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  #1  
Alt 16.08.2006, 15:29
Jacqueline-1 Jacqueline-1 ist offline
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Registriert seit: 10.08.2006
Beiträge: 36
Standard Knochenkrebs eine Geschichte die mich berührt!

Hallo,
ich weiß nicht ob in diesem Thread richtig bin, denn ich bin diesem Fall nur stille Beobachterin. Aber inzwischen auch Angehörige, denn mein Vater ist Mitte Juni an Nierenkrebs erkrankt . (Siehe meinen Beitrag unter Nierenkrebs).

Vor drei Tagen starb ein guter Schulfreund und Klassenkamerad, meiner Tochter im Alter von nur 14 Jahren an Knochenkrebs.
Meine Tochter und die gesamte Klassengemeinschaft, durften durch das große Engagement der Klassenlehrerin, und durch die Bereitschaft der Eltern, Hans (Name geändert) von der Diagnosestellung, bis kurz vor seinem Tod begleiten.

Anfang des letzten Schuljahres kam meine Tochter von der Schule nach Hause, und sie erzählte mir, das bei Hans Knochenkrebs festgestellt wurde.
Wir waren alle sehr betroffen.
Ein paar Tage später erzählte sie, das Hans in der Klasse über seine Krankheit berichtet hat.
Welche Art Knochenkrebs er hat, und wo bereits Metastasen sind.
Auch über die bevor stehende Therapie sprach er ganz offen.

Hans besuchte so oft es ihm möglich war fast bis ganz zum Schluss den Unterricht, und sprach immer offen über seine Erkrankung .
Die Klassenlehrerin hielt sehr intensiv Kontakt zu den Eltern, und zur Klinik.
Sobald es eine neue Entwicklung gab, sprach sie mit ihren Schülern darüber.
Einmal besuchte auch die behandelte Ärztin, und eine Mitpatientin von Hans die Klasse im Unterricht, und stellte sich den Fragen der Mitschüler.

Am Anfang war ich sehr ambivalent ob ein so offener Umgang mit diesen schweren Krankheit sinnvoll für die Kinder wäre, weil ich spürte das es meine Tochter doch sehr bedrückt.
Oft wenn ich sie gefragt habe wie geht es Hans, wiegelte sie barsch ab.
Und antwortete "Ich will nicht darüber reden".
Sie musste es erst verarbeiten, danach sprach sie dann ganz offen mit mir darüber.
Fragte mich oft nach meiner Meinung, auch über den Tod und das Sterben .

Über jede neue Entwicklung bei Hans wurde sie sogleich informiert, auch in den Ferien.
Besonders hat es meinen Tochter getroffen, das die Chemotherapie, und später die Strahlentherapie ohne sichtbaren Erfolg blieben.
Die Klasse und die Lehrerin begleiteten Hans rührend, während der ganzen Zeit.
Noch am vorletzten Schultag besuchten sie Hans zuhause, meine Tochter war sehr traurig als sie mir erzählte das Hans seine Morphiumgaben nun selbst dosieren konnte.
Sie spürte das Hans sterben würde.
Sie schenkte ihm noch ihre Lieblings CD, versprach ihm eine Karte aus dem Urlaub zu senden.
Am letzten Schultag kam sie nach Hause, und erzählte das Hans am Abend noch Notoperiert werden musste.
Sie fragte mich, ob ich ihm wohl noch eine Karte aus dem Urlaub schicken kann?
Es kam nicht mehr dazu, denn nur knapp zwei Wochen nach Ferienbeginn ist Hans gestorben.
Nur wenige Stunden danach, klingelte das Telefon und sie erfuhr das Hans verstorben ist.
Es nahm sie sehr mit, lange ließ sie ihren Tränen freien Lauf.

Sie lernte Hans als offenen, freundlichen, und gesunden Jungen kennen, und durfte ihn auch während seiner Krankheit begleiten, und jetzt ist er nicht mehr da.
Im nach hinein bin ich froh, das diese Thema so offen behandelt wurde, und auch Hans gegenüber seinen Schulfreunden so offen blieb bis zum Schluss mit allen Konsequenzen.

In der Zwischenzeit erkrankte mein Vater an Nierenkrebs, und nun erlebt meine Tochter genau das Gegenteil (siehe meine Beiträge unter Nierenkrebs).Der Krebs als Tabuthema das man verdrängt, und worüber man am besten nicht spricht.

Inzwischen weiß ich das diese Erfahrung meine Tochter positiv prägen wird.
Auch mich hat sie trotz all des damit verbunden Leides dieser offene Umgang, sehr positiv berührt.

Gerade ist sie mit einer weißen Rose zur Beerdigung gefahren...sie war sehr traurig.

Geändert von Jacqueline-1 (16.08.2006 um 17:42 Uhr)
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  #2  
Alt 22.08.2006, 11:19
Bellinda
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard AW: Knochenkrebs eine Geschichte die mich berührt!

Liebe Jacqueline,

vielen Dank, dass du uns an dieser Erfahrung teilhaben lässt - auch wenn dir bisher niemand geantwortet hat - viele haben deinen Bericht gelesen und waren sicher ebenso berührt wie ich.

