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  #1  
Alt 10.01.2012, 16:26
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sywal sywal ist offline
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Standard AW: Myxoides Liposarkom - Rezidive

Hallo ihr Lieben!

Heute habe ich endlich meinen Chirurgen erreicht. Er hatte noch keinen Kontakt zu den beiden anderen Kollegen (plastische, Gefäß), welche er zur OP beiziehen will. Morgen oder übermorgen soll ich Bescheid bekommen. Ich will hoffen, dass er sich das Ergebnis der CTPET bereits angesehen hat.
Bis zu dem Telefonat hatte ich große Angst, dass er sagt: "tut leid, sie haben eine/mehrere Metastasen, ich kann sie nicht mehr operieren". In dieser Warteschleife hatte/habe ich Kopfschmerzen, Hals und Rippen schmerzten und meine Hüfte begann auch wieder zu toben. Bin überzeugt, dass das Ganze mit der angeschlagenen Psyche zu tun hat.
Hat er sich die PET noch nicht angesehen, kann ja alles noch kommen.
Aber nun will ich hoffen, dass der Chirurg bei seinen Kollegen etwas (für mich positives) erreicht, die zur Teamarbeit gewillt sind und mit mir der genauere OP-Plan besprochen wird.

Und zum Schluß wieder ein ganz großes Danke!
Sywal
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  #2  
Alt 12.01.2012, 17:35
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Standard AW: Myxoides Liposarkom - Rezidive

Hallo da draußen!

Heute nachmittag wurde ich angerufen, dass ich morgen um 8 Uhr in der Gefäßambulanz sein soll. Vielleicht lerne ich da meinen Gefäßchirurgen kennen, vielleicht aber auch irgendeinen Arzt, der den Auftrag hat meine Gefäße anzuschauen.
Werde morgen berichten.
Schönen Abend
Sywal
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  #3  
Alt 13.01.2012, 11:44
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Standard AW: Myxoides Liposarkom - Rezidive

Hallo!
Nun bin ich wieder zu Hause, habe den geplanten Gefäßchirurgen kennengelernt.
Anfangs gab's gleich ein Mißverständnis, der Chirurg wußte im Moment nicht warum ich seine Dienste in Anspruch nehme und ich wollte mich nicht mit einem Arzt unterhalten, der mich ohnehin nicht operiert, und teilte dies höflich und freundlich mit.

Ich fragte dann den Arzt ob er bereit ist im OP zu stehen und nicht zu arbeiten, sollte sich herausstellen, dass eine Gefäßtransplantation nicht nötig ist. Ja, auch das hatte er schon erlebt und damit kein Problem gehabt. Er fragte mich dann ob ich über die unerwünschten Wirkungen Bescheid wisse und ich ihn, ob bei Gefäßversagen eine weitere OP möglich ist. Ja wäre, aber....... letztendlich heißt es dann Bein ab. Aber er sagte auch, dass ein großer Unterschied besteht zwischen Patienten mit Gefäßerkrankungen und meinem Fall.
Beim Ultraschall stellte sich heraus, dass der Tumor ca. 2mm vom Gefäß entfernt ist, vielleicht gäbe es gefäßtechnisch noch was anderes, dachte er laut nach und, aber das seien Spekulationen, da muss man abwarten. Die Vene im linken Bein ist OK, sie kann transplantiert werden.
Auch über die Nachsorge bzgl. Blutverdünnung haben wir gesprochen, die würde in der Gefäßambulanz sein. Wir waren uns einig, dass dies beim Hausarzt möglicherweise inadequat sei. Das war für mich auch ein sehr wichtiger Punkt.

Abschließend, ich bin zufrieden. Jetzt vereinbaren die Chirurgen, wann wir uns im OP treffen.
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  #4  
Alt 14.01.2012, 09:24
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Standard AW: Myxoides Liposarkom - Rezidive

2004

Im Frühjahr spürte ich einen kleinen Dippel dort, wo täglich das herauskommt, was man am Vortag gegessen hat. Wird wohl eine Hämorrhoide sein, dachte ich. Publiziert worden war, dass die Wissenschaft möglicherweise erfolgreich versucht mit Wirkstoffen den Tumoren die Blutzufuhr abzuschneiden. Man lässt sie aushungern. Eine Hämorrhoidensalbe wäre demgemäß kontraindiziert, ein Arztbesuch wohl kontraproduktiv.

