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  #1  
Alt 10.03.2017, 12:47
ElBeutel ElBeutel ist offline
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Beiträge: 9
Standard Umgang mit aggressiven Verhalten

Hallo,

Ich bin 27 Jahre alt und meine Mutter leidet seit 3 Jahren an Krebs. Zwar konnte der Verlauf erst gut behandelt werden, nun nimmt aber "die Krankheit ihren Lauf", wie der Arzt im Krankenhaus es formulierte. Meine Mutter zeigt jetzt schon seit längerer Zeit, ca. 1 Jahr, ein immer häufiger auftretendes aggressives Verhalten. Egal ob mir, meiner Schwester, meinem Vater, dem Bäcker, dem Postboten oder einer fremden Person gegenüber. Einfach jedem. Mir ist bewusst, dass sie eine sehr schlimme Krankheit hat, unfassbar viel erleiden musste und es für sie am schlimmsten ist. Das steht völlig außer Frage und ich mache ihr auch nicht den geringsten Vorwurf. Meine frage ist jetzt, wie man damit umgehen kann. Ich selber bin von klein auf ein ausgeglichener Mensch und lasse mich sehr sehr selten aus der Ruhe bringen. Jedoch stoße ich hier an meine absolute Grenze. Es ist mir zutiefst unangenehm, wenn ich mit ihr einkaufen bin und sie aus em Nichts eine ältere Dame anschreit, dass sie "mit ihrem runzligen Ar.... zu hause bleiben solle" (Bitte entschuldigt diese formulierung, ich wollte aber ein Beispiel schreiben). Das ist auch nur die Spitze des Eisbergs. In keiner Unterhaltung bleibt sie ruhig und sie fängt grundlos an zu streiten. Ich selber werde dadurch innerlich sehr böse und kann mich nur unter großer Anstrengung zurückhalten meine Mutter dann nicht anzuschreien. Wenn es mir mal nicht gelingt und ich lauter werde, sage ich jedoch nichts schlimmes sondern "nur", dass es keinen Grund gibt mich anzuschreien. Natürlich habe ich ihr auch schon gesagt, dass sie schnell böse wird und ihr ist das auch bewusst und unangenehm. Jedoch kann sie anscheinend nicht anders. Wenn sie wütend ist und eine Situatuion zu eskalieren droht, hilft es leider auch nicht ihr zu sagen, dass sie zu unrecht wütend ist. Im Gegenteil. Das verschlimmert es dann meistens. Im moment versuche ich immer freundlich ihr gegenüber zu bleiben auch wenn ich angeschrien werde. Wenn aber wer drittes dabei ist, und sie meinen Vater mies runtermacht oder meine Schwester anschreit könnte ich selber Platzen vor Wut. Ich habe dann immer vor Augen, wie wir Himmel und Hölle in den vergangenden Jahren in Bewegung gesetzt haben, um gemeinsam als Familie diese schlimme Situation zu wuppen. Wie gesagt, mache ich meiner Mutter keinen Vorwurf und bin ihr auch nicht böse. Wie könnte ich auch. Ich habe eine tolle Kindheit gehabt, bin liebevoll und behütet aufgewachsen und jeden verdammten Tag dafür dankbar. Ich merke nur, dass ich selber auch eine immer kleinerwerdende Toleranzebene ihrem Verhalten gegenüber habe. Kennt das jemand?
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  #2  
Alt 10.03.2017, 12:53
Sabine128 Sabine128 ist offline
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Beiträge: 15
Standard AW: Umgang mit aggressiven Verhalten

Das ist eine schwere Situation. Ich denke es wäre gut sich Hilfe von außen zu holen, zb einen Psychoonkologen. Alleine werdet ihr das Problem, so wie du es schilderst, nicht in den Griff bekommen.
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  #3  
Alt 10.03.2017, 13:38
ElBeutel ElBeutel ist offline
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Beiträge: 9
Standard AW: Umgang mit aggressiven Verhalten

Ich habe mit einer Beratungsstelle gesprochen und die meinte, mann solle einen Weg für sich selber finden, inwieweit man das Verhalten einsteckt oder in solchen fällen einfach aufsteht und geht. Das Verhalten meiner Mutter könne man nur schwer ändern und ich frage mich auch, ob man die Zeit/Kraft in eine psychologische Behandlung stecken sollte. Es ist halt schwer, da sie es ja ansich weiß, aber halt nicht ändert bzw. ändern kann.
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  #4  
Alt 10.03.2017, 23:54
Melancholiker_76 Melancholiker_76 ist offline
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Standard AW: Umgang mit aggressiven Verhalten

Zitat:
Zitat von ElBeutel Beitrag anzeigen
... ich frage mich auch, ob man die Zeit/Kraft in eine psychologische Behandlung stecken sollte.
Auf jeden Fall! Und wenn es nicht für deine Mutter ist, dann mache es für dich.

