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  #31  
Alt 24.12.2008, 01:02
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megjabot megjabot ist offline
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Standard AW: Leben - nach dem Abschiednehmen?

Liebes Blümchen

Kann so gut deine Gedanken und Gefühle nachvollziehen...
Manchmal greife ich zum Hörer... hab tatsächlich schon mal angerufen,
was hab ich wohl erwartet, dass jemand antwortet? Das ist genau der
wunde Punkt, hab fast täglich mit meiner Mama telefoniert und jetzt passiert es mir ständig,
dass ich denke, das muss ich ihr jetzt erzählen, was würde sie dazu sagen...sie fehlt...

Gestern hab ich so einen schönen Beitrag gelesen, in dem jemand schrieb er schneidet einen Zweig vom eigenen Tannenbaum ab und legt ihn aufs Grab
mit etwas Schmuck, das fand ich so schön, hab ich heute gleich gemacht und nun kann Mama etwas von unserem Weihnachten mitfeiern.

Denk an dich und wünsch dir ein besinnliches Weihnachtsfest
Meg
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  #32  
Alt 29.12.2008, 18:58
Mae-Geri Mae-Geri ist offline
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Standard AW: Leben - nach dem Abschiednehmen?

Liebes Blümchen,

ich hoffe Du kennst mich noch aus dem LK - Forum...

Wie hast Du denn Heiligabend überstanden?

Ich wünsche Dir ein guten Rutsch und ein nicht zu nachdenkliches Silvester!

Sandra
__________________
Danke!!!
PeLo 13.04.1948 - 09.10.2007
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  #33  
Alt 29.12.2008, 23:00
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Blume68 Blume68 ist offline
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Standard AW: Leben - nach dem Abschiednehmen?

Liebe Sarah, liebe Meg - danke!

Sandra - na hörmal! - natürlich kenne ich dich noch! Schön, dich zu lesen - wobei ich gestehen muß, daß ich grad gar nicht viel von dir aktuell weiss...? *schäm*...verzeih bitte. Ich hab abends viel zu tun - wie geht es dir? Meld dich doch gerne mal, wenn du magst, und erzähl ein bischen von dir.

Insofern, liebe Verena - schau, es geht mir ja teilweise ähnlich wie dir.

Sandra, du fragtest nach meinem Heiligabend. Nun, wir waren nicht zu Hause - insofern war es schon anders als letztes Jahr. Wir waren bei meiner Schwiegermutter, haben dort übernachtet, waren am 1. Weihnachtstag zu Besuch bei meiner Schwester.
Unwirklich - das trifft es wohl am ehesten. Ja, so war es dieses Jahr. Unwirklich, am Grab zu stehen, und den Namen auf dem Stein zu lesen, unter den anderen. Nicht, daß ich das Grab bräuchte zum trauern - ich denke, Mama ist bei mir oder uns, egal, wo wir sind - aber den Namen dort zu lesen, hat weh getan, an Heiligabend. Ich habe ein Holz-Herz mitgenommen, und an einen der kleinen Büsche gehängt. Die Idee kam durch deine Erzählung, Meg, ich danke dir dafür! Es tat gut. Auch, einfach dort weinen zu können.

Ich fühle mich ein bischen..."überflüssig" zur Zeit, weiß nicht, wie ich das in Worte fassen soll. Entschuldigt. Es war eine große, kraftraubende Aufgabe, die ich dieses Jahr irgendwie bewältigt habe...und jetzt steh ich da, und fühle mich...ein bischen leer... meine Schwester hat ja ihr Kind, das sie, teilweise, neben ihrer Arbeit ablenkt, (sagt sie selbst)... Mal schaue ich mit Optimismus ins Neue Jahr - wir ziehen ja um, und ich freue mich wirklich auf das Häuschen. Und dann denke ich: einfach was ändern! IRGENDWAS! Irgendwo anfangen.
Dann aber wieder habe ich Angst - Angst vor dem, was das neue Jahr bringen wird. Es sind eben einschneidende Veränderungen, die hinter, und die vor mir liegen.

