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  #1  
Alt 03.09.2007, 14:56
meinedrei meinedrei ist offline
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Registriert seit: 13.08.2007
Beiträge: 16
Standard Mein Vater ist nun zu Hause, so schrecklich!

Hallo Ihr Lieben,
da Ihr so nett Anteil genommen habt und ich nahezu täglich hier lese, wollte ich mal berichten, wie es "uns" geht.

Mein Vater ist nun zu Hause, seine Frau pflegt ihn. Sie ist am Ende, wandert in unsäglichem Schmerz und hat Angst vor dem was kommt.

Meine Schwester meinte, es kann nicht mehr lange gehen. Sie tut mir auch so leid, sie leidet auch sehr, war Vaters Liebling... Einerseits will sie nicht, dass er stirbt, wie wir alle, aber wir wünschen es ihm mittlerweile.

Er hat nun im Kehlkopf, unterm Auge, überall eigentlich Wucherungen. Er bekommt Morphium und ist die meiste Zeit weggetreten oder schläft , hat ab und zu mal 5 Minuten, in denen er klar ist.
Das schlimme ist, dass er so unruhig ist. Er will immer aufstehen, reisst alles um, verwuschelt die Decke, das Bett, will immer weg laufen.
Er redet und brabbelt und träumt, ist irgendwie immer aktiv.
Seine Frau sagt, dass er manchmal im Schlaf deutlicher spricht als so.
Er kann manchmal nicht mal den Kopf heben, dann wiederum räumt er halbe Kommoden ab.

Er sieht aus wie ein verwüsteter 100jähriger, dabei ist er doch erst 58!!!! Solch ein Leid.

Und ich sitze hier, 600 km entfernt mit 3 kleinen Kindern, kann nicht hin fahren... ich fürchte mich so vor dem Anruf, der kommen wird...
Wenn ich nur etwas tun könnte!
Es ist schrecklich, das so "von weitem" miterleben zu müssen.

Sie tun mir alle so leid und ich bin immer noch so froh, dass ich ihn an der Hochzeit sehen konnte, ich spüre immer noch die Freude und Liebe, mit der er mich in seine Arme gezogen hat.

Heute kommt der Hausarzt, sie wollen sich dann alle zusammen treffen und beraten, wie es weiter gehen soll. Seine Frau kommt mit dieser extremen Unruhe und seinen Wanderungen nicht klar, sie ist recht zierlich und er ist trotzdem noch groß und schwer, sie hat Angst dass er fällt oder so.

Ich bin traurig. Bei euch gibt es so viel Trost zu lesen, an euch alle viele Grüße und viel Kraft!

Liebe Grüße

meinedrei
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  #2  
Alt 03.09.2007, 22:24
martinaIna martinaIna ist offline
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Registriert seit: 16.12.2006
Ort: Nordhessen Knüll
Beiträge: 221
Standard AW: Mein Vater ist nun zu Hause, so schrecklich!

Hallo meinedrei,

klingt so, als würde es nicht mehr lange dauern. So, als ob er schon teilweise in einer anderen Welt wäre und dort eben "aufräumt".

Du hast das nicht in der Hand. Du kannst nichts (mehr) tun. Du kannst die, die nun um ihn rum sind stützen, indem Du ihnen mitteilst, dass Du es gut findest, was sie machen und an sie denkst.
Mehr nicht.
Atme aus.
Deine Aufgabe an ihm ist erfüllt. Eine kleine Aufgabe ist noch Deiner Familie, die näher dran ist und nun ihre Aufgaben hat, zu stärken. Viel ist es nicht, was Du für sie tun kannst.
Wenn sie ihn in ein Hospiz oder auf eine Palliativstation bringen, so wäre er sicher gut aufgehoben. Er ist ja gar nicht mehr Zuhause. Er ist oft schon ganz woanders.

Du hast andere Aufgaben, meinedrei. (Kein zufälliger Name - oder? Deine drei "Aufgaben" momentan?!) Mach Du, was Deine Aufgabe hier ist, deine Kinder zuerst. Jetzt. Was später kommt, siehst Du dann.

Ich drück dich,
martina
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  #3  
Alt 03.09.2007, 23:14
Elli Elli ist offline
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Registriert seit: 21.06.2005
Ort: Düren
Beiträge: 1.329
Standard AW: Mein Vater ist nun zu Hause, so schrecklich!

