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  #1  
Alt 03.06.2008, 11:52
ClaudiaE. ClaudiaE. ist offline
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Standard Nach OP rechtseitige Lähmung und Sprachstörung

Hallo,
meiner Mutter, 64 Jahre jung, wurde am Mittwoch, den 13.05.2008, ein Gehirtumor entfernt. Die OP dauerte 6 Stunden und es hat sich laut den Ärzten ein Ödem gebildet. Dieses behandeln sie mit Cortison. Bei dem Tumor handelte es sich um ein Glioblastom, Grad IV. Leider ist meine Mutter seit der OP rechtsseitig gelähmt und hat eine schwere Sprachstörung. Der Tumor wurde auf der Linken Seite oberhalb der Schläfe entfernt. Wenn ich den Arzt richtig verstanden habe befindet sich dort das Zentrum das für die Motorik zuständig ist. Auf unsere Frage ob sich die Lähmung wieder gibt, bekamen wir zur Antwort: "Verlassen sie sich nicht zu sehr darauf, es ist aber möglich". Können wir Hoffnung haben, dass es vielleicht nach der Bestrahlung und zusätzlichen Chemo in Tabl.-Form die am 05.06.2008 voraussichtlich beginnt, besser wird. Hat jemand Erfahrung?

Liebe Grüße

Claudia
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  #2  
Alt 03.06.2008, 21:02
Fahrradklingel Fahrradklingel ist offline
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Standard AW: Nach OP rechtseitige Lähmung und Sprachstörung

Liebe Claudia,

willkommen hier im Forum! Es ist sicherlich ein unfassbarer Schock für Dich und Deine Mutter, mit der Diagnose Glioblastom konfrontiert zu sein. Ich hoffe und wünsche euch, dass ihr hier im Forum Unterstützung, Zuversicht und Antworten auf eure Fragen findet könnt.

Ich bin hier seit Ende 2006, mein Vater hat seit 11/2006 ein Glioblastom auf der rechten Gehirnseite, das sich als erstes durch Wortfindungsstörungen und eingeschränkte Motorik bemerkbar machte. Diese Wortfindungsstörungen sind in der vergangenen Zeit mal stärker (bis hin zum Sprachverlust) mal schwächer (fast gar nicht vorhanden) gewesen. Zur Zeit haben sie sich auf einem niedrigen Niveau eingependelt. Von daher kann ich vielleicht ein paar Tipps für euch geben...

Zuerst habe ich aber selbst ein paar Fragen:
Wie äußert sich denn die Sprachstörung Deiner Mutter? Sind es eher Wortfindungsstörungen (d.h. sie wählt die falschen Silben, oder findet manche Begriffe nicht), spricht sie mit fehlendem Sinnzusammenhang, oder kann sie fast gar nicht sprechen?

Wie ist denn die Operation verlaufen? Es gibt z.B. die Möglichkeit, den Tumor mit einem Kontrastmittel anzufärben, sodass der Chirurg besser sehen kann, was er wegschneidet und was nicht, und so möglichst viel Hirnfunktionen erhalten kann.
Meistens sitzen beide Sprachzentren (Wernicke- und Broca-Zentrum) auf der linken Seite, jedenfalls bei Rechtshändern. Bei Linkshändern sind sie auf der rechten Seite des Gehirns. Es gibt aber auch Ausnahmen, wie bei meinem Vater ,der sein Sprachzentrum rechts hat, und leider genau im Sprachzentrum ein mal größeres, mal kleineres Glioblastom. Ist das bei euch vorher untersucht worden?