Im Herbst begann dieser Bereich zu schmerzen, und wie das so ist, manche Schmerzen vergehen, manche nicht – diese blieben. Ausgestattet mit meiner Weißkittelallergie ging ich zur neuen Hausärztin, Sie überwies mich mit Metastasenverdacht auf die Onkologie des nahegelegenen KH.

Auf der Onkologie konnte, besser gesagt musste ich ein Arztgespräch mithören. Einem älteren Herrn wurde vor mir, im Warteraum, von der Ärztin mitgeteilt, dass er sich nochmals einer OP unterziehen müsse. „Warum“, fragte er, „warum haben sie nicht gleich das Ganze rausgenommen“ und die Ärztin antwortete „das machen wir immer so, wir nehmen zuerst immer nur einen kleinen Teil raus“. Ich spürte wie sich mein Körper verkrampfte. Wird wohl so eine Darmgeschichte sein, meinen Gedanken gelang es kaum mein Bauchgefühl zu beruhigen.

Dann wurde ich von einer ganz lieben Onkologin aufgerufen. Sie gab mir ohne Plastikhandschuhe die Hand, tastete ohne Plastik meinen Oberschenkel ab und erst dann, bei Betrachtung meines Hinterteils, griff sie zum Handschuhspender und zog das kalte Latex über. Ich empfand immer großes Unbehagen, wenn Ärzte nach Patientenwechsel die Handschuhe nicht wechselten, die Plastikhände nicht gewaschen wurden. Sie war sich nicht ganz sicher, möglicherweise wäre das eine Metastase, war ihre Meinung. Wie auch immer, das gehört chirurgisch saniert. Nach meiner Einwilligung informierte sie telefonisch den Oberarzt der chirurgischen Ambulanz. Als sie auflegte sagte sie: „damit nichts passiert“.

Es war bereits Mittag, Übelkeit stieg in mir auf, es war noch nicht abzusehen wann ich aufgerufen werden. So ging ich in den Parterre zum Kaffeeautomaten, holte mir einen Kaffee und ging gleich wieder zur Chirurgie. Dort angekommen wurde ich auch schon aufgerufen. Mit dem Kaffee ging ich also zum Arztgespräch. Der Arzt sah sich das Problem an, ich konnte mich wieder anziehen und niedersetzen, nahm einen Schluck Kaffee. „Trinkens nur ihren Kaffee weiter, sie sollten nämlich nüchtern sein“ sagte er. Dann rief er den Arzt an, welcher mich operieren würde und teilte ihm mit, dass eine Exzision durchzuführen sei“, legte auf und lachte, die Schwester mit ihm. Ich hinterfragte dieses Verhalten und wurde aufgeklärt, dass ich von einem „sehr guten Spezialisten, dem besten Chirurgen des KH“ operiert werden würde – und sie grinste wieder. Die Notaufnahme verweigerte ich, ich musste nochmals nach Hause, für meinen Hund einen Platz finden und mein Bett frisch überziehen. Dank des unangebrachten Kaffee trinkens wurde, ohne viele Diskussionen der Aufnahmetermin auf 15 Uhr verschoben.

Es war ein schönes 3-Bett-Zimmer welches mir zugewiesen wurde. Auf dem Einwilligungsbogen verwies ich auf meine Patientenverfügung und, dass ausschließlich eine Exzision, ggf. mit knappem Rand sollte der Schließmuskel gefährdet sein, durchzuführen sei. Nun kam eine Anästhesistin kurz vorbei, beim weggehen meinte sie „Ich gebe ihnen einen Kreuzstich“, ich rief ihr nach „warum“. Schon bei geöffneter Zimmertüre antwortete sie sehr unfreundlich , dass sie mir, mit meiner Schilddrüsenerkrankung sicher keine Vollnarkose gäbe. „Was, rief ich, das habe ich aber noch nie gehört“ und „wie siehts denn da mit den unerwünschten Nebenwirkungen aus, bin ich dann ganzkörpergelähmt oder kann ich nur die Beine nicht bewegen“ rotzte ich zurück.

