nächsten Tag zu leihen. Er wollte sich mit dem KH-Röntgenologen die Bilder ansehen. Am nächsten Tag wurden mir die Bilder zurückgegeben, eine Überweisung für die vom CT-Experten geforderten Untersuchungen „zwecks Abklärung“ überreicht und empfohlen in 3 Monaten wieder zu kommen. Na fein dachte ich, der schickt mich nach Hause sterben. Aber, wenn mein Lipom ein Liposarkomrezidiv ist, dann ist die Raumforderung sicherlich von den Myomen, war ich fest überzeugt. Aus „privaten“ Medizinergesprächen wusste ich, dass das LIS zwar rezidivieren aber nicht so rasch streuen würde.

Zur Irrigoskopie musste ich eine schleimige Flüssigkeit einnehmen, nicht gesagt wurde, dass dazu viel Flüssigkeit zu trinken ist. Demgemäß spielte mein ohnehin niedriger Blutdruck verrückt. Noch verrückter war die Untersuchung. Der Röntgenologe kam immer wieder und fragte mich nach dem Grund der Untersuchung mit „ich finde nichts“. Ja, das hatte ich mir schon gedacht.
Beim Ultraschall fand der Arzt auch nichts und stöhnte. „Fahrens mit dem Schallkopf doch mal zu der Gebärmutter“, gab ich ihm den goldrichtigen Tipp. „Die Gebärmutter ist sehr myomatös“ stellte er fest und ich bat ihn, seine Beobachtung in den Befund hineinzuschreiben. „Nein“ antwortete der feine Herr, das könne er nicht machen, denn das würde von der Kasse nicht bezahlt werden (die Gebärmutter ist im kleinen Becken, die Überweisung war für das Abdomen). Jetzt war für mich klar, der feine Herr Professor, KH-Abteilungsvorstand und RÖ-Institutsbesitzer hatte es offenbar nötig auf diese Weise seinen Umsatz zu steigern! Die Dünndarmpassage sollte er aber nicht mehr kassieren dürfen, die sagte ich ab.

Bei Gesprächen mit Histologen erfuhr ich, dass bei dieser hohen Sarkomdifferenzierung kaum bzw. keine Heilungschance durch Chemo- oder Strahlentherapie besteht. Die einzige Chance wäre eine Operation. Durch meine Recherchen erfuhr ich von 2 niedergelassenen Ärzten mit Schwerpunktpraxis. Einer arbeitete in Deutschland, einer in Österreich. Den deutschen Arzt würde ich mir ohne Kredit nicht leisten können. Den, zwar weit weg praktizierenden Österreicher, mit einer Kontoüberziehung sehr wohl. Seine Therapie war billiger, sie erschien mir auch nachvollziehbarer. Durch Zufall war man vor vielen Jahren auf die BCG-Vaccine gekommen, welche z.B. bei Tier und Mensch mit Sarkom, vergleichbare Ergebnisse erzielte. Später begann man zusätzlich inaktivierte Tumorzellen zu applizieren. (Mittlerweile ist ja die industrielle Forschung bzgl. standardisierte Krebsimpfung stark engagiert, hunderte Patente sind angemeldet)

Zusätzlich rief ich einen, im Gesundheitswesen hoch geachteten Politiker an und fragte ihn ganz einfach um Rat. Der österr. Mediziner sei kein Scharlatan, die Therapie jedoch nicht gesichert. Aber, in meiner Situation gäbe es keinen Einwand gegen diesen Therapieversuch. Es wären, im Vergleich zu Chemo/Strahlen, kaum Nebenwirkungen zu erwarten.

So stellte ich mich bei dieser Ärztegruppe vor und wir vereinbarten die Therapie. Zusätzlich mußte ich am Wohnort einen Arzt finden, welcher sich etwas mit Immunsystemtherapie auskennt.

Im Dezember war dann das „Lipom“ auf 4,5x3,1x3,4 cm angewachsen, festgestellt über einen simplen Ultraschall. Ich entschloss mich wieder im Privatkrankenhaus „einzuchecken“, in welchem die Brustoperation durchgeführt wurde. Und schon hatten die Neidhammel Grund sich das Maul zu zerreißen. „Bist was besseres?“ „Na du musst Geld haben!“ Wurden diese Meinungen mir ins Gesicht gesagt, dann antwortete ich trocken, dass ich eben meinen Urlaub im Krankenhaus verbringe während andere am Ballermann das Geld ausgeben. Und genau so sah ich es auch.

