Krebs-Kompass-Forum seit 1997  


Zurück   Krebs-Kompass-Forum seit 1997 > Spezielle Nutzergruppen > Forum für Hinterbliebene

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
  #1  
Alt 27.04.2015, 18:10
Servala Servala ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 27.04.2015
Ort: Aerzen
Beiträge: 32
Standard Verlust

Hallo ihr Lieben,

ich habe mich heute erst hier in diesem Forum angemeldet, weil ich irgendwie das Gefühl habe, über meine liebe Frau Romy schreiben zu müssen. Meine eingetragene Lebenspartnerin, wie es so schön heißt.

Romy ist gestern früh im Krankenhaus auf der Palliativstation verstorben, im Alter von 33 Jahren - einen Tag vor ihrem 34. Geburtstag. Es war ein langer Kampf für sie aber auch für mich.

Angefangen hat alles vor knapp anderthalb Jahren, sofern mich mein Gedächtnis da im Moment nicht ein wenig im Stich lässt. Sie hatte gerade Wäsche in den Keller gebracht, kam wieder hoch und klagte plötzlich über massive Schmerzen im Bauch / Unterleib. Ich habe einen Krankenwagen gerufen und gedacht, das es vielleicht der Blinddarm sein könnte. Leider stellte sich nur kurze Zeit später heraus, das sie eine riesengroße, Zystenartige Flüssigkeitsansammlung am rechten Eierstock hatte und eine - eher recht klein ausfallende - Geschwulst.

In einer ersten Operation wurde die Geschwulst und auch die Flüssigkeit entfernt. Alles zur Untersuchung eingeschickt. Der Befund war eigentlich recht erfreulich, vor allem da ich schon damals mit dem Schlimmsten gerechnet habe.

Es hieß es würde sich um einen Borderline-Tumor handeln, einer der nicht streut. Zur Vorsicht sollte man jedoch über eine Totaloperation nachdenken, da es durchaus vorkommen könnte, das diese Art von Tumoren später erneut wachsen und dann ein weitaus bösartigeres Verhalten an den Tag legen. Kurz und Schmerzlos hat sich Romy dann dazu entschieden, die Operation gleich durchführen zu lassen, da sie sich ja nun schon einmal im Krankenhaus befand.

Danach kämpfte sie sich wirklich schnell wieder auf die Beine. War Fit und lebensfroh, suchte sich einen neuen Job. Wir hatten eine wirklich wunderschöne Zeit. Alles schien gut zu werden. Mal keine finanziellen Sorgen mehr, wir waren glücklich und lebten gemeinsam unser Leben. Die Nachsorgeuntersuchungen waren allesamt unauffällig und ich hielt jedesmal den Atem an wenn sie wieder zur Gynäkologin musste, ich rechnete irgendwie immer im Unterbewusstsein mit einer schlimmen Nachricht. Vielleicht auch, weil ich einige Jahre zuvor meine Mutter an den Krebs verloren hatte, sie war erst 52 und ich damals gerade 22 geworden, heute bin ich 33.

Es kam allerdings alles weitaus schlimmer als ich es mir je hätte vorstellen können. Ich war eines Nachts unterwegs und habe Zeitungen ausgetragen (den Job haben wir bis dahin gemeinsam gemacht) und sie war bereits seit drei Wochen zu Hause. Alle dachten, sie hätte eine Magenschleimhautentzündung. Auf den Termin zur Magenspiegelung hätten wir noch beinahe 6 Wochen warten müssen.
Sie schrieb mir eine SMS das es ihr gar nicht gut ginge und ich versuchte sofort, zurück zu rufen. Niemand ging ans Telefon. Also informierte ich kurzerhand meine Chefin, das ich dringend nach Hause musste und jemand meinen Bezirk übernehmen müsse.

Wieder zu Hause stellte ich fest, das sie zwar - Gott sei Dank - einigermaßen okay war. Aber sie musste sich immer und immer wieder heftig übergeben, klagte über starke Krämpfe im Bauchbereich. Es ging also wieder ins Krankenhaus und der neue Befund war schnell da. Sie hatte einen Ileus (Darmverschluss) verursacht von einer massiven Ansammlung von Metastasen. Leber und Nieren waren ebenfalls bereits betroffen. Es handelte sich um eine sogenannte Peritonealkarzinose mit einer sehr geringen Lebenserwartung, so gut wie keine Heilungschancen.