Der OP-Gehilfe kam, meinte wohlwollend „das Abszesserl haben wir gleich“, ich versuchte den Irrtum aufzuklären. Dies gelang nicht, aufstehen und davonlaufen konnte ich auch nicht mehr. Im OP angekommen versuchte ich erfolglos immer wieder auf die Metastasenmöglichkeit hinzuweisen, letztendlich verlangte ich eine Spritze zum einschlafen. Kurz vor dem einschlafen hörte ich das Telefon läuten, eine Schwester sagte: „Sch., immer vor Dienstschluss“ und „Notfall nicht beatmet, nicht intubiert“ und schon lag ich alleine im OP. Das war ja wie im Film mit dem Ärtzehelikopter.....

Aufgewacht bin ich wieder im Zimmer, bei der Visite hörte ich, dass ich 3 Tage nur Flüssigkeit, u.a. Astronautennahrung zu mir nehmen dürfe. Mit danke, brauche ich nicht, ich habe genug Reserven, lehnte ich diese Ersatzkost ab. Ein Supperl, Joghurt, Wasser und Kaffee würden mir reichen. Neugierig sah ich dann mal in den Eiskasten und fand diese Astronautennahrung, las mir die Inhaltsstoffe durch und, was stand denn da? Diese Leckerchen waren bereits ein halbes Jahr abgelaufen. So nahm ich die 3 oder 4 Flaschen, brachte sie zum Stützpunkt, verwies auf das Ablaufdatum. Ein altes Joghurt nahm ich auch gleich mit.

Im Arztbrief stand dann unter Diagnose: Perinalabszess bei Liposarkom, Incision und Drainage. Nächste Kontrolle: 4 Tage später bezüglich weiterem Procedere bei bekanntem Liposarkom in der Med. Ambulanz, 5 Tage später in der chirurgischen Ambulanz. Bei der Onkologie ging ich nur kurz vorbei. Die nette junge Ärztin war schwer erkrankt, ein anderer junger Onkologe hat einen Schlaganfall erlitten, es würde längere Wartezeiten geben. Zufall? Betriebsklima? So entschloss ich mich dieses Abteilung nicht länger mit meiner Anwesenheit zu belasten.

Der Arzt der chirurgischen Ambulanz fragte mich, was ich hier wolle. Ich soll zur Kontrolle kommen. „Was? Na sie sind gut. 1992 waren sie bei uns und jetzt kommen sie zu Kontrolle?“ Ich zog den Arztbrief aus der Mappe, der Arzt erkannte, dass ihm alte Unterlagen aus 1992 vorgelegt wurden, die neuen Unterlagen waren nicht vorhanden. Er zuckte mit den Schultern, las sich den Arztbrief durch und kontrollierte die Wundheilung. Als ich fragte was die Histologie ergeben hat, fragte er zurück, welche Histologie? Jetzt wurde ich aber sehr unruhig. Der Mann stand auf, fragte die Schwestern nach der Histo, kam zurück mit der Mitteilung dass diese noch nicht vorliege, grinste und murmelte, falls eine gemacht wurde.
Bitte wurde wenigstens eine Exzision durchgeführt? Weiß ´ich nicht, war ja nicht dabei, aber ich sehe eine Incision. Und wie merke ich das wenn es eine Metastase war? Dann wächst das nicht zu, war die Antwort. Ich musste wissen, ob es sich um eine Metastase gehandelt hat. Innerhalb kurzer Zeit könnte durch eine Nach-OP gröberes verhindert werden.

Nein, es war damals nicht Zorn der in mir aufstieg, es war Hass. Zu Hause angekommen schrieb ich einen Antrag auf Patientenakteneinblick und fuhr damit ausgestattet ins KH, ging gleich in das Sekretariat und legte den Antrag vor. Die Sekretärin bekam große Augen, schluckte, suchte telefonisch den Akt in verschiedenen Abteilungen des KH, suchte dann im Computer, fand die im Blechkasten deponierten Unterlagen und druckte mir einiges – kostenlos – aus. Dann kam der, für sie wohl erlösende Anruf dass der Akt gefunden sei, ich sollte zur chir. Abteilung kommen.
Eine sehr nette Oberschwester wartete bereits, begleitete mich in ein kleines Kammerl legte den Akt vor, ich würde alles kopiert bekommen was ich brauche.

