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  #1  
Alt 13.12.2013, 16:01
hermannJohann hermannJohann ist offline
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Registriert seit: 26.11.2013
Beiträge: 203
Standard Vom Sinn und Unsinn des Lebens

Hallo,
ich bin 62 Jahre alt. Im August diesen Jahres ist meine Frau an einer Peritonalkarzinose in einem Hospiz gestorben. Sie wurde 61 Jahre alt.
Der Krebs ist in meiner Lebensgeschichte ein alter Bekannter.Als ich noch Kind war, stark eine Tante an Brustkrebs. 1977 starb dann eine Geoßmutter an Lebenkrebs, alleridings im Alter von 86 Jahren. Dann bekam meine Mutter ein malignes Melanom, das operiert wurde. Sie überlebte diese Krankheit. Ihre halbschwester starb dann an Leberkrebs. Ende 1990 erkrankte mein Vater an Blasenkreibs, 1992 starb er an der Krankheit. 1996 bekam eine Mutter Darmkrebs. Sie starb 1999, aber nicht unmittelbar an der Krankheit.
2009 war er dann wieder da. Meine Frau hatte Brustkrebs. Nach Operation und Bestrahlung passierte drei Jahre nichts. Dann aber im Juni 2012. Ein Tag vor meinem Geburtstag wurde bei ihr eine Peritonalkarzinose festgestellt. Ich habe so oft es ging sie begleitet. Die erste Chemo-Therapie ging bis Oktober 2012, dann wurde sie operiert. Die OP wurde abgebrochen. Danach war etwas Ruhe bis Ende Januar. Dann war er wieder da. Wieder zwei Chemo-Therapien und Krisen. Es folgte eine OP, weil man in einer Klinik eine Heiung noch für möglich hielt. Es war nicht mehr möglich.
ich habe meine Frau durch diese Krisen begleitet und wundere mich, dass ich das durchgehalten habe. Aber nun frage ich nach dem Sinn. In diesem Jahf haben wir sehr viel mehr schlechte als gute Tage erlebt. Natürlich war es sinnvoll, dass ich sie nicht im Stich gelassen habe. Das war gut so. Aber hatte dieses Leiden einen Sinn? Welchen Sinn hat mein weiteres Leben?
ich hoffe, ich habe Euch nicht zu sehr depromiert
Hermann
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  #2  
Alt 13.12.2013, 18:37
Conny57 Conny57 ist offline
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Beiträge: 43
Standard AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens

Hallo Hermann,
Das Thema Sinn und Unsinn stellt sich mir auch gerade.
Ich schreibe normalerweise noch im Bereich Angehörige. Wahrscheinlich nicht mehr lange. Mein Mann ist gerade 60 und hat Lungenkrebs im Endstadium.
Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen habe ich seit 2010 ein Multiples Myeom (Krebs im Knochenmark) und habe letztes Jahr Stammzellen von einem Spender bekommen. Die Prozedur hätte ich ohne die Unterstützung meines Mannes nie geschafft.
Jetzt wird er mich bald alleine lassen und ich kann nicht sagen wie es mit meiner Krankheit weitergeht und ich hab dann niemanden mehr der mich bei meinen Behandlungen unterstützt. Ich habe meinen Glauben verloren.
Sinn macht das alles keinen.
Aber trotzdem müssen wir weiterleben und versuchen das Beste daraus zu machen.
Ich hab mal den Tipp bekommen vielleicht sogar auchmal
was zu machen was unserem Partner nie gefallen hätte.
LG
Conny
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  #3  
Alt 13.12.2013, 20:13
hermannJohann hermannJohann ist offline
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Registriert seit: 26.11.2013
Beiträge: 203
Standard AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens

Liebe Conny,
als erstes wünsche ich dir viel Glück. Dein Schicksal ist sehr hart. Da stellt sich auch die Frage nach dem Sinn. Als Hinterbliebener ist man meistens zu egozentrisch. Man denkt, das eigene Schicksal ist besonders schlimm und man hat vor allem Mitleid mit sich selbst. Dein Schicksal aber ist schlimmer als mein Schicksal. Leider habe ich keinen Trost.
Liebe Grüße
Hermann
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  #4  
Alt 13.12.2013, 20:41
a_nna a_nna ist offline
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Beiträge: 14
Standard AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens

> Aber hatte dieses Leiden einen Sinn?

ja. Wenn ich Dich richtig verstehe, beziehst Du "leiden" auf die Achterbahnfahrt zwischen guten und schlechten Nachrichten, Hoffnung und schlagartigen Fakten.

Es wird anders herum ein Schuh draus: Jedes Leben hat einen Sinn. Es hat auch einen Sinn, zu meiner/m Partner/in zu stehen in guten und schlechten Zeiten. Da bekommt dieser Satz richtig Bedeutung.

Leiden hat sehr viel mit einem Vergleich zwischen (früheren) guten und (späteren) schlechten Zeiten zu tun. Es sind aber die Momente, die dabei unter den Tisch fallen können. Das, was Euch zusammenschweisst, auch über den Tod hinaus.

