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  #1  
Alt 02.02.2013, 10:49
Wie_der_Wind Wie_der_Wind ist offline
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Registriert seit: 31.10.2012
Beiträge: 8
Standard und dann kam alles anders

Liebe Forumsmitglieder,
ende Oktober 2012 habe ich mich in Eurem Forum angemeldet. Ich habe viele, viele Beiträge gelesen und wollte eigentlich immer über die Geschichte meiner Mama schreiben. Nun ist meine Mama bereits seit einem Monat Tod...
Ich habe drei kleine Kinder, mit diesen musste der Alltag relativ schnell wieder funktionieren. Ich habe viel Unterstützung von anderen, aber irgendwie kann ich es nicht zulassen - den Trost. Mein Mann will mich trösten aber ich kann es einfach nicht zulassen... Deshalb schreibe ich hier, alle hier haben ähnliches erlebt und können es somit auch besser verstehen.
Als erstes möchte ich Euch die Geschichte meiner Mama erzählen: Meine Mama war 64, sie hat ihr ganzes Leben lang hart gearbeitet, hatte vor 17 Jahren bereits ein Magengeschwür mit welchem ihr 3/4 ihres Magens entfernt wurden. Sie wurde wieder ganz gesund. Ging aber nie wieder zu einem Arzt um sich kontrollieren zu lassen. Im Sommer 2012 veränderte sie sich, sie war immer müde, redete nicht mehr viel (sie war ein sehr geselliger Mensch). Auf fragen was mit ihr los sei antwortete sie immer - es ist alles in Ordnung!
Anfang Oktober 2012 waren die Schmerzen im Mund so gross geworden dass sie endlich damit raus rückte. Sie ging zum Zahnarzt - ihre 3. Zähne waren nicht die Besten, erst dachten wir dass dort das Problem liegt. Der Zahnarzt schickte sie weiter in die Zahnklinik und die Zahnklinik weiter ins Krankenhaus. Es stellte sich heraus dass sie ein riesiges Mundhöhlenkarzinom hatte welches hinten bis zum Hirn reichte. Trotzdem waren die Ärzte zuversichtlich dieses mit einer OP entfernen zu können. Beim legen der Sonde für die künstliche Ernährung wurde ihre Milz verletzt und diese musste durch eine Not-OP entfernt werden. Die eigentliche OP musste verschoben werden weil sie zuwenig Kraft hatte - sie war sehr sehr dünn. In der Zwischenzeit hatte sie sich noch im Krankenhaus mit Coli- und Klebsiellabakterien infiziert. Wir mussten immer einen Umhang und Handschuhe tragen - bis zum Schluss. Mit einer Woche Verspätung konnte die OP am 19. November stattfinden. Sie war 14 Stunden dort drin. Es verlief alles nach Plan. Die ersten zwei Wochen war sie extrem motiviert und positiv eingestellt. Sie konnte nicht sprechen weil ihr ein Luftröhrenschnitt gemacht wurde, da der ganze Mund und die Zunge anfangs extrem angeschwollen war. Man sagte ihr nach zwei Wochen könne dieser entfernt werden. Aber irgendwie wollte alles nicht richtig heilen. Es ging ihr -im Nachhinein betrachtet - immer konstant schlecht. Wir, die Familie, wir waren immer so zuversichtlich, wir waren total überzeugt dass unsere Mama wieder gesund wird - immer!
Am Morgen des 27. Dezember rief uns das Krankenhaus an, meine Mama hatte einen Herz-Kreislauf-Stillstand, sie wurde reanimiert fiel aber in ein tiefes Koma. Wir fuhren sofort ins Krankenhaus, dort teilte man uns mit dass es keine Hoffnung mehr auf Besserung gäbe. Es stellte sich heraus dass sie eine Entzündung im Hirn hatte welche nicht gesehen werden konnte - nicht gesehen wurde - wahrscheinlich weil man bei der OP so nahe ans Hirn gehen musste.
Sie hatte dauernde epileptische Anfälle nach dem Stillstand. Wir konnten sie von der Intensivstation zurück ins Zimmer nehmen wo wir sie dann bis zum 29. Dezember begleitet haben bis sie still und leise auf ihre letzte Reise ging.
Manchmal denke ich dass das alles gar nicht wahr sein kein...
Bitte antwortet mir nicht mit - dies und jenes hätte vom Krankenhaus her nicht passieren dürfen etc. - es sind auch nur Menschen die da arbeiten und die tun dort einfach täglich so viel wie möglich ist, Vorwürfe bringen meine liebe Mama auch nicht mehr zurück.
Danke dass ich meine Geschichte hier veröffentlichen darf.
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  #2  
Alt 02.02.2013, 11:17
Benutzerbild von fraunachbarin
fraunachbarin fraunachbarin ist offline
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Beiträge: 1.150
Standard AW: und dann kam alles anders