Das Entnahmedatum war der 24., die Anforderung an die Histo vom 27., die Fragestellung Sarkom. So rief ich die Histologin an und fragte, nach welchen Sarkomzellen denn gesucht wurde, nach einem Knochen oder Weichteilsarkom? Sie hat, so die nette und bemühte Frau, beim Chirurgen nachgefragt und könne sich noch genau erinnern, dass das Material auf Liposarkom geprüft wurde.
Das histol. Ergebnis: entzündliche alterierte epidermale Zyste – na ja, und den Verdacht auf Zyste kennen wir bereits, der wurde 2003 nach der MRT geäußert. Aber, die Wunde war gut und problemlos verheilt.

Das Ergebnis:
In diesem KH, im Computerprogramm, gab es für Diagnosen an diesem Körperteil nur das Kürzel K61, nämlich die Diagnose Anal/Perinalabszeß, Für die operative Therapie nur 3362, OP bei Hämmorrhoiden, Analfistel. Ein Metastasenverdacht war im Programm nicht vorgesehen.
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  #5  
Alt 16.01.2012, 11:41
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Standard AW: Myxoides Liposarkom - Rezidive

2006-2010

Im Frühjahr entdeckte ich wieder einen Tumor, ein Rezidiv, an der üblichen Stelle. Übelkeit kam in mir hoch. Zu wem gehe ich jetzt? Das KH, am Rande der Stadt mit dem Chirurgen welchem ich vertraute, war ganz einfach zu weit weg. Würde es zu Komplikationen kommen, so hätte ich keine Chance dort hingebracht zu werden. Ich würde in das nächstgelegene KH eingeliefert werden, mich von einem Experten belehren lassen müssen, der keine Ahnung von myxoiden Liposarkomen hat, aber alles besser weiß. „Was, sie haben keine Chemo/Strahlentherapie bekommen, ist ja kein Wunder.....“. Wie leid ich diese Diskussionen hatte.

So suchte ich im Internet nach Publikationen über neue Erkenntnisse zu Grad 1 Sarkomen. Es gab sie nicht. Lediglich die Wirkstoff-Dosierungsschemata wurden geringfügig geändert – aber bzgl. Lebensverlängerung gab es keine wesentlichen Verbesserungen. Eine neue Strahlentherapie war entwickelt, in China auch bei einem Liposarkompatienten offenbar erfolgreich angewandt worden. Ich suchte, ob es in Wohnnähe solch ein Strahlengerät gibt, fand einen Artikel, dass an einer urologischen Abteilung solch ein Gerät zur Verfügung stand. Kurz entschlossen rief ich den Klinikleiter an. Er bat mich, ihn doch am Abend in seiner Ordination anzurufen, dann hätte er mehr Zeit meine Fragen zu beantworten. Entgegen allen Erwartungen war dieser Urologe bereit, mir Auskunft über die neue Strahlentherapie zu geben. Er wäre auch bereit gewesen, diese an mir zu versuchen, würde er eine geringe Erfolgsaussicht sehen. Da aber mein Tumor nicht ausschließlich aus festem Gewebe, sondern auch aus Flüssigkeiten besteht, gibt es zur Zeit keine Erfolgsaussicht (patientenfreundlich und aus der Erinnerung übersetzt).

In die große Klinik mit sogenannter Weichteilsarkomgruppe brauche ich gleich gar nicht zu gehen, ist doch jener Experte, welchem ich den Beschluss zu einem Grad 3 Tumor zu verdanken hatte der Vorgesetzte. Die Internetrecherche ergab, dass sich dort, zumindest in der Öffentlichkeit, nichts geändert hatte. Ich benötige ein kleines Krankenhaus, mit einem guten Chirurgen und ohne Naheverhältnis zu dieser Klinik. Ich fand beides.