Insofern wird auch Silvester nicht ganz einfach werden...ich hab ein bischen Bammel, geb ich zu. Vor Silvester. Vor´m neuen Jahr. Und überhaupt.

Verena - der Schmerz wird nicht gänzlich aufhören. Er wird uns begleiten, und irgendwann werden wir uns wohl insofern an ihn gewöhnt haben, daß er zu unserem Leben gehört. Daß wir MIT ihm leben können. Irgendwie. Mal schwerer, mal besser.
Ich für mein Teil habe Angst vor weiteren Verlusten. Es ist ja nicht so, daß man damit "besser" umgehen kann, je mehr Menschen man verliert.
Ich frage mich auch manchmal: was kommt wohl NOCH?...

Dann gibts wieder Momente, in denen ich fühle: dann IST es so, und ich muß mich dem stellen. Ich kann es ja nicht ändern. Ich bin auch sicher, dass die Seelen unserer Lieben bei uns sind, uns begleiten. Ich lese da grad vorm Einschlafen ein schönes Buch, von Thich Nhat Hanh: "Kein Werden, kein Vergehen". Das sind wirklich tröstliche Denkansätze.

Jetzt stelle ich mich erstmal dem bevorstehenden Silvester. Gern wäre ich hier "bei euch"...wir werden aber im Häuschen sein, putzen und saubermachen nach den Handwerkerarbeiten, und (noch) kein PC in Reichweite

Ich schaue sicher vorher noch mal herein. Danke für eure Nachfrage - tat gut.

Gute Nacht euch allen.
Blume
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Geändert von Blume68 (29.12.2008 um 23:05 Uhr)
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  #34  
Alt 02.01.2009, 00:58
Lissi 2 Lissi 2 ist offline
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Standard AW: Leben - nach dem Abschiednehmen?

Liebes Blümchen,
ich wünsche Dir ein Jahr mit vielen guten Erinnerungen, die die Traurigkeit in ein Lächeln verwandeln. Ein Jahr in dem die Sonne immer öfter für Dich scheint um Deine Tränen zutrocknen. Ein Jahr in dem die dunklen Wolken der Traurigkeit immer mehr von den kleinen hellen Schäfchenwolken der Gewissheit, keiner geht je ganz und Du bist nie alleine, abgelöst werden um Dir den blauen Himmel zuzeigen. Ein Jahr mit vielen Sternenstunden für Dich ganz alleine, in denen Du spürst das alle Deine Lieben ganz nah, in Deinem Herzen sind.

Unser Gespräch gestern Nacht tat so gut und ich danke auch Deinem Peter ganz herzlichst, ich weiß das dieses Gespräch nicht selbstverständlich sondern was ganz besonderes war.
Sei lieb umarmt
Deine Lissi
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  #35  
Alt 22.01.2009, 23:12
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Blume68 Blume68 ist offline
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Standard AW: Leben - nach dem Abschiednehmen?

Liebe Mutti,

das Einleben in deinem ehemaligen Haus ist manchmal schwer, dann wieder einfach nur schön. Ich spüre sehr oft: du bist DA. Einfach nah bei mir. Und ich spüre auch: es ist gut so, wie es ist! Das ist ein warmes und gutes Gefühl.

Es ist gar nicht das Haus, das es schwermacht. Vielleicht ist es einfach nur die übliche Tatsache, daß ich ein bischen länger brauche für alles. Auch für das Spüren des Verlustes. Jetzt kommt es halt manchmal hoch. Das anrufen-wollen. Das nah-sein wollen. Ich habe sehr schnell akzeptiert, daß du wohl gehen mußt - und nicht gehadert. Ich tue es noch immer nicht. Es ist nicht an uns, zu entscheiden, wann wir gehen müssen. Aber ich spüre sehr deutlich vielen Situationen nach, die du gelebt hast, mit dem Gedanken: wie würde es MIR gehen?! Ich verstehe einiges rückblickend viel besser, und dieses Wissen arbeitet halt in mir.

