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  #901  
Alt 09.10.2009, 13:57
karanda karanda ist offline
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Standard AW: Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......

Liebe Briele,

Ich bin froh von dir zu lesen und hoffe es geht dir soweit gut.

Lang ist's her mit unserem Thread. Ich hab manchmal drin gelesen und Wehmut kam hoch. Auch ein wenig Scham, da ich damals doch sehr kindisch drauf war und es mir nicht besonders gut ging.

Jetzt ist mein Vater 8 Jahre tot und ich bin immer noch sehr viel damit beschäftigt. Es hört nicht auf, es blieben Fragen offen und die versuche ich mir zu beantworten.
Aber könnte ich mich doch nur noch einmal mit ihm aussprechen.
Vermutlich wäre für ihn und mich mit einigen Worten alles ausgesprochen, da es nicht wichtig wäre.
Er hat mich auf seine Art geliebt und ich ihn sowieso. Das zählt.

Mein Opa ist jetzt 22 Jahre tot, unglaublich.
Die Wunden sind verheilt, Erinnerungen sind verblasst, aber die tiefe Liebe zu ihm, unsere gemeinsamen Unternehmungen, sie sind noch da.

Beide fehlen mir sehr, immer noch.

Das Leben geht weiter, andere geliebte Menschen werden krank und man sorgt sich um sie. Die eigenen Zipperlein nehmen zu.

Doch eins habe ich gelernt. Das Leben ist schön, wir sollten keinen Tag versäumen und das Jetzt geniessen und würdigen. Es kann alles so schnell gehen.

An alle einen lieben Gruss

Karanda (alias viv)
  #902  
Alt 10.10.2009, 19:51
Briele Briele ist offline
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Standard AW: Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......

@Liebe Andrea,

ich meditiere nun schon länger über Dein …..“unsere alten Ecken wieder aus den Abgründen hochzuholen……“ Was mein Hochholen dieses Threads betrifft, da sag ich ganz rein und fröhlich JA! Andrea, ich war aber nun auch ein bißchen in den Abgründen meiner Seele und hab da Sachen in dunklen Ecken gefunden, Du ich weiß nicht ……

Ein paar Worte zu meiner Wehmut die ich vor einer Woche empfand: Es erging mir ähnlich wie beim Betrachten alter Fotos von einem Klassenausflug, oder von einer gelungenen Feier. Man sieht da Menschen von denen man nichts mehr weiß und man erinnert sich, wie man sich in deren Gesellschaft wohl gefühlt hat. Es ist eine weitere Zeitspanne im Leben die vorbei ist.

Ja, wir hätten alle gerne verzichtet überhaupt in das Forum zu kommen. Bei mir war es ja einige Jahre nach Mamas Tod und ich habe mich nachträglich selbst bedauert diese Hilfe nicht früher gehabt zu haben. Ich weiß nicht wie es bei mir weiter gegangen wäre, auf jeden Fall bin ich gottfroh Euch gefunden zu haben.

@liebe Petra11,

das freut mich sehr, sehr von Dir zu hören. Vergessen habe ich Euch nicht, das werde ich auch nie, aber ich habe den Kontakt zu Eurem kleinen, feinen Forum verloren als mein Computer kaputt ging. Meine kleine Wehmut hat Euch mit einbezogen, über eine lange Zeit waren unsere threads täglich mehrmals nebeneinander und liebe Nachbarn zu verlieren ist immer traurig.

Ich hab mich öfter gefragt ob Ihr noch beisammen seid, es diesen lieben Hühnerhaufen noch gibt, Euch auch noch trefft von Angesicht zu Angesicht. Es macht mich richtig froh zu hören, daß das der Fall ist.

Danke, daß Du geschrieben hast und ganz herzliche Grüße an alle die sich noch an mich erinnern.

@liebe Dolores 2505,

danke für Deinen Beitrag. Ich nehme an Du hast bei Petra11’ thread mitgeschrieben, oder ich stehe gewaltig auf dem Schlauch, oder ich kenne Dich unter einem anderen Namen?

@liebe Karanda, liebe Viv, damals auch oft liebes Vivele genannt,

also daß ich Dich auf meine alten Tage noch treffe ist wirklich eine große Freude! Ich weiß beim besten Willen nicht wann Du kindisch warst, wofür es was zu schämen gäbe, das ist einfach absurd.

Als ich in meinem Mamabrief schrieb, daß ich vielleicht für Menschen hier eine Enttäuschung war, da hab ich an Dich gedacht, aber leider sind mir noch andere eingefallen.

Ich hab versucht in Karanda-Beiträgen herauszufinden welcher Art Deine Sorgen sind, wer, welche Erkrankung hat, aber ich blicke da nicht ganz durch, habe den Eindruck, daß Beiträge fehlen. Vielleicht bin ich auch zu ungeschickt. Nun kann ich dazu gar nichts sagen, außer daß ich viele gute Wünsche schicke!