Das Erstgespräch war sachlich rationell. Ich wollte gewährleistet haben, dass an mir keine Incision durchgeführt wird, der Tumor im Ganzen rauskommt und, dass mich der Arzt operiert, welchen ich vor der OP kennengelernt habe. Für den Chirurgen war das kein Problem und als er dann noch sagte: „5 Rezidive, aber 15 Jahre mit beiden Beinen gelebt, allerhand“, fühlte ich mich angenommen, verstanden.
So checkte ich in dem, von einem nicht mit öffentlichen Geldern subventionierten Verein geführten KH auf allgemeine Gebührenklasse ein. Die 3-Bett-Zimmer waren mit zu öffnenden Fenster ausgestattet, es gab einen Vor- und Feuchtraum. Der Patientenkasten war versperrbar, während der OP konnte der Schlüssel am Stützpunkt abgegeben werden. Ich sah aber auch, dass der Schnick-Schnack fehlte. Kein Gangtisch mit Obst, Joghurt, Mineralwasser, es gab aber ein großes Gefäß mit Früchtetee. Das Mittagessen war „einfach“, die Portionen ausreichend, und die Optik dieser Mahlzeiten passte auch. Ich hatte alles was ich wollte.

Die erste Visite war recht lustig, die Ärztin hatte keine Ahnung von Weichteilsarkomen, signalisierte dies mit sichtbarem Bemühen doch noch was medizinisches zu sagen. Darf ich ihnen helfen, fragte ich. Wir lachten, „ja", sagte, sie hätte keine Ahnung von Liposarkomen. Der nächste Arztbesuch war dann nicht mehr so lustig, dieser Arzt erklärte mir, dass ich so operiert werde, dass die Wahrscheinlichkeit zur Rezidiventwicklung äusserst gering ist. Ich merkte, wie ich steif wurde, ließ die Erklärungen über mich ergehen und fragte abschließend, ob ich von Dr. R operiert werde. Als dies bejaht wurde, war doch meine Welt in Ordnung, brauchte keine Angst vor einer Amputation haben.

Gegen 16 Uhr kam mein Chirurg. Er teilte mir mit, dass er einen Notfall reinbekommen hat, nicht weiß wie lange diese OP dauern würde, ob er den Patienten überhaupt retten könne. Aus diesem Grund hat er den Histologen nach Hause schicken müssen, er könne nicht Stunden warten. „Soll sie ein anderer Arzt operieren?“ Nein, sie gehen jetzt Leben retten, dann fahren sie zu ihrem Kongress und kommen gesund wieder. Ich fahre nach Hause und in einer Woche sehen wir uns wieder. Wirklich, hinterfragte er meinen Zeitplan. Ja. Irgendwie war ich rundum zufrieden. Mein Chirurg war ein ehrlicher Mensch, in Narkose hätte ich nicht bemerkt, hätte ein anderer Hand angelegt. Mein Körper war in der Lage zurückzutreten und einem Notfall Platz zu machen. Aber, das nächste Mal wäre ich gerne die 1. Patientin. Das wurde versprochen.

Zwischen dem Chirurgen und mir gab es nicht die übliche Schleimspur, eher war ein kleiner derber Witz an der Tagesordnung. So stand er z.B. bei der 1. Visite vor mir, betrachtete mein Bein und sagte ganz ernst „komisch, ich weiß dass ich was rausgeschnitten habe und jetzt schauts aus als ob da mehr drinnen wäre“, und ging zum nächsten Patienten. Ich schluckte erschrocken und rief „Spaß ja“ und er antwortete „freilich, was glauben denn sie?“

Dann kam eine Krankenschwester und teilte mir mit, dass ich am nächsten Tag einen Termin beim Onkologen hätte. Nein, den würde ich nicht haben, stellte ich das richtig. Die Schwester blieb hartnäckig und ich konnte nicht so antworten wie ich wollte, kotzte sich die Chemotherapiepatientin neben mir gerade die Seele aus dem Leib. Ich stand auf, forderte die Schwester auf mit mir auf den Gang zu kommen und teilte ihr draußen mit, dass ich ganz bestimmt nicht zum Hausonkologen gehe, weil die Chemo bei mir keine Erfolgsaussichten brächten. Unser Onkologe ist ein sehr netter und kompetenter Mensch versuchte sie mir ein Gespräch schmackhaft zu machen. Schön für die Patienten, lassen sie ihn schön grüßen, eine Chemo kommt für mich nicht in Frage. Und überhaupt, was wollen sie von mir, es ist ja noch nicht mal die Histo im Hause.