Wenn ich abends im Bett einzuschlafen versuche, dann überkommen mich viele Erinnerungen an dich. Ich sehe mich, zusmmen mit dir, durch die endlosen Krankenhausflure gehen - oder "Rolli-fahren". Ich erinnere mich an viele Details aus der Zeit, als du erkrankt warst. Aber - und das finde ich schön - durch meinen Kopf gehen auch so viele Situationen, in denen du nicht krank warst, sondern gesund! Dann kommst du mir so nah vor - fast, als könnte ich dich berühren! Und ich kann nachfühlen, daß es dir jetzt besser gehen muß. Ohne den Krebs.
Und das macht mich irgendwie froh.

All diese Stimmungen hängen wohl auch mit "deinem Haus" zusammen - ich fühle, es ist gut und richtig so, daß es jetzt spürbar wird für mich. Und als ich gestern im Bett lag, da fiel mir ganz deutlich mein Vorhaben für das jetzige Jahr ein, das ich umsetzen werde. Ich habe heute damit angefangen. Wie es genau laufen wird, weiß ich noch nicht - aber ich werde hinfühlen, und es herausfinden.

Ich bin froh, daß ich dich habe, und daß du mir so nah bist!

In Liebe
deine Blume
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Geändert von Blume68 (22.01.2009 um 23:15 Uhr)
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  #36  
Alt 26.01.2009, 21:51
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Blume68 Blume68 ist offline
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Standard AW: Leben - nach dem Abschiednehmen?

Liebe Mutti,

ich spüre im Moment sehr oft, daß du "da" bist. Als hätte deine Seele endlich einen Weg zu mir gefunden...darüber bin ich sehr froh und dankbar. Es sind oft Kleinigkeiten. Der verschwundene Schlüssel morgens, oder ein anderes verlegtes Utensil, wenn ich längst losfahren müßte - ich stehe plötzlich vor der Ecke, an dem es liegt. Die Solar-Lampe auf der Terrasse, die nach Stunden der Dunkelheit (und nach einem langen düsteren Tag!) aufflackert, wenn ich mir eine Zigarrette rauche - nur ganz kurz, und dann nicht wieder. Mag mich mancher für bescheuert erklären - ich weiß, du bist da. Als wolltest du sagen: "wenn du nun schon entschieden hast, hier zu wohnen, dann soll auch möglichst alles gutgehn" - als wollest du mir deine Freude darüber mitteilen.

Ich bin gottlob zu realistisch, als mich in "gewünschte Vorstellungen" hineinzusteigern. Und so freue ich mich, daß die Distanz der ersten Zeit, als du gegangen warst, sich in eine vielleicht andere Nähe verwandelt hat. Ich mußte sie annehmen und "sehen" lernen. Ich bin immer noch dabei, es zu lernen! Hoffentlich schaffe ich es weiterhin.

Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich den Sommer herbeisehne - Wärme, Helligkeit, und die Reste des Umzugs endlich bearbeitet zu haben...dann erinnere ich mich daran, daß man NICHTS planen kann, und den Tag so nehmen muß, wie er ist, und das Schöne an eben jenem erkennen. Denn schon morgen kann alles anders sein, und nichts ist planbar...das ist das, was ich lernen mußte, in der Zeit, als du so krank wurdest und warst. Ich werde es nicht vergessen.

Ich hoffe, es geht dir gut, zusammen mit unseren anderen Lieben.

Deine Blume
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Geändert von Blume68 (26.01.2009 um 21:57 Uhr)
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  #37  
Alt 28.01.2009, 23:43
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Blume68 Blume68 ist offline
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Standard AW: Leben - nach dem Abschiednehmen?

Heute vor einem halben Jahr bist du gegangen...ich habe deinem engsten Freund gesimst, daß ich ihm ewig dankbar bin, daß er damals gekommen ist...er hat sogar lieb zurückgeschrieben...deine Töchter haben eine Kerze angezündet um die entsprechende Zeit...ein komischer Tag war das...und drumherum immer die "Normalität", die gelebt werden will...manchmal gelingt mir das einfach nicht. Nur oberflächlich.
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  #38  
Alt 29.01.2009, 06:19
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Bianca-Alexandra Bianca-Alexandra ist offline
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Standard AW: Leben - nach dem Abschiednehmen?

