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  #1  
Alt 03.09.2007, 15:56
meinedrei meinedrei ist offline
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Standard Mein Vater ist nun zu Hause, so schrecklich!

Hallo Ihr Lieben,
da Ihr so nett Anteil genommen habt und ich nahezu täglich hier lese, wollte ich mal berichten, wie es "uns" geht.

Mein Vater ist nun zu Hause, seine Frau pflegt ihn. Sie ist am Ende, wandert in unsäglichem Schmerz und hat Angst vor dem was kommt.

Meine Schwester meinte, es kann nicht mehr lange gehen. Sie tut mir auch so leid, sie leidet auch sehr, war Vaters Liebling... Einerseits will sie nicht, dass er stirbt, wie wir alle, aber wir wünschen es ihm mittlerweile.

Er hat nun im Kehlkopf, unterm Auge, überall eigentlich Wucherungen. Er bekommt Morphium und ist die meiste Zeit weggetreten oder schläft , hat ab und zu mal 5 Minuten, in denen er klar ist.
Das schlimme ist, dass er so unruhig ist. Er will immer aufstehen, reisst alles um, verwuschelt die Decke, das Bett, will immer weg laufen.
Er redet und brabbelt und träumt, ist irgendwie immer aktiv.
Seine Frau sagt, dass er manchmal im Schlaf deutlicher spricht als so.
Er kann manchmal nicht mal den Kopf heben, dann wiederum räumt er halbe Kommoden ab.

Er sieht aus wie ein verwüsteter 100jähriger, dabei ist er doch erst 58!!!! Solch ein Leid.

Und ich sitze hier, 600 km entfernt mit 3 kleinen Kindern, kann nicht hin fahren... ich fürchte mich so vor dem Anruf, der kommen wird...
Wenn ich nur etwas tun könnte!
Es ist schrecklich, das so "von weitem" miterleben zu müssen.

Sie tun mir alle so leid und ich bin immer noch so froh, dass ich ihn an der Hochzeit sehen konnte, ich spüre immer noch die Freude und Liebe, mit der er mich in seine Arme gezogen hat.

Heute kommt der Hausarzt, sie wollen sich dann alle zusammen treffen und beraten, wie es weiter gehen soll. Seine Frau kommt mit dieser extremen Unruhe und seinen Wanderungen nicht klar, sie ist recht zierlich und er ist trotzdem noch groß und schwer, sie hat Angst dass er fällt oder so.

Ich bin traurig. Bei euch gibt es so viel Trost zu lesen, an euch alle viele Grüße und viel Kraft!

Liebe Grüße

meinedrei
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  #2  
Alt 03.09.2007, 23:24
martinaIna martinaIna ist offline
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Standard AW: Mein Vater ist nun zu Hause, so schrecklich!

Hallo meinedrei,

klingt so, als würde es nicht mehr lange dauern. So, als ob er schon teilweise in einer anderen Welt wäre und dort eben "aufräumt".

Du hast das nicht in der Hand. Du kannst nichts (mehr) tun. Du kannst die, die nun um ihn rum sind stützen, indem Du ihnen mitteilst, dass Du es gut findest, was sie machen und an sie denkst.
Mehr nicht.
Atme aus.
Deine Aufgabe an ihm ist erfüllt. Eine kleine Aufgabe ist noch Deiner Familie, die näher dran ist und nun ihre Aufgaben hat, zu stärken. Viel ist es nicht, was Du für sie tun kannst.
Wenn sie ihn in ein Hospiz oder auf eine Palliativstation bringen, so wäre er sicher gut aufgehoben. Er ist ja gar nicht mehr Zuhause. Er ist oft schon ganz woanders.

Du hast andere Aufgaben, meinedrei. (Kein zufälliger Name - oder? Deine drei "Aufgaben" momentan?!) Mach Du, was Deine Aufgabe hier ist, deine Kinder zuerst. Jetzt. Was später kommt, siehst Du dann.

Ich drück dich,
martina
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  #3  
Alt 04.09.2007, 00:14
Elli Elli ist offline
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Ort: Düren
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Standard AW: Mein Vater ist nun zu Hause, so schrecklich!