Es besteht schon die Möglichkeit, durch Logopädie wieder Sprechfähigkeiten zurückzugewinnen. Im Grunde müssen neue neuronale Verknüpfungen geschaffen werden, damit die Vorstellung von den einzelnen Worten und von Sprache wieder existiert und darauf zugegriffen werden kann. Das braucht Zeit und ist sicherlich extrem schwer einzuschätzen. Ob die Chemo und die BEstrahlung hier direkt etwas ausrichten, um die Fähigkeiten wieder zurpckzugewinnen kann ich schwer einschätzen. Aber eigentlich dienen sie ja dazu, Tumorwachstum einzudämmen bzw. Tumorgewebe, das bei der OP evtl. nicht vollständig entfernt wurde, zu zerstören. Aber entferntes Gehirngewebe können sie ja nicht ersetzen. Im Gehirn können jedoch andere Gehirnregionen in begrenztem Maß Fähigkeiten übernehmen.

Dummerweise sind in vielen Fällen (so bei meinem Vater) auch Schreiben, Zeichnen, Rechnen und Lesen gestört; gesprochene Sprache verstehen oder Symbole und Bilder erkennen funktioniert dagegen oft. Das kommt auf die genaue Lage des entnommenen Gewebes an.

Kann Deine Mutter parallel zur Chemo und Bestrahlung an einer Reha teilnehmen?
Eine Möglichkeit, die ich für meinen Vater mal in Erwägung gezogen habe, als er wegen eines massiven Hirnödem fast gar nicht sprechen konnte, waren Symbolkarten. Diese werden in der Behindertenpädagogik verwendet für Menschen, die sich nicht per Sprache artikulieren können, aber Zeichen und Symbole nutzen können. Das kann eine große Hilfe sein, denn die Formen der Zeichensprache, die man sich als Laie so ausdenkt, z.B. auf etwas deuten, Kopfschütteln, nicken... sind meistens recht ungenau und eignen sich nur für wenige Handlungen. Ein Symbolkarten-System, das mir eine Heilpädagogin empfohlen hat, nennt sich PECS, hier ist ein Link dazu
http://www.akzschweiz.ch/leistungen-pecs-de.html
Ich denke ein Logopäde könnte euch mehr dazu, oder zu vergleichbaren Symbolkarten erzählen.
Wir haben es nicht ausprobiert, weil mein Vater dank Cortison wieder schnell auf die Beine kam und es nicht brauchte.

Ich wünsche euch alles Gute und viel viel Kraft!

Franziska
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  #3  
Alt 04.06.2008, 08:58
ClaudiaE. ClaudiaE. ist offline
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Beiträge: 75
Standard AW: Nach OP rechtseitige Lähmung und Sprachstörung

Liebe Franziska,

viele lieben Dank für Deine Antwort. Deine Fragen haben mir klar gemacht, dass ich den Ärzten noch viel detailiertere Fragen stellen muß. Ich stehe im Moment etwas neben mir und funktioniere noch nicht richtig. Vorallem muß ich gestehen, dass ich mir im Moment nicht alles merken kann. Also muß ich mir beim nächsten Arztgespräch wohl Notizen machen.

Die Sprachstörung meiner Mutter liegt eher in der Wortfindung. Wenn sie ein Wort ausspricht, dann stimmt es. Sätze spricht sie kaum, sie spricht überhaupt kaum. Reagiert auch kaum, wenn mein Vater oder ich sie etwas fragen. Es kostet sie wohl zu viel Kraft. Nach der OP sagte man uns, dass sie eigentlich sprechen müßte. Lesen fällt ihr schwer, strengt sie zu sehr an. Sie schafft es zwei oder drei Worte zu lesen. Schreiben und zeichnen geht auch nicht. Das Sprachverständnis ist aber in Ordnung.

Ich glaube meiner Mutter macht es, neben der Diagnose Krebs, sehr schwer zu schaffen, dass sie rechtsseitig gelähmt ist. Sie hasst es, abhängig zu sein, reagiert irgendwie stur und abwehrend. Seit kurzem scheint sie auch wieder Probleme zu haben, etwas zum Mund zu führen oder am Strohhalm zu saugen. Es geht zwar, aber es dauert für mein Gefühl sehr viel länger als noch vor ein paar Tagen. Sie ist im Moment auch sehr depressiv, kraft- und mutlos, was natürlich verständlich ist. Deswegen weiß ich nicht, ob sie manches wirklich nicht gut kann oder ob ihr einfach nur die Kraft und der Wille fehlt. Mein Gott, es tut so weh, dass alles mitansehen zu müssen. Mein Vater leidet auch ganz furchtbar. Er hat nur rote Augen vom ständigen Weinen. Hoffentlich bricht er mir nicht auch noch zusammen. Aber diese Gefühlswelt ist dir bestimmt mehr als bekannt.

