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  #316  
Alt 28.08.2008, 13:25
estella estella ist offline
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Beiträge: 223
Standard AW: Verzweifelt, traurig und wütend

Meien Lieben,

vor zwei Tagen war die Trauerfeier für meinen Vater. Es war ein gelungenes Fest, eines, das meinem Vater sicher gefallen hätte. Die Messe fand in einer der schönsten katholishen Kirchen Berlins statt, der St. Ludwig Kirche. Der Pfarrer gehört dem Orden der Franziskaner an, ein Orden, der für seine Weltoffenheit bekannt ist. Dementsprechend konnten wir die Messe gemeinsam gestallten. Ein guter Freund meines Vaters kam aus Spanien und gemeinsam mit dem deutschen Pfarrer und dem Mexikanischen Pfarrer der spanischen Gemeinde feierten wir das Requiem. Drei Priester: ein Spanier, ein Deutscher und ein Mexikaner! Irgendwie spielgelte es gut meinen Vater wider, denn er liebte Deutschland, war Spanier und wäre gerne Lateinameriker gewesen!

Es kamen 150 Menschen zur Kirche. Gastarbeiter aus Lateinamerika, pensionierte Ärzte, Putzfrauen, Musiker, Kellner, so wie der Botschafter der Spanischen Botschaft: alle Schichten waren vertreten. Mein Vater war Freund vieler Menschen.
Viele, sehr viele weinende Frauen...immer, wenn sich eine weinende Frau meinem Bruder und mir näherte und uns in die Arme fiel, mußten wir ein wenig grinsen. Mein Vater hatte offenbar das Talent sich mit seinen Verflossenen gut zu verstehen, selbst wenn die Beziehung vorbei war.
Die Musik hatte Frank, ein Freund meines Vaters, der Mitglied des Chores der Staatsoper ist, ausgesucht. Mozart, Haydn, Pachelbel, Reger, Faudé wurden gespielt und gesungen. Frank hatte eine junge Sopranistin gebeten einige Stücke zu singen - die Musik war so schön, so erhebend und so berührend!
Die Messe wurde auf Spanisch und Deutsch gehalten. Meine Schwägerin las die Lesung auf Deutsch, mein Onkel auf Spanisch. Die Fürbitten wurden auf Spanisch von meiner Tante vorgetragen und von Adrian, meinem Mann, auf Deutsch. Der Sarg meines Vaters, der unmittelbar unter dem Altar aufgestellt worden war, wurde von den Priestern ausgesegnet. Der Geruch nach Weihrauch hatte etwas tröstendes und würdevolles. Am Ende, nach dem Ausszug gingen meine Mutter, mein Bruder und ich zum Sarg und verabschiedeten uns. Da erst bemerkte ich, wie viele Menschen gekommen waren!!! Die ganze Gemeinde bildete nach uns ein Spailier und sie zogen am Sarg meines Vaters vorbei...es war sehr bewegend, so viele Menschen zu sehen! Statt Blumen hatten wir um Spenden für ein Projekt in Nicaragua gebeten. Mein Vater hatte über Jahre Kinder in Managua unterstützt. Der Orden meines Onkels wird sich darum kümmern, dass das Geld dort auch ankommt.
Danach luden wir alle ein und von den 150, kamen tatsählich 100 mit ins Hotel Bogota. Das Hotel Bogota liegt fast am Kudamm und gehört einem Freund meines Vaters. Es ist ein schönes Hotel, weil familiär geführt, nicht überkandidelt, aber trotzdem elegant.Von der Kirche zum Hotel kommt man in nur 10-15 Minuten zu Fuss. So zogen wir denn alle gemeinsam los. Eine Catering Firma hatte kleine Speisen auf die Tische verteilt, ein weiterer Freund meines Vaters, dem ein spanischer Lebensmittelladen gehört, hatte Wein und Schinken für alle mitgebracht und so kam die Feier schnell in Schwung. Mein Bruder und ich zogen von Tisch zu Tisch, hörten viele lustige und berührende Geschichten über meinen Vater und bekamen viel Lob für die Messe und das Fest. Alle, die meinen Vater gut kannten sagten, dass ihm alles gut gefallen hätte. Wir bekamen auch zu hören, wie sehr uns unser Vater geliebt hat, wie viel er von seinen Enkeln sprach und wie stolz er auf uns war. Am Ende litt er darunter, uns leiden zu sehen.

