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Alt 10.08.2007, 12:03
Yvonne1980 Yvonne1980 ist offline
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Registriert seit: 10.08.2007
Beiträge: 2
Standard Geschichte meiner Oma / Wann hört es auf?

Hallo zusammen,

vor beinahe 4 Jahren ist meine Oma gestorben. Im November 2002 wurde bei ihr Darmkrebs diagnostiziert, mit Metastasierung in Lunge und Leber.

Sie bekam dann die erste Chemotherapie, war sogar am Heilig Abend im Krankenhaus, weil die Chemo nicht schnell genug durchgelaufen war.

Danach folgten diverse weitere Chemotherapien, mit dem Ziel, den Tumor so weit zu verkleinern, dass man in operieren konnte.

Dies schien zunächst auch zu gelingen, es sah nach einem Erfolg aus. Auch die Metastasen in Lunge und Leber bildeten sich durch die Chemo zurück.

Sie kam dann Anfang April 2003 ins Krankenhaus, um operiert zu werden. Schon 1 Woche vor dem angesetzten OP-Termin kam sie ins Krankenhaus, um dort mittels "Astronautennahrung" etwas aufgepäppelt zu werden, da sie durch die Chemo und dem Appetitverlust sehr abgenommen hatte. Allerdings mußte sie, nach 2 Tagen im Krankenhaus, notoperiert werden, da die Ärzte einen Darmverschluß festgestellt hatten. Danach war sie für ca. 1 Woche auf der Intensivstation, bis sie sich wieder stabilisiert hatte. Während der Darmverschluß-OP wurde gleichzeitig der Tumor entfernt, sowie die Gebärmutter, da auch dort ein weiterer, großer, jedoch gutartiger, Tumor festgestellt wurde. Danach blieb sie noch einige Wochen im Krankenhaus, um wieder zu Kräften zu kommen.

Im Anschluß daran wurde die Reha beantragt, die sie auch Ende Mai 2003 antrat. Dort fing alles sehr gut an, sie hatte wieder Appetit, nahm zu, und hatte neuen Mut geschöpft, dass nun alles wieder gut werden würde. Bis sie nach 2 Wochen im Bad stürzte, weil ihr schwindelig war. Dann gab sie auch zu, dass sie schon seit mehreren Tagen, wenn nicht WOchen, starke Kopfschmerzen hatte. Zunächst hatten die Ärzte auf einen Schlaganfall getippt. Am nächsten Tag kam sie "in die Röhre" zur CT. Da stellte sich heraus, dass sie auch einen Tumor im Gehirn hatte.

Sie mußte die Reha sofort abbrechen und zurückreisen, um einen Termin in einer Klinik, die auf solche Operationen spezialisiert war, auszumachen. Der Spezialist dort sagte, ohne Operation hätte sie noch ca. 3 Monate und würde einen Wasserkopf bekommen. Mit der Operation könnte alles wieder gut werden.

Also stimmte meine Oma noch einer Operation zu.

Am Vorabend des geplanten OP-Termins waren wir natürlich alle nochmals dort, da die OP am nächsten Morgen sehr früh beginnen sollte. Mit den Schwestern wurde ausgemacht, dass gegen Mittag einer von uns anrufen würde, um zu fragen, ob alles in Ordnung sei, da meine Oma nicht wollte, das jemand von uns kam.

Als mein Opa am nächsten Tag gegen Mittag anrief, wurde ihm mitgeteilt, dass die OP verschoben worden sei. Heißt, meine Oma lag den ganzen morgen vor dem OP und dachte, sie würde operiert, um dann zu erfahren, dass es nun doch nix wird. Und KEINER von denen dort war in der Lage, uns anzurufen und Bescheid zu sagen. Ich dachte, ich dreh durch, als ich das gehört habe!!! Meine Oma selbst konnte nicht telefonieren, da sie bereits halb sediert war.

Die OP fand dann doch noch statt, sie hat sie auch "gut" überstanden. Danach folgte eine Bestrahlungtherapie. Wir konnten schon zu dieser Zeit keine Besserung in ihrem Befinden feststellen. Sie war zwar klar und "allseitig orientiert" wie im Krankenblatt stand, konnte aber nur noch unter höchster Anstrengung laufen. Zu Essen bekam sie Diätkost (Hallo? Sie wog zu dieser Zeit noch ca. 50kg bei einer Größe von 1,68m, und meine Oma war vorher immer eine "starke" Frau!) Auf Nachfrage hieß es nur, das sei so in Ordnung, der Arzt hätte es so angeordnet. Einen Arzt hatten wir aber in der ganzen Zeit dort nicht gesehen, nicht einmal, obwohl mein Opa den ganzen Tag dort war!!! Wenn man versuchte, an den Arzt ranzukommen, war er beschäftigt, Terminvereinbarungen waren nicht möglich.