Wahrscheinlich bleiben immer Fragen offen und neben der Sehnsucht das Bedürfnis sich auszusprechen, zu erklären, auch Fragen zu stellen. Das Wichtigste ist – wie Du schreibst – daß die Liebe bleibt und die hast Du in Dir, Viv.

Und Deinen letzten Satz, daß ganz schnell alles vorbei sein kann und man im Hier und Jetzt leben soll, der ist so wichtig, ich sollte ihn wie ein Mantra jeden Tag vor mich herbeten. Ich weiß es ja, aber ich lebe es nicht (oft genug).

Was die eigenen Zipperlein betrifft – ein abendfüllendes Thema!

@ an alle: ich schick Euch ganz herzliche Grüße und gute Wünsche
Eure Briele
  #903  
Alt 01.07.2011, 11:22
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......

Stammtisch oder hier? Die Entscheidung fiel mir leicht. Heute will ich hier schreiben, hier am "ersten Stammtisch"

@Briele: Heute nun bin ich seit einem Jahr bereits ein "altes Halbwaisenkind" Wo ist die Zeit hin? Ein Jahr - und ich kann nicht sagen, ob ich wirklich in dieser Zeit einmal nur um den Verlust meines Vaters geweint habe. Geweint habe ich, aber die Gedanken galten nicht ihm alleine.

Liegt es daran, dass ich leichter Frieden finden kann mit dem Gedanken daran, dass DIESER Abschied in der Reihenfolge "richtig" war? Es sollte so sein, dass der Vater vor dem Kind geht. Alles andere wirbelt den Lebensplan noch mehr durcheinander, lässt in allem noch weniger den Lebenssinn erkennen.

Doch, ich habe geweint, an dem Abend, als er starb. Und ich frage mich noch heute: War ich wirklich so feige? Oder wollte ich instinktiv diesen Abschied alleine meiner Mama gönnen? Die Wochen zuvor waren wir wieder "Ursprungsfamilie" Stunden verbrachten wir an Papas Bett und ich sah, was geschah, sah es täglich deutlicher. Erinnerte mich an Worte von Bruni, die mir halfen, hoffentlich das Richtige für Papa zu tun. Anders als bei Claus, bewusster, behutsamer, bereit anzunehmen, bereit, ihn gehen zu lassen. Diese Stunden waren die schönsten seit Jahren. Er war so glücklich über seine Familie. Die Enkel kamen, um Abschied zu nehmen. Auch sie sahen diesmal mit anderen Augen. Und sie hatten die Stärke ihm zu zeigen: Wir lieben dich, egal wie du jetzt aussiehst, du bist in dieser Zeit ebenso unser Epa wie früher.. Und auf seinem letzten Weg machte er einen "Fehler" wieder gut. Er wollte Steffen sehen, fragte sehr oft nach ihm, um ihm seinen Segen zu geben, es hat so lange gedauert, bis Papa verstand, wie wichtig es gewesen wäre. Aber ich begriff auch, dass er diesen Segen nicht nur für die Gegenwart gab. Frieden schließen. Ja, wir haben ganz ehrlich Frieden geschlossen.

Diese letzte Zeit war tatsächlich eine sehr intensive.Doch an diesem letzten Tag war ich unruhig, wollte nach Hause, wollte nicht dabei sein. Ja, das denke ich: Ich wollte in diesem letzten intimen besonderen Augenblick nicht dabei sein. Ich fuhr heim und hatte tausend Gründe, noch nicht wieder zu meinen Eltern zu fahren. Aufschub, noch ein wenig. Ich habe diesen letzten besonderen Augenblick vor fast 7 Jahren mit meinem Mann geteilt. Dieser letzte besondere Augenblick soll ihm alleine gehören, solange es möglich ist.

Und es war gut so. Denn Mama konnte es ebenso als "schön" erleben. Sie erinnert sich nicht mit Schrecken, sondern eher mit Verwunderung: Wie kann man das Sterben eines geliebten Menschen als schönen Augenblick empfinden. Weil wir (wieder) Glück hatten. Sein Sterben war friedlich, sein Körper kämpfte keinen Todeskampf, es war alles gesagt und mit der Vergangenheit Frieden geschlossen. Ein Leben mit viel Leid, mit ebensoviel Freude, mit Streit und Liebe ging leise zu Ende. Für meine Mama natürlich dennoch zu früh, aber sie ist sich bewusst, dass sie gesegnet waren die beiden: 62 Jahre gemeinsamer Lebensweg und keine Stunde bereut. Ja, da kann man neidisch werden. Das war vielen von uns nicht vergönnt.

Und heute greifen wir für Mama unsere liebgewonnene Tradition auf: Wir feiern Papas Regenbogentag, bei uns. Mit der Familie, weil sie ihm bis zum Schluss sehr wichtig war - wenn er es auch nicht immer so deutlich zeigen konnt.

