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  #1  
Alt 14.06.2005, 08:46
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Standard Es tut so weh

Gestern vor einem Jahr ist mein Vater gestorben. Heute ist sein Geburtstag, er wäre heute 69 geworden.

Ich fühle mich so allein. Gestern war ich mit seiner zweiten Frau am Grab, mit der ich seit seinen letzten Tagen sehr verbunden bin. Irgendwie sind wir als seine "zwei Frauen" nur übrig geblieben.... meine Eltern waren schon ganz lange getrennt und dan auch geschieden, aber er hat meine Mutter (aus schlechtem Gewissen, was weiss ich) mehr als grosszügig abgefunden, aber sie konnte nicht mal kurz vor seinem Tod akzeptieren dass er nun mal schon lange ein anderes Leben führte, nahm und nimmt mir übel dass ich "die Seiten gewechselt" hätte, bloss weil ich das tat wovon ich meine dass es das richtige war, nämlich sie nicht allein zu lassen. Ich bin sicher das hätte er gewollt.

Das hiess für mich nicht, mich von meiner Familie zu trennen oder gegen sie zu entscheiden oder sowas, aber für meine Mutter und sogar für meinen Bruder heisst es das anscheinend. Mein Bruder hat sich schon während der letzten Wochen meines Vaters ausgeklinkt, er konnte das alles nicht aushalten. Er wollte dann nix mit der zweiten Frau zu tun haben, also auch nicht mit über Beerdigung reden und all das (obwohl er früher durchaus diustanziert aber normal mit ihr umgegangen ist, wir wissen garnicht warum er plötzlich so tat als könne man nicht mal mit ihr an einem Tisch sitzen), hat nicht einmal gefragt was mit dem Grab ist, soweit ich weiss war er überhaupt erst einmal da, kurz nach der Beerdigung.

Und gestern Abend als wir mit unseren Gestecken zum Friedhof kamen tat es so weh weil ich hoffte irgend jemand hätte wenigstens mal 1 Blume gebracht... ich weiss dass es nicht das ist worauf es ankommt, natürlich kann man auch so an jemanden denken ohne zum Grab zu rennen, aber alles was im letzten Jahr passierte ist so hässlich (seitens meines Bruders) und ich hätte mir gewünscht dass da mal eine Geste von ihm kommt, dass er meinem Vater verzeiht (was er ihm auch immer vorwirft, im wesentlichen wohl dass mein Vater nie so ein Familienmensch war und sich auch nicht gerade um seine Enkel gerissen hat, aber wir sind ja schon lange erwachsen und hätten aj auch mal was ändern können, bzw. in den letzten 2 Jahren habe ich ihn manchmal einfach angesprochen und dann hat er sich auch mal gekümmert...).

Es tut mir so leid für meinen Vater. Und es hätte mich so gefreut da mal was von jemand anders zu sehen... einfach eine schöne Geste... aber noch nicht einmal in dem ganzen Jahr war da eine "fremde" Blume...

Mein Vater hatte zwei Kinder und eine Ex-Frau mit der er zwar eine über Strecken besch... Ehe hatte (also für beide) aber am Ende sah es eigentlich so aus als hätten sie ihren Frieden gemacht, konnten miteinander reden etc., sie haben den grössten Teil ihres Lebens geteilt, er war der vaster ihrer Kinder.... aber sie ist so bitter und stur und will nicht mal mir zugestehen dass ich seine Wahl + seinen Weg respektiere... er war eben wie er war, wir haben alle unsere Fehler gemacht....

Im KH am Schluss (mein Vater lag über 9 Wochen auf der Intensiv) wussten die Ärzte nachher gar nicht das es noch einen Sohn dazu gibt, mein bruder ist insgesamt nur 3 Mal dagewesen, dann konnte + wollte er nicht mehr). Aber er wollte ja auch nichts mehr hören, ich durfte ihn nicht mal mehr anrufen und berichten.

Sicher trauern die andern auch irgendwie, ich weiss das muss ich ihnen zugestehen auch wenn es mir schwerfällt, aber ich finde es so furchtbar dass er sozusagen totgeschwiegen wird. Keiner redet mit dem anderen ausser das alltägliche nötigste. An so einem Tag müsste man doch zusammen rücken.

Andererseits fällt es mir auch schwer bzw. ist es mir im Moment auch nicht möglich auf die anderen zuzugehen. Ich bin ja die "Abtrünnige" und ich denke nicht daran mich für meine Entscheidung zu rechtfertigen, und das Gefühl habe ich, das ich das müsste.

Ich fühle mich so allein und alles ist so schwierig.
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  #2  
Alt 14.06.2005, 12:43
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Standard Es tut so weh

Liebe Kerstin,
Es tut mir leid dass du dich so schlecht fühlst. Ich glaube, ich kann ungefähr nachvollziehen, wie du dich fühlst ( vielleicht ein wenig anmassend von mir, sorry ).
Du hast auf jeden Fall richtig gehandelt und warst doch zum Schluss bei ihm.
Es ist nicht richtig, dass Eltern ihre Kinder so mit reinziehen in ihre Probleme. Es ist und war dein Vater, und nicht dein Mann !!!
Deine Mutter ist enttäuscht, ok, aber ihre Kinder können nichts dafür dass ihre Ehe nicht geklappt hat.
Glaub mir, ich rede aus eigener Erfahrung und weiss bis heute nicht ob ich meinen Vater hassen oder lieben soll. Ich liebe ihn, aber meine Mutter und meine Schwestern hätten mir niemals verziehen, wenn ich ihn mit seiner Freundin akzeptiert hätte. Und wenn man als Kind so aufwächst ( Partei ergreift oder ergreifen muss ), ist man geprägt, ob man will oder nicht.
Du musst dich nicht rechtfertigen, das müsste höchstens deine Mutter oder dein Bruder tun ( wenn überhaupt einer sich rechtfertigen sollte ).
Es ist dein Vater und du bleibst sein Kind. Dass du trauerst, um ihn und um die verlorene Zeit, ist normal.
Dein Vater hat seine zweite Frau geliebt und du machst es richtig. Die anderen haben ihre Probleme und sollten dir nicht noch zusätzlich ein schlechtes Gewissen einreden.
Aber was soll man ändern.
Hoffentlich war ich nicht zu direkt mit meiner Meinung.
Ich verstehe dich und wünsch dir alles Liebe.
Viv
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  #3  
Alt 14.06.2005, 18:51
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard Es tut so weh

Liebe Kerstin,

es hat mich sehr traurig gemacht, deine Zeilen zu lesen. Was sollte man dir vorwerfen können? Warum belastet man dich mit ungerechtfertigten Schuldgefühlen? Ich kann nicht verstehen, dass so viele Menschen - und ich möchte deiner Mama und deinem Bruder jetzt nicht zu nahe treten - offenbar in diesem Leben nichts begreifen werden...