Romy wurde recht schnell operiert und beinahe der gesamte Dickdarm musste entfernt werden. Beinahe hätte sie die Operation nicht überlebt, durch den massiven Flüssigkeitsverlustes, Eiweißverlustes und so weiter. Die Operation dauerte wahnsinnig lange, viel länger als geplant und dann schwoll das Gewebe stark an, so dass der Darm und die Wunde nicht vernäht werden konnten. Man brachte sie also - in ein künstliches Koma versetzt - auf die Intensivstation und tat wirklich alles dafür, damit sich ihr Zustand wieder besserte. Aber es sah sehr schlimm aus in dieser ersten Nacht, es war mehr als nur knapp.

Da sie so viel Flüssigkeit benötigte und auch zugeführt bekam, war sie furchtbar aufgedunsen - aber immer noch meine Romy. Die Schwester sagte ich sollte mich nicht erschrecken wenn ich gleich in den Raum gehe. Es wäre möglich das ich sie nicht erkennen würde. Sie erklärte mir auch einfühlsam und sehr geduldig was gemacht worden war, wie es um meinen Schatz stand und das es sein könnte, das sie es nicht schaffen würde. Kaum stand ich vor ihrem Bett dachte ich nur: "Lächerlich, ich würde sie immer und überall erkennen".

Die Woche die nun folgte war wirklich die bis dahin schlimmste in meinem Leben. Jeden Tag saß ich von morgens bis abends an ihrem Bett, redete mit ihr, las ihr vor, hielt ihre Hand und hoffte, das sie wieder aufwachen würde. Es kam mir so vor, als würde die Zeit überhaupt nicht vergehen wollen. Dann eines Tages, sagten mir die Ärzte bei der Visite, das sie Romy aufwecken wollten. Das erste Mal klappte jedoch nicht so gut, weil die vielen Schläuche sie so aufgeregt haben. Der Chefarzt sagte dann, das man lieber noch ein, zwei Tage länger warten wolle, bis sie einige davon los wäre. Und dann war sie auch wirklich wieder wach. Oh Gott ich kann heute noch nicht dieses unglaubliche Glücksgefühl beschreiben, als sie mich angesehen und erkannt hat. Natürlich war sie noch ein klein bisschen durch den Wind von der Sedierung, aber das legte sich sehr schnell und der Kampf zurück ins Leben begann nun auf andere Art und Weise.

Sie musste langsam wieder anfangen zu essen. (In der Zwischenzeit war zumindest die Wunde im Darmbereich zusammengenäht worden. Für den Rest wurde ein sogenannter Vakuum-Schwamm eingesetzt). Zuerst gab es natürlich nur ganz vorsichtig Suppen, später dann festere Nahrung und es war wirklich schwer für sie, weil das Essen ihr auch Schmerzen verursacht hat. Aber sie hat sich zurück gekämpft, Schritt für Schritt.

Und dann sagte sie zu mir: Lass uns heiraten, wenn wir das noch könnten, wäre das wirklich wunderbar. Das ist mein größter Wunsch. In dem Moment war ich ein bisschen geplättet, denn ich wusste gar nicht wo ich anfangen soll. Das war im November 2014 und ich hatte nicht den blassesten Schimmer, das in besonderen Situationen Standesamtliche Trauungen auch im Krankenhaus möglich sind. Glücklicherweise hat die Standesbeamtin, bei der ich mich erkundigt habe alles erstaunlich schnell in die Wege geleitet. Ich war ganz baff, als sie mich drei Tage später anrief und sagte, sie habe sich alle notwendigen Unterlagen besorgt, nun bräuchte ich nur noch einen Termin.

Nachdem mir die im Krankenhaus tätige Seelsorgerin angeboten hatte, den Raum der Stille für die Trauung zu nutzen, war beinahe alles geklärt. Ich hatte sogar Ringe, die wir austauschen konnten. Wir mussten Romy mit dem Krankenhausbett hinunter in den Raum fahren, sogar noch mit einer Sauerstoffflasche dabei. Aber es war wirklich einfach nur wunderschön und ich bin so froh das wir es getan haben. Alleine ihr Lächeln und wie sie mich angesehen hat, werde ich niemals vergessen.

