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  #1  
Alt 10.06.2012, 23:47
Benutzerbild von nikita1
nikita1 nikita1 ist offline
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Standard AW: Was waren/sind eure gesellschaftlichen Hürden?

Hallo
ich denke, man sollte auch anmerken, dass eine Krebserkrankung nicht immer auch das berufliche oder soziale Aus bedeuten muss. Vorrausgesetzt, man hat das Glück und kommt ohne grosse Hindernisse mit Therapie und ohne schwere Folgeerscheinungen über die Runden. Am besten noch ohne Rezidiv.

Ich bin im März 2007 erkrankt, war 7 Monate krankgeschrieben, im Oktober stand ich (im Erziehungsbereich, allerdings keine Kinder) wieder (wacklig) auf der Matte.
2010 habe ich einen Tag gefehlt, weil man mir mit einer Nadel an der Wirbelsäule vorbei von einem Lymphknoten an der Aorta eine Biospie machte, und die Onkologin meinte, ich könne nachmittags unmöglich arbeiten gehen.

Dann war ich 2 Monate während der Rezidiv-Bestrahlung krankgeschrieben, weil ich es so wollte, eigentlich hätte ich auch arbeiten können, aber es war Sommer und da braucht man mich nicht so dringend.
Seitdem wiederum bis heute: nicht einen Tag gefehlt. Alle Arzttermine lege ich auf den Vormittag, wo ich frei bin. Nie hat man mich gemobbt oder hinterhältig ausgefragt, mal von meiner Chefin abgesehen, die solche "Gesundheitsgespräche" jedoch kurz und bündig hält. Ich kann sie ja verstehen. sie muss ihre Semester planen und wissen, ob sie mit mir rechnen kann.
Im Moment fahre ich seit Wochen jeden Mittwoch um die 400 km, um eine an BK erkrankte Kollegin zu vertreten. Freitags gehts zurück und abends muss ich wieder arbeiten. Das zehrt, aber ich kann ja im Zug schlafen.

Manchmal denke ich, dass man es sich selber schwer macht, vor allem, wenn man kaum eine Treppe hochkommt, sich die Schuhe kaum allein anziehen kann, Durchfall hat, sich nicht konzentrieren kann, alles vergisst und gesamtgenommen depressiv ist.
Die Kunst ist, Kraft und Wege zu finden, aus diesem seelischen und körperlichen Trauma wieder rauszukommen. Und wenn ein paar "Freunde" am Wegesrand zurückbleiben, was solls. Vielleicht trifft es die mal selbst und dann haben sie was zum Nachdenken. Der Supergau ist ein Rezidiv, aber auch das kann man überstehen.
Und man sollte sich nur mit Freunden und Hobbys umgeben, die einem wirklich gut tun.

So, das war mal ein Beitrag der auch Mut machen soll; wir sollten uns nicht ständig als traumatisierte und stigmatisierte, schwache und bemitleidenswerte Leute betrachten, denn wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus ! Auch wenn man nicht sofort nach Therapieende wie Phönix aus der Asche auferstehen kann, gibt die Zeit wieder die Hoffnung, dass alle Narben verheilen und wir wieder so sein können, wie wir sein wollen und so auch wahrgenommen werden.
__________________
Liebe Grüße
Nikita


Tapferkeit ist die Fähigkeit, von der eigenen Furcht keine Notiz zu nehmen.
George Patton

Geändert von nikita1 (10.06.2012 um 23:59 Uhr) Grund: Rechtschreibteufelchen...
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  #2  
Alt 22.06.2012, 01:52
Dreizahn Dreizahn ist offline
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Standard AW: Was waren/sind eure gesellschaftlichen Hürden?

Hallo Nikita,

sei mir nicht böse, aber ich finde Deinen Beitrag nicht mutmachend, sondern für eine Betroffene recht ... nunja .... unbedarft. Er erinnert mich erschreckend an das, was Leute, die klug daherreden wollen, aber noch nie mit (HNO-)Krebs und dessen Folgen zu tun hatten, so von sich geben. Sorry, aber das ist nunmal meine Erfahrung (ED 2/08); ist nicht persönlich gemeint. Es freut mich immer, wenn es Betroffenen gut geht und sie alles super verarbeitet haben

Aber das Glück, kein Rezidiv zu bekommen, muss man erstmal haben - leider. Das gleiche gilt für das Fehlen schwerer Folgeerscheinung. Nicht alle hier haben ihr sichtbaren Folgen an Körperteilen, die von Kleidung bedeckt sind.