Wenn eine Ehe nicht funktioniert, ist in den seltensten Fällen nur einer der Partner schuld. Deine Mutter wird, wie auch immer und vielleicht sogar ohne es zu wissen, ihren Teil dazu beigetragen haben, dass dein Papa sich von ihr getrennt hat. Schmerzlich, gewiss, verletzend, auch das. Ich kann Wut und Trauer deiner Mutter verstehen, sie hat ihren Mann verloren und das tut weh. Was ich nicht begreifen kann ist, dass ein erwachsener Mensch nicht genügend Liebe und Achtung seinen Kindern gegenüber aufbringt, diese aus dieser Paargeschichte rauszuhalten. Das ist mehr als unfair.

Was deinen Bruder betrifft, er ist - kann man bei Knaben leider des öfteren erleben - wohl den Weg des geringsten Widerstandes gegangen. Ich könnte mir vorstellen, dass er sich vielleicht noch nie so wirklich überlegt hat, warum er sich so verhält, vielleicht hat die Reaktion deiner Mutter ihn einfach so "genervt", dass ihm ein Auskommen mit der neuen Frau deines Vaters schlicht und ergreifend zu anstrengend war. Auch das sich zurückziehen während der Krankheit. Es ist so leicht zu sagen, ich kann das nicht. Der Mensch kann so viel, wenn er will...

Das Leben ist so kurz und ich finde es wunderbar von dir, dass du soviel Größe und Reife besessen hast, deinem Papa sein Glück zu gönnen.

Was die Gefühle deiner Mutter und deinem Bruder gegenüber betrifft, so bin ich immer der Meinung, dass man möglichst darüber reden sollte. Ich weiß nicht, ob es bei euch möglich ist, aber versuch den beiden doch deine Gefühle zu beschreiben, erklär ihnen, was ihr Verhalten in dir bewirkt und dass du nicht verstehen kannst, was sie dir vorzuwerfen haben. Vielleicht besteht nach einem Gespräch doch noch einmal eine Annäherung, so hättest du es zumindest versucht. Wenn sie es nicht wollen, so musst du versuchen, es nicht weiterhin zu deinem Problem zu machen (ich weiß, besonders dieser Satz schreibt sich aus der Distanz so unglaublich gut...)

Ich hoffe sehr, dass es dir bald wieder besser geht und finde, du hast dich prima verhalten.

LG
Andrea
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  #4  
Alt 14.06.2005, 18:53
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Standard Es tut so weh

Liebe Kerstin,

da Du Dich so allein und traurig fühlst, setz ich mich zu Dir, halt Deine Hand.
Ich habe auch an anderer Stelle über Deinen Kummer gelesen.

Du schreibst es tut Dir so leid für Deinen Vater. Das sollte es nicht, Kerstin. Ich kann mir vorstellen, daß in einer anderen Welt, sollte es sie geben, in anderen Dimensionen gedacht, gefühlt, bewertet wird. Ich will und kann mir nicht denken, daß wir, die wir hier leben, immer weiter, bis über den Tod hinaus einen Einfluß haben.

Bei allem, was ich bisher über Dich und Deine Angehörigen gelesen habe, tust eigentlich Du mir am meisten leid. Du hast so willig aus allem gelernt.Du bist weitergegangen im Lebensweg. Die anderen konnten Dir nicht folgen. Oder wollten es nicht.

Ich verstehe wenn Dir bang ums Herz ist beim Gedanken an Deine Mutter und wie das alles einmal sein wird. Ich glaube es ist gut die eigene Tür immer offen zu lassen und an andere hie und da anzuklopfen. Vielleicht wird es wieder gut, vielleicht nicht. Vielleicht bringt Dir die Nähe zur zweiten Frau Deines Vaters eine Beziehung, die mit Deiner Mutter nicht möglich ist. Vielleicht gilt das auch für Deine Kinder.

Schade ist es allemal. Da hast Du völlig recht. Schade, daß diese Verhärtungen auch angesichts von Tod beibehalten werden und auch über den Tod hinaus.

Ich weiß nicht ob es möglich ist, aber vielleicht geht es, daß Du Dich gefühlsmäßig etwas herausschälst. Damit meine ich, daß Du zufrieden sein kannst was Dich, Deinen Vater, dessen Frau betrifft. Die Beziehung Deiner Familie mit Deinem Vater, die kannst Du nicht beeinflussen, das ist deren Geschichte.

Beispiele, vergleichende Geschichten bringen nicht viel, aber ich will Dir doch etwas von mir erzählen: in der Familie meiner Mutter gab es vor mehr als 30 Jahren eine große Aufregung um eine kleine Sache. Es bildeten sich zwei Parteien. Meine Mutter nahm als einzige nach einem Jahr wieder mit allen Kontakt auf, worüber ich heute noch froh bin, denn ich führe wiederum als einzige diesen Kontakt mit all meinen Tanten, Onkeln,Cousinen und Cousins fort. Meine Meinung über die Beteiligten war die meiner Mama. Nach Mamas Tod, beim Aufräumen las ich die Briefe der anderen. Zu meiner Verblüffung verstand ich die Argumente jedes einzelnen, ich fand, jeder hatte recht.

Ein ähnliches Erlebnis hatte ich nach Papas Tod.

