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  #1  
Alt 22.02.2014, 15:02
guan guan ist offline
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Registriert seit: 22.02.2014
Beiträge: 1
Standard So ist meine Mutter gestorben

meine Mutter ist am 31.01.2014 im Alter von 59 Jahren an metastasierenden Brustkrebs gestorben. Bevor sie gestorben ist, haben wir versucht rauszufinden, wie es eigentlich ist, zu sterben. Was auf sie und auf uns zukommen könnte. Wir haben nur wenige Informationen gefunden und waren deshalb auch viel weniger vorbereitet als uns lieb war. Deshalb habe ich mich entschlossen, meine Erfahrung mit dem Sterben hier in diesem Forum, das ich das letzte Jahr regelmässig besucht habe, zu veröffentlichen. Das Sterben meiner Mutter hat leider (zumindest für mich) nichts mit friedlichen einschlafen zu tun und ich kann nichts dazu sagen, ob die Art und Weise des Sterbens meiner Mutter normal ist. Für mich persönlich war es ein extremes Erlebnis.

Mir ist bewusst, dass viele Menschen gar nicht wissen wollen, wie es ist, an Krebs zu sterben. Das ist ihr gutes Recht (und jene Leute, sollten einfach nicht weiterlesen), aber ich bin der Meinung, dass wenn Krebspatienten oder deren Angehörige wissen wollen, was passieren kann, sollte man ihnen dieses Recht nicht verwehren. Ein Problem ist natürlich, dass es unzählige Ursachen gibt, warum jemand an Krebs stirbt. Von daher ist die genaue Prognose, wie jemand sterben wird, wohl überhaupt nicht möglich (meiner Erfahrung nach verweigern Ärzte deshalb auch jede Auskunft darüber). Die einzige Möglichkeit sich zu informieren ist daher, das betroffene Angehörige davon berichten.

Meine Mutter hatte Brustkrebs mit Metastasen in Lunge, Leber und Knochen. Im Dezember 2013 erlitt sie zusätzlich einen Schlaganfall, von dem sie sich aber sehr schnell wieder erholte. Die Metastasen in der Lunge führten dazu, dass sie kurzatmig war (ein Lungenflügel voller Flüssigkeit), die Knochenmetastasen bereiteten ihr teils große Schmerzen und ab Anfang Jänner 2014 musste sie sich, wenn sie aufrecht saß, meist übergeben. Eine Woche vor ihrem Tod brachten wir sie ins Krankenhaus, weil wir Probleme hatten, ihre Übelkeit in den Griff zu bekommen. Die Ursache der Übelkeit war nicht ganz klar, es konnten die Lebermetastasen sein, es konnte die mit Flüssigkeit gefüllte Lunge sein, es konnten Metastasen im Magenbereich sein. Bevor sie ins Krankenhaus kam, pflegten wir sie zwei Wochen zu Hause. In der Zeit schlief sie schon die meiste Zeit, hatte öfters Atemaussetzer, wurde immer schwächer und konnte eigentlich nie mehr ihr Bett verlassen (hauptsächlich wegen der Übelkeit). Ein Palliativteam unterstützte uns. Sie wurde über einen Port-A-Cat künstlich ernährt und erhielt auch darüber das Morphium.

Im Krankenhaus gingen ein paar Dinge schief, in Folge dessen meine Mutter zwei Mal extreme Schmerzen erleiden musste. Ab diesem Zeitpunkt war für meine Mutter endgültig klar, dass sie sterben möchte. Daraufhin haben wir mit meiner Mutter zusammen beschlossen, dass eine Palliative Sedierung durchgeführt werden soll. Dabei wird die Morphiumdosis über eine Morphiumpumpe erhöht und zusätzlich ein sedatives Medikament verabreicht, um das Bewusstsein zu dämpfen bzw. auszuschalten. Von da an hatte meine Mutter noch zwei mal Schmerzen, die Morphiumdosis wurde daraufhin auf Druck von uns erhöht (wir konnten uns nicht auf das Krankenhauspersonal in dieser Sache verlassen). Sie schlief fast die ganze Zeit, war nur für ein paar Minuten am Tag munter und halbwegs ansprechbar. In diesen Minuten machte sie Späße und schlief wieder ein. Wir verabschiedenden uns von ihr, sagten ihr, dass es Zeit wäre und in Ordnung sei, los zu lassen, dass wir sie sehr vermissen würden, dass sie bald sterben würde.