Wer weiß, vielleicht hat Claus ja dort wo sie jetzt sind ein wenig Einfluss auf unseren "Sturkopf", vielleicht kann er ja dort, wo sie jetzt sind, seine Prinzipien ein wenig loslassen und sie stoßen auf ein Wiedersehen an, an das ich ganz, ganz fest glaube. Denn sonst, nein, daran mag ich nicht denken.

Auf dich Papa!

LG
Andrea
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  #904  
Alt 30.05.2013, 13:51
Briele Briele ist offline
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Standard AW: Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......

Es ist lange her seit ich das letzte Mal hier geschrieben habe. Mir ist schwer ums Herz, heute vor einer Woche ist mein Mann gestorben. Ich werde und wurde in all den Jahren immer mit ganz liebevoller, zugewandter Aufmerksamkeit von Menschen quasi betreut, die ich hier kennenlernen durfte, die Freunde geworden sind. Trotzdem möchte ich heute in meinem uralten thread darüber schreiben.

Die letzten 10 Tage seines Lebens verbrachte er in der Palliativen Abteilung eines Krankenhauses und mir war, als arbeiten dort keine Menschen, sondern Engel. Daheim ging es trotz Unterstützung einer ambulanten palliativ-care Einrichtung einfach nicht mehr. Er hat nie genug Medikamente eingenommen, war getrieben von der Sorge sie könnten am Ende nicht reichen und diese Angst konnte ihm nichts und niemand nehmen. Neben der Krebserkrankung war er ja geplagt von einem ausgeprägten restless-leg Syndrom, was er manchmal als die schrecklichere Krankheit empfand.

Über die Wochen, vielleicht sogar Monate, hatte er mich mehr und mehr als seine Gegnerin empfunden, die seine Ängste nicht verstand, die nie Ruhe gab mit den Medikamenten. Und ich konnte keine Ruhe geben, bei dem Elend, das ich dauernd sah und erlebte. Neben all meinen Ängsten und Sorgen war es mir ein ganz großer Kummer, dass ich, wenn es so weitergeht, mir dann nur mehr wünschen würde, dass alles bald ein Ende hat.

Eine Schwester der ambulanten palliativ-care Einrichtung übernahm dann die Initiative, fragte ihn ob er in ein Hospiz möchte und er meinte, er würde lieber daheim bleiben, sähe aber ein, dass es nicht mehr geht. Ich verhielt mich passiv, sagte nicht ja, sagte nicht nein, war wie paralysiert vor Entsetzen. Es ging dann schnell. Hospizplatz war keiner frei, doch bereits für den kommenden Tag einer in der Palliativen Abteilung.

Es ist dann unmittelbar darauf, praktisch von einer Minute auf die andere etwas passiert, was ich nicht für möglich gehalten hätte, wofür ich unsagbar glücklich und dankbar bin: wir konnten augenblicklich wieder so zueinander sein, wie wir es immer waren - liebevoll, zärtlich, zugewandt.

Nachdem die Nächte zuvor ohne Rast und Ruh waren, war es in der letzten Nacht daheim noch anstrengender für uns beide, dass am Morgen der schreckliche Abschiedsschmerz von der Wohnung in den Hintergrund trat. Wir waren fix und fertig und warteten nur mehr auf den Rettungswagen. Es würde zu weit führen über diese Palliative Abteilung zu schreiben. Sie war die Rettung für uns beide. Es gab nicht einen Punkt den ich kritisieren könnte. Wir hatten Glück.

Man hat mit ihm die Medikamentation besprochen, ihn gefragt ob er mit den Vorschlägen einverstanden ist, und er akzeptierte alles. So konnte die schreckliche Unruhe eingedämmt werden, er war nahezu schmerzfrei, auch seine Panikattacken verbunden mit Luftnot konnten behoben werden.
Man hatte auch mich immer im Blick, das tat gut.

Ich war täglich viele Stunden bei ihm. Einmal dachte ich er würde sterben und blieb die Nacht bei ihm. Dann gab es drei Tage, in denen ich mir gut vorstellen konnte, dass er noch einige Monate leben wird. Wir waren in zwei Hospizeinrichtungen angemeldet.
Doch letzten Mittwoch Morgen rief mich die Ärztin an, er sei kaum ansprechbar, völlig desorientiert und ich möge kommen.

Ich saß dann 27 Stunden neben ihm. Er konnte nicht mehr sprechen, hat aber durch Hand- und Kopfbewegungen signalisiert, dass er versteht. Zweimal hat er mir gezeigt, dass er mich umarmen will.