hallo..
ich will dich hier im hinterbliebenenforum recht herzlich begrüßen und dir gleichzeitig mein beileid zum tod deiner mama aussprechen. es tut mir leid, daß du so eine schlimme zeit hinter dir hast. es muß furchtbar gewesen sein. aber schön, daß du deine mama begleiten konntes. auch wenn sie im koma lag, sie hat dich und deine nähe gespürt. meine mami lag auch eine woche, bevor sie ging, im koma. ich war 12 tage und nächte bei ihr und hab viel mit ihr geredet, vorgesungen und -gelesen. ich weiß, sie hat dies trotz koma mitbekommen hat.
das unfaßbare, daß du gerade erlebst, ist normal. die trauer hat verschiedene phasen, das wirst du mit der zeit erleben.
ich wünsche dir ganz viel kraft für die weitere zeit der trauer. schreib dir hier alles von der seele.. wirst sehen, das tut gut. denn wir sitzen hier alle im gleichen boot. das boot der trauernden.
schönes wochenende für dich und deine lieben.
lg tine
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  #3  
Alt 02.02.2013, 14:08
Wie_der_Wind Wie_der_Wind ist offline
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Beiträge: 8
Standard AW: und dann kam alles anders

Hallo Tine,
es tut mir leid dass du auch mit dem Verlust deiner Mama klarkommen musst. Ja, ich bin auch fest davon überzeugt dass meine Mama ganz genau spürte dass wir da sind. Ich habe irgendwo gelesen dass eine Seele nie wacher ist als wenn der Mensch im Koma liegt - dem kann ich zustimmen. Bevor ich in diese Situation und überhaupt zum Thema Tod kam war ich immer der etwas naiven Meinung dass es kein Danach gibt - aus und vorbei. Nachdem ich zwei Nächte (tagsüber waren mein Vater und meine Schwägerin bei ihr) bei Mama war und gemerkt habe wie sie sich verändert hat weiss ich dass das nicht so ist. Am 1. Tag hat sie sich richtig ans Leben geklammert, sie war verspannt wir, meine Schwester und ich haben sie fest an der Hand gehalten. Wir haben auch viel mit Ihr geredet, sie gestreichelt, leise gesungen. Am zweiten Tag als wir zurückkamen war sie viel entspannter und sie ging dann irgendwie erst als wir uns auch mit dem Gedanken abgefunden haben, als die Kinder bescheid wussten und sich nicht mehr an die Hoffnung geklammert haben. Der Tod selber war dann unglaublich friedlich - fast wie eine Geburt nur umgekehrt... Wir mussten sie dann auch nicht mehr festhalten - nur noch leicht berühren. War dass bei euch auch so?
Am Anfang hatten wir dann soviel zu tun dass wir für die Trauer gar keine Zeit hatten. Auch die 2.5Monate ihrer Krankheit waren wir immer am Machen und am Tun. Und dann? War da plötzlich dieses Grosse Nichts - es gab nichts mehr zu tun, die Welt stand plötzlich still und nichts ist mehr wie es war. Die Kinder helfen mir natürlich enorm über den Alltag aber die Trauer holt mich immer wieder ein. Sie war ein so guter Mensch und immer für uns alle da und jetzt ist da dieses grosse Loch welches wir einfach nicht stopfen können - mit nichts und niemandem...
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  #4  
Alt 02.02.2013, 14:44
Wie_der_Wind Wie_der_Wind ist offline
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Registriert seit: 31.10.2012
Beiträge: 8
Standard AW: und dann kam alles anders

Aus unseren Trauerkarten haben mir diese Zeilen sehr geholfen:

Du kannst Deine Augen schliessen
und beten dass sie wieder kommt,
oder du kannst sie öffnen und sehen
was sie zurückgelassen hat.
Dein Herz kann leer sein,
weil du sie nicht sehen kannst,
oder es kann voll der Liebe sein,
die sie für dich und andere hatte.
Du kannst sie im Herzen tragen
und sie in dir weiterleben lassen.
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  #5  
Alt 02.02.2013, 14:47
Benutzerbild von fraunachbarin
fraunachbarin fraunachbarin ist offline
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Ort: ulmer ecke
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Standard AW: und dann kam alles anders

ja bei meiner mami war es ähnlich. sie hatte erst, als sie ins koma fiel, eine schlimme unruhe und ist ständig zusammengefahren. das fand ich schlimm. die ärztin vom hospiz meinte, daß sie wohl ganz vieles nochmals erlebt und durch das koma nicht mehr realisieren kann, daß das alles nicht wirklich nochmal passiert. sie wurde dann langsam ruhiger, hat nur noch ab und zu gestöhnt. am 14.okt, es war ein sonntag, wurde ihr puls immer schwächer. und sie hatte immer öfters atemaussetzer. so wußten wir kinder, daß sie langsam geht. meine schwester blieb dann auch über nacht und um drei wurden die aussetzer immer länger. bis sie dann um 4.02 für immer ausatmete. es war sehr friedlich.
auch ich empfinde den tod als ein wunder, wie eine geburt es ist. ich habe als hebammenhelferin schon sehr viele geburten erlebt und war immer ergriffen davon. auf einmal ist ein mensch da. und so ist es auch beim sterben. auf einmal ist ein mensch weg. kommt nie wieder. ausgelöscht aus dem leben.
laß deine trauer laufen, halte sie nicht zurück. das muß alles verarbeitet und raus.
alles gute wünscht dir tine
__________________
MISS YOU MAMA
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