Diese Phase dauerte fünf 5 Tage lang. Im Laufe dieser fünf Tage wurde sie immer schwächer, dünner, ihre Gesichtszüge veränderten sich, ihre Nase wurde spitzer, die Wangen eingefallen. Sterbende entwickeln oft Atemaussetzer, die bis zu 45 Sekunden dauern können und in den letzten Stunden kann es zum sogenannten Todesrasseln kommen. Dieses Rasseln wird dadurch verursacht, dass Sterbende nicht mehr fähig sind, Speichel zu schlucken und Schleim abzuhusten. Dieses Rasseln soll für Sterbende kein Problem sein, für die Angehörigen kann es sehr belastend sein. Alle zwei Stunden wurde meine Mutter vom Pflegepersonal umgelegt, damit sie sich nicht wund liegt. Dann schlug sie oft kurz die Augen auf, verzog das Gesicht und man konnte sehen, wie anstrengend und belastend für sie diese Prozedur war.

Abends am 5. Tag, wurde das Rasseln plötzlich immer lauter und intensiver. Es hörte sich nicht mehr wie Rasseln an, sondern wie jemand, der ertrinken würde. Plötzlich riss sie die Augen auf, starrte in meine Richtung. Sie hob eine Hand, die ich ergriff. Ich streichelte über ihr Gesicht, eine Krankenschwester versuchte bestimmte Medikamente zu besorgen, um ihr das Atmen zu erleichtern. Die Vorstellung, dass meine Mutter ihr Sterben jetzt mitbekommen könnte, dass sie wieder halbwegs bei Bewusstsein sein könnte, dass sie an der Flüssigkeit in ihrer Lunge ertrinken könnte, brachte mich fast um den Verstand. Meine Mutter starrte mich an (oder vielleicht durch mich durch, ich weiß nicht, wie viel sie wirklich mitbekam), atmete heftig und ich konnte mich nur noch bei ihr entschuldigen (die Ärzte und ich hatten ihr versprochen, dass sie in Frieden einschlafen würde). Das dauerte geschätzte 10-15 Minuten (obwohl es mir wie 30 Minuten vorkam). Am Ende wanderten ihre Augen von oben nach unten und kurze Zeit später hörte ihr Herz auf zu schlagen. Die letzten 10-15 Minuten waren das intensivste, was ich je erlebt habe. Die Intensität, der Stress in dieser Zeit ist nur schwer zu beschreiben. Ich kann nur sagen, dass es nicht das friedliche Einschlafen war, dass ich mir vorgestellt hatte.

Woran sie letztlich gestorben ist - ich weiß es nicht. Extrem abgebaut hat sie eigentlich erst nach der palliativen Sedierung. Davor wirkte sie immer noch vergleichsweise stark - die Symptome der Metastasen waren für sie unerträglich, ihr Leiden schien endlos weiterzugehen (in schweren Momentan jammerte sie, sie sei zu zäh um schnell und bald zu sterben), eine vernünftige Lebensqualität war nicht mehr gegeben. Von daher denke ich manchmal, die Sedierung war der entscheidende Auslöser, um ihr Leiden und ihr Leben zu beenden. Für mich hatte es den Anschein einer semi-aktiven Sterbehilfe - bei der meine Mutter fünf Tage in einem Einzelzimmer im Krankenhaus dahinvegetieren musste.

Ich kann nur jedem empfehlen, der in einer vergleichsweisen Situation ist, sich mit dem Thema Sterben auseinanderzusetzen und entsprechende Vorkehrungen und Vorbereitungen zu treffen. Wir waren ein wenig unvorbereitet, weil wir bis zum Schluss gehofft hatten, doch noch etwas Zeit zu haben.

Ich wünsch euch alles Gute.
Andre

Geändert von guan (22.02.2014 um 15:10 Uhr)
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  #2  
Alt 26.02.2014, 00:46
prissi09 prissi09 ist offline
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Beiträge: 188
Standard AW: So ist meine Mutter gestorben

ich versuche auch, mich auf das Sterben vorzubereiten. Ich denke, dann wird es irgendwie leichter! aber das ist sicherlich ein Illisuon. und je mehr ich mich damit beschäftige, umso mehr Angst habe ich davor.
Letztendlich kann doch keiner sagen, wie es verläuft. man kann noch so viel darüber lesen....
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  #3  
Alt 04.03.2014, 15:00
Halbwaise Halbwaise ist offline
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Standard AW: So ist meine Mutter gestorben

Hallo lieber Andre,

die Geschichte kommt mir relativ bekannt vor...