Nach den vielen Stunden hat man mir mehrfach gesagt, ich müsse jetzt einfach heimgehen und ein paar Stunden schlafen und ich wollte nicht gehen, konnte aber auch nicht mehr da sitzen. Sie versprachen mir ständig nach ihm zu sehen und ich fuhr heim. Ich hatte zweieinhalb Stunden geschlafen, neben mir war das Handy, das Festnetztelefon und ich habe beide nicht läuten gehört als man mich vom Krankenhaus angerufen hatte. Die Schwester sagte mir dann, sie war bei ihm gewesen als sie sah, dass es nun zu Ende gehen wird. Zu diesem Zeitpunkt rief sie nicht an, weil klar war, ich würde den Weg nicht schaffen, nicht einmal wenn ich nur im Krankenhauspark gewesen wäre. Er war im Schlaf gestorben, zu einem Zeitpunkt als ich auch geschlafen hatte. Es ist passiert, als wir beide schliefen.
Man hat mir dutzendfach erklärt, dass Menschen oft sterben wenn der Angehörige weg ist, aber ich kann es mir noch nicht wirklich verzeihen.

Nun muß ich ohne meinen Mann weiterleben. Er war der liebenswürdigste, warmherzigste, freundlichste, großzügigste Mensch den ich je kannte. Einen Tag bevor er starb, sagte er zu einer Schwester, dass er sich große Sorgen um mich macht, weil ich nun ganz alleine bin, hier niemanden habe und ob man sich auch nach seinem Tod noch ein wenig um mich kümmern würde.

Es hat mich schon im Vorfeld bekümmert, dass mein Mann außer mir so gar keinen Menschen hat. Dann hat mir vor Monaten eine Freundin etwas erzählt, dass mir geholfen hat. Mit einem großen Freundeskreis hatte sie im letzten Jahr eine Freundin drei Monate lang in einem Hospiz begleitet. Sie erzählte, dass die sterbende Freundin nie alleine gewesen war, und sie alle zufrieden waren, das so gut hinbekommen zu haben. Nach dem Tod der Freundin fragte sie sich, wie sie es einmal haben wolle, wenn das Leben zu Ende geht. Und stellte mit Entsetzen fest, dass der Gedanke beim Sterbeweg nie alleine sein zu können einfach schrecklich sei. Das finde ich ehrlich gesagt auch.

Mir scheint es gehört zur Trauer dazu, dass man ständig herum stochert um eigene Unzulänglichkeiten zu finden, etwas, was man sich vorwerfen kann, zu bereuen ist. Nachdem es mir nun ansatzweise möglich wird mir nicht zu sehr vorzuwerfen, dass ich gegangen war, quält mich etwas anderes.

Werner war in letzter Zeit traurig und er hatte Angst. Einmal meinte er, er müsse nicht so traurig sein, wenn ich nicht so lieb wäre. Neben meiner eigenen Traurigkeit und Angst empfand ich die seine noch viel schmerzhafter. Ich habe natürlich versucht sie abzufedern, ihn aufzufangen, aber es ist mir nicht gelungen. Ich bin da gescheitert, habe versagt, war keine Hilfe. Das tut mir sehr weh.

Verzeiht mir diesen langen Beitrag. Aber Ihr wisst wie es ist: man möchte in die Welt hinausschreien: Er ist nicht mehr, er ist nicht mehr.

Eure traurige Briele
  #905  
Alt 30.05.2013, 16:04
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fraunachbarin fraunachbarin ist offline
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Standard AW: Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......

liebe briele..
es tut mir ganz doll leid, daß du deinen mann verloren hast. du schreibst so voller liebe..ihr müßt ein ganz tolles paar gewesen sein.
ich weiß, ich kann dir hier ganz oft schreiben, daß du dir keine vorwürfe machen sollst... du wirst sie dir trotzdem machen.
es ist aber wirklich so, daß der sterbende, wenn er die möglichkeit hat, sich raussucht, allein oder in begleitung zu gehen. das haben mir die hospizengel als meine mami ging, auch gesagt. sie erleben das sehr oft.
ich wünsch dir ganz viel kraft für die schwere zeit der trauer.
ich umarm dich unbekannter weise..
tine
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MISS YOU MAMA
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  #906  
Alt 30.05.2013, 19:40
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Gina79 Gina79 ist offline
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Standard AW: Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......

Hallo Briele! Es tut mir sehr leid, dass du deinen Mann loslassen musstest. Auch ich musste vor kurzem meinen Papa loslassen, und auch ich habe mir Vorwürfe gemacht (und mache mir diese auch heute noch öfters) dass ich nicht dabei war und ihn alleine gelassen habe als er ging.

Wir, ich und meine Mum waren ganz oft und ganz lange bei ihm, an diesem Tag hatten wir sogar darüber nachgedacht bei ihm zu übernachten. Papa war aber an diesem Tag gar nicht so schlecht drauf. Leider kam in der Früh dann der schreckliche Anruf dass Papa nur schwer ansprechbar sei und wir kommen sollten.
Das riesige Schneechaos an diesem Morgen hatte verhindert dass ich rechtzeitig kommen konnte. Wir haben Papa um ganz kurze Zeit, vielleicht sogar Sekunden verpasst.