Wie Du meinem ersten Beitrag in diesem Thema entnehmen kannst, habe ich ziemliche Einschränkungen im HNO-Bereich (es geht zugegebenermaßen allerdings noch schlimmer). Da ich eigentlich einen Beruf mit intensiver Stimmnutzung angestrebt habe (und ja, ich bin gut genug für eine Professur), durfte ich mich von weiten Teilen meiner Zunkunft(splanung) verabschieden** - nicht nur von Plan A, sondern auch von B bis I. Mein Hobby war mal Fremdsprachen....der Abschied fiel mir wirklich schwer. Mit dem Sprechen ist es übrigens nicht erledigt. Atmen, Schlucken, Küssen, etc. sind ebenfalls betroffen.

Und bevor ich jetzt unterstellt kriege, dass ich es mir selber schwer mache und den lieben langen Tag depressiv auf dem Sofa sitze: ich arbeite Teilzeit, schreibe meine Diplomarbeit (TROTZ Konzentrationsstörungen von Chemo und bis vor kurzem Morphin), habe gerade Bestrahlung auf den Mund hinter mir (Hölle!) und hatte heute die erste Infusion im zweiten von sechs Zyklen à 4 Wochen Erbitux und Taxotere.
Ich habe zwar Hobbys und Freunde, aber sowas wie Weggehen ist für mich wegen der Geräuschkulisse unmöglich - außer ich will den ganzen Abend stumm rumsitzen.

Zitat:
Zitat von nikita1 Beitrag anzeigen
denn wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus !
Sehr richtig. Also was soll ich mit den ganzen Leuten machen, die mich wie den letzten Dreck behandeln?
Wenn jemand meine Stimme an einem normalen bis schlechten Tag hört, bin ich plötzlich für alles zu dämlich und gelte als inkompetent oder zurückgeblieben, werde nicht bedient, dumm angemacht oder völlig übersehen und kann mich dagegen nichtmal wehren. Auf die Dauer ist das schon zermürbend....

Just my two cents....

LG, Dreizahn


**und da reden wir nur von sozio-ökonomischen Folgen, nicht vom Risiko, am Krebs zu Sterben.

Geändert von Dreizahn (22.06.2012 um 02:04 Uhr) Grund: Wer Tippfehler findet, darf sie behalten :P
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  #3  
Alt 23.06.2012, 22:47
Benutzerbild von nikita1
nikita1 nikita1 ist offline
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Standard AW: Was waren/sind eure gesellschaftlichen Hürden?

Hallo Dreizahn,
Dass mein Beitrag zu dem Thema unbedarft bei dir angekommen ist, war nicht meine Absicht. Und schon gar nicht wollte ich klug daherschnaken...hab ja selber Krebs....und ein Rezidiv.....Ich habe einfach geschrieben, wie ich in meiner eigenen Situation die Sache sehe.

Jeder von uns, die wir Krebs haben, lebt in einem anderen Umfeld, hat einen anderen Beruf, lebt in einer Beziehung oder nicht, hat Kinder oder keine, andere Folgeerkrankungen und Wunden, sei es äusserlich oder seelisch.
Das dir wegen der so sichtbaren Erkrankung praktisch für alle verständlich "auf der Stirn geschrieben steht", dass du krank bist, macht die Angelegenheit natürlich viel schwerer. In meinem Fall weiss es niemand, wenn ich es nicht gerade erzähle.

Dass eine Krebserkrankung etwas fürchterliches ist (und da denken wir mal nicht an die Angst zu sterben) liest man in jeder noch so kurzen Zeile hier im Forum. Man kann die Schicksale nicht vereinheitlichen. Und dass mich mein Rezidiv, meine Gewichtszunahme, meine Sprachschwierigkeiten nach der Chemo, die Knochenschmerzen, geschwollenen Füsse, mein kaputtes S-Leben usw... viele schlaflose Nächte und Ängste gekostet hat, will ich auch nicht verschweigen, aber ich mache es mit mir allein aus und klar, hier im Forum.

Ich wünsche dir, dass du die Therapie gut überstehst und die Wunden dann mit den Jahren verheilen. Hut ab vor deiner Diplomarbeit.
__________________
Liebe Grüße
Nikita


Tapferkeit ist die Fähigkeit, von der eigenen Furcht keine Notiz zu nehmen.
George Patton
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  #4  
Alt 27.06.2012, 20:31
G.Sundheit G.Sundheit ist offline
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Standard AW: Was waren/sind eure gesellschaftlichen Hürden?

Nikita, das hast du sehr schön geschrieben und ich weiß genau, was du meinst.
deinen vorherigen beitrag fand ich nicht unbedarft sondern mutmachend!

mir ist in jeder lebenslage recht den finger ins auge gebohrt zu bekommen, wenn es denn hilft.
und hier zu lesen hilft oft ungemein!

aber es kennt auch jeder der schon mal sooo *zeig* kopfschmerzen hatte daß darüber jammern hilft.
oder wenn der zahnarzt auf den nerv bohrt entschiedene schmerzgeräusche von sich zu geben....