Während der Erkrankung meiner Mama hatte ich große Probleme mit dem Verhalten der Freundin meines Bruders. Auch mit ihm, weil er das nicht nur hinnahm, sondern sogar verteidigte. Dieser Groll, diese Wut, diese Enttäuschung haben mich fast mehr Kraft gekostet als der Kummer, die Sorge und die Angst um meine Mama.
Wer weiß, vielleicht hat mich das meine Gallenblase gekostet. Selbst wäre ich nicht auf die Idee gekommen, im Frühstückszimmer des Krankenhauses sprachen Patienten über Vermutungen warum sie die ihre verloren hatten.
Inzwischen ist die Freundin die Frau meines Bruders geworden. Kurz nach Papas Tod wurde er mit der Diagnose Hodenkrebs konfrontiert, ein paar Monate vorher war er Vater geworden. Da bin ich fast umgekippt. Es geht ihm inzwischen gut, vor einem halben Jahr ist er wieder Papa geworden. Ich bin nun Tante von zwei Neffen, denen ich, in Vertretung meiner Mama, auch Oma sein will. Das Verhältnis zu der Familie meines Bruders ist gut. Noch immer bekomme ich einen trockenen Mund, ein schnell schlagendes Herz wenn ich an ihr Verhalten denke, aber ich merke die Wut und die Enttäuschung wird linder.

Wenn ich es,mit dem zeitlichen Abstand seit Mamas Tod recht bedenke, dann war es eigentlich so, daß Mama von ihr enttäuscht war, daß zwischen den beiden etwas stand. Ich hatte keine Probleme mit ihr, weil ich mir nichts von ihr erwaretete.
Ich bekam dann die Schwierigkeiten, meine Gedanken kreisten zuviel um dieses Thema, weil es mir für Mama nicht nur leid, sondern richtig weh tat.

Nach wie vor habe ich Stunden, auch Tage, in denen es mir schwer fällt das alles auseinander zu klauben, nicht in Groll zurückzufallen. Aber es gelingt mir immer besser. In diesem Sommer wird meine Schwägerin 40. Schon lange bewundert sie einen Teppich in meiner Wohnung, den ich zu meinem 40igsten Geburtstag von meiner Mama bekommen habe. Vor ein paar Wochen hab ich zu ihr gesagt, du weißt ja, daß ich viel übrig hab für Symbolik.dir gefällt der Teppich, du wirst 40, ich bekam ihn von meiner Mama mit 40, ich schenk ihn dir, vielleicht kann mit diesem Geschenk etwas in Bewegung gebracht werden, was zu Lebzeiten meiner Mama nicht möglich war. Sie wurde rot und umarmte mich. Weißt Du, was ich mir als nächstes wünsche? Ein Ritual mit ihr am Grab meiner Eltern. Ich kann warten.

Ich hoffe das alles kommt nicht als Wirrwarr zu Dir.
Ich umarme Dich
Briele
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  #5  
Alt 15.06.2005, 08:56
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Liebe Viv, Andrea und Briele,

ich danke Euch für Eure Anteilnahme und für Eure Unterstützung. Ich empfinde es wirklich so. Es geht mir schon wieder etwas besser, und das habe ich auch Euren Worten zu verdanken.

Briele, es kam überhaupt nicht wirr rüber, ich finde schon dass man aus anderen Geschichten lernen kann, auch wenn man alles nicht im Detail vergleichen kann, aber man sieht doch ähnliche Mechanismen und wie so oft ist es hier auch, dass es schon hilft wenn man sieht, das man mit seinem "Unglück" nicht allein da steht. Dass es anderen so oder ähnlich auch passiert. Dass Menschen schwierig sind, aber dass man auch Wege heraus finden kann.

Andrea, auch dir Danke für die unterstützenden Worte. Vielleicht hat mir auch genau das gefehlt, dass einfach mal wieder jemand sagt dass ich es richtig gemacht habe, bzw. dass ich zumindest das Recht hatte, meinen Weg zu gehen....

Viv, es ist in der Tat ein Problem das sich durch die letzten 20 Jahre unserer Familie gezogen hat, dass meine Mutter uns nicht aus ihrer (verständlichen) Wut + Enttäuschung über ihre gescheiterte Ehe raushalten konnte... sie ist recht dominant und hat uns immer irgendwie dazu gebracht Partei zu ergreifen.... ich weiss noch wie sie vor ca. 10 Jahren einmal zu meinen Überlegungen zu meiner Familien-Geburtstagsfeier sagte, als ich erwähnte dass ich meinen Vater einlade "wieso den denn?...."... dazu muss man sagen dass mein Vater auch einiges falsch gemacht hat, vor allem aus Feigheit, wie er später durchaus mal zugegeben hat...wir wussten jahrelang (auch damals nicht) wo er wohnte, und mit wem.... aber er war ja trotzdem MEIN VATER und ich denke sowas hätte sie nie sagen dürfen. Mal abgesehen dass ich da auch schon ca. 30 J. war und es MEIN Ding war wen ich einlade, aber was habe ich gemacht, anstatt ihr genau DAS zu sagen...? Separate Veranstaltungen.... meinen Vater extra eingeladen... und erst als er im KH lag habe ich angefangen zu meinem Weg zu stehen, und da sind wir prompt aneinander gerasselt, also meine Mutter und ich... mit 40 habe ich angefangen mich ihr gegenüber zu behaupten, und ich kann schon verstehen dass das "überraschend" für sie kam.... aber zurück geht es nicht mehr. Vermutlich müssen wir einen neuen Weg finden wie wir miteinander umgehen können.

Jetzt um den Jahrestag herum ist alles wieder zu frisch, aber ich habe mir vorgenommen vielleicht nächste Woche mal meine Mutter zu fragen ob sie mal unsere Baustelle ansehen will... wir haben angefangen zu bauen, und anscheinend beisst sie sich lieber die Zunge ab anstatt einmal zu fragen... sie ist da so absolut unnachgiebig... tendentiell habe ich das asuch von ihr, schätze ich, aber ich versuche nicht wie sie in selbst gezogenen Grenzen gefangen zu sein und zu bleiben....