Auch ich habe mir Vorwürfe gemacht und habe immer gedacht ich hätte doch bei ihm übernachten sollen. Jetzt, nach ein paar Monaten ist zwar meine Traurigkeit noch viel größer geworden weil der Schock weg ist aber ich mache mir nicht mehr so oft Vorwürfe. Ich weiß dass mein Papa keine Mensch großer Worte war und dass mein Papa Abschiede ganz und gar nicht mochte. Und ich weiß dass uns Papa schützen wollte und es uns so leicht wie möglich machen wollte. Und das hat er geschafft und dafür bin ich ihm heute unendlich dankbar. Ich darf heute sagen dass mein Papa bis zum Schluss alles richtig gemacht hat und so wie er es gemacht hat ist es gut für uns.

ICh weiß, ich kann dir nicht helfen und ich kann dir auch deine Vorwürfe nicht nehmen weil du sie dir sowieso machen wirst aber glaub mir, dein Mann wollte es so. Und denk daran, so wie er es gemacht hat, so war es richtig für ihn und so soll es für dich gut sein. Es ist gut wie es ist!
ER wollte es sicher so, wie Tine auch schon geschrieben hat suchen sich Menschen aus ob sie alleine sterben oder ob sie jemanden um sich brauchen. Davon bin ich auch fest überzeugt!

ICh wünsche dir ganz viel kraft für die nächste Zeit und ich weiß wie du dich fühlst! Auch ich breche noch ganz oft in Tränen aus wenn ich an meinen Papa denke und wenn ich alleine bin. Selbst wenn ich alleine am WC sitze rollen mir manchmal die Tränen runter.
Wir schaffen das und unsere Liebsten sind trotzdem immer bei uns, wenn auch nicht in der Form wie wir es gewohnt sind!

Alles Liebe und ganz viel Kraft, Nina
__________________
Mein Papa: Kleinzelliges Bronchialkarzinom
Diagnose am 21.12.2011
am 23.2.2013
  #907  
Alt 31.05.2013, 09:52
Blue Blue ist offline
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Liebe Briele,

weißt Du noch die Schuhe? Die Zickenschuhe die doch tatsächlich „Blasenpotenzial“ hatten? Ich habe sie immer noch….

So sitze ich hier, laß Deine Zeilen auf mich wirken und mmmh, ja, und jetzt? Ich bin mir sicher, es war alles „richtig“ für Deinen Werner. So wie Euer letztes Stückchen Weg war, konnte nur Euer Weg sein. Mit nichts vergleichbar. Es ist gut, so wie es war.

Du bist nicht gescheitert und hast nicht versagt. Nein. Du bist soweit mitgegangen, soweit es möglich war und er hat Dir einen Schatz dagelassen. Eine wunderbare und aufrichtige Liebeserklärung – eben genau für diesen Moment. Wie wohl hat er sich doch bei Dir gefühlt….

Und jetzt? Einen Tag nach dem anderen, in Deinem Tempo. Ich drück Dich.

Bruni
  #908  
Alt 01.06.2013, 21:45
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......

Meine liebe Briele,

ich bin froh, dass du deinen wunderschönen alten Thread hoch geholt hast. Vor über 8 Jahren hat mich die Überschrift tief berührt, habe deshalb hier gelesen und hin und wieder auch geschrieben. Und die Überschrift hat nichts von ihrer Aussagekraft verloren. Genauso ist es.

Über so viele Jahre hast du mich und viele andere liebevoll begleitet. Immer die richtigen Worte gefunden. Ich erzähle oft von dir, meine Freundin, die mich nicht selten ganz liebevoll an der Hand genommen und ganz behutsam zur Seite geschubst hat.

Das Schreiben hier hilft, du weißt es selbst. Das Chaos in Buchstaben packen, rausschreien in die Welt, was die Seele quält und wissen, jeder hier weiß, wie entsetzlich weh es tut, wie wund sich der ganze Körper anfühlt vor lauter Sehnsucht und Kummer.

Du machst alles gut Briele. Bei allem was du mir erzählst denke ich: Sie macht es so gut! Ich bin stolz auf dich!

Deine Andrea
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  #909  
Alt 02.06.2013, 00:36
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HelmutL HelmutL ist offline
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Hallo Briele,

deine Worte drücken so viel Traurigkeit und Verzweiflung aus. Keine Ahnung, wie ich dich trösten soll. Nur eins möchte ich dir schreiben:

Zitat:
Zitat von Briele Beitrag anzeigen
Ich habe natürlich versucht sie abzufedern, ihn aufzufangen, aber es ist mir nicht gelungen. Ich bin da gescheitert, habe versagt, war keine Hilfe. Das tut mir sehr weh.
Du hast alles getan, was dir möglich war. Da ist kein Versagen. Es gibt Dinge, die kann man einem Menschen nicht abnehmen, auch wenn man ihn noch so sehr liebt. Du hast seine Angst, seine Schmerzen verstanden, mitgefühlt und ihm geholfen, sie zu ertragen, hast ihm zur Seite gestanden ohne Wenn und Aber. Dein Mann wusste das und hat es dir gesagt mit einer tief empfundenen Liebeserklärung. Liebe kann weh tun und trotzdem fühlte sich dein Mann mehr als geborgen in deiner Nähe.