Liebe meindrei,

drück Dich mal ganz doll. Es ist mit Sicherheit nicht leicht für Dich,soweit entfernt zu sein,und nicht helfen zu können.
Auch wenn Du Deine Familie nicht so ünterstützen kannst,wie Du es gerne möchtest,rufe einfach an und mach Ihnen Mut. Sage Ihnen das sie es gut machen und das Du ganz fest an sie denkst.

Bei meinem Vater war es ähnlich. Er ,der eigentlich gar nicht mehr ohne Sauerstoffgerät sein konnte,mobilisierte plötzlich ungeahnte Kräfte. Er war damals im Krankenhaus,und machte plötzlich die ganze Station rebellisch.
Ich denke es war ein letztes aufbäumen,es diesem Leben noch mal zeigen.
Als es dann zu Ende ging,war mein Vater sehr ruhig und hat sich mit einem Lächeln im Gesicht von dieser Welt verabschiedet.
Wenn ich gasnz ehrlich bin,war ich auch froh als es endlich vorbei war.
Meinen Vater leiden zu sehen,und nicht helfen zu können,war für mich auch das Schlimmste.

Liebe meinedrei ich wünsche Dir von ganzem Herzen alles.alles Gute.Aber ich denke,Deine Kinder brauchen Dich jetzt auch sehr. Vielleicht hast Du ja trotzallem noch mal die Möglichkeit zu Deinem Vater zu fahren und Abschied zu nehmen.
Denke ganz fest an Dich,und schicke Dir ganz viele Kraftpakete.

Liebe Grüsse
Elli
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  #4  
Alt 04.09.2007, 12:07
meinedrei meinedrei ist offline
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Beiträge: 16
Standard AW: Mein Vater ist nun zu Hause, so schrecklich!

Liebe Martina, liebe Elli.

Danke für eure Mut machenden Worte. Es ist so hart und ich habe manchmal das Gefühl, dass ich gegen (auch wenns peinlich ist, ich sage es...)... dass ich irgendwie eifersüchtig bin, da spricht das Kind in mir, das sagt "Papa, ich will auch bei dir sein, ich will auch helfen, will auch zeigen, dass ich dich lieb habe"...
Aber ich weiss gar nicht, wie ich das alles auf die Reihe kriegen soll. Mein Mann ist zur Zeit geschäftlich unterwegs, ich habe zwei Schulkinder und ein Kindergartenkind, ich kann in der alten Heimat auch bei niemandem Station machen, hätte ja meine drei Kinder im Schlepptau und ich kann es ihnen nicht zumuten, Freitag abend oder samstags 600 km zu fahren und sonntags wieder zurück.
Übernächste Woche kommt mein Mann zurück und da will ich dann hin fahren. Ich hoffe so sehr, dass das klappt. Er erkennt einen ja noch - aber wie lange??? Na ja, auch wenn er mich nicht mehr erkennen sollte, denke ich, dass er trotzdem spürt, dass jemand für ihn da ist.

Was mir auch große Sorgen macht - er ist einerseits religiös, hat aber seither jegliche Gespräche mit Pfarrern oder Seelsorgern abgelehnt - nun KANN er nicht mehr sprechen. Ob ihn das belastet? Er ist ziemlich bockig und will sich nicht äußern, wir wissen auch irgendwie nicht, ob er Angst hat oder was ihn bewegt, man sitzt nur daneben....

Ich habe mir schon überlegt, ob ich ihm wenn ich komme irgend ein Symbol mitbringe, das ich hier segnen lasse, vielleicht ein kleines Kreuz? (Wir sind evangelisch, Rosenkranz wäre ihm also fremd).
Ob er das richtig auffassen würde? Vielleicht gibt es ihm Trost? Oder empfindet er es als "nun gib schon auf?"

Denn so wie es aussieht ergibt er sich nicht in sein Schicksal, er hadert und schimpft und akzeptiert nicht...
Ich persönlich finde es irgendwie passend, dass er nicht loslassen will. Ich meine - wenn er kämpfend die Augen schließt, dann muss er doch nicht diese Aufgabe, diese Mutlosigkeit durchmachen? So gehts doch auch...
Ich glaube seine Frau hätte so gerne, dass er sozusagen in Frieden geht, es macht sie fertig, wie er kämpft, ich sehe es eher so, dass seine Aktivität eher so ist, dass er mit Gewalt hier bleiben will...