Nach einer sehr langen Zeit auf der Intensivstation - 7 Wochen insgesamt - wurde meine Frau dann auf die normale Station verlegt und sie haben mit einer leichten Chemotherapie angefangen. Die hat auch wirklich gut angeschlagen, alle Werte wurden besser, die Metastasen schienen sogar weniger zu werden.

Wir hatten das Glück, das sie im Dezember nach Hause entlassen wurde und so konnten wir noch einmal gemeinsam Weihnachten und Silvester feiern. Es waren ein paar schöne Wochen/Monate. Bis Romy dann Anfang März wieder anfing sich zu übergeben. Nichts bei sich behalten konnte. Im Krankenhaus wurde festgestellt, das der Darm erneut in seiner Tätigkeit beeinträchtigt war und man stellte die Therapie um. Nach zwei Wochen auf der normalen Station, wurde uns angeboten Romy auf die Palliativstation zu verlegen. Und ich bin im Nachhinein so froh das wir das getan haben... denn Romy hat das Krankenhaus leider nicht mehr verlassen können.

Das übergeben wurde immer schlimmer, so das sie sich dafür entschieden hat, sich eine Magensonde legen zu lassen. Das war zwar nicht angenehm, aber sie war mit ihren Kräften so am Ende, das sie sich fast nicht mehr auf den Beinen halten konnte.

Ich habe viel dort übernachtet und bin bei ihr gewesen. Besonders in ihren letzten Tagen. Eigentlich wollte ich erst letzten Montag wieder dort bleiben, denn ich hatte mir eine kleine Erkältung eingefangen. Aber am Samstag war sie so traurig und schwach, das wir uns dazu entschlossen haben, das ich doch schon bleibe.

Nun, nachdem wir uns Sonntagabend noch ganz normal unterhalten hatten, wachte sie am Montagmorgen nicht richtig auf und schlief die ganze Zeit. War zwar immer mal wieder ansprechbar und wach, aber diese Phasen wurden schnell weniger. Nach einem Gespräch mit der Ärztin war klar, das es keine Möglichkeit mehr gab diesen Zustand ins positive zu kehren.

Sonntag Nacht dann konnte ich nicht schlafen, hatte den ganzen Tag schon so ein unbestimmtes Gefühl gehabt. Lag bis halb drei wach, lauschte immer wieder ihren Atemgeräuschen und strich ihr über den Arm. Bis ich dann doch eingeschlafen bin. Keine 45 Minuten später wollte ich aufstehen da ich schrecklichen Durst hatte und habe - so wie ich es immer tat - meine Hand auf ihren Arm gelegt und in diesem Moment war mir klar, das sie bereits eingeschlafen war. Die Haut war schon so kühl und es war nichts mehr zu hören.

Mein einziger Trost ist, das sie sehr friedlich ausgesehen hat und nun wenigstens keine Schmerzen mehr hat. Aber sie fehlt mir so unendlich. Als hätte man mich in zwei Hälften geteilt und vergessen, mir die bessere wieder zurück zu geben.

Geändert von Servala (29.04.2015 um 14:07 Uhr)
Mit Zitat antworten
  #2  
Alt 27.04.2015, 19:43
Peggy70 Peggy70 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 19.04.2015
Beiträge: 34
Standard AW: Verlust

hallo servala,
mein herzliches beileid...ich wünsche dir viel viel kraft für die kommende zeit...

ja der verlust des partners ist schrecklich, auch ich fühle mich halbiert, ein teil von mir fehlt und ist unwiederbringlich weg...und es ist wirklich ein kleiner trost zu wissen, dass sie nun keine schmerzen mehr ertragen müssen, das leiden vorüber ist...

ich wünsche dir nochmal ganz viel kraft
__________________
__________________________________________
Jeder Tag mit Dir war ein Geschenk❤❤❤
Mit Zitat antworten
  #3  
Alt 28.04.2015, 11:49
shahan shahan ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 16.12.2013
Beiträge: 154
Standard AW: Verlust

Hallo servala

Es tut mir von Herzen leid, dass du deine Frau in so jungen Jahren verloren hast.
Ich kann mit dir fühlen, wünsche dir Kraft und liebe Menschen, die dich tragen in deinem Schmerz.