Gestern hatte ich eine Stunde bei meinem Thera und wir sprachen die ganze Zeit über das Thema. Ich habe dadurch auch meine Wut + Enttäuschung wieder etwas verringert, weil ich mal wieder erkannt habe dass ich meine Mutter nicht ändern kann.... wenn es nicht so bleiben soll wie es ist, muss ICH etwas tun.. auch wenn es mir widerstrebt dass es genau das ist was sie erwartet, dass ich ankomme.... dass ich nachgebe... aber ich muss mich davon freimachen was sie denkt oder denken könnte, und einfach tun was ich für richtig halte... ist nicht einfach aber ich bin froh dass ich hier solche gute Unterstützung finde...

Im "richtigen" Leben finde ich nur selten jemanden der die ganze Problematik überhaupt wissen will, allein das Thema Tod ist ja immer noch ein grosses Tabu, ich kann über all das eigentlich nur selten richtig sprechen, alle lenken schnell ab.... hätte ich früher vielleicht auch gemacht.

Danke nochmal an Euch.

Kerstin
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  #6  
Alt 15.06.2005, 12:00
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Hallo Kerstin,
Ich erkenne mich in vielen von deinen Aussagen wieder. Du bist schon ein Stück weiter wie ich, denn ich sah meinen Vater während der Krankheit mit anderen Augen, aber dass ich ihn so akzeptiere wie er ist, habe ich ihm leider nicht gesagt. Meine Mutter hätte eine Krise gemacht, glaube ich...
Ich stehe noch zuviel unter dem Einfluss meiner Mutter, ich weiss wie schwer es ist und wie man voller Selbstzweifel ist wenn man was 'eigenes' tut Du kannst also stolz auf dich sein.
Ja, du kannst nur dich selbst ändern und dadurch vielleicht einmal deine Mutter. Du kannst ihr ja ihre Meinung lassen und du behältst deine. Lass dir nur nicht ihre aufdrängen. Redet einfach nicht darüber, weil sie kann deinem Vater noch nicht verzeihen. Und sie ist eifersüchtig auf deine Beziehung zu der Frau, die ihr den Mann weggenommen hat ( in ihren Augen ). Lass ihr Zeit. Vielleicht ist sie noch verbitterter jetzt, weil ihr bewusst geworden ist, dass er jetzt nie mehr zu ihr zurückkehren wird....( insgeheim hatte sie vielleicht die Hoffnung, auch wenn sie das nie ausgesprochen hat )
Ich denke sie liebt ihn noch und hat sich eine Schutzmauer errichtet. Sei also nicht traurig und fühl dich nicht, als ob du wieder nachgegeben hättest.
Du hast ein grosses seelisches Problem lösen können, sie noch nicht.
Alles Liebe und sag es mir wenn ich zu direkt bin oder du meine Hypothesen unpassend findest. Will mich hier nicht ala Thera aufspielen.
Viv
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  #7  
Alt 16.06.2005, 11:46
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Hallo Viv,

mach Dir keine Gedanken, Du bist nicht zu direkt.

Ich habe meinem Vater leider auch nicht mehr persönlich GESAGT, dass ich "einverstanden" bin. Dass ich mich für sein spätes Glück gefreut habe. Ich hoffe er hat es dennoch ein wenig gespürt, zumal wir uns in den letzten 2 Jahren vor seinem Tod ein wenig näher gekommen waren und ich auch öfters dort war... aber ich habe ihm im KH zum ersten Mal in meinem (erwachsenen) Leben gesagt dass ich ihn lieb habe... ich weiss zwar nicht ob er es jedes Mal oder wenigstens 1 x mitbekommen hat, weil schwer festzustellen war wann er bei Bewusstsein war und wann nicht, aber ich bin trotzdem sehr froh es noch ein paarmal gesagt zu haben.

Dass alles gut war wie es war, genau in diesen Worten, habe ich ihm dann geschrieben... in einem Brief den er mit in den Sarg bekommen hat. Also so gesehen zu spät, und ich würde es gern rückgängig machen und dann RICHTIG sagen wenn ich noch könnte.... aber ich hoffe er hat es trotzdem irgendwie gespürt. Wenn es nicht mehr anders geht, denke ich ist es gut und wichtig trotzdem noch so einen Brief zu schreiben... dann HAT man es einmal gesagt...wer weiss, vielleicht kommt irgendwas daon noch an.... weiss man ja nicht.....

Was Du über meine Mutter geschrieben hast, ist bestimmt ein Teil von ihrem Problem. Ich denke es ist wohl so eine Art Hassliebe geworden, mit den Jahren, sie ist vermutlich nie richtig über ihn hinweg gekommen, und sei es nur weil sie kein neues Glück gefunden hat, im Gegensatz zu ihm....

Danke für deine Worte. Du brauchst garnicht so vorsichtig zu sein. Selbst wenn Du "daneben" liegst ist es ja nicht schlimm. Dafür dass Du uns nicht kennst bist Du dicht dran, das heisst Du hast ein gutes Gespür und das merkt man.

LG
Kerstin
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  #8  
Alt 16.06.2005, 13:23
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Liebe Kerstin,
Wie ich schon in einem anderen Thread erwähnt habe, schreibe ich ziemlich viel. Briefe an meinen Dad oder meinen Opa, in denen ich über meine Gefühle und Probleme berichte und ihnen sage was mir am Herzen liegt.
Ich stelle meinem Dad viele Fragen, weshalb er so war wie er war, wie ich heute über ihn denke usw usw.
Viele denken vielleicht dass das ja nur so ne Art Tagebuch ist, aber für mich sind diese 'Schreiben' sehr wichtig.
Ich werde nie erfahren weshalb er manchmal so distanziert und unnahbar war und warum wir uns nicht näher waren ,aber vielleicht kann ich irgendwann meinen Frieden mit ihm schliessen.
Ich versuche mich an die positiven Momente mit ihm zu erinnern und nicht nur an das Negative ( wegen Freundin usw ).
Am schlimmsten ist, dass sogar einige der Meinung sind dass es seine eigene Schuld ist dass er so früh gestorben ist ( sein eigenes 'nicht wissen was er will','sein unstetes Leben' usw.) Er ist an Asbestose gestorben.
Er war halt wie er war und nicht so wie meine Mutter und wir Kinder es uns gewünscht hätten. Aber auch das klingt wieder so negativ über ihn...
Er hat uns auch geliebt, das weiss ich, er konnte es nur schlecht zeigen.
Ich bin ja auch nicht wie viele es von mir verlangen. Und krieg dann auch Vorwürfe zu spüren.
Auf jeden Fall hoffe ich dass es dir besser geht und dass du,dein Bruder und deine Mutter wieder Kontakt zueinander findet.
Melde dich auf jeden Fall wenn du gerne reden willst.
Würde mich freuen.
Alles Liebe
Viv
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  #9  
Alt 16.06.2005, 20:11
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Hallo Ihr Lieben,