Ach je, man ist so hin und her gerissen zwischen "bleib bei uns" und "ich gönn dir den Frieden".

Seine Frau meinte, dass das eine Sachen zwischen ihnen geworden ist, dass sie Mann und Frau sind und sie ihn begleitet, wir Kinder haben unsere Partner und haben vielleicht mal denselben Weg vor uns, aber nun sollen wir uns nicht so fertig machen und uns um unsere Familien kümmern, das sei unsere Aufgabe, sagt also dasselbe wie du, Elli.

Traurige Grüße und danke nochmal

meinedrei
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  #5  
Alt 04.09.2007, 17:38
martinaIna martinaIna ist offline
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Standard AW: Mein Vater ist nun zu Hause, so schrecklich!

Hallo meinedrei,
ja, Annett hat Recht in dem. was sie über dich schreibt. Oder?

Zum Religiösen:
Es gibt so kleine Holzkreuze, die man gut in der Hand halten kann (Handschmeichler). Ein Balken ist versetzt. Sozusagen zum Festhalten. Man kann sie aber auch vor Wut in die Ecke pfeffern, wenn man mit Gott hadert. Vielleicht wäre das etwas?

Auch könntest Du ein Gebet sprechen mit/für deinen Vater. Vielleicht frei, oder das Vater Unser. Im Gesangbuch stehen auch welche drin. (Jedenfalls in Hessen). Der Psalm 23 ist auch für manche Menschen eine Stütze. („Der Herr ist mein Hirte... und ob ich schon wanderte im finsteren Tal....“)
Sprich doch einfach mal mit dem Krankenhausseelsorger/in oder -wie Annett vorschlug- seinem Gemeindepfarrer.

Manche Menschen sterben zornig. Wer will ihnen das Recht dazu absprechen? Natürlich belastet uns Angehörige das mehr aber vielleicht hilft es demjenigen, wenn er seine Wut raus lassen kann. Es gehört alles zum Menschsein: Angst, Liebe, Wut, Zärtlichkeit, Hoffnung und Verzweiflung. Vielleicht ist es falsch, bestimmte Gefühle als gut und andere als schlecht zu bezeichnen?
Ich glaube, die Frau deines Vaters hat Recht. Dies ist jetzt ihr Part und ihr habt Eure Aufgaben. Vielleicht braucht sie dies auch, dieses Bisschen Exklusivität einer Liebesbeziehung die im Abschied ist.

Ich denk an Dich
martina
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  #6  
Alt 04.09.2007, 18:00
Schnucki Schnucki ist offline
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Standard AW: Mein Vater ist nun zu Hause, so schrecklich!

Liebe meinedrei,

meine Mutter, die vor 3 Wochen verstorben ist, hat auch gekämpft. Ich hab ihr immer wieder gesagt, dass sie entscheidet, wann es genug ist, ich kann nur die medizinischen Sachen klären. Immer wieder. Der Zeitpunkt, wo sie nicht mehr wollte, kam auch. Dann hab ich mich für ihren Willen eingesetzt.

Das, was ich sagen will: Weiß Dein Vater, dass es okay für Euch ist, wenn er geht? Ich habe es meiner Mutter explizit gesagt. Ich sagte ihr, dass ich sie gerne noch 20 Jahre bei mir hätte, dass ich es aber akzeptieren kann, wenn sie nicht mehr leben will, dass sie sich um mich keine Gedanken machen muß. Dass sie immer bei mir sein wird.

Sie lächelte.

Sie fand ihren Frieden und kämpfte auch nicht mehr dagegen an. Anscheinend kommt irgendwann der Punkt. Vielleicht wird Dein Vater auch ruhiger, wenn er weiß, dass es okay ist, wenn er loslässt?

Ich drück Dich, es ist sauschwer. Man möchte helfen, man kann es aber irgendwie nicht. Das ist aber auch nicht anders, als wenn man in der Nähe ist.

