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  #76  
Alt 29.07.2011, 21:17
Alpenveilchen Alpenveilchen ist offline
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Standard AW: Uns blieben ganze 17 Tage

Hallo ihr Lieben,

es ist sehr wichtig zu hören, wie Ihr Euch fühlt, wenn andere Abstand nehmen. Ich glaube, dass der Grund für die Zurückhaltung der anderen zu 90% Unsicherheit und Angst ist.

Im letzten Herbst starb ein sehr lieber Bekannter von uns sehr plötzlich und unerwartet an Lungenkrebs. Alle, die ihn kannten, waren entsetzt und schnell entstand die Idee, wir sollten für seine Frau etwas zusammenlegen. Ich hatte da eine gute Idee für ein Geschenk und schwups war ich auch diejenige die das Geldeinsammeln, den Kauf und die Übergabe übernehmen sollte. Ich muss sagen, beim Geld einzahlen waren alle (insgesamt 12 Bekannte) sehr grosszügig und sehr schnell dabei. Man war mir auch unglaublich dankbar dafür, dass ich das alles übernahm. Als sich dann der Tag der Übernahme näherte, war mir auch mulmig dabei zumute, die Witwe zu besuchen. So gut kannte ich sie nun auch wieder nicht und man hat immer panische Angst davor, dass die Trauernde plötzlich in Tränen ausbricht oder gar zusammenbricht. Was macht man dann? Ich hatte jedoch keine Wahl und dachte mir nur: "Jetzt musst du mutig und stark sein. Da führt jetzt kein Weg mehr vorbei." und fuhr hin.

Ja, natürlich hatte ich mit ihr dann über ihren Mann gesprochen, darüber wie er so war (Charakter), wie die Krankheit verlief, seine letzten Tage im Krankenhaus, seine Wünsche bis hin zu seiner (damals noch geplanten) Beerdigung. Natürlich hat sie auch immer wieder bitterlich geweint, wenn sie sich beim erzählen wieder so stark an alles erinnerte. Genauso natürlich habe ich sie auch in den Arm genommen und versucht, Verständnis zu zeigen. Nach etwa einer Stunde fuhr ich dann wieder weg und sie weinte nicht mehr, sondern war sehr dankbar für den Besuch. - Hinterher fragten mich andere aus der Gruppe, die zusammengelegt hatte, wie das Gespräch den war und mehrere sagten "das hätte ich nie geschafft."

Man hat einfach sehr grosse Angst davor, dass der Trauernde plötzlich losweint. Wenn das passiert, glaubt man a) man hat jetzt gründlich was falsch gemacht und b) man hat die betroffene Person in eine sehr peinliche Situation versetzt, da die meisten eben nicht gerne vor anderen weinen. Ja, was gibt es da einfacheres als zu fliehen und sich fernzuhalten, und genau das tun eben die meisten.

Oft liest man auch in Todesanzeigen: "Von Beileidsbekundigungen am Grabe bitten wir Abstand zu nehmen". Das gibt einem als Aussenstehenden auch eine gute Entschuldigung sich wegzubleiben und zu warten "bis sich alles gelegt hat".

Deswegen finde ich es ganz toll, dass Ihr hier beschreibt, wie Ihr Euch nach dem Verlust wirklich fühlt. Mich jedenfalls bestärkt das sehr darin, in Zukunft deutlich mehr auf Trauernde zuzugehen und sie eben nicht allein zu lassen.

Ganz liebe Grüsse
Euer Alpenveilchen
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  #77  
Alt 29.07.2011, 21:41
Rheingoldcat Rheingoldcat ist offline
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Standard AW: Uns blieben ganze 17 Tage

Hallo Ihr Lieben,

bei mir war es auch immer so, dass ich die Beileidsbekundungen am Grabe furchtbar finde. Das konnte ich noch nie, aber im Persönlichen Gespräch habe ich es auch früher immer so gehalten, das ich zugehört habe und wenn die Tränen kamen dann habe ich ohne viel Worte denjenigen in den Arm genommen.
Ich wünschte mir das auch, das ich mich fallen lassen kann und weinen wenn es mir danach ist.
Nur leider kann das Umfeld nicht damit umgehen. Ich habe schnell gemerkt, wo ich meine Gefühle zeigen kann und wo es besser ist meine Trauer und die Tränen nicht zu zeigen.
Es ist sehr schwer, im Alltag so zu funktionieren.
Ich bin nur sehr traurig, wenn sehr gute Freunde, wo man es nicht erwartet hat, sich zurück ziehen und mit mir nicht mehr umgehen können.
Das ist sehr sehr traurig.