Nach 3,5 Wochen flog ich dann in den Urlaub - schweren Herzens, aber meine Oma wollte ja, dass ich gehe - bezahlt ist schließlich bezahlt!

In dieser Zeit wurde sie dann entlassen, ich war gerade eine Woche weg- ohne das meine Mama oder mein Opa nochmal mit dem Arzt sprechen konnten! Es gab keine Prognose, nichts, garnichts!!!

Zu Hause wurde ihr Zustand dann täglich schlechter. Nach 1 Woche, also als ich aus dem Urlaub wieder kam, wurde ich von meinen Eltern am Flughafen abgeholt, die darauf bestanden, dass ich sofort zu meiner Oma fahre - nach einem 14-stündigen Flug. Klar, dass ich hin bin. Wird schon einen Grund haben, wenn meine Mama so darauf besteht.

Meine Oma hat sich so unendlich gefreut, dass ich wieder da war... Meine Mama meinte, sie hatte schon, als sie ganz frisch zu Hause war, gesagt sie möchte nicht mehr leben, sie wolle nur noch warten, bis ich wieder da bin... Sie war mittlerweile bettlägerig, kurzes stehen ging noch, laufen garnicht mehr. Inkontinenz war hinzugekommen, gewaschen haben wir sie. Mein Opa war völlig überfordert mit der Situation, er konnte garnichts machen.

So ging es noch ca. 1,5 Wochen weiter, jeden Tag wurde es schlechter. Ärzte waren massig da, Hausarzt, Notdienst und so weiter. Jedoch sagte uns keiner, wie schlecht es steht. Immer nur, wir müssten schauen, dass sie zu Kräften kommt.

Nach 1,5 Wochen rief mich mein Opa völlig aufgelöst an - komm schnell, ich glaub, die Oma stirbt. Ich bin sofort hingerast - sie hat mich noch kurz erkannt, das war´s dann auch, sie war überhaupt nicht mehr "bei uns". Geatmet hat sie laut, schnell, hektisch, so schlimm, das wir dachten, sie erstickt. Meine Mama kam dann auch ganz schnell, und kurz danach auch schon der Arzt. Jetzt endlich sagte er uns, das der Tumor im Gehirn wohl wieder gewachsen sei, und nun auf ihr Atemzentrum drückt, so dass sie das Gefühl hat zu ersticken. Wir könnten nichts mehr tun, außer sie ins Krankenhaus bringen, oder sie gehen lassen. Der Arzt fragte dann meine Oma direkt, ob sie ins Krankenhaus möchte - "NEIN!", ganz laut und deutlich. Er hat ihr Morphium verschrieben, um ihre Angst zu lindern und sie zu beruhigen.
Er vermutete, das es höchstens noch ein paar Tage "gehen würde".

Als sie ein bisschen ruhiger geworden war, ging meine Mama, schnell etwas zu Essen und auf Arbeit anrufen, dass sie nicht mehr kommt heute. Als meine Mama wieder da war, ging ich, auch kurz etwas essen und mich etwas ausruhen. Ich war völlig erledigt von der Anspannung und konnte nicht mehr damit umgehen, was da mit meiner Oma passierte. Wahrscheinlich bin ich gegangen, weil ich spürte, der Moment kommt näher, und ich hätte es nicht ertragen können.

Gegen 22.50 Uhr rief meine Mutter an. Schon als das Telefon klingelte, war mir klar, das meine Oma gestorben war. Schon den ganzen Tag war mir, für mich selber, völlig klar, dass der nächste Tag der erste ohne meine Oma sein würde. Und so war es auch...

Um 22.48 Uhr ist sie gestorben. Meine Mama und mein Opa waren dabei, sagten noch zu ihr "Wir sind alle da", sie sagte "Ja!" und dann ist es passiert.

Bis heute mache ich mir Vorwürfe, dass ich nicht da war. Ich kann es nicht verarbeiten, denke, ich habe sie verraten, indem ich gegangen bin. Aber ich hätte es nicht ertragen können, sie sterben zu sehen! Es ging nicht. Ich hoffe, sie hat es verstanden, irgendwie.

Und selbst heute, nach 4 Jahren, bin ich noch immer nicht "drüber weg", bin immer noch fassungslos, traurig, alleine, denke aber, weil es alle erwarten, es müsse mir wieder gut gehen und spreche mit niemandem mehr darüber.

Das ich mich so schlecht fühle, weil ich, als sie gestorben ist, nicht da wahr, habe ich auch noch nie jemandem erzählt. Ich werde dieses Gefühl, versagt zu haben, weil ich nicht da war, nie wieder los werden, weil es keine Möglichkeit gibt, es zu ändern...

Hört die Trauer denn irgendwann noch auf, oder wird es erträglicher?

Bitte entschuldigt den elendlangen Beitrag, ich hör jetzt auch schon auf!!!

Lg,
Yvonne
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