Meinem Vater geht es mit seinem Hirntumor aktuell ganz gut, und als meine Frau (als er noch im Krankenhaus lag) den Vorschlag gemacht hat, den psychoonkologischen Dienst in Anspruch zu nehmen, meinte er irgendwann: "Ach, das schaffen wir auch so." Nur hat er mich nicht gefragt.

Deswegen werde ich jetzt meine Psychologin konsultieren, bei der ich schon im letzten Jahr wegen Depressionen in Behandlung war. Denn ich weiß für mich selbst, dass ich die Hilfe von außen brauche.

Glaub mir, die "Zeit/Kraft", die du da reinsteckst, ist gut investiert. Auf viele Dinge kommt man einfach nicht ohne professionelle Hilfe, das sollte man nicht unterschätzen. Du bekommst dann eben "Werkzeuge" an die Hand, die dir helfen, besser mit dier Situation klarzukommen.
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  #5  
Alt 11.03.2017, 08:56
hierfalsch hierfalsch ist offline
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Beiträge: 395
Standard AW: Umgang mit aggressiven Verhalten

Psychoonkologische Betreuung wird von vielen Ärzten als DAS Wundermittel gegen Angst, schlechte Laune und Co genannt.
Und ich will das auch nicht schlecht reden. Jemanden zum reden zu haben, der nicht gleich grün wird, wenn man "Ich habe Angst vor'm sterben" sagt, kann sehr hilfreich sein!!!!

Nur... HEXEN können die auch nicht. Deine Mutter wird sterben. Sie hat sich durch eine Chemo gequält um jetzt "immer noch" dem Tode geweiht zu sein und das IST zum ko*** und zum den-gesamten-Wortschatz-an-Schimpfworten-ausbreiten!!!!
Sie fühlt sich scheußlich und das zu recht. Dagegen kann kein Psychoonkologe was tun (der btw AUCH nicht weiß, wie sie sich fühlt, sondern "nur" Psychologie studiert hat). Wenn ihr also nicht danach IST mit sojemandem zu reden, wenn es sie NICHT erleichtert sich mal auszuko*** und auszuheulen, IST es das falsche...

Würde ich so akzeptieren.

ICH bleibe bei meiner obigen Meinung. WENN Deine Mutter möchte, dass Du mit ihr einkaufen gehst, "muss" sie sich zusammen reißen. Sie hat JEDES Recht auf schlechte Laune, es ist nämlich WIRKLICH Schei***, ABER sie hat (meine Meinung!) nicht das Recht zu erwarten, dass jeder das milde lächelnd hinnimmt, weil sie es ach so schwer hat.
Ja, sie hat es schwer. Stimmt.
Aber Du hast es gerade auch nicht sooooo easy, dass Du es ertragen könntest mit einer Mutter zu shoppen, die mit Fäkalsprache um sich wirft.
Sorry
Ob sie lieber sagt, was sie will, oder lieber mit ihrer Tochter einkaufen will. DAS ist ihre Entscheidung. Denn sie ist erwachsen.
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  #6  
Alt 10.03.2017, 13:39
hierfalsch hierfalsch ist offline
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Standard AW: Umgang mit aggressiven Verhalten

Hm... Also Deine Mutter liegt nicht im Sterben, ja? Sie ist "nur" krank. ("Nur" wie im Gegensatz zu "in drei Wochen ist sie tot" nicht wie in "Kleinigkeit")

Also ich finde nicht, dass es Deine Aufgabe ist ALLES milde lächelnd zu ertragen (darüber kann man reden, wenn sie nur noch 3 Wochen zu leben hat). In der Zwischenzeit hast Du aus meiner Sicht auch das Recht Grenzen zu setzen. "Sorry, Mama aber wenn Du solche Ausdrücke verwendest, kann ich nicht mehr mit Dir einkaufen gehen. Entweder Du bemühst Dich um einen etwas gemäßigteren Tonfall oder Du gehst allein."
Peng.