Bei der nächsten Visite fragte ich meinen Chirurgen, ob ich nur hier liege, weil die Histo noch nicht da ist. Und als dies bejaht wurde fragte ich gleich, ob ich nach Hause gehen könne. „Wenn sie aufpassen, dass sie keine Infektion bekommen, ja“. Was muss ich tun? Nicht im Bikini baden gehen. JA, habe ohnehin keinen Bikini, nur einen Badeanzug, dann packe ich meine Sachen. OK, grinste mich Dr. R. an.

Ein1/2 Jahr später bekam ich von Dr. R. einen Brief. Er hatte sämtliche Funktionen in dem Krankenhaus zurückgelegt, er arbeitet nur mehr privat. Entsetzen, Einsamkeit machte sich breit. Nicht schon wieder. Ich hatte geglaubt am Wohnort eine Art medizinische Heimat gefunden zu haben und jetzt das. Traurig schickte ich ihm auf seinem weiteren Lebensweg alles Gute, auch wenn es mir in der Seele sehr weh tat.

Im Herbst 2009 begann mein Hund mit dem Stuhl Blut auszuscheiden. Das könne schon mal vorkommen, meinte die niedergelassene Tierärztin. Das Blutstuhl entwickelte sich zur ausschließlichen Blutausscheidung, die empfohlenen Wirkstoffe brachten keine Besserung. Als Wasti beim Stuhlgang zu schreien begann, fuhr ich mit ihm sofort in die Universitätsklinik. Eine größere Untersuchungsreihe bestätigte den geäußerten Verdacht - Enddarmkrebs (patientenfreundlich übersetzt), wir wurden in die Onkologie überwiesen. Mit zittrigen Knie ging ich nun mit meinem Hund zur diensthabenden Onkologin, einer jungen Frau, welche ich mir in der Humanmedizin wünschen würde. Wasti bekam Chemotherapie. Die Wirkstoffe kannte ich den Namen nach aus der Humanmedizin, die Tabletten wurden zu Hause verabreicht. Zusätzlich wurde Kortison gegeben. Beobachtet habe ich, dass es den Hunden und Katzen mit der Chemo ganz gut ging. Sie übergaben sich nicht, die kahlen Stellen im Fell waren nicht von der Therapie sondern z.B. vom Ultraschall, ja sie wedelten sogar mit dem Schwanz, sahen sie ihre behandelnden Onkologen. Zu Wastis Onkologin entwickelte sich eine tiefe innige Beziehung. Wir sprachen über Lebensqualität, Lebensverlängerung um jeden Preis war nicht das Ziel. Ein Jahr lebte Wasti noch uneingeschränkt, die schwere Krankheit sah man ihm nicht an. Doch dann ließ die Wirkung nach. Unsere Onkologin war auf einem Kongress, die Vertretung empfahl eine andere Chemotherapie. Dies lehnte ich ab, von den genannten Wirkstoffen hatte ich nichts gelesen. So wurde die Kortisondosis erhöht. Ich erfuhr, dass das Kortison über kurze Zeit das Tumorwachstum zurückdrängen kann. Ungefähr 2 Monate später, an einem Samstag, stellte ich bei Wasti wieder starke Blutungen fest, zeitweise jaulte und stöhnte er auch wieder. Es war ein schwerer Kampf den ich mit mir auszufochten hatte. Ich bin gegen Euthanasie beim Menschen so musste ich auch gegen Euthanasie beim Hund sein. So sah ich ihm beim Leiden zu, konnte ihm nicht helfen. Möglicherweise gäbe es beim Hund auch die Möglichkeit des künstlichen Tiefschlafes, um ihn natürlich einschlafen zu lassen. Doch wie lange würde dies dauern? Ist dies zum Vorteil Wastis oder wollte ich nur mein Gewissen beruhigen?
Ich überlegte bis Nachmittag, dann fuhr ich mit ihm in die Klinik, verlangte die tödliche Spritze für meinen armen Hund. Vorerst wurde dies verweigert, die diensthabende Ärztin kannte Wasti nicht. Ich verwies auf die große Blutlacke im Warteraum und blieb unnachgiebig. Wasti hatte einen sehr großen Schutzengel um sich. Unsere Onkologin hatte auf der Internen Dienst, sie wurde von der Notfallambulanz „um Hilfe“ gebeten.
Wir gingen auf die Interne. Der sonst so lebhaft anmutende Raum zeigte fast feierliche Stille. Die Onkologin sah Wasti und mich an, meinte, ihr schaut beide schon recht müde aus. Wir gingen in den Behandlungsraum, dann kam auch noch der Tierpfleger zu welchem Wasti eine gute Beziehung aufgebaut hatte. Wasti lag wie ein junges Kitz auf meiner Schoß, als er das Schlafmittel bekam. Als er eingeschlafen war wurde die letzte Spritze verabreicht. Er hat friedlich und so schön wie es möglich war, diese Welt verlassen.