Diese Erfahrung wird deine Tochter - und dich - sicher positiv prägen. In unserer Gesellschaft sind Krankheit und Tod leider ein Tabu-Thema, über das nicht gesprochen wird, mit dem umzugehen i.d.R. keiner lernt, bis es ihn selbst in irgendeiner Form trifft. Die Erziehung unseres westlichen Schulsystems zielt nur auf reine Wissensvermittlung ab. Auch im Elternhaus wird dieses Wissen selten vermittelt, da unsere Eltern es ja auch nicht gelernt haben... Zwischenmenschliche Beziehungen in jeder Form, sei es Partnerschaft, oder das Verhalten gegenüber Behinderten etc gehören im Westen meiner Erfahrung nach leider nicht zum offiziellen Lehrplan - wir wachsen mit dem Eindruck auf, als laufe das von alleine "so nebenher" und man müsste nichts dafür tun. Das Scheitern so vieler Beziehungen spricht wohl eine eigene Sprache. Und wenn du dich hier im Forum umschaust, wirst du sehen, dass wir uns als Patienten nicht nur mit der Erkrankung auseinandersetzen müssen, sondern oft auch unter den unverständlichen, meist hilflosen (Nicht)Reaktionen unserer Mitmenschen leiden (... ist Krebs ansteckend oder warum...?)

Für deine Tochter war es sicher auch eine schwere Erfahrung, in einem Alter, wo man sonst noch unbeschwert sein darf, aber durch deine offene Unterstützung und den offenen liebevollen Umgang in der Klasse wird es für sie zu einem wertvollen Gewinn werden.
Auch wenn Hans leiden und diese Erde schon so jung verlassen musste, kann ich mir doch vorstellen, dass die erfahrene Aufmerksamkeit und Liebe, die Geborgenheit in der Klasse ihm viele schöne Momente beschert haben. Ich kann nur aus eigener Erfahrung sagen, dass ich, so paradox es klingt, selten so glücklich und dankbar war, wie während der Therapiezeit - durch die Liebe die ich plötzlich von völlig unerwarteter Seite erfahren durfte. - Ich kann mir vorstellen, dass du deiner Tochter durch die Zeit der Trauer helfen kannst, wenn du ihr zeigst, wieviel sie und ihre Klasse gegeben haben, und dass das sicher ein ganz wertvolles Geschenk für Hans war.

Wer weiß - vielleicht werdet ihr aus dieser Erfahrung heraus auch die Worte und den Weg finden, deinem Vater zu einem guten Weg im Umgang mit seiner Erkrankung zu verhelfen. Das Sich-Verschließen kann auch einfach nur eine Phase des Umgangs mit dem Schock sein. Ihr könnt ihm aber immer wieder zeigen - ohne zu drängen - , dass ihr da seid und gesprächsoffen, wenn er das Bedürfnis hat.

Alles Liebe
Bellinda
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  #3  
Alt 22.08.2006, 20:26
Jacqueline-1 Jacqueline-1 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 10.08.2006
Beiträge: 36
Standard AW: Knochenkrebs eine Geschichte die mich berührt!

Liebe Bellinda,

danke für deine lieben Zeilen.
Die Geschichte mit Hans, berührt mich nach wie vor sehr.
Die Beerdigung von Hans war für meine Tochter sehr traurig, das Requiem und die anschl. Aussegnung war sehr bewegend für sie.
Auch ließ sie ihren Tränen in dieser Zeit ungehindert freien Lauf, wie alle in der überfüllten Kirche ihreTränen nicht mehr zurückhalten konnten, und wollten.
Die Lehrerin sprach noch einmal von Hans, und verglich ihn mit dem Kleinen Prinz, ehe auch sie die Tränen überrollten.
Dann legte jeder der mit Hans befreundet war, eine weiße Rose auf den Sarg.
Noch zuhause weinte meine Tochter, ich unterstütze sie dabei die Gefühle nicht zurück zu halten.
Lange habe ich sie im Arm gehalten, wenn die Trauer wieder übermächtig wurde.
Sie hat Hans als gesunden Jungen kennen gelernt, begleitet ihn durch seine schwere Erkrankung bis fast zum Schluss, das hat sie und die Klassenkameraden reifer werden lassen.
Meine Hochachtung gilt den Eltern, und der Lehrerin für den offenen Umgang mit einer so schweren Erkrankung.
Heute sind wir sind wir durch Hans Heimatort gefahren, und wieder suchten ein paar Tränen bei meiner Tochter den Weg nach draußen.
Hans, wird für alle unvergesslich bleiben..

Alles Liebe und Gute auch dir
Jacqueline
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  #4  
Alt 28.08.2006, 19:58
Bellinda
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard AW: Knochenkrebs eine Geschichte die mich berührt!

Liebe Jacqueline,

eine banale Weisheit, doch die Trauer braucht einfach Ihre Zeit. Es ist schön, wie du deine Tochter unterstützt.
Hans ist zwar körperlich von euch gegangen, aber er hat euch viel Wertvolles geschenkt. Und diese Geschenke werdet ihr immer in eurem Herzen tragen - sie sind etwas, das euch niemand nehmen kann! - Mir hilft diese Betrachtungsweise (meinem Psychoonkologen sei Dank!) sehr, persönlichen Verlust zu verarbeiten und meinen Frieden damit zu machen.

Ich kann mir vorstellen, dass es jetzt wichtig ist, auch Hans' Eltern zu zeigen, dass Unterstützung und Kontakt da ist, wenn sie das Bedürfnis danach haben. Ihnen zeigen, dass diese Verbundenheit, die sie gemeinsam mit der Lehrerin und den anderen Kindern für Hans geschaffen haben, auch weiterhin für sie da ist.

Viel Kraft und Liebe für euren weiteren Weg
Bellinda
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