Liebe Blume,

ein halbes Jahr schon? So lange? Ja, ich sehne mich auch für Dich nach dem Sommer. Nach der Zeit in der die Rosen so wunderschön blühen. Du hast einen Thread "die schönen Dinge des Tages" ich finde, hier hast Du trotz aller Traurigkeit schöne Momente in erinnerung gerufen. hadere nicht damit ob es realistisch ist oder nicht wenn die solarlampe flackert (bei einer zigarette - AUSGERECHNET). Der moment ist da und der Schauer der dich dann übermannt sicher traurig - schön.

Ich hatte Erlebnisse mit meinem Vater. zu letzt vor ca. 5 jahren als ich fast einen unfall gebaut hätte. ich fuhr auf die autobahn auf und wollte eben die spur wechseln (mein vater war fahrleherer) ich lenkte schon nach links als ich ihn so echt wie nie hörte als er richtig sauer drohend "BIANCA!" sagte. ich lenkte zurück und machte den Schulterblick. Bis heute überlege ich wie ein LKW in den toten winkel passt der während des zurück lenkens die hupe drückte und lange nicht los lies.

es interessiert mich nicht (mehr) ob das real war oder nicht. ob ich es erklären kann oder nicht. die situation war da. und es war traurig schön.
__________________
Liebe Grüße - Bibi
*********************
Dankbarkeit
ist die Erinnerung
des Herzens
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  #39  
Alt 29.01.2009, 07:48
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Blume68 Blume68 ist offline
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Standard AW: Leben - nach dem Abschiednehmen?

Liebe Bibi,

du hier...bei mir...danke!!!
"Schon" ein halbes Jahr...? Oder erst...? Wie auch immer - dein Beitrag in DEINEM Eckchen hat mich ein bischen schnüffen und auch lächeln lassen - zeigt es mir doch, daß wir BEIDE nicht wirklich DIE Gartenexperten sind, richtig? *schmunzel* Jedenfalls kann man doch im Winter keinen Garten umgestalten, umschnippeln, ausbuddeln, ändern...im Moment ist er einfach kahl-verfroren, und wartet ebenso auf den Frühling wie du oder ich...

Ich umarme dich fest und lieb, und wünsche dir einen GUTEN Tag! (mal hier, nicht bei dir - kann grad nur fix bei mir schreiben, aber du liest es sicher!)

dein Blümchen
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  #40  
Alt 27.02.2009, 21:55
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Blume68 Blume68 ist offline
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Standard AW: Leben - nach dem Abschiednehmen?