LG

Astrid
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  #7  
Alt 04.09.2007, 18:25
wecki wecki ist offline
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Standard AW: Mein Vater ist nun zu Hause, so schrecklich!

Liebe Meinedrei,

du und auch kein anderer hier im Forum kennt mich, weil ich bis dato nur stiller Leser war.
Ich werde mir auch heute nicht anmaßen, kluge Worte zu finden, denn ich habe keine. Eigentlich möchte ich dir nur sagen, dass unser Vati an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt ist und sich verkriecht daheim bei seiner Frau, weil wir Kinder ihn nicht leiden sehen sollen. Wir wohnen in der selben Stadt und können, seit es ihm so schlecht geht, nicht zu ihm, rufen nur täglich an. Ein ganz furchtbarer Zustand.
Ich schlafe kaum noch und selbst bei der Arbeit sind meine Gedanken nur beim Vati. Keine Ahnung, was ich tun kann.

Für euch viel Kraft, du kannst zu ihm.
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  #8  
Alt 06.09.2007, 15:41
Martinakalch Martinakalch ist offline
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Beiträge: 4
Standard AW: Mein Vater ist nun zu Hause, so schrecklich!

Liebe Meinedrei,

Deine Gedanken und Gefühle kann ich auch sehr gut nachvollziehen. Mir geht es auch so 400 km Entfernung zu meiner Schwester, die ich gerne noch sehr lange bei mir hätte. Sie nur leiden zu sehen bzw. nur über Telefon Ihren Zustand mitbekomme tut mir körperlich und seelich sehr weh. Leider kann Sie kaum noch höhren, sodass telefonieren mit Ihr nicht mehr möglich ist. Auch ich hoffe, das ich Sie übernächstes Wochenende nochmals in meine Arme nehmen kann. Ich wünsche Dir viel Kraft auch aus der Ferne alles gut zu überstehen.

LG Martina
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  #9  
Alt 09.09.2007, 00:12
meinedrei meinedrei ist offline
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Beiträge: 16
Standard AW: Mein Vater ist nun zu Hause, so schrecklich!

Hallo Ihr Lieben, vielen Dank für eure Worte, ihr seid mir eine so große Hilfe--- Annett, kann nur wieder sagen, dass ich JEDEN TAG lese, wie es euch geht, bei wem es etwas neues, etwas erfreuliches oder etwas trauriges gibt. Ich bin froh, dass ich das Forum hier gefunden habe.

Ein paar Gedanken: ich empfinde es nicht so, dass ich erwachsen geworden bin, fühle mich eher als Kind, das innerlich ruft "Papa, o Papa".

Ob ich meinen Platz gefunden habe? Es ist so, dass er mir zugewiesen wurde - von meinen Geschwistern. Da ich weit weg bin und seit Jahren keinen Kontakt mehr mit meinem Vater hatte, bin ich im Prinzip auf der "wir informieren dich"-Stufe. Ich kann aber schon auf Grund der räumlichen Trennung nichts konkretes tun.

Es tut sehr weh, aber ich fange an, es zu akzeptieren. Und zwar wegen einer Aussage einer Schreiberin: "Du hast deine Aufgabe an ihm erfüllt".
Das ging mir tagelang im Kopf rum, bis ich sagen konnte - ja. Es ist so und ich empfinde es so.

Meine Schwester meinte z.B. "ach ja, du weisst es ja noch noch gar nicht - Papa wird seine letzten Tage bei seiner Schwägerin verbringen, sie will ihn aufnehmen. Und am Dienstag treffen wir uns alle und wollen besprechen, wie es weiter gehen soll, z.B. Beerdigung, wo und wie..."
BOH. Hammer wichtige Nachrichten und ich erfahre es als "ach ja übrigens".

Ich : Hä? wir alle? Na ja, also eben "alle" - und da gehöre ich nicht dazu.

Aber ich habe es akzeptiert, ich fühle, dass mein vater glücklich war mich zu sehen, dass wir uns alles verziehen haben aber dass ich nicht mehr bringen muss und er auch nicht.
Ich fühle das einfach in meinem Herzen, auch wenn es weh tut, dass man nicht zu "allen" dazu gehört, denn mit allen ist die "jetzige" Familie gemeint, aber ok.