wenn ihr ein bißchen zusammenrückt, habe ich auch noch Platz auf der 'Couch'.

Kerstin, ich finde deine Haltung bewundernswert. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig, wenn nicht gar unmöglich es ist, das 'Partei-ergreifen' abzuschütteln, zumal, wenn man über Jahre hinweg darauf konditioniert wurde. Ist es nicht immer "Wenn du mich liebst, hältst du zu mir, wenn du nicht zu mir hältst, liebst du mich nicht" was da im Hintergrund steht? Emotionale Erpressung.Es geht ja nicht um sachliche Argumente, wo man eine Position beziehen könnte, sondern um Grundsatzentscheidungen für den einen oder den anderen. O-Ton meiner Mutter: "Du hilfst ja jetzt zu deinem Vater...". Und das, nachdem sie mich von klein auf zu ihrer Verbündeten herangezogen hatte (nicht ohne mir immer wieder zu sagen, ich sei wie mein Vater, also so ziemlich das letzte...). Nun ist mein Vater tot, und ich bereue bitterlich, daß ich nicht viel früher und viel öfter "zu ihm" geholfen habe.
Ich denke, du hast dich in dieser Angelegenheit von deinem Gefühl leiten lassen und das war richtig so. Wenn deine Mutter damit nicht klarkommt, ist das ihr Problem. Sie ist neurotisch, du hast Größe und Herzensgüte gezeigt.

Mein Vater ist vor zehn Wochen gestorben, sein Todesurteil hat er Anfang Januar bekommen. Ich habe in den letzten Monaten so viel Zeit damit verbracht, über die Strukturen in unserer Familie und meine Eltern nachzudenken, wie nie zuvor. Ich kann mir vieles rational erklären, aber das hilft mir zur Zeit nicht viel. Ich hadere mit meiner Mutter (ohne, daß ich ihr schuld geben könnte, sie ist halt so, wie sie ist), aber ich hadere auch mit mir selbst.

Meine Eltern waren über 40 Jahre verheiratet. Und seit ich denken kann, hat meine Mutter diese Liaison als den größten Fehler bezeichnet, den sie in ihrem Leben gemacht hat. Nach seinem Tod hat sie, glaube ich, das erste Mal etwas Gutes über ihn gesagt. Nachdem sie ihn fast sein halbes Leben lang behandelt hat, wie den letzten Dreck (entschuldigt diesen harten Ausdruck), hat sie sich in den letzten Wochen seines Lebens rührend um ihn gekümmert Das ist das traurige an der ganzen Geschichte: im Grunde ihres Herzens ist sie ein großzügiger und hilfsbereiter Mensch ist, der ohne nachzudenken sein letztes Stück Brot mit einem dahergelaufenen Fremden teilen würde. Sie ist sich selbst ihr größter Feind. Alles ist negativ, kein Mensch gut genug für sie. Deswegen hat sie auch keine Freunde (wollte sie nie) und seit Jahrzehnten keinen Kontakt mehr zu ihrer einzigen Schwester. Ich habe zwei Cousins und eine Cousine, die ich nie kennengelernt habe.

Mein Vater war ein sehr passiver Mensch. Hat seine Existenz mehr oder weniger klaglos am Rande unserer Familie geführt. Hat nie viel geredet. Wurde nie viel beachtet. Auch nicht von uns, seinen Töchtern. In den zehn Wochen, die ihm nach seiner Diagnose noch geblieben sind, war er das erste Mal der Mittelpunkt unserer dysfunktionalen Familie.
Seine Hand zu halten, stundenlang, war für mich vielleicht genauso tröstlich wie für ihn. Jahrzehntelang haben wir uns bestenfalls die Hände geschüttelt, wenn ich kam oder ging.
In den letzten zehn Wochen seines Lebens habe ich ein innigeres Verhältnis zu meinem Vater entwickelt, als ich mir das je hätte vorstellen können. Die Zeit war zu kurz. Für ihn. Für mich. Für uns beide.
Ich tröste mich damit, daß ich alles gut gemacht habe in dieser Zeit. Für ihn und für mich. Aber ich hadere mit mir, daß ich mich nicht schon viel früher anders verhalten habe.

Jetzt hör ich besser auf, hoffe all das klingt nicht zu verworren, ist nur ein kleiner Bruchteil dessen, was mir so im Kopf rumgeht...

Briele, ich wünschte, ich hätte deine Weisheit, Klarheit und Großherzigkeit... (nein... eigentlich wünschte ich, ich hätte jemanden wie dich als Mutter gehabt. Unvorstellbar, was aus mir hätte werden können... ;-))


Danke fürs zuhören und für den Platz auf der Couch. (((((euch alle))))

Ingrid
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  #10  
Alt 17.06.2005, 00:03
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Hallo, ihr lieben Töchter,

Ingrid, ich denke Kerstins Couch ist unendlich dehnbar.So wie es ohne Ende Liebe, Verständnis, Aufmerksamkeit gäbe. Leider weiß das nicht jeder.

Euch ist Unrecht geschehen, Euer Kummer berührt mich.