Ach Mama,

ein Jahr ist es heute her, daß ich von deiner Diagnose erfuhr. Der Arzt sagte es mir am Telefon, weil ich ihn sehr bat, offen zu sein. Ich hatte genau herausgehört, daß es etwas Schlimmes war, als er drängte, du müsstest möglichst sofort zu weiteren Untersuchungen ins Krankenhaus. Du wolltest nicht, alles andere bitte, aber kein Krankenhaus!
(Hätte ich damals gewußt, was deine Aversion gegen das Essen und die Abmagerung zu bedeuten hatte, dann hätte ich viel eher Druck gemacht - das werfe ich mir heute noch vor!)
Ich sagte ihm, wenn ich dich überzeugen wolle, müsse ich wissen, worum es ginge, und er meinte, das sei eigentlich nicht der richtige Weg...erst die Angehörigen zu informieren...aber er spürte wohl, daß es nicht falsch war....("Ich habe eine schlechte Nachricht für Sie...")
Es war ein unermesslich schmerzlicher Schock, als er mir von den Lebermetastasen berichtete – da wussten wir noch nicht, welche Art Krebs es war. Und doch war es gut, daß er sich mit mir abstimmte, damit ich dich seelisch stützen und nach den Untersuchungen bei dir sein konnte.
Andere hätten so etwas lieber mit sich allein ausgemacht – du nicht, und das wußte ich. Wir standen uns schon immer so nah.
Es war eine Horrorzeit, bis die genaue Diagnose feststand, und du erfuhrst, wie man das Biest nannte, das sich in dir ausgebreitet hatte.
Quälende Tage, die mit Fragen gefüllt waren, die auch ich noch nicht zu beantworten wußte. Tage, in denen ich nicht nur um meine Fassung, sondern auch um positives Denken bemüht war – immer in der Hoffnung, es sei doch ein Irrtum! Irreale Tage, irreale Gefühle. Ehe nichts genaues klar war, wollte der Arzt dir nur sagen, was er gesehen hatte – dunkle Flecken auf der Leber - aber das konntest du nicht verstehen, denn auf die Idee von „Metastasen“ kamst du nicht, und er nahm das Wort nicht in den Mund – noch nicht. Was war richtig? Was war falsch? Wer dich kennt, weiß, es war in deinem Sinne, wie er, wie wir gehandelt haben. Es war nur so fürchterlich schwer...allein durch den Funken Hoffnung auf eine Fehldiagnose war es für mich erträglich.
Den Film „Ein Herz und eine Krone“ kann ich nie mehr anschauen, ohne an einen dieser Abende zu denken...einen gemütlichen Abend, an dem wir so herzlich gelacht haben – und an dem meine Seele laut weinte. Ich sehnte mich so sehr nach Offenheit, damit ich deinen Fragen nicht mehr ausweichen mußte, und gleichzeitig wehrte sich alles in mir dagegen, sperrte sich die Hoffnung gegen das, was unausweichlich auf uns zukommen sollte.
Drei Tage später war ich bei dem Gespräch dabei, als der Arzt das Wort „Krebs“ aussprach. Hörte seine ehrlichen, aber auch Hoffnung vermittelnden Worte. Er hat sich sehr viel Zeit genommen, und ich habe ihm verstohlen dankbar zugenickt. Vor allem dafür, daß er dir Mut gemacht hat. „Es gibt immer Möglichkeiten“, sagte er, und er wußte es aus Erfahrung, denn er kam von der Station, auf die du später verlegt wurdest. Aber er konnte damals natürlich nicht sagen, wie schnell die Krankheit tödlich verlaufen würde...

Es ist wohl kein Zufall, daß ich heute nacht wieder von dir geträumt habe. Unruhige, beängstigende Träume. Und tagsüber war alles wieder da, und mit den Gefühlen die ungläubig-erstaunte Frage: ist diese Diagnose wirklich erst ein Jahr her? An solchen Tagen ist es wieder so unwirklich, wie es damals der Gedanke war, du wärest irgendwann nicht mehr unter uns...

Ich mußte es einfach noch einmal aufschreiben, sonst würde es genau so unwirklich bleiben...auch jetzt noch.

Ach Mama, du fehlst mir sehr!

dein Blümchen
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Geändert von Blume68 (27.02.2009 um 22:11 Uhr) Grund: (manche Gedanken entwickeln sich...)
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  #41  
Alt 27.02.2009, 22:19
Polyglotte Polyglotte ist offline
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Standard AW: Leben - nach dem Abschiednehmen?

Liebe Blume,
du hast mir vor ein paar Monaten so eine liebe Nachricht hinterlassen, nun ist es an mir Dich einmal ganz lieb in den Arm zu nehmen. Ich verstehe Dein Bedürfnis das Unfassbare in Worte fassen zu wollen. Ich weiß nicht, ob dieses Gefühl des "Unwirklichen" je aufhört. So wie ich Dich hier erlebe, so warm und herzlich, weiß ich einfach, dass Du stets das Richtige für Deine Mama getan hast. Aber das macht den Schmerz leider nicht ansatzweise geringer.
Ich umarme Dich ganz fest.
Deine Sarah
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Je t'aimais, je t'aime et je t'aimerai
http://www.youtube.com/watch?v=85lKsSCZm4k
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  #42  
Alt 20.07.2009, 23:15
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Blume68 Blume68 ist offline
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Standard AW: Leben - nach dem Abschiednehmen?

Liebe Mama,

vor einem Jahr warst du noch bei mir. Vor einem Jahr hattest du nur noch eine Woche zu leben. Vor einem Jahr konnte ich dich noch besuchen und deine Hand halten, dir zuhören, dich streicheln. Vor einem Jahr hatte ich noch Hoffnung, ich hätte dich noch ein bischen länger.

