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  #1  
Alt 09.11.2015, 09:38
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Florentine2 Florentine2 ist offline
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Standard Habe einen großen Fehler gemacht...

Hallo, ich weiß nicht wie ich richtig anfangen soll und schreibe einfach mal drauf los.
Meine Ma (52 Jahre) ist letztes Jahr an Brustkrebs erkrankt. Im Januar diesen Jahres war der Krebs "besiegt". Ende August kam dann die Diagnose Metastasen im Kopf,Lunge und Knochen. Alles brach in mir zusammen, immer und immer wieder. Ich suchte eine Psychoonkologin auf. Für meine Mama (Ich bin 33 Jahre) will ich gut da sein, will gut für sie sein. Es ist so schwer auszuhalten wenn sie leidet. Anfangs war sie suizidal, schwer depressiv mit starken Stimmungsschwankungen. Zwischen den Behandlungen im Krankenhaus geht sie ins St Joseph. Ich bin sehr oft bei ihr und versuche alles irgendwie richtig zu machen. Mit ihrer Mutter, meiner Oma, hat sie Probleme. Dies habe ich anfangs von beiden Seiten versucht für sie abzufangen. Letztes Jahr stand ich zwischen den Fronten meiner Schwester und meiner Oma, obgleich ich mit dem Streittthema nichts zu tun hatte. Bei Zusammentreffen mit meiner Oma im Krankenhaus hat sie mich das auch spüren lassen. Es war sehr schwer, zu der Krankheit meiner Mutter, das auch alles auszuhalten. Jetzt kam vor knapp zwei Wochen die Diagnose Bronchialkrebs und dass sie nur noch wenige Monate zu leben hätte. Das hat man ihr zwischen Tür und Angel gesagt. Es ist unglaublich, wie die Menschen trotz solch einer Diagnose, abgefertigt werden.
Bis dato sprach meine Ma von Heilung oder noch 20 Jahren leben. Ich war ruhig, sollte ihr laut der Psychoonkologin nichts sagen. Es war so schwer, das auszuhalten und ich fragte mich irgendwann, wie lange ist es eigentlich in Ordnung, ihr nichts zu sagen? Hat sie nicht auch rein Recht darauf es zu erfahren um die Chance zu haben sich mit dem Tod auseinanderzusetzen?
In mir entwickelten sich zwei Ebenen, während mein inneres versucht mit dem Gedanke "Hospiz" zurechtzukommen. Die Ebene der Trauer und des Schreckens, der Angst und die Ebene, in der ich es gefühlt angenommen habe und der Schrecken zum Thema Tod nicht existiert, weil er dazugehört.
Der Kontakt zu Menschen, auch Bekannten und Freunden fällt mir sehr schwer. Irgendwie bin ich tief erschüttert. Fühle mich sehr isoliert, weil ich immer wieder merke, dass mein Umfeld von mir erwartet, dass ich wie sonst auch funktioniere, dass sie es nicht hören können, was meine Ma und ich erlebe. Die letzten Tage brach sehr viel Wut in mir auf, zu allem, was man die ganze Zeit so geschluckt hat.

Gestern hatte meine Ma Geburtstag. Zwei Tage vorher gab es ein Telefonat zwischen uns, in dem sie sich über Oma auslies, indem sie sehr wütend war. Es ist immer das gleiche Thema und irgendetwas ist in mir gekippt. Ich war plötzlich wütend darüber. Irgendetwas in mir ruft laut Stop und Nein und ich kriege es nichtmehr weg.
Als Kind/Jugendliche habe ich meine Ma sehr viel leiden sehen (ua. lebensbedrohliche Situationen durch ihren damaligen Partner) Mir selbst steht noch eine Traumatherapie bevor. Habe jedoch kaum Filter. Jedenfalls fuhr ich gestern sehr angespannt in die Lungenklinik. Oma war bereits da. Auch Mama war innerlich sehr angespannt, fahrig und wütend.
Irgendwann erwischte ich mich dabei, dass mein Tonfall kurz unfreundlich war. Erschrocken hab ich mich gleich entschuldigt. Dann habe ich einen großen Fehler gemacht. Es brach aus mir im Gespräch heraus, dass ich nächste Woche einen Termin mit der Krebsberatung gemacht habe, dass ich erst ein >Trauercafé< angerufen hätte, da die Psychoonkologin mir dazu riet. Um Menschen, mit denen ich drüber reden kann, um mich zu haben. Ein Stück in mir hatte geglaubt, sie würde das wie vor ein paar Wochen, als ich ihr von der Psychoonkologin erzählte gutheissen und sich drüber freuen. Die Stimmung kippte merklich. Mama wand sich ab, war wütend und äusserte dies auch, als ich vorsichtig nachfragte. Ein riesen Schuldgefühl, ein riesen Stein liegt in meinem Magen. "Trauercafé", als wäre sie schon gestorben. Sie sagte, sie sei auf die Psychoonkologin wütend, wie die soetwas sagen könne ect ect.. Ich glaubte jedoch, dass sie in Wirklichkeit auf mich wütend war. Wie konnte ich soetwas an ihrem Geburtstag sagen?