Liebe Gruß
Sabine
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  #78  
Alt 29.07.2011, 22:46
carla44 carla44 ist offline
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Standard AW: Uns blieben ganze 17 Tage

Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr wird mir bewußt, dass ich plötzlich auf der anderen Seite stehe. Irgendwie. Anders kann ich das nicht beschreiben.

Durch den so nah erlebten Tod eines lieben Menschen ist plötzlich nichts mehr, wie es mal war. Trauer war für mich vorher auch nur: Tränen, Schmerz und Abschied nehmen, aber immer mit dem Gedanken, das wird dann irgendwann wieder besser. Der Schmerz wird vergehen, Weinen kann man auch nicht ständig und nur die schönen Erinnerungen bleiben.

Als meine Großeltern gestorben sind, wohnten wir weit weg, haben nur die Beerdigungen erlebt. Als vor 1,5 Jahren die andere Oma meiner Jungs starb, war das schmerzlich, weil wir ein gutes Verhältnis hatten. Ich habe wochenlang oft abends geweint, es tat sehr weh. Aber es wurde dann wirklich irgendwann einfacher, damit umzugehen. Und, ja es war schwierig, den Opa anzurufen und zu fragen, wie es ihm geht. Ich dachte immer, das weiß ich sowieso, dass es ihm nicht gut geht.
Dass er vielleicht auch jemandem zum Reden brauchte, darüber habe ich gar nicht so nachgedacht. Wußte eben auch nicht, was ich ihm sagen sollte.

Heute, mit meiner eigenen Erfahrung und diesen ganzen verworrenen Gefühlen, bin ich froh, mit jemandem reden zu können. Vielleicht muss man das (leider) selber erleben, um dann auch Andere besser zu verstehen und das eigene Verhalten zu ändern.

Ich möchte gerne für mich begreifen, was das alles mit mir macht, dieser ganze Weg der Sterbebegleitung, die Trauer, dieses Chaos der Gefühle.

Schön, dass es Euch hier gibt und ich meine Gedanken so aufschreiben kann.
Liebe Grüße
Carla
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Mein lieber Vati ist am 17.7.2011 um 16.30 Uhr in meinen Armen friedlich eingeschlafen.

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  #79  
Alt 30.07.2011, 07:44
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Billchen Billchen ist offline
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Standard AW: Uns blieben ganze 17 Tage

he Carla......
ja dein letzter Satz drückt es richtig aus..man muß das erst mal selbst erlebt haben....wir haben 2007 meinen Papa verloren und daher weiß ich wie du dich fühlst....am Tag der Beerdigung wäre ich am liebsten zu Hause geblieben und amGrab hab ich gedacht ich bin in einem Film und spiele einfach nur eine Rolle...Aber nein,,,so ist es ja garnicht man durchlebt seinen schlimmsten Alptraum...das Schreckgespenst des Lebens....man will weglaufe..davonrennen nichts von all dem wissen und ist doch wie gebannt.....'Auf den Freidhof gehe ich sehr selten...denn da liegt zwar mein Vater in der Erde aber da ist er nicht....es hört sich vielleicht blöd an was ich grade zusammenfasele aber so hab ich mich damals gefühlt und ich vermute dir geht es ähnlich..
Ich habe damals an seinem Sterbebett gedacht....hoffentlich ist bald alles vorbei ich kann es nicht mehr mit an sehen ..aber als er dann tod war wollte ich das auch nicht...
So sind wir Menschen nun mal gestrickt
Ich schick dir einen dicken Knuddeler und viel Kraft für deine Trauer zu durchleben
__________________
Ganz liebe Grüße
Billchen
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  #80  
Alt 30.07.2011, 09:58
carla44 carla44 ist offline
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Standard AW: Uns blieben ganze 17 Tage

Hallo Billchen,

das mit dem Grab kann ich gut verstehen. Ich verbinde mit der Grabstelle auch nichts. Da steht halt die Urne mit der Asche meines Vaters in dieser Stehle. Und davor eine Steintafel mit seinem Namen drauf, aber das hat für mich nichts mit ihm oder seinem Leben zu tun.

