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Alt 01.10.2013, 02:46
Benutzerbild von HelmutL
HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Kämpfen - Diskussion um das Kämpfen gegen die Krankheit

@Dirk.

Danke!


"Ich bestimme mein Leben! Nicht der Krebs."

Diese Aussage ist insofern richtig, daß man bei Diagnosestellung genau eine Wahl hat zwischen:

1. Ich mache nichts. Über die Konsequenz daraus brauchen wir nicht zu diskutieren. Sie ist glasklar.

2. Ich mache etwas. Das heißt, wie Evelin schreibt (andere ähnlich): "Ich setze meine Kräfte, mein Handeln für das Leben ein." Ich sage nicht, dass das falsch ist. Nur, wo es ein Für gibt, gibt es zwangsläufig auch ein Gegen. Man kann nicht sagen: "Ich setze meine Kraft für mein Leben ein" ohne zwangsläufig gleichzeitig etwas gegen den Krebs unternehmen zu müssen. Man kann nicht 'für das Leben' sein und den Krebs links liegen lassen. Das Eine geht ohne das andere nicht.

3. Ich überlasse es anderen, etwas zu tun. Dann muss man sehr viel Glück haben, dass es für das Leben ausgeht. Dann geht es 'irgendwie' weiter. Ohne eigenes Zutun mit zweifelhaftem Ausgang.

Frage: wer oder was stellt uns vor diese Wahl? Wer oder was zwingt uns, diese Wahl anzunehmen? Die Antwort ist wohl eindeutig. Nicht man selbst will vor eine Wahl oder Entscheidung gestellt sein, sondern der Krebs zwingt dazu. Insofern wäre es allerdings im Gegensatz wiederum richtig, dass obige Aussage falsch ist.

Welche Wahl man trifft (1,2 oder3), das ist/kann absolut selbstbestimmt sein. Ohne Zweifel. Sollte auch so sein.

Das Gleiche oder Ähnliches gilt für jede weitere einzelne Entscheidung, die im weiteren Verlauf zu treffen ist. Jede Entscheidung sollte selbstbestimmt und mit dem Ziel 'für das Leben' getroffen werden. Doch fällt man sie freiwillig? Niemals. Man ist immer wieder gezwungen dazu. Will irgendjemand diese Entscheidungen vor sich haben und wer oder was ist die Ursache? Die Entscheidung kann man selbstbestimmt fällen, doch den Zettel mit den Fragen: "Wie geht es weiter? Was willst du tun?", den knallt ein anderer auf den Tisch.

Das alles sind grundsätzliche Überlegungen. Welche Philosophie man sich später darauf aufbaut, ist eine ganz andere Frage. Jeder muss für sich selbst den richtigen Weg finden und wer das Wort 'kämpfen' nicht mag, wird es durch sinngleiche Wörter ersetzen. Was absolut OK ist. Man kann die erste Seite der obigen Aussage favorisieren, doch, denke ich, man behält trotzdem die andere Seite im Hinterkopf.

Einem Krebskranken in der Diagnose-Depression und ganz sicher auch später in der heißen Therapiephase kann man nicht einfach so sagen: "Freue dich deines Lebens und genieße es." Ganz sicher wird er oder sie einem vor die Füße . Eventuell nicht nur bildlich. Da sollte man sagen: "Los! Steh auf! Kämpfe! Du willst doch leben! Es wird dir nicht immer nur schlecht gehen, es kommen auch gute Phasen. Du schaffst das, ich helfe dir dabei." Da kann man nicht um den heißen Brei reden sondern Tacheles. Ist diese Zeit überwunden, dann kann man mit ihr oder ihm darüber reden, wie man das Leben genießen kann und welchen Stellenwert der Krebs gegenüber dem Leben noch hat. Dann sollte man von Leben reden und nicht von Kämpfen. Wenn man vom Leben schreibt, sollte man immer auch bedenken, wer das alles liest. Wenn man vom Leben schreibt, sollte man auch sehr genau und glasklar sagen können, worauf die eigene Lebensauffassung ehrlicherweise begründet ist. Unter Umständen auch ohne blumenreiche Umschreibungen.

Hätte mir, damals als Angehörigem, in der Anfangsphase und auch noch lange danach jemand sowas wie: "Genießt das Leben! Pfeif auf den Krebs." gesagt ... ich hätte ihn oder sie ungespitzt in den Boden gerammt. Letztendlich hat es fast 6 Jahre gedauert, bis ich selber wieder mit beiden Füßen auf selbigem stand. Heute lebe und genieße ich in vollen Zügen. Anders. Vielleicht sogar besser. Ich liebe das Leben und es ist schön. So, wie es ist. Doch vergessen/verdrängen, wieso und weshalb ich heute wo bin? Nein. Das wäre Verrat an mir selbst. Nicht nur an mir selbst.

Ohne Vergangenheit sind wir ein Nichts.

Wie geschrieben: das sind meine Gedanken. Niemand muss sie verstehen. Vielleicht mal ein bisschen darüber nachdenken, dass es neben dem eigenen, wohl- und schwerverdienten Ich (da zieh ich meinen Hut vor) noch was anderes gibt. Ich wünsche jedem, dass er oder sie mit seiner/ihrer Lebensphilosophie zufrieden, vielleicht sogar glücklich, und möglichst gesund durch ein hoffentlich noch langes Leben kommt.


Liebe Grüße und eine gute Nacht,

Helmut
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