Abends hab ich mich hingesetzt und geschrieben, um mich geordnet zu bekommen, um gefasst zu bekommen, was geschah und warum ich dennoch parallel eine Wut da ist auf meine Mama, die ich nicht richtig wegbekomme (die aus alten Verletzungen herrühren). Ich fühle mich schlecht und egoistisch. Suche aber auch nach einer Lösung. Ich dachte daran, mich bei ihr nochmal zu entschuldigen, mit dem Vorschlag, dass wenn ich merke, dass es mir schlecht geht, ich sie am nächsten Tag besuchen komme.

Danke Euch für´s lesen (langer Text...) und viel Kraft an alle!
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  #2  
Alt 09.11.2015, 11:03
Elisabethh.1900 Elisabethh.1900 ist offline
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Liebe Florentine,
herzlich willkommen im Forum, auch wenn du dich aus traurigem Anlaß angemeldet hast.Wir bilden hier eine große Gruppe aus betroffenen, Angehörigen und Hinterbliebenen, die sich gegenseitig unterstützen.

Es ist gut, dass du dir in der schwierigen Situation Hilfe geholt hast. Die erkrankten Menschen durchlaufen verschiedene Phasen in ihrem Krankheitsverlauf. Man benötigt Zeit, um zu akzeptieren, dass es für einen keine Heilung mehr gibt. Sicherlich ist deine Mutti traurig und wütend auf die Krankheit, sie wird vor ihrer eigenen Mutter sterben und dich zurück lassen.
Man sagt, dass die erkrankten den Menschen,die sie am meisten lieben im Krankheitsverlauf sehr wehtun, um sich von ihnen lösen zu können.
Wichtig ist, dass du mit der Psychoonkologin deine jetzige Situation besprichst.
Zitat:
Jetzt kam vor knapp zwei Wochen die Diagnose Bronchialkrebs und dass sie nur noch wenige Monate zu leben hätte. Das hat man ihr zwischen Tür und Angel gesagt. Es ist unglaublich, wie die Menschen trotz solch einer Diagnose, abgefertigt werden
Leider haben auch manche Ärzte kein Taktgefühl eine solche Nachricht entsprechend zu überbringen. Deine Mutti hat ein Recht zu erfahren, wie es um sie steht, nur muss man halt herausfinden, wann und wie man es ihr sagt.

Zitat:
Der Kontakt zu Menschen, auch Bekannten und Freunden fällt mir sehr schwer. Irgendwie bin ich tief erschüttert. Fühle mich sehr isoliert, weil ich immer wieder merke, dass mein Umfeld von mir erwartet, dass ich wie sonst auch funktioniere, dass sie es nicht hören können, was meine Ma und ich erlebe. Die letzten Tage brach sehr viel Wut in mir auf, zu allem, was man die ganze Zeit so geschluckt hat.
Der Körper hat in solche Situationen auch gewisse Schutzmechanismen, man konzentriert sich auf das, für einen wichtige. Menschen,die noch nie in einer solchen Situation waren, können dies schwer nachvollziehen.
Offenheit ist sicherlich wichtig, sage deinen Freunden, daß du deine Kraft für die Betreuung der Mama benötigst und für andere Dinge keinen Nerv hast.
Ich denke, dass es wichtig ist, wenn du dich ans Trauercafe wendest, da dort Menschen findest, die dich verstehen werden.
Man muss gut zu sich selbst sein, um die Batterien wieder aufzuladen, denn nur so kann man dem Angehörigen helfen.

Herzliche Grüße an dich,

Elisabethh.
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  #3  
Alt 09.11.2015, 12:20
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Tinele Tinele ist offline
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Du hast keinen großen Fehler gemacht , du hast nur "gemenschelt" . Im Umgang mit so einer Situation sind wir keine Maschinen , sondern Menschen mit hochradig angespannten Gefühlen , Ängsten und ja auch schon Trauer .

Auch deine Mutter muss akzeptieren , daß sich ihre Tochter Hilfe sucht . Das Problem ist einfach , daß sie selbst ihre Situation noch nicht angenommen hat . Versuche einfach unter eine 4 Augen Gespräch in möglichst entpannter Umgebung deine Gefühle , Ängste , etc. darzulegen .

Liebe Grüße Tine
__________________
Mein Mohle - Diagnose von SPK Krebs am 3.6.2014

Seither ist nichts mehr , wie es vorher war .