Von selber werde ich da bestimmt nicht wieder hinfahren. Für mich hat dieser Ort nichts mit meinem Vater zu tun.
Dafür werde ich aber irgendwann, wenn ich die Kraft dafür habe, mal in das Heim fahren, wo mein Vater seine letzten 3 Wochen gelebt hat. Die Heimleiterin hat mir in sehr langen guten Gesprächen sehr geholfen.
Nur sein Zimmer kann ich nicht wieder betreten, da wohnt jetzt ja schon jemand anderes und das wäre für mich nicht zu ertragen.

Du sagtest, dass das Sterben Deines Vaters der schlimmste Alptraum war. Für mich hat das noch eine andere Seite. Ich hoffe, ich kann hier die richtigen Worte dafür finden.
Ich hatte ja das Glück, dass mein Vati ganz ruhig und friedlich gegangen ist, es war kein lauter Schmerz-erfüllter Kampf, sondern wirklich ein Einschlafen.
Die Ruhe und der Frieden haben mich tief erfüllt, bei all dem seelischen Schmerz, ihn gehen lassen zu müssen.

Vorher war Sterben ein absolut unfassbares, unerträgliches Ereignis für mich, das mir sehr große Angst gemacht hat.
Heute habe ich es mit erlebt und hatte die Kraft, meinen Vati zu begleiten, weil es für ihn so wichtig war, mich an seiner Seite zu haben.

Es tut sehr sehr weh, aber es ist auch eine Erfahrung, die sehr wichtig für mich ist. Vielleicht habe ich jetzt begriffen, was immer so gesagt wird: der Tod gehört zum Leben dazu.

Ich bin sehr dankbar dafür, diese letzten Tage und Stunden mit meinem Vati gehabt zu haben und dankbar dafür, dass er so friedlich erlöst wurde.

Carla
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  #81  
Alt 31.07.2011, 09:55
carla44 carla44 ist offline
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Standard AW: Uns blieben ganze 17 Tage

Heute Nacht hatte ich wieder einen Traum, in dem mein Vati vorkam.

Wir waren zum Essen verabredet. Aber er hatte nicht auf mich gewartet. Als ich dort ankam, saß er schon am Tisch und war am Essen, mit Freunden oder Kollegen. Sie unterhielten sich und er lachte ein paar Mal.
Ich selber war im Vorraum, konnte meinen Vati ganz deutlich durch die Tür mit der Glasscheibe sehen. Nur hingehen konnte ich nicht. Und er hat mich nicht bemerkt. Ich dachte nur, warum hast Du denn nicht auf mich gewartet, wir waren doch verabredet.

Dann kamen viele Menschen in den Vorraum, es wurde da sehr eng. Kein Platz mehr. Ich mußte da raus. Lief durch irgendwelche Gänge und kam schließlich ins Freie.
Auch hier viele Menschen, die an mir vorbei liefen. Ich stand da, fühlte mich sehr alleine und wußte wieder schlagartig, dass ich nicht mehr zurück gehen konnte, um noch einmal mit meinem Vati gemeinsam am Tisch zu sitzen...
dachte nur so, wärst Du doch durch diese Tür einfach zu ihm hingegangen, jetzt kannst Du es nicht mehr.

Wach werden, knallhart in der Realität sein, Tränen und Schmerz fühlen. Ich würde so gerne in den Traum zurück, einfach durch diese Tür gehen...

Ich habe sein Gesicht so deutlich gesehen, er sah so jung aus, war fröhlich und es ging ihm richtig gut.

Carla
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  #82  
Alt 31.07.2011, 12:40
Rheingoldcat Rheingoldcat ist offline
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Standard AW: Uns blieben ganze 17 Tage

Liebe Carla,

es ist schön so schöne Träume von dem lieben Menschen zu haben.
Ja es ist dann beim Aufwachen, sehr schlimm aber das Gefühl der Ihn gesehen zu haben, Ihm nah zu sein und zu sehen es geht Ihm gut. Sollte Dir auch nach dem Erwachen Trost bringen.
Ich glaube das Träume eine Bedeutung haben und die dieser Traum sagt , deine Pa geht es jetzt gut er brauch keine Schmerzen und kein leid mehr zu ertragen.