Liebe meindrei,

drück Dich mal ganz doll. Es ist mit Sicherheit nicht leicht für Dich,soweit entfernt zu sein,und nicht helfen zu können.
Auch wenn Du Deine Familie nicht so ünterstützen kannst,wie Du es gerne möchtest,rufe einfach an und mach Ihnen Mut. Sage Ihnen das sie es gut machen und das Du ganz fest an sie denkst.

Bei meinem Vater war es ähnlich. Er ,der eigentlich gar nicht mehr ohne Sauerstoffgerät sein konnte,mobilisierte plötzlich ungeahnte Kräfte. Er war damals im Krankenhaus,und machte plötzlich die ganze Station rebellisch.
Ich denke es war ein letztes aufbäumen,es diesem Leben noch mal zeigen.
Als es dann zu Ende ging,war mein Vater sehr ruhig und hat sich mit einem Lächeln im Gesicht von dieser Welt verabschiedet.
Wenn ich gasnz ehrlich bin,war ich auch froh als es endlich vorbei war.
Meinen Vater leiden zu sehen,und nicht helfen zu können,war für mich auch das Schlimmste.

Liebe meinedrei ich wünsche Dir von ganzem Herzen alles.alles Gute.Aber ich denke,Deine Kinder brauchen Dich jetzt auch sehr. Vielleicht hast Du ja trotzallem noch mal die Möglichkeit zu Deinem Vater zu fahren und Abschied zu nehmen.
Denke ganz fest an Dich,und schicke Dir ganz viele Kraftpakete.

Liebe Grüsse
Elli
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  #4  
Alt 04.09.2007, 11:07
meinedrei meinedrei ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 13.08.2007
Beiträge: 16
Standard AW: Mein Vater ist nun zu Hause, so schrecklich!

Liebe Martina, liebe Elli.

Danke für eure Mut machenden Worte. Es ist so hart und ich habe manchmal das Gefühl, dass ich gegen (auch wenns peinlich ist, ich sage es...)... dass ich irgendwie eifersüchtig bin, da spricht das Kind in mir, das sagt "Papa, ich will auch bei dir sein, ich will auch helfen, will auch zeigen, dass ich dich lieb habe"...
Aber ich weiss gar nicht, wie ich das alles auf die Reihe kriegen soll. Mein Mann ist zur Zeit geschäftlich unterwegs, ich habe zwei Schulkinder und ein Kindergartenkind, ich kann in der alten Heimat auch bei niemandem Station machen, hätte ja meine drei Kinder im Schlepptau und ich kann es ihnen nicht zumuten, Freitag abend oder samstags 600 km zu fahren und sonntags wieder zurück.
Übernächste Woche kommt mein Mann zurück und da will ich dann hin fahren. Ich hoffe so sehr, dass das klappt. Er erkennt einen ja noch - aber wie lange??? Na ja, auch wenn er mich nicht mehr erkennen sollte, denke ich, dass er trotzdem spürt, dass jemand für ihn da ist.

Was mir auch große Sorgen macht - er ist einerseits religiös, hat aber seither jegliche Gespräche mit Pfarrern oder Seelsorgern abgelehnt - nun KANN er nicht mehr sprechen. Ob ihn das belastet? Er ist ziemlich bockig und will sich nicht äußern, wir wissen auch irgendwie nicht, ob er Angst hat oder was ihn bewegt, man sitzt nur daneben....

Ich habe mir schon überlegt, ob ich ihm wenn ich komme irgend ein Symbol mitbringe, das ich hier segnen lasse, vielleicht ein kleines Kreuz? (Wir sind evangelisch, Rosenkranz wäre ihm also fremd).
Ob er das richtig auffassen würde? Vielleicht gibt es ihm Trost? Oder empfindet er es als "nun gib schon auf?"

Denn so wie es aussieht ergibt er sich nicht in sein Schicksal, er hadert und schimpft und akzeptiert nicht...
Ich persönlich finde es irgendwie passend, dass er nicht loslassen will. Ich meine - wenn er kämpfend die Augen schließt, dann muss er doch nicht diese Aufgabe, diese Mutlosigkeit durchmachen? So gehts doch auch...
Ich glaube seine Frau hätte so gerne, dass er sozusagen in Frieden geht, es macht sie fertig, wie er kämpft, ich sehe es eher so, dass seine Aktivität eher so ist, dass er mit Gewalt hier bleiben will...