Die Nachrichten über ihn selbst tun mir sehr weh. Er hatte wegen dieser Unruhezustände und auch allgemein den hausarzt da und da meinte mein Vater, er fühle sich verraten und im Stich gelassen, weil keiner mehr was für ihn tun will.
Darauf hin hat ihn der Hausarzt in die Uniklinik überwiesen, aber sie haben ihn noch am selben Tag wieder heim geschickt - nichts zu machen.
Der Krebs sei wohl nun auch im Kehlkopf, man kann nahezu zusehen wie er wuchert.
Er ist sehr schwach und hat nur noch wenige lichte Momente, aber in denen hadert er. Das tut mir so leid für ihn.

Liebe Grüße
meinedrei

PS: Ihm sagen dass es ok ist, dass er gehen kann??? Unmöglich. Er WILL nicht und lässt den Gedanken nicht zu und wäre sicher böse, wenn er wüsste, dass schon über seine Beerdigung gesprochen wird. Auch nichts schritiliches will er sehen, er kämpft und ist eher sauer...

Geändert von meinedrei (09.09.2007 um 00:14 Uhr)
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  #10  
Alt 09.09.2007, 02:19
martinaIna martinaIna ist offline
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Standard AW: Mein Vater ist nun zu Hause, so schrecklich!

Liebe meinedrei,

deine Aufgabe an ihm ist - so vermute ich, und ich bin nicht allwissend- erfüllt aber das heißt nicht, dass Du nicht deinen Platz unter den Geschwistern beanspruchen darfst. Vermutlich haben sie keine Ahnung, wie wichtig es Dir ist.

Erwarte nicht zuviel von den Menschen UND; "... übrigens" ist bei mir oft die Floskel, mit der ich zu dem Thema komme, weswegen ich eigentlich angerufen habe. Wenn Du dabei sein willst, dann misch Dich ein. Kann es sein, dass nur Du die Idee hast, Du seist nicht willkommen?

Noch ein kleiner Nachsatz: Zu merken, dass man, wie ein Kind ist, das "Papa" ruft, ist doch das Wichtigste, um erwachsen zu sein. Wir werden nie wirklich erwachsen, aber wir lernen, unsere Probleme anders zu lösen als früher. Die eigene Schwäche anzunehmen, ist Teil davon. (der mir momentan selbst total schwer fällt.)

Ich denk an Dich,
knuddel "deinedrei"
martina
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  #11  
Alt 09.09.2007, 16:04
wecki wecki ist offline
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Standard AW: Mein Vater ist nun zu Hause, so schrecklich!

Liebe Annett,

unser Vati ist ja auch von dieser furchtbaren Krankheit heimgesucht worden.
Er ist zu Hause und es reißt uns das Herz aus dem Leibe, ihn so elendig verfallen und leiden zu sehen.
Wie schaffst du es nur, bei all dem Leid dir den Glauben an Gott zu bewahren?

Traurige Grüße
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  #12  
Alt 09.09.2007, 23:19
meinedrei meinedrei ist offline
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Beiträge: 16
Standard AW: Mein Vater ist nun zu Hause, so schrecklich!

Hallo ihr Lieben, danke, besonders dir, Annett.
Was soll ich tun, um meinen Platz zu behaupten? Bin mir nicht mal sicher, ob ich ihn wirklich einnehmen will, 18 Jahre ohne Kontakt gehen auch nicht spurlos vorbei.
Ich bin hin- und hergerissen.

Das Gespräch, das die restliche Familie geführt hat, ist vorbei, es hat niemand angerufen. Aber ich merke, dass es für mich nicht mehr so schlimm ist, dass ich die Situation verdaue.
Und zwar ist der schlimmste Schock, dass mein Vater sterben muss - das wie und wo tritt irgendwie in den Hintergrund, denn ich kann definitv nichts konkretes tun.

Leider KANN ich nicht früher zu ihm fahren, ich habe niemanden, der mir die Kinder für 2 oder 3 Tage managen könnte, es wäre einfach organisatorisch nicht möglich, denn wir wohnen ja noch nicht so langer hier, ich habe noch keine guten Freunde oder Bekannte hier.