> Welchen Sinn hat mein weiteres Leben?

dass Du Dich mit der Situation auseinandersetzt. Dass Du verarbeitest und, wenn Du magst, Anderen bei der Verarbeitung mit Deinen Erfahrungen hilfst. Aber auch, dass Eure Erinnerungen und das was Euch wertvoll ist nicht einfach untergehen. Du hast doch etwas aus Deinem Leben mitzuteilen und kannst Anderen wertvolle Hilfe geben.
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  #5  
Alt 14.12.2013, 08:50
Benutzerbild von fraunachbarin
fraunachbarin fraunachbarin ist offline
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Beiträge: 1.150
Standard AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens

lieber hermann..
es tut mir leid, daß du schon soooo viele schlimme erfahrungen hinter dir hast und ich möchte dir mein mitgefühl aussprechen.
zu deiner frage nach dem sinn möchte ich dir folgende zeilen mitgeben:
mein leben hatte von kindheit an schwere einschnitte. ich mußte viel erleben an leib und seele.
es gab zeiten, da wäre ich fast dran zerbrochen, hatte keinen lebenswillen mehr und suizid wurde immer mehr ein ziel für mich. ich war dann lange zeit in der psychiatrie um einiges aufzuarbeiten. danach war ich anderthalb jahre in ambulanter therapie. dort habe ich mich neu kennengelernt, wurde mir meiner stärke bewußt. das ergab dann für mich sinn. diese überstandene zeit stärkte meinen glauben an mich selbst. und ich fing an, anderen menschen mit ähnlichen schicksalen helfen zu können. das war ein schönes gefühl.
dann vor drei jahren schlug das schicksal zweifach zu. gleichzeitig erkrankte meine mami an krebs und bei meiner tochter wurde ein hirntumor entdeckt. das war sehr hart. ich begleitete beide so gut ich konnte. manchmal zerriss es mich schier. meine tochter hatte unzählig viele ops und die letzte war die entscheidenste. ich wußte nicht, ob und wie ich mein kind aus dem op wieder sehen würde. kurzfassung: sie überlebte die operation, hatte währenddessen drei schlaganfälle, lag lange auf intensiv. danach folgte reha, denn sie mußte z.b. wieder das laufen lernen. bis heute hat sie noch beeinträchtigungen, ist momentan wieder auf reha. aber sie lebt und kann wieder ein stückweit am leben teilnehmen.
meine mutter starb letztes jahr im oktober, ebenfalls im hospiz. ich habe sie 12 tage und nächte begleitet, bis sie dann für immer gegangen ist.
auch ich habe immer wieder nach dem sinn gefragt und ich bekam auch meine antwort:
durch meine viele erfahrungen in verschiedene lebensbereiche kann ich anderen menschen helfen. und das durfte ich oft erleben... es ist ein geschenk für mich. ich bin mittlerweile in mehreren bereichen tätig: sterbe- und trauerbegleitung, krankenhausbesuchsdienst und familienbegleiterin.
all das könnt ich kaum machen, hätte ich nicht diese schlimme zeiten erlebt. ich kann mich sehr gut in die hilfesuchenden menschen reinversetzen und darf ihnen was geben. und oft nehm auch ich aus diesen begegnungen was mit.
ich möchte dir mut zusprechen... sei dankbar für die schöne zeit, die du und deine frau hattet.. für eure begegnung und dem gemeinsamen weg, den ihr hattet. ihre begleitung auf deinem weg ist nun beendet, aber dein weg geht weiter. und unsere lieben da oben wollen das auch so.
lieber hermann, ich wünsch dir von herzen alles erdenklich gute und daß du wieder fuß auf deinem weg fassen kannst.
liebe grüße von tine
__________________
MISS YOU MAMA
24.02.1944-15.10.2012
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  #6  
Alt 14.12.2013, 12:45
a_nna a_nna ist offline
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Beiträge: 14
Standard AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens

Zitat:
ihre begleitung auf deinem weg ist nun beendet, aber dein weg geht weiter.
das ist vielleicht der Grund, weshalb Frauen und Männer "im Durchschnitt" jeweils anders an Trauer herangehen bzw. dies anders kommunizieren. Ohne viel zu grob zu verallgemeinern: Ihr Frauen könnt aus unserer Sicht bestimmte Sachen leichter abhaken, an denen wir Männer uns bis zur Besinnungslosigkeit aufreiben. Aber wenn wir den Knoten gefunden haben, trägt uns die Lösung auch weiter.

Die Frage nach dem Sinn ist eine sehr rationale, typisch männlich.
Frau hätte sich gefragt: "hat er / sie meine Liebe überhaupt noch wahrnehmen können" - emotionaler. Womit man keinem der beiden Geschlechter Gefühlskälte oder emotionales Chaos mit Selbstaufgabe unterstellen kann.