Meine Mutter war 55 Jahre alt, als sie die Diagnose Nierenkrebs bekam. Durch viele Dinge, die seitens ihres Arztes und auch vom Krankenhaus her schief gegangen waren, bekamen wir die genaue Diagnose leider erst sehr spät.

Bei ihrer letzten Untersuchung (die das Ergebnis dann endlich bringen sollte) erlitt sie einen Herz-Kreislauf-Stillstand, auch die Lungenflügel waren beide eingefallen. Sie wurde reanimiert und ins künstliche Koma versetzt.

Tatsächlich bekamen wir dann nachmittags das Ergebnis. Klarzelliges Nierenzellkarzinom mit beidseitigen Lungenmetastasen und einer Hirnmetastase. Noch ca. 4 Monate zu leben.

Noch am gleichen Abend erhielten wir einen Anruf, wir sollen doch bitte schnell ins Krankenhaus kommen - ihr Zustand hat sich verschlechtert, sie wird noch diese Nacht sterben.
Als wir ankamen war sie ansprechbar, hing aber an den Maschinen und konnte somit nicht antworten.

Da sie Probleme mit der Beatmung hatte (Mund war deshalb ausgetrocknet, sie fühlte sich nicht wohl), bekamen wir den gleichen Vorschlag. Sie wird nur noch über die Nase beatmet, da das aber definitiv nicht reichen wird, erhält sie eine höhere Dosis Morphium, sodass sie die Atemprobleme nicht mitbekommt. Dann würde es noch ca. 2 Stunden dauern, bis sie geht.

Aus 2 Stunden wurden wesentlich mehr... die Werte blieben "leider" stabil, wo wir aber doch so sehr hofften, dass sie bald gehen darf.
Trotz hoher Morphiumdosis ist sie ständig "hoch geschreckt", hat sich total panisch umgesehen, meinen Vater gesucht, uns Kinder gesucht. Sobald sie wieder schlief, merkte man, wie sie immer tiefer fiel... trotzdem ist sie immer wieder hoch geschreckt. Sie gab Töne von sich, das war nicht mehr menschlich und ist auch nicht in Worte zu fassen.
Ihr Aussehen veränderte sich stark. Ein Auge schwoll total zu, laut Ärzten war das die Metastase, die am "explodieren" war und entsprechend drückte. Die vielen Flecken am Körper. Der Knorpel an den Ohren weichte... es war einfach nur schlimm mit anzusehen. Und immer wieder dieses Hochschrecken, panisch, verzweifelt.

Während sie im Sterben lag, wurde sie ebenfalls ständig umgezogen um "frisch zu sein", gewaschen... ich glaube, das Nachthemd war in dem Moment das letzte, an das meine Mutter dachte. Auch wurde sie in ihrer Sterbephase nochmals verlegt, sodass wir ein Einzelzimmer hatten. Trotz allem war es unheimlicher Stress für sie, und das ausgerechnet in den letzten Stunden ihres Lebens.

Wie du merkst, war deine Mutter leider kein Einzelfall. Mit Sicherheit gibt es auch viele Menschen, die friedlicher einschlafen können und dürfen.

Ich weiß genau, was du durch gemacht hast und wie schlimm die Situation für die Angehörigen ist. Man ist so verzweifelt, hilflos, will keinen geliebten Menschen so sehen, man will so viel machen, aber leider sind einem die Hände gebunden.

Bei meiner Mama sind es nun diesen Monat schon 1,5 Jahre her... trotz allem fühlt es sich an, als wäre es gestern gewesen. Ich habe lange gebraucht, bis mein Trauerprozess überhaupt angefangen hat. Das hat erst nach ca. einem Jahr angefangen, letztes Jahr Oktober... langsam merke ich, was es heißt, dass die Mutter gestorben ist. Ich vermisse sie mehr denn je.

Ich wünsche dir unheimlich viel Kraft. Der Verlust und Schmerz ist noch sehr frisch...