Ein Teil des Tumors musste gekühlt, innerhalb kurzer Zeit, beim Arzt in ca. 200km Entfernung abgegeben werden. Mit einem PKW, über die Autobahn, war mir das zu unsicher. So versuchte ich eine Transport-Sondergenehmigung der Bahn zu erwirken. Und wirklich ich bekam die Genehmigung. Eine Arbeitskollegin würde das Gut zur Bahn bringen, das Zugpersonal sollte es am Bestimmungsort einem Taxifahrer übergeben , und innerhalb vorgeschriebener Zeit würde die Tasche beim Arzt sein.

Am Plan stand nun Anfang Februar die Tumorentfernung. Sobald ich die Mobilität wiedererlangt hätte war der Klinikfriseur, Pediküre und Maniküre, eventuell auch ein Besuch bei der Kosmetikerin angesagt. Der Tumor wurde im Privatkrankenhaus extirpiert, eine Lymphadenektomie durchgeführt.

Als ich wieder zu Hause war lag eine Genesungswunschkarte der Bahnmitarbeiter in meinem Briefkasten. Sie kannten mich nicht persönlich, trotzdem hatten sie mit mir engagiert den Transport geplant und nun hatten sie sich die Zeit genommen mir baldige Genesung zu wünschen. Ein Hauch Geborgenheit umschloss meinen Körper, ich fühlte mich wie in einer großen warmen und schützenden Hülle.

Die Histo ergab ein Liposarkomrezidiv, Grad 1, Resektion im Gesunden.

Nun kam die Zeit der Ernährungsumstellung. Zuerst ging ich zur Krebsdiätberatung, dann kam ich irgendwie zur Makrobiotik. Hier lernte ich 3 Richtungen kennen. Eine ganz alte, welche sogar nichts dabei fand zu behaupten, dass man schimmliges Brot essen kann. Dieser Autor schrieb aber auch, dass man nur das essen soll, was in der Umgebung wuchs. Die etwas sanfteren Autoren gaben nicht nur Ernährungstipps, dokumentierten auch alte Hausmittel z.B. gegen Wasseransammlung in den Beinen. Zusätzlich besuchte ich auch einen Makrobiotik-Abend. Hier erfuhr ich, dass es sich bei Makrobiotik nicht nur um Ernährung oder Diät handelt, sondern auch um Lebensphilosophie. Letztere wurde sehr radikal vertreten. Diät war für mich in Ordnung – Lebensplanung nicht. Dankenswerter Weise fand ich in der Nähe meines Arbeitsplatzes einen Bioladen mit makrobiotischer Ausrichtung. Der Besitzer war ein Anhänger der 3. Richtung. "Du kannst ruhig Fleisch und Auszugzucker essen - Du sollst aber wissen, wie das Deinem Körper schadet". Mit dieser enormen Unterstützung begann ich einen Zucker- und Fleischentzug. Bot der Mann in seinem Laden mal eine wunderbare hausgemachte Torte an, verlangte ich 2 Stück davon, so fragte er mich freundlich „muss das sein?“. Nein, und schön brav ging ich ohne Torte aus dem Geschäft.

Es war ein sehr heißer Tag, am Arbeitsplatz war es auch nicht kühler, und trotzdem hatte ich Schüttelfrost. Konnte am Telefon kaum sprechen, die Zähne schlugen aufeinander. Entschlossen packte meine Tasche, rief zu den Kollegen, dass ich in ein bis zwei Stunden wieder kommen würde und ging mit dem Gedanken, mir jetzt einen Schweinebraten zu kaufen, zur nahe gelegenen Hauptstraße. Die auf die Straße scheinende Sonne half nicht gegen den Schüttelfrost, der mich noch immer quälte. Bei einem Großkaufhaus angelangt ging ich sofort ins Selbstbedienungsrestaurant, wollte mir den Braten kaufen doch, als ich das Fleisch sah überkam mich Ekel. Da wurde aber auch ein Butterbrot mit fein geschnittenen Radieschen angeboten. Ich nahm das Brot, Messer und Gabel, setzte mich zum Tisch, schnitt ein Stück von dem Brot, führte es zum Mund. Als sich der Geschmack des Radieschenbrotes im Mund breit machte – war der Schüttelfrost weg. Ich denke, das war der Moment in welchem die sogenannte Entgiftung abgeschlossen war.
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  #6  
Alt 03.01.2012, 11:15
mädl2010 mädl2010 ist offline
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Standard AW: Myxoides Liposarkom - Rezidive

Das nenne ich mal interessant und freue mich auf mehr Infos!
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