Ca. 14 Tage später rief mich die Onkologin an, redete etwas herum, ich versprach wenn ich nicht will, dass ich nein sage. Sie hätten hier einen 8jährigen Dackel den keiner will. Er war neben seiner gestorbenen Vorbesitzerin gefunden worden. Auch leide er an Übergewicht und dadurch ausgelöster Diabetes, ist insulinpflichtig. Eigentlich wollte ich mir keinen Hund mehr nehmen. Für einen jungen Hund war ich zu alt, er würde mich überleben. Einen alten Hund wollte und konnte ich mir wegen der zu erwartenden Arztkosten nicht mehr leisten. Trotzdem sah ich mir den kleinen Dackel an, ging mit ihm eine Runde spazieren. Ich übernahm den Dackel, von der Klinik Waldi genannt. Waldi war und ist ein großes Weihnachtsgeschenk 2010. Sehr oft zaubert er bei Menschen ein liebes Lächeln ins Gesicht. Er ist mein Therapiehund und ich bin seine Insulinmutter. Im Rudel gibt’s dann noch eine liebevolle Schwester, meine Tochter und eine ganz verliebte Tante, eine Nachbarin. So ist für Waldi gesorgt, sollte ich demnächst aus dem Rudel ausscheiden.
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  #6  
Alt 17.01.2012, 11:14
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DIE PATIENTENVERFÜGUNG

Schon lange vor 2006 hatte ich bei KH-Aufenthalten meine Patientenverfügung dabei. Sie war nicht gerne gesehen worden. Einmal wurde, erst nach mehrmaligem Bitten, die Verfügung im Patientenakt vermerkt, allerdings mit Bleistift (Unterstellung: um das Geschriebene ausradieren zu können), ein anderes Mal landete die Verfügung im KH-Tresor neben den Wertsachen der Patienten.

Seit 2006 gab es in Österreich nun ein Gesetz für den dokumentierten Patientenwillen. Es gibt die
VERBINDLICHE Verfügung, an welche ÄrztInnen gebunden sind, und die
BEACHTLICHE, durch welche der Wille (nicht bindend) beachtet werden soll. Für die Erstellung letzterer ist kein Arzt/Rechtsbeistandsgespräch notwendig, sie verursacht demgemäß keine Kosten.
Da ich eine verbindliche Patientenverfügung erstellen wollte, musste ich einen Arzt und anschließend eine zugelassene Rechtsvertretung miteinbeziehen.

Gleich zu Beginn der Erarbeitung des Textes für die Verbindliche bekam ich Probleme. Gemäß Gesetz sollte jede einzelne abgelehnte Behandlung aufgezählt werden. Dies setzt eine gewisse Hellsichtigkeit voraus. Ich weiß nicht wann und an was ich sterben werden, auch nicht, welche medizinische Möglichkeiten es dann gibt. Pech, wie es so mancher Mensch hat, wird eine einzige Behandlung nicht angeführt und genau diese verlängert möglicherweise die Qualen der letzten Lebensphase. Es mag vordergründig lächerlich klingen, aber, sollte ich in der Endphase meines Lebens sein, möchte ich nicht z.B. wegen einem Nagelpilz per Krankentransport zur Nagelentfernung gebracht werden. Muss ich da jetzt ein ganzes Medizinstudium reinschreiben? Sollte ich nur eine beachtliche Verfügung schreiben? Das würde auch Geld sparen und kein Medizinstudium voraussetzen.