Ich habe zurück gedacht an meine frühe Kindheit, die ich in einem Bergdorf verbracht habe. Es gab dort kleine Kinder die nicht mit anderen sprechen und spielen durften, weil die Großväter irgend einen Ärger miteinander hatten. Die wurden verprügelt wenn sie es dennoch taten. Das war mangelnde Loylität, Verrat, das wurde bestraft. Es waren keine Einzelfälle.Aber so etwas gibt es heute Gott sei Dank so gut wie nicht mehr.

Die Lobbybildung in den Familien wird wirklich mehr von Müttern betrieben als von Vätern. Warum ist das so? Vielleicht weil die Kinder das einzige waren, was auch ihnen "gehörte", wo sie mitreden,mitentscheiden konnten, weil sie sonst nichts hatten? Ist es etwas was heutzutage von den Müttern besser gehandhabt wird? Ich kann das nur von meinem Umfeld aus bedenken, aber mir scheint die jungen Mütter machen das heute besser, mit mehr Gelassenheit weil sie auch mehr Selbstbewußtsein haben.

Also in mir ist Hoffnung, daß wir diesbezüglich in einer "Wende"leben.

Aber was hilft das Euch? Jeder hätte gerne eine Vergangenheit, in die er mit Zufriedenheit zurückblickt. Eure Väter sind tot und Ihr hättet manches gerne anders gemacht. Kann es ein Trost sein, daß Ihr ja doch noch die Kurve bekommen habt, daß Ihr es wirklich gut gemacht habt? Denn das habt Ihr doch! Ihr könnt Euch auch "mildernde Umstände" zugestehen, Ihr müßt nicht so streng mit Euch sein.
Eure Mütter und Väter hatten miteinander ihre Geschichten, es ist beklagenswert, daß sie Euch nicht gleichermaßen Wurzeln und Flügel gaben, es Euch überließen wie Ihr Eure Beziehungen zu ihnen lebt.

Ich weiß nicht weshalb, aber jetzt ist in meinem Kopf dauernd ein Spruch von Christian Morgenstern, den ich sicher nicht richtig zitiere:
.... ja, vielleicht haben wir uns auch diesmal schon wieder getroffen, von früher, nur, daß wir es nie wissen, daß wir heimliche Zusammenwanderer sind .....

Keiner weiß es, ich kann nicht sagen, daß ich daran glaube, aber wer weiß, vielleicht gibt es so etwas wie ein immerwährendes Lernen. Was nun die Situation betrifft, über die wir hier schreiben, dann habt Ihr die Lektion gelernt. Es ist doch noch einmal alles gut gegangen! Und, was auch wichtig ist, Ihr geht auf dem richtigen Weg weiter.

Ich würde Euch wünschen, daß Ihr auf diesem Weg einmal Eure Mütter trefft und Ihr einen Teil des Weges gemeinsam geht. Nachdem Ihr vielleicht gemeinsam darüber weint, daß es nicht schon früher ein fröhliches, liebevolles Miteinander gab.

Vielleicht gibt es dieses Treffen nicht. Da kann man dann nichts machen. Dann wünsche ich Euch, daß Ihr Euren Schmerz, Eure Kränkung, Eure Enttäuschung ablegen könnt und alleine weiter geht. Mit Euren Männern, Euren Kindern, Euren Freunden und auf dem Weg trefft Ihr vielleicht eine mütterliche Freundin.

Ich wünsche Euch von ganzem Herzen alles Gute. Daß in Eure Herzen Zufriedenheit und Ruhe einkehrt.

Briele
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  #11  
Alt 17.06.2005, 00:48
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Liebe Ingrid,

hier bin ich noch einmal und möchte Dir danke sagen für eines der schönsten Komplimente die mir je gemacht wurden.

Ich habe keine Kinder. Aber vielleicht hätte ich es gut gemacht, die Voraussetzungen hätte mir meine Mama mit gegeben. Die hatte auch Glück mit ihrer Mama.

Alles Liebe
Briele
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  #12  
Alt 17.06.2005, 08:18
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Liebe Briele,
Deine Worte sind sehr treffend und ich danke dir für dein Verständnis. Es ist wirklich ein Thema das man nie so richtig ansprechen kann, weil man will seine Mutter ja auch nicht unbedingt schlecht machen bei anderen...
Man 'darf' auch nicht schlecht über den 'Verstorbenen' reden, das 'tut man ja nicht'.
Dabei hab ich auch oft wütende Gefühle gegenüber meinem Vater, aber jetzt wird meistens nur noch positiv über ihn geredet, weil er ja tot ist. Weshalb hat man früher nicht so über ihn geredet, heute hilft es ihm nicht mehr.
Aber ich glaube dass jeder der Angehörigen anders mit seiner Trauer umgeht und auch andere Verhaltungungsweisen zeigt. Muss man auch akzeptieren.
Dieses 'kritische' Nachdenken über den Verstorbenen ist irgendwie überall ein Tabuthema.
Natürlich ist es für den Betroffenen am schlimmsten, aber es ist auch nicht einfach für die Angehörigen. Die Art des Menschen ändert sich doch nicht automatisch total, nur weil er krank geworden ist. Während der Krankheit war mein Vater oft kränkend und ungerecht. Man hat dann irgendwie das Gefühl, dass man ihm alles verzeihen muss, weil er ja bald sterben wird.
Warum nicht auch in dieser Zeit sagen, du, ich versuche doch alles für dich zu tun, warum machst du es mir so schwer. Kranke Menschen sind doch nicht fehlerfrei und auf einmal Heilige... Ich höre immer nur so viel Gutes von den Erkrankten. Man müsste auch mal den Frust auf den Kranken rauslassen können...
Ich weiss dass ich mich oft wiederspreche und mal so und mal so rede. Aber das ist normal weil ich mit mir selber nocht nicht im Klaren bin, wie ich denken soll und welche Gefühle überwiegen. Mal so, mal so...
Ich bin froh dass es diesen Thread gibt, und dass es noch Leute gibt die diese Probleme verstehen. Danke !