Er wollte sterben. Verschiedenen Freunden sagte er, dass er ein erfülltes Leben gelebt hätte, dass er bereit wäre zu gehen.

Wir haben viel lachen können auf dem Fest und es war schön zu spüren, dass mein Vater für viele unvergessen bleiben wird. Sein Damenchor wird vermutlich weiterleben. Denn Frank hat sich bereit erklärt mit den Damen weiter zu proben!
Ich kann es immer noch nicht glauben und begreifen. Neulich war mir, als ob er unseren Flur entlang gehen würde, schnell und hektisch wie es seine Art war. Der Zeitraum von dem Tag, als er mir sagte, dass er Krebs hat, bis zu dem Moment, als er starb, kommt mir so kurz wie ein Augenaufschlag vor. Ich kann nicht verstehen, dass ich ihn nie wieder sehen werde.

Nach und nach fahren seine Geschwister zurück nach Spanien. Montag fliegt auch meine Mutter nach Madrid.

Die Beisetzung der Urne wird am 18 September sein. Nur mit uns Kindern und Kindeskindern. Wir haben großes Glük gehabt, denn er wird in einem wunderschönen Friedhof in der Nähe des Olympiastadiums seien letzte Ruhe finden. Es ist ein Grab, dirkt am Wasser, denn die Sohle des terassenförmigen Friedhofs bildet ein Teich. Eine Zeile Urnengräber säumt den Teich und zufälligerweise wurde ein Grab frei just am Tag bevor ich mit dem Verwaltert mir die freien Urnenplätze anschauen ging!! Eine kleien Bank befindet sich gegenüber des Grabes und man blikt auf den Teich, der von Bäumen umgeben ist. So was Schönes kann man sich kaum vorstellen!!

So, ihr Lieben. Wenn ich in letzter Zeit weniger schrieben sollte, liegt es daran, dass ich mich ein wenig sammeln muss. Lesen werde ich aber bestimmt weiterhin!!!! Und mich natürlich immer mal wieder melden!

Alles Liebe und viel Kraft allen, die mit dieser Krankheit kämpfen!

Alicia
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  #317  
Alt 29.08.2008, 12:45
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PrinzessinAqua PrinzessinAqua ist offline
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Beitrag AW: Verzweifelt, traurig und wütend

Liebe Alicia,
es ist schön zu lesen wie klasse die trauerfeier war und das es euch einigermaßen gut geht.

Ich hoffe ihr könnt euch bald auch etwas erholen den das braucht ihr, nach der schweren zeit.

Wünsche euch alles alles gute und ganz viel kraft.

Liebe Grüße
Manu
__________________
Was man tief in seinem Herzen besitzt, kann man durch den Tod nicht verlieren. Für uns bleibst du unvergessen, in unseren Herzen lebst du weiter!!

Papa Geb: 20.08.1942 - Gest: 15.09.2007
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  #318  
Alt 29.08.2008, 13:48
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Gärtner Gärtner ist offline
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Beiträge: 508
Standard AW: Verzweifelt, traurig und wütend

Liebe Alicia,
wie immer hast Du sehr schön geschrieben. Es ist, als wäre man dabeigewesen. Ihr habt so schön Abschied genommen, dass sich Dein Vater wahrlich keine Sorgen machen musste, wie Ihr mit seinem Ableben zurechtkommt. Ihr habt ihn würdig verabschiedet und damit viel für Euch selbst getan und tragt ihn weiter im Herzen, aber ohne Verzweiflung.
Danke für den Bericht!
__________________
Es gibt zwei Arten, sein Leben zu leben: entweder so, als wäre nichts ein Wunder, oder so, als wäre alles ein Wunder. Ich glaube an Letzteres. (Einstein)
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  #319  
Alt 29.08.2008, 13:54
Shivanarama Shivanarama ist offline
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Beiträge: 108
Standard AW: Verzweifelt, traurig und wütend