Aber ich spüre, dass ich irgendwie zur Ruhe komme, ich weiss dass es blöd klingt, aber wie gesagt - ich akzeptiere langsam, dass er sterben muss, dass es bald sein wird.
Und ich weiss, dass meine Geschwister und seine Frau alles nur mögliche für ihn tun.

Natürlich hänge ich mich nicht blind an den Satz, dass ich meine Aufgabe an ihn erfüllt hätte, aber ich habe ihn so lange hin- und hergewendet, dass ich das Gefühl hatte, dass es der Knackpunkt war.
Meine Aufgabe an meinen Vater war, dass wir uns sehen, dass wir uns verzeihen und dass wir beide spüren, dass wir uns lieben.
Und so war es, genau so.
Aber weiter reicht meine Aufgabe nicht, das, was mir weh tut, ist das ausgeschlossen sein von seiner Pflege, von seinem Leid, von seinem Alltag.

Aber die Realität ist so, dass ich es akzeptieren muss, denn in der kurzen Zeit, in der ich bei meinem Vater sein könnte, kann ich nicht wirklich helfen, ich kann ihm nur zeigen, dass ich da bin, aber ich habe sein "alles ist gut" gespürt. Das ist mir wichtig.

Er ist übrigens leider kaum noch klar, bekommt sehr viel Morphium und mehr Beruhigungsmittel, da er doch so unruhig war. Er ist nur noch ein paar Mal am Tag für ein paar Minuten ansprechbar, ansonsten driftet er weg und schlummert. Schmerzen hat er keine. Aber er ist erbärmlich schwach geworden, er bekam nun einen Toilettenstuhl, das konnte er bisher wenigstens selbst und wenn er eine schlechte Phase hat, dann kann er kaum den Kopf halten.

Wenn ich so an meine ersten Postings denke, ist schon eine enorme Wandlung in mir vorgegangen. Aber man lebt ja auch um zu lernen.

Bonhoeffers "von guten mächten wunderbar geborgen" war übrigens unser hochzeitslied, denn ich liebe dieses lied so sehr, unabhängig von krankheiten, schon ganz früh war es für mich ein sehr wichtiges lied, daran denke ich irgendwie immer.

... noch will das alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last,
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das Du uns geschaffen hast.

Liebe Grüße und nochmal danke und euch allen viel Kraft und Mut
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  #13  
Alt 09.09.2007, 23:37
martinaIna martinaIna ist offline
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Standard AW: Mein Vater ist nun zu Hause, so schrecklich!

Hallo meinedrei,

"Natürlich hänge ich mich nicht blind an den Satz, dass ich meine Aufgabe an ihn erfüllt hätte, aber ich habe ihn so lange hin- und hergewendet, dass ich das Gefühl hatte, dass es der Knackpunkt war.
Meine Aufgabe an meinen Vater war, dass wir uns sehen, dass wir uns verzeihen und dass wir beide spüren, dass wir uns lieben.
Und so war es, genau so."

Wenn das dein Gefühl ist, dann ist es richtig. (Wir hören viel zu selten auf unsere Gefühle.)
Ihr hattet Euren Moment
und es klingt für mich so, als sei er in guten Händen und sowieso kaum noch aufnahmefähig. Ist gut so- oder?

Schlaf gut
martina

P.S. Dieses Gedicht von Bonhoeffer in der Todeszelle geschrieben, enthält für mich einfach Essenz des Glaubens. Es trägt.
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  #14  
Alt 10.09.2007, 12:59
Martinakalch Martinakalch ist offline
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Standard AW: Mein Vater ist nun zu Hause, so schrecklich!

Liebe Meinedrei,

meine Schwester ist am Samstagabend ruhig zu Hause eingeschlafen. Leider war ich nicht mehr bei ihr und so habe ich jetzt noch mehr Schuldgefühle. Ich kann Dich sehr gut verstehen auch ich fühlte mich ausgeschlossen und bin sehr traurig darüber. Vielleicht kannst Du ja doch noch zu Deinem Papa fahren und persönlich Abschied von Ihm nehmen.

LG
Martina
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