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Alt 16.09.2013, 22:26
Norma Norma ist offline
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Registriert seit: 06.11.2005
Beiträge: 1.157
Standard AW: Wie macht ihr das mit dem Arbeiten gehen...?

Antwort auf die obige Frage:

Gar nicht!

Als die Diagnose feststand, war ich 47 Jahre alt; hatte 33 Jahre gearbeitet; drei Kinder bekommen und großgezogen und noch eine pflegebedürftige Mutter.

Mein Alltag bestand Jahrzehnte aus einem ausgeklügelten Minuten-Fahrplan. Jeder Tätigkeit, ob zu Hause oder in der Arbeit, wurde ein genaues "Zeitmaß" zugeordnet.

Beispiele gefällig?

Zu Hause:
Spülmaschine ausräumen: 3 Minuten
Spülmaschine einräumen: 4 Minuten
Wäschetrockner leeren und Wäsche zusammenfalten: 8 Minuten
Essen kochen und selbst essen: 30 Minuten
Körperpflege: morgens 15 Minuten, abends 10 Minuten

und so weiter und so fort...

Auf der Arbeit:
Kundengespräche pro Gespräch: 3 Minuten minimum, 10 Minuten maximum
1 volle Seite Din-A4 (keine pro-Forma-Briefe), selbst erarbeitet und geschrieben: 10, höchstens 15 Minuten
Telefongespräche: pro Gespräch höchstens 5 Minuten
Ablage, wenn sie voll war: 5 Minuten

Überstunden? Habe sie nicht mehr gezählt

Pause? So gut wie NIE!
Urlaub? Ja, dann wurde die Arbeit mit nach Hause genommen.

Kollegen-Gespräche: ausgeschlossen, da in weiter Ferne


Nur mit diesem peniblen Zeitplan war es möglich, den Überblick zu behalten und sogar 6 Stunden Schlaf zu bekommen.

Etwa ein Jahr vor der Diagnose meldete sich mein Körper massivst. Es war klar: Irgendetwas stimmt nicht. Da ich 47 Jahre alt geworden war, beruhigte ich mich selbst: Wechseljahre. Passte ja auch alles: Schweißausbrüche, vor allem nachts
Überschnelle Erschöpfung bis zum Denken: "Ich kann einfach nicht mehr"
Ausbleiben der Periode
Magen- und Darmprobleme
Kopfschmerzen, erhöhte Temperatur
trockene Haut etc. ...


Dann ertastete ich den Knoten in der Brust; wartete aber noch Monate, weil Fibroadenome in der Familie schon zum automatischen "Brust-Mitbringsel" gehörten.

Im Moment der endgültigen Diagnose habe ich innerlich einen rigorosen Schnitt vollzogen. SO wie bisher wollte und konnte ich nicht mehr weiter machen. Ich sah mich plötzlich nur noch wie ein gut funktionierender Roboter, der nun kaputt gegangen war.

Kopfkino?

Ja sicher! Und wie!

Was dann folgte, waren neoadjuvante Chemo, die Op (Mamma-Ablatio) und noch einmal Chemo. 30 Bestrahlungen, 10 Jahre Anti-Hormon-Therapie.

Ich erinnere mich an Arztgespräche ("Frau, warum bloß sind Sie nicht früher gekommen?") und an viele mitleidvolle Krankenschwester-Blicke.
Ich erinnere mich an alle Nebenwirkungen der Therapien.
Ich erinnere mich an meinen früheren Zeitplan und manchmal schaue ich immer noch wie selbstverständlich auf die Uhr, ob das Einräumen der Spülmaschine auch nicht länger als 4 Minuten gedauert hat.
Und im nächsten Moment fällt mir ein, dass das unwichtig geworden ist.

Nun ja, nach der 1. Reha habe ich sofort den Rentenantrag gestellt und wenn ich damals gewusst hätte, dass daraus ein 7jähriger "Rentenkampf" entstehen würde... mein Kopfkino hätte wohl völlig verrückt gespielt.

Richtig "befreit" fühlte ich mich erst, als die Dauerrente bewilligt wurde.

Ich bin kein funktionierender Roboter mehr; ich LEBE!
Trotz aller körperlichen Einschränkungen, die sich im Laufe der Zeit eingestellt haben: Die Erkrankung hat mir die Augen geöffnet und auch dafür bin ich dankbar.


Liebe Grüße an Alle
Norma
Diagnose Brustkrebs Nov. 2001
Diagnose Darmkrebs Juni 2007 bei meinem Mann
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