Liebe Gruß
Sabine
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  #83  
Alt 31.07.2011, 21:45
carla44 carla44 ist offline
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Standard AW: Uns blieben ganze 17 Tage

Liebe Sabine,

ja, ich glaube auch, dass die Träume eine Bedeutung haben. Für mich ist es vom Gefühl her jetzt so, dass mein Vati da hinter dieser Tür in dem anderen Raum saß, weil er eben nicht mehr hier in dieser Welt ist.
Deshalb konnte ich da auch nicht hin. Irgendwie war ich nicht in der Lage, hin zu gehen und diese Tür zu öffnen.

Schön war es, dass ich sein Gesicht in dem Traum so deutlich gesehen habe. Ein junges, fröhliches Gesicht. Seine blauen Augen haben so gestrahlt, er war einfach gesund und lebensfroh.
Ganz anders als die letzten realen Bilder von ihm, wo er schon so schwach und krank in seinem Bett lag.

Vorhin traf ich eine Bekannte, die mich doch allen Ernstes fragte, ob es mir nun wieder gut ginge?! Ich wäre ja sooo tapfer.
Klar, ich heule nicht den ganzen Tag, funktioniere auch irgendwie, kann auf Fragen normal antworten.
Aber von Gut-Gehen bin ich meilenweit entfernt. Es sind heute genau 2 Wochen.
Ich glaube, sie wollte auch gar keine wirkliche Antwort, hat nicht aus wirklichem Interesse nachgefragt.

Das sind die Leute, auf die ich echt verzichten kann.
Oh Mann, es ist so schwer, irgendwie klar zu kommen. Und morgen wieder arbeiten gehen.
Mal sehen, was mich in meinem Büro erwartet.
Euch allen einen lieben Gruß
Carla
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  #84  
Alt 01.08.2011, 12:49
Jaecky Jaecky ist offline
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Standard AW: Uns blieben ganze 17 Tage

Liebe Carla,

entschuldige bitte, dass ich schon eine Weile nicht mehr geschrieben hab. Aber im Moment geht mir nix von der Hand. Bin irgendwie mit mir selbst nicht zufrieden und hab zu nix Lust.

Deinen Traum finde ich sehr schön. Ich glaube auch, dass Träume eine tiefere Bedeutung haben. Ich denke, dein Paps möchte dir sagen dass es ihm gut geht, keine Schmerzen mehr hat und nicht mehr leiden muss. Und dass du hinter der Tür warst und nicht durch konntest heisst für mich, dass ja deine Zeit noch nicht gekommen ist. Du sollst eben noch nicht auf der anderen Seite sein. Ich glaube dran, dass man sich irgendwann wiedersieht.

Ich hoffe, du bringst deinen ersten Arbeitstag heute irgendwie hinter dich und deine Kollegen sind nicht allzu nervig mit ihren Fragen.

Ja, und das mit dem "gut gehen" ist nicht wirklich glücklich getroffen von deiner Bekannten. Das ist das was ich meine, denn die meissten Leute wissen nicht was sie sagen sollen und reden dann irgendwelchen Quatsch. Nach 2 Wochen kann man doch davon ausgehen, dass man sich total schlecht, leer fühlt und der Schmerz noch immer unerträglich ist.

Ich umarme dich ganz doll

Ganz liebe Grüße
Jäcky
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  #85  
Alt 01.08.2011, 13:56
carla44 carla44 ist offline
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Standard AW: Uns blieben ganze 17 Tage

Liebe Jäcky,

ich weiß ja, dass Du in Gedanken bei mir bist, auch wenn Du nicht immer schreibst. Du hast selber so viel zu um die Ohren und die seelische Belastung noch dazu.

Mir geht auch nichts von der Hand. Müßte jede Menge tun, kann nichts anfangen oder fertig machen. Selbst Kleinigkeiten lasse ich oft einfach nur liegen. Es ist so egal, ob ich das mache oder nicht.

Gestern abend habe ich noch mit meiner Mutter telefoniert. Sie sagte, dass sie sich das noch nicht vorstellen kann, dass mein Vati gar nicht mehr wieder kommt. Das kann ich auch nicht.

