Krebs-Kompass-Forum seit 1997  


Zurück   Krebs-Kompass-Forum seit 1997 > Spezielle Nutzergruppen > Forum für Hinterbliebene

 
 
Themen-Optionen Ansicht
  #1  
Alt 19.11.2006, 19:21
Benutzerbild von waldi52
waldi52 waldi52 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 15.11.2005
Ort: Baden-Württemberg
Beiträge: 14
Standard Ende einer großen Liebe

Heute habe ich meinen Mann verlassen. Zum allerersten Mal seit vor genau einem Jahr diese vernichtende Diagnose (kleinzelliges BC) gestellt wurde. Jeden Tag und jede Stunde gingen wir seither diesen schweren und doch immer wieder glücklichmachenden Weg. Ob im Krankenhaus oder bei der Reha. Ich war immer an seiner Seite. Habe darum gekämpft, dass ich auch in der Nacht bei meinem geliebten Mann sein durfte. Das war mitunter recht schwer und nur mit finanziellen Rücklagen zu bestreiten. Aber wir haben es geschafft. Haben alles miteinander geteilt, durchlitten und erlebt. Und heute früh hat er auf qualvolle Weise den Kampf einstellen müssen. Seit 10.11. waren wir wieder im Krankenhaus. Das war unser 34. Hochzeitstag. Am 33. Hochzeitstag vor einem Jahr bekamen wir die Diagnose.
Heute ist in meinem Armen erstickt. Es war schrecklich. Als alles zu Ende war, habe ich Ärzte und Pfleger gebeten, uns alleine zu lassen. Ich habe ihn gewaschen und schön angezogen. Das letzte Zeichen meiner Fürsorge, das ich ihm geben konnte. Ich habe das Chaos beseitigt, das der Kampf ums Überleben hinterlässt. Das Zimmer, unser gemeinsames Zimmer für diese letzten schweren Tage, für ihn gerichtet. Als das getan war konnte ich Abschied von ihm nehmen. Auch unsere beiden Töchter waren inzwischen eingetroffen. Sie taten mir so leid, als sie ihren toten Vater in diesem Bett sahen.
Seit einem Jahr haben wir uns trotz aller Hoffnung, die wir nie aufgegeben haben, auf dieses Sterben vorbereitet. Trotz aller Verzweiflung bin ich seltsam gefasst. Irgendwann kam der Zeitpunkt, wo ich ihn alleine in diesem Zimmer zurücklassen musste. Das war unbeschreiblich schwer. Ich kann jetzt noch nicht glauben, dass ich es getan habe und alleine nach Hause ging. Meine beiden Töchter wollten bei mir bleiben, aber dies muss ich alleine durchstehen. Dieser erste Abend in einem Zuhause, das mir plötzlich fremd ist. Morgen beginnt der Weg durch die Ämter, der Gang zum Bestatter und alles, was zu tun ist. Dabei werden mir die Mädels helfen. Aber jetzt möchte ich nur alleine sein, realisieren, dass es tatsächlich passiert ist. Ich bin seltsam verloren, gehe rastlos durch die Zimmer. Überall Spuren von ihm, es kann doch nicht sein, dass es nur noch Spuren sind. Und er alleine in diesem Krankenhaus liegt, bis ihn der Bestatter holt.
Morgen beginnt mein neues Leben ohne das Liebste an meiner Seite.
Ich bin übrig geblieben. Eine vereinsamte Hälfte eines glücklichen Ganzen. Wie kann man leben, wenn die Hälfte fehlt? Was gibt jetzt einen Sinn?
Mein Mann war die letzte Zeit oft verwirrt, nachdem ihm Hirnmetastasen immer mehr zusetzten. Aber gestern hatte er einen total klaren Tag. Und wir haben bewusst Abschied genommen. Auch unsere Töchter konnten kommen und sich von ihrem Papa verabschiedne. Es waren so schwere, aber so glückliche Stunden. Und es macht uns allen den heutigen Tag einigermaßen erträglich. Denn wir konnten noch alles aussprechen, was zu sagen war. Und wir konnten uns sagen, wie glücklich wir als Paar und als Familie waren. Jetzt kann ich nur in Gedanken mit meinem Herbert sprechen. Aber die Antwort fehlt. Mein Gott, wie wird das weitergehen?
Mein Großer, du hast mir versprochen, aus deiner Welt ein Auge auf mich zu haben und auf mich aufzupassen. Ich hoffe, du bist inzwischen dort angekommen, jenseits aller Schmerzen und Ängste. Hilf mir, die nächste Zeit zu überstehen. Ich danke dir für so viele glückliche Jahre. Du fehlst mir unsagbar. Warte auf mich, bis wir uns wieder sehen.

Deine Marianne, die es noch nicht fasst, dass sie dich nicht mehr umarmen kann.
__________________
In einem Meer von Schmerzen ertrinken die einen,
die anderen lernen darin schwimmen. (Kyrilla Spiecker)
Mit Zitat antworten
 

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 18:29 Uhr.


Für die Inhalte der einzelnen Beiträge ist der jeweilige Autor verantwortlich. Mit allgemeinen Fragen, Ergänzungen oder Kommentaren wenden Sie sich bitte an Marcus Oehlrich. Diese Informationen wurden sorgfältig ausgewählt und werden regelmäßig überarbeitet. Dennoch kann die Richtigkeit der Inhalte keine Gewähr übernommen werden. Insbesondere für Links (Verweise) auf andere Informationsangebote kann keine Haftung übernommen werden. Mit der Nutzung erkennen Sie unsere Nutzungsbedingungen an.
Powered by vBulletin® Version 3.8.7 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
Gehostet bei der 1&1 Internet AG
Copyright © 1997-2024 Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V.
Impressum: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Eisenacher Str. 8 · 64560 Riedstadt / Vertretungsberechtigter Vorstand: Marcus Oehlrich / Datenschutzerklärung
Spendenkonto: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Volksbank Darmstadt Mainz eG · IBAN DE74 5519 0000 0172 5250 16 · BIC: MVBMDE55