Nochmal danke für deine Antwort. Es tut gut sich austauschen zu können.

Ich wünsche Dir, Deiner Familie und Deinem Vater von Herzen alles erdenklich Gute und ganz viel Kraft.

Claudia

Geändert von ClaudiaE. (04.06.2008 um 09:00 Uhr)
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  #4  
Alt 04.06.2008, 10:15
Fahrradklingel Fahrradklingel ist offline
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Standard AW: Nach OP rechtseitige Lähmung und Sprachstörung

Liebe Claudia,

bitte mach Dir keine Vorwürfe, was Fragenstellen etc. angeht. Es ist nun mal so, dass man sich an diese schreckliche Diagnose nicht gewöhnen kann. Man kann einen Umgang damit finden, vielleicht Gelassenheit entwickeln, weil man ohne Pragmatismus und Routinen gar nicht mehr klar käme. Aber das braucht viel Zeit. Ich war in den ersten Wochen und Monaten sehr unter Schock, hab kaum geschlafen, die Nächte im Internet verbracht, habe viel geweint - das ist eben so.
Mitschreiben ist sicherlich eine gute Idee. Wenn ich nicht an den Arztterminen teilnehmen kann (was bisher meist der Fall war, weil mein Vater bis April in TÜbingen behandelt wurde, und ich zuerst 800, jetzt 250 km entfernt wohne), bespreche ich vor den Terminen mit meiner Mutter, welche Fragen sie stellen sollte, welche Gesprächsstrategie Sinn macht...Es ist ja wichtig, vor den Ärzten kompetent aufzutreten. Und meine Erfahrung ist, dass die Ärzte mit einem auch gut zusammenarbeiten können - zumal die Forschung bei Glioblastomen ja auch eher langsam voran kommt.

Mein Vater war in den Tagen, wo er linksseitig gelähmt war, auch sehr niedergeschlagen und frustriert. Klar. Dazu kommt, dass bei Hirntumoren auch manchmal Wahrnehmungsstörungen auftreten können, die es für unsere Angehörigen schwieriger machen, aufmerksam zu sein und mitzukriegen was um sie herum passiert.

Die Frage ist natürlich auch, ob der Zustand Deiner Mutter gerade durch die OP-Nachwirkungen (hm, nach 3 Wochen nicht mehr soo wahrscheinlich),
durch die Entfernung von Gehirngewebe oder
durch das Ödem kommt.
So ein Ödem kann den Zustand sehr verschleiern und schlimmer erscheinen lassen, als er wirklich ist, weil das Ödem ja auf die Hirnareale drückt und sie in seiner Funktion einschränkt.

Noch ein Ernährungstipp: Mein Vater macht zur Zeit eine Studie zu "ketogener Ernährung" an der Uniklinik Frankfurt
http://www.frauenklinik.uni-wuerzbur...gene_diaet.htm
(das bezieht sich zwar in erster Linie auf Brust- und Gebärmutterkrebs, aber die Studie rekrutiert seit neuestem auch Astrozytom- und Glioblastompatienten, siehe der Link ganz unten auf der Seite)
Das könnte eine Chance sein, Tumorzellen durch Ernährungsumstellung zu bekämpfen. Lies es einfach mal durch - die Meinungen in der Wissenschaft sind dazu geteilt, ich halte es für eine spannende Sache, zumal so eine Diät dem Körper ja nicht schadet, sondern im Gegenteil neben dem "Aushungern" von Tumorzellen auch Abmagern und körperliche Auszehrung verhindern kann


Ich wünsche euch weiterhin alles Gute! Versucht, die Zeit irgendwie von Tag zu Tag und von Woche zu Woche durchzustehen und Ruhe zu bewahren.