Heute, beim Schreiben in einem anderen Strang, ging mir plötzlich dein Lieblingsgedicht durch den Sinn, das du mir früher immer vorgelesen hast. Hast du es mir in den Sinn geschickt?

Ich wünschte, ich könnte es heute für dich vorlesen.
Ich tu es, in Gedanken.

In Liebe
deine Blume



Du bist wie eine Blume

Du bist wie eine Blume
So hold und schön und rein:
Ich schau' dich an, und Wehmut
Schleicht mir ins Herz hinein.

Mir ist, als ob ich die Hände
Aufs Haupt dir legen sollt',
Betend, daß Gott dich erhalte
So rein und schön und hold.

von Heinrich Heine

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  #43  
Alt 21.07.2009, 15:14
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Hasi1965 Hasi1965 ist offline
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Standard AW: Leben - nach dem Abschiednehmen?

Liebe Blume,
ein wunderschönes Gedicht.
Ich drück Dich und danke Dir auch noch einmal für das Schreiben in meinem Faden.
Deiner Mama ist ja von der Diagnose bis zu Ihrem Tod nicht viel Zeit geblieben.
Gibt es eigentlich überhaupt genug Zeit sich mit einer solchen Diagnose zu arrangieren ?

Am Ende ist alles immer zu kurz gewesen....auch wenn man Tag und Nacht dabei gewesen ist.... man hat immer das Gefühl nicht genug getan zu haben, weil man als Angehöriger immer nur hilflos daneben steht. Das war für mich das Schlimmste.

Bei Dir ist es jetzt ein Jahr her - wird es besser mit der Zeit oder bleibt der Schmerz wie er am Anfang gewesen ist ?

LG Ulli
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Meine Mam: * 02.11.1937 - + 02.06.2009
"Wenn Du bei Nacht den Himmel anschaust, wird es Dir sein als lachten alle Sterne. Weil ich auf einem von Ihnen wohne, weil ich auf einem von Ihnen lache..."
(Der kleine Prinz)

Mein Papa: *04.11.1935 - + 11.05.1993
Sorry, das ich Dich allein gelassen habe.

Mein Bruder:*02.06.1962 - September 1962

Ich werde Euch nie vergessen !

Geändert von Hasi1965 (21.07.2009 um 16:30 Uhr)
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  #44  
Alt 21.07.2009, 19:51
Mapa Mapa ist offline
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Standard AW: Leben - nach dem Abschiednehmen?

Liebes Blümchen,

Verstehende Grüße,
Mapa
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  #45  
Alt 21.07.2009, 22:16
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Blume68 Blume68 ist offline
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Standard AW: Leben - nach dem Abschiednehmen?

Ach, liebe Mapa, wie schön, dich bei mir zu lesen, ich danke dir! Ich freu mich auf dich!!


Liebe Ulli,
ach weißt du, arrangieren mit einer solchen Diagnose...ich habe im LK-Faden oft von Menschen gelesen, die noch weniger Zeit hatten. Viel weniger Zeit. Deshalb bin ich, trotz aller Traurigkeit, dass es so schnell ging, dankbar für jeden Tag, den wir hatten. Wir haben unsere Nähe und Verbundenheit genossen. Wir standen uns immer sehr nah. Nach dem Tod meines Bruders und meines Vaters wussten wir einfach, wie wichtig es ist, die Lebens-Zeit zu nutzen. Nicht arrangieren konnte ich mich mit der Unberechenbarkeit, die diese Krankheit mit sich brachte. Diese verdammte Unplanbarkeit! Dachte man, es ist einen Tag gut, war der nächste garantiert schlechter - so ungefähr.

Ist es besser mit der Zeit, fragst du. Nein, der Schmerz bleibt nicht, wie er im Anfang war. Wie soll man das beschreiben? Jeder würde dir eine andere Antwort geben. Mir ist immer bewusst: ich musste nicht meinen Lebenspartner gehen lassen, das ist nochmal ein großer Unterschied! Eltern gehen nun mal meist vor den Kindern. Der Schmerz ist auch eine Art "Wurzellosigkeit". Ich fühle mich entwurzelt, und es dauert, bis sich neue kleine Wurzeln im täglichen bilden. "Ableger" habe ich nicht.