....so ähnlich sehe ich es, hier zu schreiben.
hier erlaube ich mir die schmerzgeräusche da, wo sie hinpassen oder eröffne einen eigenen thread über das, was mich bewegt.

dass es "draußen" niemand wissen will, was mich bewegt, daß ich nicht einfach auf die frage "na, alles gut überstanden?" antworten kann: "nö, der arm ist im eimer, habe 18 kg zugenommen, bin mit anfang vierzig in den wechseljahren und kann nachts nicht länger als 2 h schlafen. ach so und....dann noch....und..."
ist mir klar, deshalb suche ich mein ventil woanders.

deshalb kann ich auch Dreizahn und Ricola sehr gut verstehen, denn was sie hier können, geht wahrscheinlich draußen nicht so einfach und hilft vielleicht, mit der situation klar zu kommen.

also für mich sind ALLE beiträge hier in diesem thread toll, zum nachdenken, um mut zu schöpfen, sich mit anderen zu freuen.

lg
gesine

PS: gerade fällt mir noch ein, daß ein liebes forenmitglied mal formuliert hat: "wir sind jetzt auf der anderen seite." das trifft es manchmal ungemein und manchmal ist es auch einfach nicht wahr.
__________________
Einfach leben.
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  #5  
Alt 24.08.2012, 20:23
Ed1 Ed1 ist offline
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Standard AW: Was waren/sind eure gesellschaftlichen Hürden?

Hallo Zusammen, ich kann Eure Berichte nur bestätigen. Es reicht nicht nur der Krebs, man muss an alle Fronten kämpfen: Arbeit, Freunde, Familie, Ärzte - überall soll man stark sein und weitermachen. Doch ist es unheimlich schwer die Kraft zu finden in dieser Situation.

Es macht auch traurig, dass in Zeiten der Not die Freunde sich "schleichen" wie wir in Österreich sagen - "also abdampfen".
Meine Psychotherapeutin meinte: "die können alle damit nicht umgehen". Das kann ich so nicht stehen lassen, denn wie soll dann ich damit umgehen?

Ich versuche nun an mich zu denken, hab sehr oft im Leben nur auf andere Rücksichtig genommen und immer geholfen wenn jemand in Not war. Tja, nicht immer kommt die Hilfe vom "Wald zurück"

Von meinen Arbeit habe ich mich durch den Krebs schon drei mal verabschieden müssen. Bin 48 Jahre alt, also ist es auch nicht so einfach. Doch ich hab auch wieder was gefunden und es ist mir auch nicht mehr soooo wichtig wie früher. Kann aber verstehen, dass junge Menschen, die diese leidvolle Krankheit haben, darüber anders denken und das ganze Leben noch gestalten möchten/wollen und die Perspektiven mit dieser KRankheit schrumpfen.

Wünsche Euch KRAFT UND GLÜCK
ed
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  #6  
Alt 23.12.2012, 15:39
zodiac zodiac ist offline
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Registriert seit: 23.12.2012
Beiträge: 5
Standard AW: Was waren/sind eure gesellschaftlichen Hürden?

hallo alle ,ich bin ganz neu hier und "nur " Angehörige eines Krebspatienten und es erschüttert mich wenn ich das alles lese ...wie mit Menschen umgegangen wird denen es schon besch++++++ genug geht .mein Mann hat seit 10 Jahren einen Hirntumor Astrozynom Stufe 3 und in diesen 10 Jahren haben sich 95 % der Freunde zurückgezogen weil sie nicht damit umgehen können bezw. ich habe TabulaRasa betrieben und vielen die sogenannte Freundschaft gekündigt weil sie einfach nicht verstehen wollten dass sich unser Leben durch den Krebs nun mal dramatisch geändert hat und das leidige "wird schon wieder " mich zur Kampfzecke mutieren ließ.
Betroffene wissen genau das nichts wieder gut wird vor allem bei speziellen Krebsarten und ich bekomme wirklich Plaque wenn ich eben diese Ansagen wie "wird schon wieder" höre oder das "alles nicht soooo schlimm" ist .Nicht nur das man oft genug als Aussätzige behandelt wird ,kann man sich noch dumme Sprüche anhören egal ob von Ämtern oder Menschen die meinen sie müssen ihren Senf dazugeben auch wenn man nicht danach fragt
Ich hatte durch die Erkrankung meines Mannes lernen müssen das es bei vielen Leuten nicht die Angst sondern die bloße Dummheit/Faulheit ist sich damit auseinander zu setzen .
Meine Bewunderung gilt all jenen die mit dieser Krankheit leben müssen und jenen die ihnen zur Seite stehen egal wie schwierig der Weg auch ist.
Lg
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