Du weißt erst wie stark du bist , bis stark sein die einzige Option ist , die dir noch bleibt !
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  #4  
Alt 09.11.2015, 13:22
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Florentine2 Florentine2 ist offline
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Hey, vielen Dank für Eure Worte!
Sie hat mir ebend geschrieben, dass sie ein Gespräch mit der Seelsorgerin hatte und nun die Sache mit dem Trauercafé versteht und froh darüber ist, dass ich mir weitere Hilfe suche.
Ich hatte gestern danach das Gefühl, als hätte ich ihr ungewollt mit dem Wort "Trauercafé" die Diagnose gegeben, ihr gesagt, dass sie sterben müsse, als hätte ich sie aufgegeben. (Alles gerade sehr viel)
Es ist so schwierig, ein Drahtseilakt. Über den Tod hatten wir schonmal kurz gesprochen und sie äusserte auch oftmals, dass sie die Krankheit nicht wegschweigen möchte, so wie ihre Mutter es tut.
Die Psychoonkologin meinte, dass ich diesselben Phasen durchlebe wie sie, ihr nur ein kleines Stück vorraus bin, um wenn es an das Sterben geht, für sie da sein zu können. Es war anfangs wirklich so, als würde ich mich im Stillen auch auf meinen Tod vorbereiten (unbewusst). Eine Art Verschmelzung. Irgendwann kam dann soetwas wie ein aufwachen, wo mir bewusst wurde, dass ich weiterleben werde und muss. Es war sehr eigenartig. Der Gedanke, mir könne es gut gehen, während sie leidet, war unvereinbar in mir.
Vielen Dank nochmal. Einiges in meinem Kopf hat sich geklärt.
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  #5  
Alt 09.11.2015, 15:20
Safra Safra ist offline
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Liebe Florentine,
nein, Du hast nichts verkehrt gemacht. Ich finde es gut, dass Du Dir Hilfe holst. Ich hoffe, dass Du ein vertrauensvolles Verhältnis zur Psychologin aufbauen kannst (oder konntest), denn in Eurer Familie gibt es ja anscheinend eine Menge Ungereimtheiten und Zank und Streit. Vor allem das Verhältnis zwischen Deiner Mutter und der Oma scheint sehr belastet. Vor dem Hintergrund der Erkrankung Deiner Mutter wäre es schön, wenn sich da noch was klären ließe und nicht beide immer nur im Zorn auseinander gehen. Nun können wir hier nicht einschätzen, was Deine Oma für ein Typ ist, ob man mit ihr Klartext reden kann, und es geht auch niemanden was an, worum sich die Streitereien drehen. Aber vielleicht gibt es doch einen Weg, vielleicht auch mit Hilfe der Psychologin, einigermaßen Frieden herzustellen. Weiß Deine Oma eigentlich wirklich, wie es um ihre Tochter bestellt ist? Vielleicht würde sie es eines Tages bereuen, im Unfrieden mit ihr auseinander gegangen zu sein. Wenn Metastasen im Gehirn sind, bleibt vielleicht auch nicht mehr zu viel Zeit!
Für Dich ist die Situation schwierig, neben Deiner Trauer um Deine Mutter stehst Du zwischen den Fronten. Ich finde auch, dass Du alles richtig gemacht hast.
Viel Kraft! Safra
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  #6  
Alt 09.11.2015, 19:31
Reigenlilie Reigenlilie ist offline
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Liebe Florentine!

Du hast keinen Fehler gemacht. Es ist richtig, dass ein Mensch zumindest wissen sollte, wie es um ihn steht. Wie der Betroffene damit umgeht, ist ein anderes Kapitel.
Ich stand vor 2 Wochen auch vor dem Problem, dass meinem Mann nicht klar und deutlich gesagt wurde, wie es um ihn steht, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Er sprach von Reisen und gesund werden. Da war mir klar, dass er es nicht wusste. Ich hätte gerne einen Arzt dazugezogen, aber angeblich war keiner zu sprechen. Ich habe dann ganz sachte gefragt, was ihm gesagt worden ist: Er hätte etwas im Kopf, war alles. Ich fragte, ob er wissen möchte, wie es um ihn steht. Ja! Und ich habe es ihm gesagt, weil ich wäre sonst geplatzt. Der Schock war groß, aber er hatte sich soetwas gedacht. Nun kann er damit umgehen.
Gut, dass Du Dir Hilfe geholt hast und auch weiterhin in Anspruch nehmen willst. Deine Mutter musste sich mit den Tatsachen erst auseinandersetzen.
Das ist nicht leicht.
Ich wünsche Dir für die nächste Zeit viel Kraft. Schreibe einfach, wenn Dir danch ist.

Liebe Grüße

Reigenlilie
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