Mehr kann man nicht tun.

Auch wenn dich das nicht tröstet ... vielleicht kannst du drüber nachdenken.

Du bist auch nicht alleine mit solchen Gedanken. Gerade in letzter Zeit ging mir ähnliches durch den Kopf.


Liebe Grüße,

Helmut
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Zeit zum Weinen, Zeit zum Lachen.
http://www.krebs-kompass.org/howthread.php?t=31376
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Die von mir im Krebs-Kompass verfassten Texte dürfen auf anderen Homepages und in anderen Foren ohne meine ausdrückliche Zustimmung weder verwendet noch veröffentlicht werden. Auch nicht auszugsweise.
  #910  
Alt 02.06.2013, 11:25
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Ylva Ylva ist offline
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Liebe Briele,
es ist immer eine Gratwanderung und man hat oft das Gefühl, es ist nicht genug was man tut oder getan hat. aber ich glaube, es war mehr für dich und für ihn als man in Worte fassen kann.
Liebe Briele, ich denke an dich.
Ylva
  #911  
Alt 02.06.2013, 19:28
Briele Briele ist offline
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Ihr Lieben! Ich danke Euch ganz herzlich für Eure tröstenden, Anteil nehmenden Worte, die mir sehr gut getan haben.

@Frau Nachbarin
Es tut mir leid, dass Du Deine Mama nicht mehr hast. Meine ist vor 14 Jahren gestorben und ich vermisse sie nach wie vor. Auch jetzt würde ich gerne mit meinem Kummer zu ihr flüchten. Als ich 2005 ins Forum kam konnte ich im Austausch mit anderen langsam besser mit meinem Verlust, der Trauer, umgehen. Ich wünsche Dir alles Gute und danke, dass Du mir geschrieben hast.

@Gina79
Auch Dir vielen Dank! Bei Tine dachte ich schon, es ist ja noch nicht lange her, bei Dir sind es grad mal drei Monate, dass Dein Papa gestorben ist. Tines Mama, Dein Papa und ja auch Deine Mama hatten in der ganzen schweren Zeit schon allein deshalb bestimmt ganz oft Gefühle von Glück und Stolz, dass sie so tolle Töchter haben, wie Ihr es seid.
Mach es weiter so gut!

@Blue
Mensch Bruni! Daß wir einander hier noch einmal lesen! Viele Erinnerungen kamen hoch und vielleicht lese ich ja einmal in “unseren” alten threads.
Du und Andrea, viele andere, waren so jung als Eure Männer sterben mussten. Wenigstens zu hadern gibt es in meiner Trauer nichts.
Du hast Recht: ein Tag nach dem andern, der eine so, dann wieder ein anderer. Ich danke Dir und drück Dich zurück

@AndreaS
Meine liebe Freundin! Ich bin einfach froh Dich in meinem Leben zu haben, das ist richtig schön! Und was Du nun per Mail mit mir machst, ist im wörtlichen Sinn: Seelsorge - so wie sie im besten Fall sein sollte.
Hab Dank, vielen Dank!

@HelmutL
In all den Jahren habe ich etliche Beiträge von Dir gelesen, Du schreibst sehr einfühlend und warmherzig. Und nun auch mir, wofür ich danke.
Vom Verstand her kann ich alles was Du mir sagst annehmen, auch den Satz: “mehr kann man nicht tun”. Das ist wohl wahr. Nur von den Gefühlen her möchte man gerne die Fähigkeit gehabt zu haben, mehr zu tun. Letzten Endes kommt es darauf hinaus, dass man seine Lieben bewahren, beschützen möchte und es sind da halt einfach Grenzen gesetzt.
Alles Liebe und Gute für Dich.

@Ylva
Hab vielen Dank für Deine Zeilen. Ich kenn Dich noch von früheren Zeiten
und weiß um Deinen Kummer, Deine Sorgen um Deine Mama. Du bist eine tolle Begleiterin für sie und meine guten Wünsche sind bei Euch.

__________________________________________________ _


Ich glaube, das “Trauertier”, das einen ohne Vorwarnung von der Seite her anspringt, hat damals mit mir Einzug in das Forum genommen. Dieses Mal empfinde ich meine Trauer anders. Sie kommt wie in Wellen, baut sich auf, ebbt wieder ab. Kommt und geht, kommt und geht.

Meistens fühle ich mich umfangen von den Armen meines Mannes, auf jeden Fall behütet.

Habt nochmals Dank und passt gut auf Euch auf!
Eure Briele
  #912  
Alt 03.06.2013, 00:26
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HelmutL HelmutL ist offline
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Hallo Briele,

klar. Gefühl und Verstand, das sind sehr oft zwei konträre Dinge. Sie können im Einklang sein oder sich widersprechen. Hier widersprechen sie sich oft. Doch wenn man das Gefühl alleine walten läßt macht sich oft Verzweiflung breit, weil keine Lösung in Sicht ist oder scheint. Dann kann der Verstand Brücken bauen, Lösungen finden, mit welchen es möglich sein kann zu leben.