Hallo Alicia...........................habe gestern schon Deinen letzten Eintrag gelesen....................war aber irgentwie zu ergriffen um etwas dazu sagen zu können.............................wie immer hast Du sehr bildhaft und lebendig beschrieben wie genau die Trauerfeier so vonstatten ging................einfach nur schön......................und Deinem Vater gebührend.

Ganz besonders klasse fand ich die Sache mit den drei Priestern,- und Dein Satz: "Mein Vater war Spanier,- lebte in Deutschland,- wäre aber gerne Südamerikaner gewesen............................was für einen kulturell bewanderten und interessierten Papa Du doch hattest....................er muß eine sehr interessante Persönlichkeit gewesen sein................Gott hab ihn selig.

Und,- trotz des ja eigentlich sehr traurigen Anlasses konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen,- als Du die Szene beschrieben hast,- wie all die verflossenen Geliebten Frauen Deines Vaters Deinem Bruder und Dir weinend in die Arme fielen........................ich konnte mir Euren Gesichtsausdruck nur allzu gut vorstellen.

Und: Schön,- daß Ihr keine traurige sondern recht lustige Trauerfeier hattet,- mit genug Anekdoten die zum Besten gegeben wurden und alles recht fröhlich wenn auch im Herzen soo schwer gelaufen ist.

Nun kommt wohl die eigentiche Trauerphase auf Euch zu,- jetzt - bis zur Urnenbeisetzung (den Platz am Olympiastadion hast Du auch so schön bebildert mit Deinen Worten,- daß man sich regelrecht vorstellen kann,- wie wohl sich Dein Vater an diesem Plätzchen fühlen würde/wird........daß man am liebsten mal dorthin gehen würde und ich bin mir sicher,- laut Deiner Beschreibung gelänge es dem einen oder anderen sehr wohl den genauen Ort zu finden,- oder???9------------ja,- jetzt also habt Ihr mehr Zeit alles erstmal zu verarbeiten,- was ja sowieso so schnell nicht geht......................ich hoffe Ihr kommt nun alle ein wenig zur Ruhe und könnt Euren Alltag trotz allem ganz gut händeln.

Alicia,- daß Dein Dad auf Euch so stolz war und Euch so sehr liebte, -daß habe ich immer vermutet,- Ihr hattet Vertrauen und ganz viel Tiefe in Eurer Beziehung...............gegenseitig,- er wollte Euch schützen............und Ihr ihn.

Ich hoffe so sehr für Deinen Pap,- daß er einen der schönsten Plätze im Himmel bekommt,- vielleicht singt er ab jetzt mit dem Engelschor dort oben und vielleicht hört Ihr ab und zu etwas was von da oben runtersummt............ich hoffe ihr alle findet Euren inneren Frieden wieder,- Dein Vater,Du , Deine Mam und Dein Bruder...................Ihr habt alles gegeben..................und habt Euch nun ein wenig Ruhe verdient.

Es drückt´und grüßt Dich auf's Herzlichste

die Marion....................deren Papa sich so einigermaßen hält z.Zt............nur seine tiefe Traurigkeit und seine schlimmen Depressionen machen uns allen wahnsinnig zu schaffen...............aber er gibt sich Mühe......zwischendurch auch mal ein Lächeln zu verschenken.........Metastasen mal hier,- mal da.................ich schreib bald mal wieder in meinem Thread...................hab nur die Kraft z.Zt. nicht so wirklich.


Alicia,- paß' gut auf Dich auf.....................und bleib wie Du bist!
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