Franziska
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  #5  
Alt 04.06.2008, 10:42
ClaudiaE. ClaudiaE. ist offline
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Standard AW: Nach OP rechtseitige Lähmung und Sprachstörung

Liebe Franziska,

danke für deine Antwort. Das mit der Diät werde ich mir auf jeden Fall anschauen und es mit meinem Vater besprechen. Danke für den Tipp.

Bei der Besprechung mit dem Arzt der für die Strahlentherapie zuständig ist, habe ich erfahren das es ein Ödem vorhanden ist und das auch etwas Gewebe entfernt wurde. Als ich ihn im Flur (ohne das meine Eltern dabei waren) fragte, ob meine Mutter sich je wieder bewegen kann, gab er mir zur Antwort: "Die Erkrankung ihrer Mutter ist sehr schlimm! Rechnen sie nicht zu sehr damit, dass sie wieder laufen wird. Aber ausschließen kann man es auch nicht."

Heute hat mich mein Vater angerufen und meinte er habe eben mit der Krankenschwester gesprochen. Sie hätte gemeint, dass meine Mutter ja nicht gelähmt sei, sie würde ja fühlen wenn man sie am Fuß kitzelt. Sie könnte sich eben nicht bewegen, weil die Steuerung über das Gehirn nicht funktioniert. Jetzt ist mein Vater total optimistisch und denkt nicht mehr über einen Wohnungswechsel nach. Sie wohnen im 3. Stock und es gibt keinen Lift. Ich denke aber, dass es notwendig ist und dass wir langsam mal die Fühler ausstrecken müssen. Man findet ja nicht von heute auf morgen eine passende Wohnung. Selbst wenn sie wieder laufen kann (was ich mir sehr wünsche), es ist einfach zu anstrengend für sie. Aber mein Vater meint einfach, dass alles wieder so wird wie vor der OP. Alles schei..... Entschuldigung!

Liebe Grüße

Claudia
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  #6  
Alt 04.06.2008, 10:52
Fahrradklingel Fahrradklingel ist offline
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Standard AW: Nach OP rechtseitige Lähmung und Sprachstörung

Liebe Claudia,

ich mag Dir nicht zu nahe treten, wenn ich versuche mich in Deine Situation hineinzuversetzen. Aber ich glaube, als "Kinder" haben wir eine ähnliche und manchmal schwierige Rolle: Unsere Eltern zu einer realistischen Form des Hoffens zu bringen. Damit meine ich genau solche Sache wie über einen Lifteinbau (ok, einen Vermieter von Treppenliften zu überzeugen kann man wahrscheinlich getrost vergessen...) oder einen Wohnungswechsel nachzudenken. Oder sich die Begrenztheit dieser Sch...diagnose bewusstzumachen - und trotzdem nicht die Hoffnung zu verlieren, dass unsere geliebten Angehörigen ja auch eine kleine Chance haben, Langzeitüberlebende zu sein. Einige Menschen gibt es ja, die mit einem Glio nach 5 oder 6 oder 7 oder z.T. noch mehr Jahren immer noch am Leben sind --- und so ganz genau weiß man nicht, wodruch das kommt (einen Anhaltpunkt, das MGMT-Gen gibt es, darüber hast Du vielleicht schon hier und da gelesen, steht auch hier im Forum oben bei den Studien, aber das ist noch nicht hinreichend) Ob es so wird wie vor der OP - wer weiß? Ich wünsche meinem Vater und uns eher lange stabile Phasen: letzten Frühling bis Herbst war so eine Phase und gerade läufts auch gut. Wenn das ein paar Monate so bleibt oder gar nächstes Jahr immer noch so ist, dann bin ich dankbar. Ja, ich setze meine Ziele anders als früher. Trotzdem bringt es mich jedes Mal zum Weinen, wenn ich mir bewusstmache, dass mein Vater wahrscheinlich niemals Großvater sein wird...

LIebe Grüße
Franziska
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