Der Ehemann einer Freundin hatte zwar eine verbindliche Verfügung verfasst, diese war vom Arzt unterschrieben, es fehlte aber noch (!) die Unterschrift des Rechtsbeistandes. Somit wurde die verbindliche beachtlich. Trotz Intervention der Gattin, der Familie, wurde im KH die beachtliche Verfügung nicht beachtet. So hatte die Gattin nicht das Recht eine Operation, in den vorhersehbaren und vom Arzt mitgeteilten letzten Lebensstunden, zu verhindern.

So schrieb ich, dass ich jede medizinische Maßnahme, welche ausschließlich der Verlängerung meines Sterbevorganges oder Leidens dient, ablehne. Aber, solange nach medizinischer Erkenntnis Aussicht auf Besserung meines Zustandes besteht, will ich nach den geltenden Regeln der Medizin behandelt werden. Ich akzeptiere Eingriffe – mit Ausnahme der Teilnahme an Studien bis zur Phase IIIa, die zur Genesung oder Besserung unerlässlich und zur Durchführung einer schonenden und menschenwürdigen Pflege notwendig sind.
Ich stimme einer Behandlung nach den Prinzipien der Palliativmedizin (Schmerz, Leid und Angst lindernd) zu.

Die Hausärztin ließ mich 14 Tage warten, bis sie mir mitteilte, dass sie die Verfügung nicht unterschreibt. Sie hätte an keinem diesbezüglichen Kurs teilgenommen, war ihre Begründung. Mit Hilfe einer Behörde konnte ich Kontakt zu einem Palliativmediziner aufnehmen, bekam auch sehr schnell einen Termin. Eine ¾ Stunde diskutierten wir darüber, ob die Verfügung ihre Verbindlichkeit verliert, sind die einzelnen abgelehnten Therapien nicht angeführt. Er las den Gesetzestext vor:
§ 4. In einer verbindlichen Patientenverfügung müssen die medizinischen Behandlungen, die Gegenstand der Ablehnung sind, konkret beschrieben sein ODER eindeutig aus dem Gesamtzusammenhang der Verfügung hervorgehen. Aus der Patientenverfügung muss zudem hervorgehen, dass der Patient die Folgen der Patientenverfügung zutreffend einschätzt.

Ich blieb bei dem ODER! Letztendlich war der Arzt bereit die Verfügung zu unterschreiben, vermerkte jedoch, dass möglicherweise ein Mangel vorliegt.

Eine vergleichbare Diskussion gab es im Anschluss bei der Rechtsberatung, der Patientenanwaltschaft. Dort konnte man kostenlos die Unterschrift erhalten. Die Juristin war sehr nett und kompetent, ich blieb hartnäckig und war nicht bereit die abgelehnten Therapien einzeln aufzuzählen.

Dann hatte ich die (möglicherweise) gültige verbindliche Patientenverfügung in der Hand. Möglicherweise, da sowohl Arzt als auch Juristin darauf verwiesen, dass der Pkt. 5 (hier sollten die einzelnen Therapien angeführt werden) nur beachtlich wirkt.
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  #7  
Alt 17.01.2012, 18:21
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Hallo!
Und morgen habe ich einen Termin beim 3. Experten, dem plastischen Chirurgen.
Gibt dieser für seinen Bereich das OK, komme ich wahrscheinlich noch im Jänner in den OP.
Es ist schon eigenartig wie meine Gefühle reagieren, wenn der Sarkomexperte sagt, dass dies die letzte Operation ist. Positiv denkend meint er, dass danach kein Rezidiv mehr zu erwarten ist, negativ könnte dies meine letzte Operation in diesem Leben sein. Sollte ich die OP längere Zeit überleben könnte es, bei nicht "letzter OP" ja noch zu einer Amputation kommen.

Sywal
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