Aber, ich bezweifle sehr, dass die Begleitung von Hermann durch seine Frau beendet ist. Wie ich lese, ist sie weiterhin bei ihm und beschäftigt ihn. Seine Eingangsfrage nach dem Sinn stellt er aus Sicht seiner Frau, ob "ein Leiden für sie Sinn gemacht habe". Somit ist sie weiterhin bei ihm.

Das kann nicht zur Frage führen, ob sein weiteres Leben Sinn mache. Natürlich macht es Sinn, sonst wäre er im Tod vielleicht wirklich allein. Das sich da "oben" alles wieder vereine ... ist nicht erwiesen. Dass Du aber hier im Sinne von Verstorbenen fühlen/denken/handeln kannst und sie in Deinen Alltag einbeziehst, kennst Du vielleicht selbst.

Geändert von a_nna (14.12.2013 um 12:47 Uhr)
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  #7  
Alt 14.12.2013, 14:11
Geske Geske ist offline
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Standard AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens

Zitat:
Zitat von a_nna Beitrag anzeigen
Die Frage nach dem Sinn ist eine sehr rationale, typisch männlich.
Frau hätte sich gefragt: "hat er / sie meine Liebe überhaupt noch wahrnehmen können" - emotionaler. Womit man keinem der beiden Geschlechter Gefühlskälte oder emotionales Chaos mit Selbstaufgabe unterstellen kann.
Guten Tag,
a nna
das ist m. E. auch nur Spekulation, bei mir trifft diese Aussage nicht zu. Er "hat meine Liebe wahrnehmen können", dass habe ich gespürt und darüber würde ich auch nicht spekulieren. Es kommt ja darauf an, wie gut sich die beiden Partner auch vorher nonverbal verstanden haben.

Zitat:
Seine Eingangsfrage nach dem Sinn stellt er aus Sicht seiner Frau, ob "ein Leiden für sie Sinn gemacht habe". Somit ist sie weiterhin bei ihm.
diese Frage ist allgemein gültig, und jeder kann sie nur aus seiner eigenen Sicht beantworten. Allerdings zielt sie auf eine Sache, die auch mich eigentlich immer noch umtreibt: wenn es eigentlich schon offensichtlich ist, dass der Partner nicht mehr lange leben wird, dann setzt m.E. ein stark ausgeprägter Verdrängungs-Mechanismus ein, der zu dem Ergebnis für: dass er/ sie jetzt stirbt, das kann nicht sein. Und hier liegt m.E. auch die Schwachstelle in der Begleitung eines sterbenden Partners, man will ihn hier behalten und wischt damit automatisch andere, vielleicht sinnvollere Gedanken "vom Tisch".
Beste Grüße
Geske
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  #8  
Alt 18.12.2013, 20:05
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Scheidungsanwalt Scheidungsanwalt ist offline
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Standard AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens

Moin Hermann,

herzliches Beileid zu dem schweren Verlust. Der ganze Leidensweg wird Dir sicher noch mächtig in den Knochen stecken.

Die Sinnfrage muss jeder mit sich selbst abmachen. Aber wenn Du mal genau nachdenkst, wann Du besonders zufrieden bist, oder was Dir besonders viel Freude macht oder gemacht hat, kommst Du der Antwort ja vielleicht etwas näher.

Ich empfinde mein Leben als besonders sinnvoll und erfüllt, wenn ich mit guten Kumpels in der Kneipe sitze, Bier trinke und einen Skat ausspiele und wenn Räubergeschichten erzählt werden. Oder wenn ich mit dem Moped bei schönem Wetter am Deich lang fahre und mir der Wind um die Ohren weht. Oder wenn meine Lieblingsband eine neue Scheibe rausgebracht hat und ich die 20x hintereinander höre und immer noch toll finde.

Mehr ist es manchmal nicht. An so Sachen möchte ich mich erinnern, wenn ich irgendwann auf dem Sterbebett liege. Und dann werde ich sagen können: jau. Allein dafür hat es sich gelohnt

Beste Grüße

Tom
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  #9  
Alt 18.12.2013, 21:26
hermannJohann hermannJohann ist offline
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Beiträge: 203
Standard AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens

Ich bin ziemlich verärgert über die Vorstellungen von Frauen von mir als Mann. Wenn die Frau tot ist, sucht man sich eben eine neue. Männer sind ja angeblich umschwärmt. Das machen vielleicht einige Männer, Frauen vielleicht auch. Wer selber erlebt hat, was es bedeutet, seine Frau durch alle Krisen zu begleiten, könnte nicht so reden. Immerhin hat meine Frau gemerkt, dass ich auch gelitten habe.Andere können das nicht nachvollziehen. Da war die Angst, dass sie leidet und doch keine Hoffnung ist. Was ist das für ein Gefühl, den die Frau den Mann bittet, sie zu erschlagen? Da ist die Hoffnung, die enttäuscht wird. In den letzten Tagen begleitete ich sie. Die Tochter kam rechtzeitig, um sich zu verschieden. Ich war sehr froh. 14 Monate war meine Frau krank, die letzten sieben Monate waren sehr schlimm.. Der Onkologe schrieb, dass ich meine Frau treu begleitet habe.
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