Ach je, man ist so hin und her gerissen zwischen "bleib bei uns" und "ich gönn dir den Frieden".

Seine Frau meinte, dass das eine Sachen zwischen ihnen geworden ist, dass sie Mann und Frau sind und sie ihn begleitet, wir Kinder haben unsere Partner und haben vielleicht mal denselben Weg vor uns, aber nun sollen wir uns nicht so fertig machen und uns um unsere Familien kümmern, das sei unsere Aufgabe, sagt also dasselbe wie du, Elli.

Traurige Grüße und danke nochmal

meinedrei
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  #5  
Alt 04.09.2007, 16:38
martinaIna martinaIna ist offline
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Registriert seit: 16.12.2006
Ort: Nordhessen Knüll
Beiträge: 221
Standard AW: Mein Vater ist nun zu Hause, so schrecklich!

Hallo meinedrei,
ja, Annett hat Recht in dem. was sie über dich schreibt. Oder?

Zum Religiösen:
Es gibt so kleine Holzkreuze, die man gut in der Hand halten kann (Handschmeichler). Ein Balken ist versetzt. Sozusagen zum Festhalten. Man kann sie aber auch vor Wut in die Ecke pfeffern, wenn man mit Gott hadert. Vielleicht wäre das etwas?

Auch könntest Du ein Gebet sprechen mit/für deinen Vater. Vielleicht frei, oder das Vater Unser. Im Gesangbuch stehen auch welche drin. (Jedenfalls in Hessen). Der Psalm 23 ist auch für manche Menschen eine Stütze. („Der Herr ist mein Hirte... und ob ich schon wanderte im finsteren Tal....“)
Sprich doch einfach mal mit dem Krankenhausseelsorger/in oder -wie Annett vorschlug- seinem Gemeindepfarrer.

Manche Menschen sterben zornig. Wer will ihnen das Recht dazu absprechen? Natürlich belastet uns Angehörige das mehr aber vielleicht hilft es demjenigen, wenn er seine Wut raus lassen kann. Es gehört alles zum Menschsein: Angst, Liebe, Wut, Zärtlichkeit, Hoffnung und Verzweiflung. Vielleicht ist es falsch, bestimmte Gefühle als gut und andere als schlecht zu bezeichnen?
Ich glaube, die Frau deines Vaters hat Recht. Dies ist jetzt ihr Part und ihr habt Eure Aufgaben. Vielleicht braucht sie dies auch, dieses Bisschen Exklusivität einer Liebesbeziehung die im Abschied ist.

Ich denk an Dich
martina
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  #6  
Alt 04.09.2007, 17:00
Schnucki Schnucki ist offline
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Registriert seit: 22.09.2006
Beiträge: 917
Standard AW: Mein Vater ist nun zu Hause, so schrecklich!

Liebe meinedrei,

meine Mutter, die vor 3 Wochen verstorben ist, hat auch gekämpft. Ich hab ihr immer wieder gesagt, dass sie entscheidet, wann es genug ist, ich kann nur die medizinischen Sachen klären. Immer wieder. Der Zeitpunkt, wo sie nicht mehr wollte, kam auch. Dann hab ich mich für ihren Willen eingesetzt.

Das, was ich sagen will: Weiß Dein Vater, dass es okay für Euch ist, wenn er geht? Ich habe es meiner Mutter explizit gesagt. Ich sagte ihr, dass ich sie gerne noch 20 Jahre bei mir hätte, dass ich es aber akzeptieren kann, wenn sie nicht mehr leben will, dass sie sich um mich keine Gedanken machen muß. Dass sie immer bei mir sein wird.

Sie lächelte.

Sie fand ihren Frieden und kämpfte auch nicht mehr dagegen an. Anscheinend kommt irgendwann der Punkt. Vielleicht wird Dein Vater auch ruhiger, wenn er weiß, dass es okay ist, wenn er loslässt?

Ich drück Dich, es ist sauschwer. Man möchte helfen, man kann es aber irgendwie nicht. Das ist aber auch nicht anders, als wenn man in der Nähe ist.

LG

Astrid
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