Falls du jemanden zum Reden brauchst, wirst du hier ganz viele Menschen finden, die ein offenes Ohr haben. Unter anderem auch mich

Alles Gute für dich!!
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  #4  
Alt 04.03.2014, 16:33
MissMabel83 MissMabel83 ist offline
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Beiträge: 73
Standard AW: So ist meine Mutter gestorben

Guten Tag ihr Lieben,

Wahnsinn was manche Menschen durchmachen müssen...Eure Geschichten berühren mich sehr. Habe auch meine Mama mit 52 Jahren an EK verloren. Mir haben einige Bücher von Elisabeth Kübler Ross geholfen damit umzugehen und die Gespräche mit meiner Mama.

Alles gute für euch.

Carolin
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  #5  
Alt 05.03.2014, 02:31
Bine 60 Bine 60 ist offline
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Standard AW: So ist meine Mutter gestorben

Lieber Andre,

ich weiß selbst aus eigener Erfahrung, was es heißt, einem Sterbenden beizustehen. Ich habe meinen Mann zu Hause betreut, wo er auch verstorben ist.
Es ist aber sehr schwer, Antworten auf Fragen zu bekommen. Fragen, die anscheinend zu einem Tabuthema gehören, denn in unserer heutigen Gesellschaft wird das Sterben doch einfach ausgegrenzt, der Sterbende wird abgeschoben. Und ich finde, der Sterbende sollte nach Möglichkeit zu Hause, vielleicht auch in einem Hospiz sterben.
Ich hätte gerne in der Zeit, als Wolfgang noch am Leben war mehr über das Thema Sterbebegleitung erfahren. Nur wo und von wem? Er hatte Pflegestufe 2, und deshalb gab es von der Pflegekasse die Info, daß mir ein " Kurs für pflegende Angehörige" zustehen würde. Au toll, dachte ich. Meine Fragen könnten beantwortet werden, ich wollte nicht einfach nur in Büchern lesen.
Aber es ist nicht einfach, nicht mal in Berlin so einen Kurs zu finden. Angeboten wurde mir nur, daß jemand zu uns nach Hause kommt. Wie erklärt man jemanden, der vom Sterben noch weit entfernt ist, der es nicht wahr haben will, daß es vielleicht bald zu Ende sein könnte, daß man mit der Dame/ Herr, die da kommt über das Sterben spricht. Das kam für mich nicht in Frage. Ich wollte die Fragen nicht im Beisein von meinem Mann besprechen. (Wobei, ich hatte Fragen ja nicht nur zum Sterben, sondern zur Pflege generell, also auch über das Windeln. Zu diesem Zeitpunkt ging er noch selbstständig zur Toilette)
Aber ich war hartnäckig und habe einen Kurs gefunden. Anscheinend besteht aber wenig Bedarf an einem 20- Stunden - Kurs, obwohl ich es jedem nur empfehlen kann.
Und ich bekam eine Kurzeinweisung, wie Sterben aussehen kann. Zu kurz wie ich empfinde. Außerdem war das Sterben noch weit entfernt, woher sollte ich da wissen, was ich für Fragen habe werde?

Und dann war ich in der Sterbephase mit meinem Mann zu Hause. Das Sterben dauerte über eine Woche. Ich hatte zwar einen Palliativarzt, der mit einem Palliativteam zusammenarbeitete. Aber diese Menschen kamen auch nur zweimal am Tag.( Sie waren aber in Notfällen für mich rund um die Uhr erreichbar). Man hat mir zwar geholfen, man hat sich auch für mich Zeit genommen, aber ich hatte Angst. Angst irgendetwas falsch zu machen, etwas zu vergessen. Ich habe/ mußte ihm die Spritzen zur Beruhigung (Midazolam) und zur Schmerzbekämpfung (Morphium) selbst geben. Zum Glück bekam mein Mann seit Monaten schon täglich eine Spritze zur Blutgerinnungshemmung, sodaß ich mit den Spritzen in den Bauch keine Probleme hatte. Er bekam dann auch einen "Schmetterling" gelegt, da wurde es dann noch einfacher.

Ich weiß nicht, ob es für ihn einfach war zu sterben. Wahrscheinlich, ich hoffe es. Und ich hoffe, daß ich ihm auch seine Schmerzen nehmen konnte.
Er hat sich aber schwer getan "loszulassen". Einfach zu gehen. Ich weiß, er hatte noch etwas "aufzuarbeiten". Mit seiner Tochter, mit seinem Sohn.