Aber vorm Einschlafen habe ich dann das Bild vor Augen gehabt, dass ich bei meinen Eltern auf der Couch sitze, der Schlüssel in der Wohnungstür gedreht wird und mein Vati samt Hund im Flur steht und fröhlich Hallo ruft. So wie es zig Male war.

Da konnte ich nur noch heulen, weil mir wieder so schmerzlich bewußt wurde, dass es genauso eben nicht mehr sein wird.
Mein Mann weiß dann gar nichts damit anzufangen, weil er die Bilder in meinem Kopf nicht sieht und ich dann auch kein Wort raus kriege.

Eine Kollegin hat mir heute ihre TelNr gegeben, sie hat selber jemanden auf ähnliche Weise begleitet wie ich. Sie setzt sich auch sofort ins Auto und kommt vorbei, wenn ich das mal brauche.
Fand ich sehr lieb von ihr. Schön, dass es solche Menschen auch in der Nähe gibt.

Carla
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  #86  
Alt 01.08.2011, 17:00
Jaecky Jaecky ist offline
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Standard AW: Uns blieben ganze 17 Tage

Liebe Carla,

das ist lieb von deiner Kollegin. Meine Zimmerkollegin hat vor ca. 20 Jahren ihren Papa an diesem scheiß Krebs verloren. Wir reden öfter davon und ihr stehen heute noch die Tränen in den Augen. Erst seit mein Papa so krank ist, kann ich da irgendwie wenigstens einigermaßen aufbauende Worte finden.

Ich denke, wenn man so doll lieb hat, kann man ohne Hilfe darüber gar nicht hinweg kommen. Man braucht Menschen mit denen man reden kann und die einem Kraft geben, das Ganze zu verarbeiten. Wenn man überhaupt von verarbeiten reden kann. Damit leben klingt vielleicht besser.

Ja die DInge, die einen sonst immer irgendwie wichtig waren, scheinen so unwichtig und nutzlos zu sein. Ich vernachlässige im Moment meinen Haushalt. Habe sonst immer sehr viel sauber gemacht (bin ein kleiner Fanatiker ) aber im Moment ist mir das sowas von egal. Ich mach nur das nötigste, weil ich mich zu mehr nicht durchringen kann.

Ich würde es dir so sehr wünschen, dass dein Papa einfach zur Tür wieder reinkommt und hallo sagt.

Liebe Carla, ich wünsche Dir viel Kraft und umarme dich fest

Ganz liebe Grüße
Jäcky
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mein liebster Papa
seit 2006 Multiples Myelom
seit 2009 Myelodysplastisches Syndrom

Nach langem, schmerzvollem Kampf am 25.07.12 um 15.00 Uhr im Kreise seiner lieben Familie eingeschlafen.

Papi, wir lieben dich so sehr! Für Immer und Ewig!

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  #87  
Alt 02.08.2011, 07:47
carla44 carla44 ist offline
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Standard AW: Uns blieben ganze 17 Tage

So, den ersten Arbeitstag habe ich rumgebracht, keine Ahnung wie.
Mir geht nichts von der Hand. Am liebsten möchte ich weg aber doch irgendwo still in der Ecke sitzen und meinen Gedanken nachhängen.

Einen Vorteil hat es, wieder arbeiten zu gehen. Ich bin abends müde und kaputt und muss früh raus. Da kommen nicht so heftige Träume, die habe ich meistens im Halbschlaf, wenn ich ausschlafen kann.

Ich wurde gestern natürlich noch von vielen Kollegen angesprochen. Ist schon erstaunlich, wer so alles Bescheid weiß. Aber immer wieder alles erzählen ist nicht so leicht.

Ende August ist eine kleine Fahrt geplant mit einem Verein, wo ich lange Mitglied war. Ist eine nette und lustige Truppe. Nur im Moment würde ich am liebsten absagen. So viel Frohsinn um mich rum ertrage ich noch gar nicht. Muss leider jetzt schon zu- oder absagen wegen der Zimmerbuchungen. Weiß auch nicht, was ich nun machen soll. Mal raus ist ja ok, aber mit so stimmungsvollen Leuten?