Liebe Ingrid,
wieder entdecke ich so viele Parallelen in deinem Bericht.Zum Beispiel die Ehe, die emotionale Erpressung , das passive Verhalten des Vaters und immer wieder die Frage ob man alles richtig gemacht hat.Aber ich glaube wir haben das Beste versucht und mehr kann man nicht machen...

Liebe Andrea,
Man merkt dass du viel über Gefühle nachdenkst und vieles verstehst. Das Leben ist wirklich zu kurz um nur zu grübeln, wir sollen das Leben geniessen und uns öfters bewusst sein, dass es uns gut geht ( oder gehen kann ). Ich weiss leicht gesagt, aber ich versuche mir das immer wieder einzureden..

Liebe Kerstin, danke dass du das Thema angeschnitten hast. Ich habe es ja auch sschon irgenwie versucht mit meinem Thread 'Beziehungen verändern sich...'
Danke!
Es hilft wirklich schon darüber zu reden. Hab zwar auch meine Therapiestunden gehabt, aber es ist noch was anderes mit Betroffenen zu reden.
Wünsche dir alles Liebe.

Uff, wurde lang, aber wenn ich erst anfange zu schreiben, hab ich das Gefühl nicht mehr aufhören zu können. Danke fürs Zuhören.
Euch allen einen schönen Tag noch !
Viv
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  #13  
Alt 17.06.2005, 09:17
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Hallo Alle,

ich finde es Klasse, das wir uns hier alle getroffen haben, aber es wird auch immer schwieriger weil komplexer, zu antworten und auf alle einzugehen, finde ich. Und ich erkenne mich in so vielen Dingen wieder.

Ingrid, bei mir war es sehr ähnlich wie bei Dir, was die letzten Wochen meines Vaters anging. Wir sind uns vor allem körperlich nahe gekommen wie nie zuvor. Ich denke in letzte Zeit immer häufiger: was sind wir bloss für eine komische /bekloppte Familie. Viel Schweigen und gegenseitiges Übelnehmen, wieder Schweigen, alles unter den Teppich kehren, verhärtete Standpunkte, kein herzliches Miteinander weder in der Freude noch in der Not.

Ich denke, meine Mutter ist sich selbst ganz genauso im Weg wie Deine, sie tut sich auch sehr schwer mit anderen Menschen, hat an fast jedem was auszusetzen, es ist fast unmöglich es ihr recht zu machen. Seit meiner Teenager-Zeit versuche ich abwechselnd Dinge vor ihr zu verbergen (um ihr Missfallen bzw. ganz früher noch Verbote zu umgehen) oder eben es ihr recht zu machen, wenigstens nach aussen hin.

Aber ich analysiere schon so lange an meiner Mutter herum... Viv, Du meintest man könne ja schlecht über das Thema reden... mit den meisten Menschen ist es sicher so, aber ich hatte zum Glück seit meiner Schulzeit eine Freundin (immer noch) die auch ein problematisches Mutter-Verhältnis hat/hatte und auch darüber sprach...das Thema wälzen wir jetzt unter immer wechselnden Aspekten seit ca. 25 Jahren (Oh je...). Aber damit komme ich nicht weiter. Ich merke, das ich vor dem entscheidemnden Punkt noch immer weglaufe, nämlich mal nicht meine Gedanken sondern meine GEFÜHLE ihr gegenüber zuzulassen und zu betrachten.

Wenn ich meine Mutter sehe, tut es weh und sie tut mir leid weil sie so einsam und verbittert aussieht und fühle mich einerseits aus Mitleid (???) heraus zu ihr hingezogen, aber etwas viel stärkeres stösst mich zurück. Es sind keine warmen oder herzlichen Gefühle - was nicht heisst dass ich die nicht habe, vielleicht, jedenfalls kann ich sie nicht fühlen oder zulassen. Ich kann mir weder vorstellen meine Mutter in den Arm zu nehmen noch einfach mal herzlich mit ihr zu lachen. Wann habe ich sie das letzte Mal lachen sehen? Lange lange her, jedenfalls in meiner Gegenwart.

Beschämend... zweimal habe ich sie hier im Ort gesehen und mich schnell zurück gezogen, anderen Weg eingeschlagen, um sie nicht zu treffen, weil ich ihre negative bittere Art nicht ertragen kann, nicht mal ihr Aussehen, ich kann sie fast nicht richtig ansehen. Ist das nicht furchtbar?

Meine Mutter ist ein komplizierter Mensch, anscheinend sehr gefangen in ihren (selbst gesteckten ? anerzogenen ?) Grenzen. Ich bin auch eher kompliziert, denke ich ... Mein Vater war eher ein "simples Gemüt", so sagte er mal selbst über sich, zwar nicht so still wie Ingrids Vater, aber so gesehen auch eher am Rande der gesamten Familie in den letzten 20 Jahren da meine Mutter ihn erst nicht mehr so einbezogen hat und er dann nur noch hin + wieder dabei war nach der Trennung meiner Eltern. Aber er war erfolgreich im Job und ein ziemlicher workaholic. Aber eben nicht "intellektuell" oder reflektiert, er hat immer gern alles schwierige verdrängt.... so hatte er sich vor ca. 2,5 Jahren nicht getraut zu sagen dass er die zweite Frau nun geheiratet hatte, udn als ich es durch Zufall erfuhr und ihn darauf ansprach gab er schliesslich zu er sei "schon immer ein Feigling gewesen".... was ich für seine Verhältnisse schon ganz beachtlich fand. Mein Vater wirkte oft sehr flüchtig und oberflächlich, aber er war auch unkomplizierter als meine Mutter, indem er mich einfach mal loben konnte oder sich mit mir + für mich freute. Und wenn er nur mal sagte "das ist ja prima"... damals dachte ich oft "na toll war das jetzt alles?" aber inzwischen ist mir aufgefallen dass ich von meiner Mutter NIE sowas gehört habe, sie hat eigentlich immer nur ihren Senf dazu gegeben wenn es was zu bemängeln gab. Sie hat mich nie unterstützt oder einfach mal hinter mir gestanden, egal was für einen Mist ich gebaut habe. ich denke ich habe das als ziemlich herzlos empfunden, und so kommt es mir jetzt manchmal vor als würde ich ihr jetzt mit der gleichen Herzlosigkeit begegnen... späte Rache? Oder BIN ich auch ein bisschen wie sie? Warum kann ich sie nicht ertragen? Ist das nicht furchtbar?