l.g.Shahan
Mit Zitat antworten
  #4  
Alt 28.04.2015, 20:17
schwarzehexe schwarzehexe ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 29.03.2015
Beiträge: 13
Standard AW: Verlust

Hallo Servala,
mein herzliches Beileid das du deine bessere Hälfte verloren hast und wünsche dir viel Kraft für die kommende Zeit.
Kann dich sehr gut verstehen und denke genauso wie du, das die bessere Hälfte nun immerhin keine Schmerzen mehr hat...das müssen wir uns vor Augen halten
l.g.
__________________
Schatz ich vermisse dich
Adenokarzinom
28.03.1966 - 26.03.1966
Mit Zitat antworten
  #5  
Alt 11.05.2015, 17:07
Servala Servala ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 27.04.2015
Ort: Aerzen
Beiträge: 32
Standard AW: Verlust

Jetzt sind es schon über 2 Wochen und irgendwie wird meine Trauer immer schlimmer.
Am Anfang war es komisch, da erschien es mir den größten Teil des Tages in Ordnung. Ich wusste sie muss nun nicht mehr leiden, nicht mehr kämpfen.

Aber jetzt? Ich glaube mir wird erst nach und nach bewusst, das sie wirklich nicht mehr da ist - und auch nicht wieder kommen wird. In unserer gemeinsamen Wohnung halte ich es kaum aus. Aber ich weiß auch nicht, was ich ansonsten machen soll. Ich bin allerdings schon auf der Suche nach einer neuen Wohnung, hauptsächlich weil die alte für mich alleine auch viel zu teuer ist auf dauer gesehen.

Ich wäre lieber heute als morgen hier weg. Hier erinnert mich einfach alles an sie und der Schmerz und die Leere sind schrecklich.
__________________
Ich werde dich/euch immer lieben und so in Erinnerung behalten, wie du/ihr war(s)t.

Romy, mein Schatz 27.04.1981 - 26.04.2015
Gedenkseite

Meine Mama 23.10.1952 - 23.05.2005

Mein Papa 14.04.1946 - 20.02.1984
Mit Zitat antworten
  #6  
Alt 12.05.2015, 23:49
Glaube39 Glaube39 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 05.05.2014
Ort: In Niedersachsen
Beiträge: 683
Standard AW: Verlust

Hallo Servala,
Auch von mir , mein aufrichtiges Beileid.... Ihr beide , du und deine Romy.... Ich habt ja wirklich eine ganz schwere Zeit hinter euch, deine Romy ist erlöst... Obwohl ihr Leben noch so lange hätte gehen sollen, aber es wurde ihr / euch genommen ..... Du bist übrig geblieben ... Und hast noch eine sehr harte Zeit vor dir.... Bis der Schmerz und die leere nachlassen werden....
Mein Mann ist am 22.02. gegangen .... Und ich kann es immer noch nicht wirklich annehmen... Die leere ist zu groß.
Dir weiterhin weiterhin ganz viel Kraft für deine nächste Zeit.
__________________
gLG Heike
___________________________________________
Das Leben ist nicht einfach , manchmal ist es mir auch Zuviel , doch dann gibt es wieder so schöne Momente, die mir mehr als nur ein Lächeln schenken. Danke liebes Leben.
Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 09:21 Uhr.


Für die Inhalte der einzelnen Beiträge ist der jeweilige Autor verantwortlich. Mit allgemeinen Fragen, Ergänzungen oder Kommentaren wenden Sie sich bitte an Marcus Oehlrich. Diese Informationen wurden sorgfältig ausgewählt und werden regelmäßig überarbeitet. Dennoch kann die Richtigkeit der Inhalte keine Gewähr übernommen werden. Insbesondere für Links (Verweise) auf andere Informationsangebote kann keine Haftung übernommen werden. Mit der Nutzung erkennen Sie unsere Nutzungsbedingungen an.
Powered by vBulletin® Version 3.8.7 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
Gehostet bei der 1&1 Internet AG
Copyright © 1997-2024 Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V.
Impressum: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Eisenacher Str. 8 · 64560 Riedstadt / Vertretungsberechtigter Vorstand: Marcus Oehlrich / Datenschutzerklärung
Spendenkonto: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Volksbank Darmstadt Mainz eG · IBAN DE74 5519 0000 0172 5250 16 · BIC: MVBMDE55