Oh Mann, ich bin so durcheinander, dass ich oft keinen klaren Gedanken fassen kann.
Gestern mußte ich auch noch fast an Vati's Heim vorbeifahren (Nebenstraße). Da kommen die ganzen Gefühle erst recht wieder hoch. Einfach hinfahren, in das Heim gehen, die Gerüche, die Gänge,

nur in seinem Zimmer wird jetzt jemand Anderes wohnen...
Liebe Grüße
Carla
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  #88  
Alt 02.08.2011, 14:42
Tiina Tiina ist offline
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Standard AW: Uns blieben ganze 17 Tage

Liebe Carla,
das ist klar, dass Du durcheinander bist - das sind so viele unvertraute Gefühle und Gedanken, die nach einen solchen Verlust durch das Gehirn toben... Und es ist noch so frisch bei Dir...
Ich habe meine Mami auch bis zum letzten Atemzug begleitet und bin unendlich froh, dass mir das möglich war, aber das ist schon auch eine sehr heftige Erfahrung, die Spuren hinterlässt.

Wie schwer es ist an dem Heim vorbeizufahren, kann ich so gut nachvollziehen - mir kommen immer noch die Tränen, wenn ich in ca. 100m Entfernung an dem Hospiz vorbeifahre, in dem meine liebe Mami gestorben ist... Und bei mir ist es fast 8 Monate her...
Ich habe in den ersten Wochen nach dem Tod meiner Mami sehr oft Träume gehabt, in denen ich die Situation der letzten Wochen nacherlebt habe - sie krank war, es ihr schlecht ging und ich verzweifelt (und erfolglos) versucht habe, ihr zu helfen...
Inzwischen habe ich diese Träume so nur noch ganz selten.

Wenn Dein Mann Dich in den Arm nimmt und tröstet, wenn Du weinst, ist doch schon mal schön... Mit dem reden finde ich auch oft schwierig - aber trösten lasse ich mich immer gerne von meinem Mann.

Alles Liebe,
Anja
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  #89  
Alt 02.08.2011, 23:05
carla44 carla44 ist offline
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Standard AW: Uns blieben ganze 17 Tage

Muss gerade noch schnell was los werden.

Heute habe ich wieder mit einer Kollegin ein sehr gutes Gespräch gehabt. Sie wußte bisher nur, dass mein Vati krank war und sprach mich sehr vorsichtig auf das Thema an. Es wurde ein sehr offenes Gespräch und ich konnte gut über meine Vati und die letzten Tage sprechen.
Wieder jemand, von dem ich das so gar nicht erwartet hatte.

Ansonsten konnte ich heute gerade noch verhindern, dass mein Mann zu meinem Geburtstag eine kleine Grillparty organisiert. Er hat es gut gemeint und wollte mir auch die Arbeit damit abnehmen. Nur, ich kann dieses Jahr nicht grillen zu meinem Geburtstag. Denn da sollte mein Vati mit dabei sein oder wir wollten ihm wenigstens eine Bratwurst vom Grill einpacken und im Heim vorbeibringen. So war das mit ihm vor gerade mal vier Wochen besprochen.

Deshalb kann ich dieses Jahr nicht auf der Terasse sitzen, grillen und Bratwurst essen. Geht einfach noch nicht, da würde ich keinen Bissen runterkriegen.

Fällt einfach aus dieses Jahr. Meine Gefühle fahren schon wieder Achterbahn. Gehe normal zur Arbeit und versuche, diesen Job auf die Reihe zu bringen. Und innerlich total tief unten.

Carla
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  #90  
Alt 02.08.2011, 23:44
Rheingoldcat Rheingoldcat ist offline
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Standard AW: Uns blieben ganze 17 Tage

Liebe Carla,

es kommen die Tage, die man einfach nicht feiern oder ertragen kann.
Wenn du deinen Geburtstag ausfallen lassen willst, so finde ich das ist dein gutes recht.

Ich habe auch vor solchen Tagen immer große angst diese durch zu stehen.
Wo es geht ziehe ich mich raus, aber das geht leider nicht immer.

Ich weiß nur, dass es sehr viel kraft kostet.

Es ist toll, das <du so viel Verständnis und Anteilnahme auf der Arbeit erfahren hast.

Lieben Gruß
Sabine
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