Mir war es damals nach meiner Krebs Diagnose wichtig und HILFREICH, dass mein Mann so normal wie möglich mit mir umging. Klar nahm er Rücksicht, aber wir konnten auch streiten und diskutieren, wer mit staubsaugen dran ist. Ich war nämlich nicht halb tot. "Nur" krank... Ein Stück Normalität...
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  #7  
Alt 10.03.2017, 14:07
ElBeutel ElBeutel ist offline
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Beiträge: 9
Standard AW: Umgang mit aggressiven Verhalten

Die Lage meiner Mutter ist leider sehr Ernst. Als Sie damals die Diagnose bekam, gaben ihr die Ärzte keine 3 Monate mehr. Dann hat aber die Chemo recht gut angeschlagen und wir kämpfen uns nun von Monat zu Monat weiter durch. Leider hat der Krebs in mehrere Organe gestreut und die Ärzte gaben vergangenes Jahr im August an, dass Weihnachten höchst unwahrscheinlich sei zu erleben. Wenn ich nicht mit ihr einkaufen gehe, kommt sie leider gar nicht raus, da sie es alleine nicht mehr schafft. Es ist leider eine miese Zwickmühle. Ich sehe meine Mutter an, sehe einerseits die tolle Mutter, die sich für uns Kinder aufgeopfert hat und andererseits die Frau, die sich durch Schmerzen, Chemos, Bestrahlungen und Ängste käpmft. Hier denke ich dann immer, dass es ja klar ist, dass man verbittert wird...
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  #8  
Alt 10.03.2017, 17:59
Safra Safra ist offline
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Beiträge: 533
Standard AW: Umgang mit aggressiven Verhalten

Hallo,

Du schreibst, sie hat Metastasen. Auch im Gehirn? Könnte man damit ihr Verhalten erklären? Wenn nicht, ist es wahrscheinlich ihre Art, ihren ganzen Frust, Ärger, Angst, Neid auf gesunde Menschen loszuwerden. Wenn sie noch klar bei Verstand ist, dann würde ich ihr schon mal die Richtung geben. Oder nicht mehr einkaufen, sondern nur spazieren gehen.

Safra
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  #9  
Alt 10.03.2017, 18:22
Chari Chari ist offline
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Beiträge: 164
Standard AW: Umgang mit aggressiven Verhalten

Hallo,

Ich würde euch auch dringend einen Termin mit einem Psychoonkologen empfehlen damit deine Mum versuchen kann mit dem Gefühl "Ich werde sterben müssen" fertig zu werden. Sie ist in einer ganz schwierigen Situation und muss damit professionell unterstützt werden. Oft wird leider neben all den körperlichen Dingen vergessen wie sehr der Kopf leidet. Da hilft auch kein gute Zureden, Ermahnen zur Freundlichkeit oder sonst was. Immerhin muss deine Mutter gerade einen Weg finden sich mit dem Sterben abzufinden.

Durch Gespräche mit professioneller Beratung ist es möglich sich besser mit dem Gedanken anzufreunden, dass man nicht mehr lange zu leben hat. Da ist ganz viel Neid, Angst, Wut und andere Gefühle in ihr angestaut wie zB. Wut auf die alte Frau mit "runzeligen" Hinterteil, der soviel mehr Jahre vergönnt waren. Angst um die Menschen, die man alleine zurück lassen muss. Da wird oft auch Streit gesucht um es den geliebten Menschen einfacher zu machen später Abschied zu nehmen. Dieser Schmerz den man mit keinem richtig teilen kann, das Gefühl dass man sowieso alleine ist weil keiner in der Lage ist nachzuvollziehen wie man sich gerade fühlt.

Es ist einfach schrecklich unfair und bei vielen Krebspatienten absolut normal dass all diese Gefühle in Aggression ausbrechen. Für meine Mum waren die Gespräche mit dem Psychoonkologen das beste was ihr passieren konnte. Sie konnte vieles aufarbeiten, all ihre Sorgen bei einer neutralen Person aussprechen und dadurch auch noch mit Menschen, mit denen sie sich etwa zerstritten hatte auch noch ins Reine kommen. Sie war dann auch bereit (sogut wie man wohl sich bereit dafür fühlen kann) loszulassen.
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