Eine solche Lösung muß nicht immer der Wahrheit oder Wirklichkeit absolut entsprechen. Oft genügt auch eine Wahrheit, an die man glauben kann. Es gibt gerade in unserem Fall zu viele unlösbare Rätsel. Ob nun die objektive oder die subjektive Wahrheit für den Einzelnen jeweils richtig ist, ist zunächst egal. Hauptsache eine lebensfähige Lösung.

Ein Rest an Traurigkeit, Zweifel und Rätsel bleibt immer übrig. Damit muss man lernen zu leben. Die eigenen Grenzen zu erkennen, ist nicht unbedingt die Lösung (wie du selber weißt und ich auch) und nicht jede Lösung ist von Dauer. Ein kleines Hätte/Könnte/Vielleicht bleibt. Das ist auch bei mir so. In der Trauer ist 1 plus 1 eben nicht unbedingt gleich 2. Die Rechnung kann auch 1.99 oder 2,5 ergeben und trotzdem für dich absolut richtig sein und so manche 5 ist dann halt mal gerade.

Du schaffst das ... auch wenn es dauert.


Alles Liebe,

Helmut
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  #913  
Alt 05.06.2013, 11:34
Briele Briele ist offline
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Lieber Helmut,

Danke für Deine Gedanken! Du hast völlig Recht, nicht jede Lösung ist von Dauer und die aufgestellten Rechnungen haben am Ende andere Ergebnisse als sonst im Leben.

Ich erlebe gerade wie relativ schnell sich auch Meinungen oder Beurteilungen von Situationen ändern können. Heute vor zwei Wochen war mein Mann am Beginn der 30 Stunden bis zu seinem Tod. Während dieser Stunden und die ersten Tage nach seinem Tod dachte ich öfter, mein Gott, wie schwer ist er gestorben, wie lange hat es gedauert. Da haben mich auch die beruhigenden Worte des Fachpersonals nicht erreicht, die meinten es sei kein schweres Sterben.
Und nun sehe ich es anders. Mein Mann konnte bis auf diese letzten 30 Stunden seine sanitären Dinge alleine erledigen, er hat stets am Tisch sitzend essen können, er hat gelesen, Musik gehört, sich mit mir unterhalten. Darüber kann man nur froh und dankbar sein. Und das bin ich.

Vor Jahren habe ich hier einmal geschrieben, dass ich als Jugendliche bei meiner Großmutter öfter Abschiedsworte von betagten Gästen und Besuchern hörte, die ich damals schon sehr merkwürdig fand. Sie sagten unter anderem: …”ich wünsche Dir eine gute Sterbestunde”….

Du kannst Dir denken, dass ich diesen Worten mit zunehmendem Alter immer mehr Bedeutung und Sinn beigemessen habe.

Ich kann jetzt sagen, mein Mann hatte eine gute Sterbestunde.
Gestern war ich auf der Palliativstation und konnte mit der Schwester sprechen die dabei war, als er sein Leben aushauchte. Sie sagte er habe die zwei Stunden in denen ich nicht neben ihm, so ruhig und entspannt gelegen wie er war, als ich ihn verließ.

Die Beileidsbriefe bringen mich jedes Mal zum Weinen. Nicht nur, weil ich für mich so traurig bin, es macht mich auch traurig, dass er sie nicht lesen kann, dass er wahrscheinlich nicht wirklich wusste was er anderen bedeutete. Dies dachte ich mir schon beim Tod meiner Eltern. Schon damals habe ich die Lehre gezogen den Menschen nicht nur bei Lebzeiten mehr Blumen zu schenken, sondern ihnen auch zu sagen, dass sie mir wichtig sind, was ich an ihnen schätze und mag, wofür ich sie bewundere.

Meistens fühle ich mich von ihm umfangen, beschützt. Er hat immer gesagt …..”ich will es dir leicht machen”…..
Ich bin zuversichtlich was meine Zukunft betrifft und weiß ja, dass eines das andere bedingt: viel Nähe und Liebe ist dann halt viel Trauer und Verlust. Dazu kommt die Sehnsucht. Beides wird bleiben und das ist auch in Ordnung. Leicht ist es nicht, aber es war auch schwer als ich die großen Sorgen um ihn hatte, den Kummer, die ohnmächtige Hilflosigkeit, die Angst. All dies muß ich nicht mehr haben.

Liebe Grüße und alles Gute für Dich
Briele
  #914  
Alt 31.12.2013, 18:23
Briele Briele ist offline
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Standard AW: Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......

Eigentlich ist es für mich ein Tag wie jeder andere auch, ich bin ja der größte Silvestermuffel den man sich vorstellen kann. Aber der 31.12. gehört dann doch zu meinen Rückblickstagen im Jahr und ich werde still für mich sein. Laut ist es ja draußen.