Da der Kleinzeller grausam ist, und meine Mama gesundheitlich eh angeschlagen, wollte ich ihr nie was vormachen, was nicht sein würde. Gesundwerden, zum Beispiel. Wir haben uns...irgendwie ins Unabänderliche gefügt. Ich habe versucht sie zu motivieren, ihre gute Zeit zu nutzen und zu genießen - sie hat sich bemüht, aber es ist ihr nicht immer wirklich gelungen. Wir haben über alles offen gesprochen, auch über den Tod. Irgendwie tat es...anders weh, sie sie ging, als es heute wehtut. Heute fehlt sie mir im Alltäglichen. Die SMS´e zum Beispiel, weißt du? Der tägliche Anruf. Ich wusste ja, dass es so kommen würde, nur nicht, wann.
Die Antwort auf die Frage, welche Blumen das nun sind, die sie gepflanzt hat, wenn ich sie im Garten nicht erkenne. Sie einfach mal in den Arm nehmen zu können. Für sie da sein zu können! Das fehlt mir vor allem. Und die Gespräche mit ihr, das Lachen, das Weinen zusammen. Ich habe am Wochenende in einen Koffer geschaut, in dem ich ein bischen Wäsche von ihr aufbewahrt habe - der vertraute Duft hat mich fast umgehauen.

Danach stand einiges an bei uns - u.a. ein einschneidender Umzug mit allem Stress drumherum. Da blieb wenig Zeit zum trauern. Jetzt vermisse ich sie mehr. Jede Jahreszeit will einmal zum ersten Mal durchlebt sein ohne sie - es spiegelt sich in ihrem Garten, der jetzt mein Garten ist. Da werden viele Erinnerungen wach, täglich. Schöne, wie traurige. Es kommt alles langsam bei mir. Ich habe Narben behalten aus der Zeit, eine Art...Unbeschwertheit verloren - mehr noch, als bei den früheren gegangenen Familienmitgliedern. Das heißt nicht, dass ich nun dauernd traurig wäre! Mein Lachen habe ich nicht verloren. Aber ich sorge mich ein bischen schneller. Um meinen Mann, um meine Schwester, meine Schwiegermama, um Menschen, die mir nahestehn. Nicht übertrieben, aber ich merke es.

Ich konnte sie gut gehenlassen, meine Mama, weil wir uns so nahe waren. Klingt paradox, aber ist so. Ich habe ihre Wünsche zu meinen gemacht, wir waren uns immer einig, dass sie der Maßstab ist für das, was und wie es geschehen soll. Es war nie gekünstelt - es war...eine große Mutter-Tochter-Liebe. Und Liebe heißt auch, gehenlassen zu können.
Heute habe ich manchmal Angst vor weiteren Verlusten.
Manchmal schau ich in den Himmel und frage ihn da oben: Warum? Wir wollten doch nur den einen Sommer...warum nicht mal der? Und was kommt noch?

Ich wünschte, ich hätte ihr damals gesagt, dass ihr großer Wunsch sich erfüllt - dass wir in ihr Häuschen ziehen. Das hätte sie so glücklich gemacht! Sie hat ihren Garten so geliebt.
Damals konnte ich es nicht - es war einfach zu früh, es sollte wohlüberlegt und keine Spontanentscheidung sein. Ich wollte ihr nichts versprechen, was ich vielleicht nicht hätte halten können...schon gar nicht war es mir möglich, diesen Gedanken zuzulassen, solange sie lebte. Heute macht mich das manchmal traurig, nur wenn ich im Garten werkele, und spüre sie bei mir, dann geht es besser.

Jetzt habe ich soviel geschrieben...dabei sollte es nur eine kleine Antwort auf deine Frage sein, lächel. Aber es tut ja doch gut, seine Gedanken aufzuschreiben.

Liebe Grüße
Blume
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