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Alt 03.04.2009, 10:22
Schneekugel Schneekugel ist offline
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Standard Papa hat Flügel bekommen...

Mein über alles geliebter Papi hat vor genau 48 Stunden und 10 Minuten Flügel bekommen. Er ist friedlich eingeschlafen und hat uns verlassen...

Während ich dies schreibe, fließen mir die Tränen in Strömen, weil ich sehe WAS ich schreibe und ich weiß, dass es wahr ist. Gott hat meinen Papa zu sich geholt. Das Wetter war schön und ich hoffe, dass die helle Sonne und der klare Himmel es ihm leichter gemacht haben den Weg zu seinen Eltern, Freunden und allen anderen, die wir im Laufe der Jahre verloren haben, zu finden.

Einen Tag vorher noch - also am Dienstag - habe ich wortwörtlich zu Mama gesagt: "Ich wünschte Gott würde ihn tot umfallen lassen, damit ihm all das Elend und Leiden, was ihn erwartet, erspart bleibt." In meinem Herzen habe ich Gott gebeten ihn vor dem großen Leiden zu sich zu holen...unwissend dass dies leine 12 Stunden später sein würde.

Es tut mir leid, wenn ich verwirrt schreibe, aber momentan kann ich all das was um mich herum geschieht nicht fassen. Ich kann es nicht greifen. Es ist unrealistisch und kommt mir fast lächerlich vor. Mein Papa...er MUSS doch im seinem Bett liegen. Er saß die letzten Monate nie mit uns am Tisch. Er lag fast immer im Bett, also muss er doch auch jetzt da liegen. Ich habe aber nachgesehen und er ist nicht da. Ich habe sogar mehrfach nachgesehen, sogar unter der Bettdecke. Ich dachte, weil er ja so dünn ist, könnte ich ihn vielleicht nur nicht sehen. Er hat mich tatsächlich verlassen...Ich konnte ihn nämlich nirgendwo finden.

In der Nacht rief Mama mich an. Ich war bei meinem Freund. Papa ist aus dem Bett gefallen und kam selbst nicht mehr hoch. Sie war verwirrt und panisch, dass sie die Nummer vom Rettungsdienst nicht mehr wusste. Sie rief dort aber dann an und sie nahmen in mit ins Krankenhaus. Alles hörte sich ganz undramatisch an. Um 7:00 rief Mama mich dann an. Ich kann mich nicht bewusst an das Gespräch erinnern. Ich hörte Worte wie: Schlaganfall, Lähmung, Beatmung, Intensivstation, Kabel, wird es nicht schaffen, PATIENTENVERFÜGUNG. Moment! Patientenverfügung??? Ich wusste was das heißt und habe mich angezogen so schnell ich nur konnte. Beinahe habe ich mich in meiner Hysterie übergeben. Ich weiß noch, dass ich geschrien habe: „Mein Papa stirbt, mein Papa stirbt!“
Damals bei meinem Opa war ich zu feige bei ihm zu sein. Im Auto –auf dem Weg zum Krankenhaus- habe ich mich sagen hören, dass ich diesmal ins Zimmer gehe. Nicht wieder diese Vorwürfe, die ich mir bis heute mache.
Dann ging alles ganz schnell. Wir haben die neurologische Intensivstation nicht gefunden. Also rief ich Mama an und fragte: Lebt er noch?“ Und sie sagte: „Ich weiß es nicht. Nicht wirklich! Es gibt noch Reflexe!“ Drei Minuten später waren wir endlich da und es ging Knall auf Fall. Die Ärztin holte mich von der Tür der Intensivstation ab. Ich habe nichts mehr gedacht. Nichts mehr gefühlt. Ich hatte keine Angst, keine Bedenken. Einfach Leere. Ehe ich mich versah, saß ich an seinem Bett und hielt seine Hand. Er war tot. Er atmete nicht. Er war nicht mehr verkabelt. Er lag da. Ganz ruhig. Ich habe so gehofft, dass er sich bewegt, aber er tat es nicht. Die ganzen 2,5 Stunden –in denen ich bei ihm saß- nicht. Und ich habe es nicht rechtzeitig geschafft. Aber ich bin erfüllt vom festen Glauben daran, dass er gesehen hat, dass ich bei ihm war und mich verabschiedet habe. Ich…ICH…hab die Hand meines toten Vaters gehalten. Noch jetzt ist dies unfassbar für mich. Ich hatte solch eine Angst vor dem Tod, dass ich nicht nur glaube, sondern weiß, dass Gott mir beistand. Aus eigener Kraft hätte ich das nicht schaffen können.

Mein großer, tapferer Papa. Er hat mich verlassen. Für immer.

Es fiel mir schwer ihn loszulassen und aus dem Zimmer zu gehen, weil ich wusste, dass das das letzte Mal sein würde, dass ich ihn sehe. Die Ärztin hat uns aber versichert, dass dies das Beste war, was meinem passieren konnte. Das große Leiden WÄRE gekommen. Er wäre ein Pflegefall geworden, ohne die geringste Aussicht auf Heilung. Wir hätten vielleicht noch ½ Jahr gehabt. Ein ½ Jahr mit großem Leid. Gott hat mich erhört und meinem Papa geholfen. Er hat es nicht gemerkt. Jedenfalls nicht aus medizinischer Sicht.
An diesem Tag musste ich zum 1.Mal in meinem Leben eine Urne aussuchen. Wir haben uns für eine dunkelblaue mit Monden, Sonnen und Sternen entschieden. Sie sah irgendwie hoffnungsspendend aus.

Nun nach zwei Tagen, wird mir langsam bewusst, dass kein Mensch so lange träumt. Es muss WIRKLICH passiert sein…
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