In diesen Tagen hat man mir mehrfach gesagt, geschrieben “das nächste Jahr kann nur besser werden” und ich frage mich ob ich zuviel, oder die anderen zu wenig Phantasie haben, denn ich kann mir noch Schrecklicheres vorstellen.

Es war nicht schrecklich, dass Werner gestorben ist, das Schicksal war ihm doch noch gnädig gewesen, denn ein Weiterleben wäre für ihn schrecklich gewesen. Nun ist er mehr als 7 Monate tot. Manchmal bin ich erstaunt wie schnell die Zeit vergangen ist, dann ist mir wieder, als müsste ich schon sieben Jahre ohne seine Liebe leben.

Im Sommer war ich in meiner österreichischen Heimat, alle meinten es würde mir gut tun, das Gegenteil war der Fall. Als ich mich endlich halbwegs eingerichtet hatte, fuhr ich zurück und es war sehr schwer. In mir war immer ein Gefühl von Heimatlosigkeit. Mittlerweile habe ich ein Gefühl von Geborgenheit in dieser Wohnung finden können und auch in mir.

Das erste Mal in meinem Leben bin ich ein “alleinstehender Mensch”, ich bin nicht nur Witwe, ich bin ein altes Waisenkind. Als mir dieser Gedanke zum ersten Mal kam, musste ich doch ein wenig lächeln, aber es ist schon so, die drei wichtigsten Menschen sind für immer weg und manchmal kommt mir kurz der Gedanke “ihr musstet nur sterben, aber ich muss ohne euch weiterleben”.

Ich werde froh sein wenn jetzt bald der 2. Januar kommt, diese Wochen, die für sich alleine betrachtet schon sentimental sind, hinter mir liegen. Je älter man wird, desto mehr ist die Weihnachtszeit mit Erinnerungen an vergangene angefüllt und die meisten der für mich wichtigen Beteiligten sind leider tot. Es ist bestimmt anders wenn man Kinder und Kindeskinder hat. Gleich zu Beginn der Adventszeit las ich etwas bei Hermann Hesse, das mich etwas durch die Zeit begleitet hat:

zu Weihnachten 1917......Weihnachten soll uns darum wie jedes Fest nicht bloß eine Rückschau, sondern ein inneres Aufraffen und Zusammenfassen allen guten Willens sein. Denn denen, "die eines guten Willens sind" gilt die Verheißung. Eines guten
Willens sind wir nicht, wenn wir nur um Verlorenes trauern, uns nur des
Unwiederbringlichen erinnern. Wir sind es nur, wenn wir des Besten,
Lebendigsten in uns selber bewußt werden und der Stimme dieses Bewußtseins
folgen. Wer daran ernstlich denkt, wer in sich das Gelöbnis erneuert, seinem
Besten treu zu bleiben, der ist in der rechten Stimmung das Fest zu
feiern..........
Herrmann Hesse

Und seit mehreren Tagen ist es ein Absatz in einer Geschichte von Alice Munro, den ich hier einfügen möchte:

....... wichtig ist nur, glücklich zu sein, sagte er. " alles andere ist egal. Das musst du versuchen. Du kannst es. Es wird immer leichter. Es hat nichts mit den Umständen zu tun. Du glaubst gar nicht, wie gut das tut. Nimm alles hin, und die Tragödie verschwindet. Oder sie wird jedenfalls leichter, und du bist einfach da, gehst entspannt durch die Welt ...

Datumsmäßig geht etwas zu Ende, ich habe versucht den Übergang mit einer äußeren und inneren Ordnung halbwegs hinzukriegen. Was das nächste Jahr für mich bereit hält, wird sich zeigen.

Ich wünsche Euch alles Gute, auch Mut und Zuversicht.
Briele
  #915  
Alt 16.04.2015, 17:21
Briele Briele ist offline
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Standard AW: Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......

Heute vor 13 Jahren ist mein Papa gestorben. Das ist lange her, andere Verluste hatte ich seither zu verkraften. Aber heute ist „sein“ Tag, wobei ich auch sonst immer wieder an ihn denke. Mit viel Liebe und Dankbarkeit. Ein Rest Trauer wird für immer bleiben. Nicht weil er gestorben ist, sondern weil ich ihn nicht mehr habe, ihn nach wie vor vermisse, weil es traurig ist, traurig bleibt, dass wir Abschied nehmen müssen von Menschen die wir lieben, die für immer weg sind, man nie mehr sehen wird.

Er hatte ein langes, gutes Leben, immer viel Glück gehabt, sogar sein Sterben war gut und ich hatte das Glück bei ihm sein zu dürfen. Meine Bereitschaft dabei zu sein war groß, aber es gehört ja das Quentchen Glück dazu.

Warum schreibe ich also nach so vielen Jahren über ihn? Eine alte Tochter über einen alten Vater der schon lange tot ist? Ich weiß es auch nicht. Vielleicht weil außer mir kaum mehr einer an ihn denkt.

Briele
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