Als mein Vater Anfang 2002 erstmals operiert wurde besuchte ich ihn im KH und war nicht vorbereitet darauf ihn ein paar Tage nach der Op noch so schwach zu sehen, er konnte kaum sprechen, mein Sohn sass auf dem einzigen Stuhl, ich musste mich auf die Bettkante setzen und er nahm meine Hand und ich fand das so furchtbar... ich ging nach ca. 10 oder 15 Minuten, meine Ausrede war mein Sohn der zu unruhig war, als ich draussen war schäumte es in mir und ich dachte voll Wut + Trotz wie kann er es wagen, nach 40 Jahren hier Händchen halten zu wollen, sich (praktisch) nie kümmern und durch die WEelt jetten udn wenn er krank ist soll ich Händchen halten?

Und 2 Jahre später, als er seine letzten 9 Wochen auf der Intensiv lag, da lernte ich es, da ging es, da konnte ich stundenlang bei ihm sitzen und seine Hand halten und streicheln. Wie sich das entwickelt hat bzw. möglich wurde, ist eine andere separate Geschichte, eigentlich durch meinen Thera der mir geholfen hat zu sehne dass ich ihn nur akzeptieren aknn wie er ist.... und am Ende WAR dann eben alles gut wie es war....

Also, es GEHT. Warum geht es nicht mit meiner Mutter? Zum einen, sie macht es einem schwerer als mein Vater, auf sie zuzugehen. Er war zwar flüchtig, aber hat mich nie zurück gestossen.

Aber ich KANN nicht. Ich will es versuchen, aber allesd drängt mich es zu vermeiden. Nur der Gedanke + die Gewissheit dass ich dafür nicht ewig Zeit haben werde, sitzt mir im Genick....

Puh das war jetzt lang. Könnte im Moment stundenlang weiter schreiben.

Kerstin
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  #14  
Alt 17.06.2005, 11:53
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Halo Viv,

was mir noch einfällt zum Thema "wie reden wir über den / die Verstorbenen". Also, erstmal wird in unserer Familie garnicht über meinen Vater gesprochen (bzw. nicht mit mir, was die anderen sonst machen weiss ich ja nicht). Aber wenn ich z.B. mit einer Freundin darüber spreche dann erhebe ich für mich den Anspruch ihn genauso zu beurteilen wie ich es früher auch mal gemacht habe, nur eben gnädiger... so wie ich auch mir selbst gegenüber gnädiger geworden bin.... manchmal habe ich vielleicht eine etwas derbe Ausdrucksweise, hoffe es fühlt sich hier niemand davon zu sehr abgestossen... naja jedenfalls sprach ich neulich über ihn und sagte einfach mal "...natürlich konnte er ein K....brocken sein"....war ja auch so.... und trotzdem habe ich ihn lieb, ich rede ja jetzt nicht "schlecht" über ihn sizusagen hinter seinem Rücken, jedenfalls nicht anders als früher, im Zweifel jedoch liebevoller, habe ihm alles verziehen, schliesslich habe ich auch viele Fehler gemacht, wir alle.... trotzdem versuche ich ihn nicht allzusehr zu glorifizieren....

Aber ich verstehe sehr gut was Du meinst mit dem üblichen Gerede in der Familie... "wa sich gehört und was nicht"....

ich denke die Hauptsache ist dass Du einen Weg findest wie Du deinen Vater siehst, ihm verzeihen kannst... vielleicht kannst Du dann auch sagen vieles war Sch.... aber es ist verziehen.

Für mich fühlt sich das sehr gut an. Bin froh, dass ich den Groll von früher gegen ihn nicht mehr habe, ist alles weg, aber zum Glück war es das schon vor seinem Tod. Trotzdem denke ich geht es genauso nachträglich, sich und den anderen verzeihen.

Dazu gehört aber auch die Wut und Enttäuschungen usw. zuzugeben und rauszulassen.

Nur mit meiner Mutter... naja siehe oben.....
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  #15  
Alt 17.06.2005, 12:14
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Standard Es tut so weh

Hallo Heike,
Ja, ich muss versuchen ihm zu verzeihen, denn ich komme mir sehr schlecht dabei vor, wenn ich nur negativ über ihn denke.
Es gab ja auch schöne Zeiten, er unternahm doch vieles mit uns, als wir klein waren. Er war eigentlich unser Held. Aber deshalb war es ja so schlimm,dass er plötzlich sein eigenes Leben führte und trotzdem zu Hause blieb. Irgendwie feige war das. Und meine Mutter sah ich nur weinen, auf ihn warten usw. Sie kriegte Depressionen, war viel krank und da tat sie mir natürlich leid. Ich bin auch die Alteste der Kinder und hatte (habe) immer so eine Art Schutzbedürfnis. So als ob meine Mutter mein Kind wäre und ich auf sie aufpassen müsste.
Andererseits bin ich wütend, dass ich so fühle und dass sie mich ihre Angste, ihre Wut und Verzweiflung so spüren lässt.
Ich möchte mein eigenes Leben führen und nicht den Streit meiner Schwestern schlichten, meiner Mutter Mut zusprechen, sie bedauern usw.
Als mein Dad das Jahr zu Hause krank war, waren alle so 'sch..freundlich' zueinander.
Meine Mutter und ich, das ist so eine Art Hassliebe. Ich kann nicht ohne sie und das Ganze nervt mich doch.
Und meinem Vater kann ich noch nicht verzeihen, dass er seine Familie emotional so im Stich gelassen hat und die Freundin ihm plötzlich so wichtig war ( obwohl es ja sein Recht war). Aber er war doch unser Vater und nicht der Vater der Kinder der Freundin.
Also versteh ich doch meine Mutter. Alles Wirrwarr, oder...
Hab wohl heute meinen Moralischen.
Warum ist das Leben so kompliziert?
Alles Liebe
Viv
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