Am Sonntag, als er gestorben ist, ging sein Atem monoton, wie einen Maschine, ein Roboter. Immer ein und aus. Stundenlang. Christian vom Palliativteam war morgens da, und sagte, daß es nicht mehr lange dauern würde. Morgen spätestens übermorgen.
Am Abend kam Adam vom Pallitivdienst. Gleiche Aussage. Wir saßen im Wohnzimmer, er erledigte seinen Schreibkram und redete mit mir. Dann wollte er sich verabschieden. Wir gingen ins Schlafzimmer, er sagte auf Wiedersehen Herr K. und da änderte mein Mann seinen Atemrhythmus. Mein Mann war bereit zu gehen. Und er wollte nicht, daß ich alleine bin. Daran glaube ich, nein ich weiß es.
Ich hielt seine Hand, streichelte sie und sagte ihm, daß er gehen könne. Er soll mal gucken, ob seine Mama oder ob seine Oma dasei. Er solle mit ihnen gehen. (In den Tagen vorher hatte ich das Gefühl, als ob er sie sehen würde). Und dann ging er. Er guckte mich noch einmal an, tat noch einen oder zwei Atemzüge.
Ich hatte vor diesem Augenblick wahnsinnige Angst, heute kann ich sagen, daß ich mit mehr Informationen besser vorbereitet gewesen wäre.

Aus diesem Grunde habe ich mich auch entschlossen, ehrenamtlich im ambulanten Horpizdienst zu arbeiten, meine Erfahrungen weiter zu geben und den Familienangehörigen die Ängste zu nehmen. Dafür gibt es Kurse, die ich demnächst machen werde.

Als er noch lebte hatte ich vor dem kommenden schreckliche Angst: vor seinem Tod, vor seinem toten Körper. Wer ist von uns denn schon damit konfrontiert worden? Und als es soweit war, als er starb, habe ich das Angebot wahrgenommen, daß er noch 36 Stunden zu Hause bleiben durfte. Ich habe ihn gewaschen, ihn eingecremt, ihn rasiert und gekämmt. Ich habe ihm seine Lieblingskleidung angezogen. All das konnte ich. Und es war gut so.

Ich hoffe, daß ich euch mit meiner Erfahrung weiterhelfen konnte. Daß es auch "gutes und einfaches" Sterben geben kann.

Liebe, aber auch traurige Grüße von Sabine.
__________________

mein Mann: nichtkleinzelliges Bronchialkarzinom // cT2a N2 M1b / Stadium IV //ED: 1.6.2012
Metastasen: linke Schulter und BWK-1 seit Juni 2012
Hautmetastase hinter dem Ohr seit April 2013

austherapiert seit 2.7.2013, seitdem wartend und hoffend

verstorben am 27.10.2013, zu Hause, in meinen Armen
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  #6  
Alt 07.06.2014, 02:28
marcel94 marcel94 ist offline
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Beiträge: 2
Standard AW: So ist meine Mutter gestorben

Hallo,
Mein herzlichstes Beileid... ,
Es tut mir leid sowas zu lesen, und ich bewundere deinen mut so offen zu reden...

Ich weis nicht wie ich am besten mich formulieren soll, deswegen will ich mich schonmal entschuldigen falls ich irgendwas falsch sage,..

Mir gehen diese situationen wo ihr durchmacht einfach nahe, dass ich meine augen von euren texten nicht abwenden kann,.. ich möchte ich mich für eure offenheit bedanken.
Ich bin zur zeit auch von sorgen und verzweiflung geplagt, sowie von ängsten. Meine mutter 49 ist auch an krebs erkrankt, und hat nierenkrebs, innerhalb des letzten jahres hat sie sehr viel an gewicht verloren und hustet sehr viel, mir ist gestern erst aufgefallen das sie im vergleich zu den letzten 2 monaten immer mehr und öfter hustenanfälle bekommt, ihre haare fallen ihr raus, und ich als sohn seh ihr an wie sie .. ich sag jetzt abbaut, sie kocht für uns kinder , isst aber selber nur kleine bisse, sie sagt immer sie habe kein hunger, jetzt sind es bald 4 jahre wo sie an nierenkrebs erkrankt ist, von meinem vater weis ich das man da nichts mehr machen kann, sie bekommt nur noch tabletten die das alles hinauszögern. Mich hat diese situation jetzt so getroffen das ich an depressionen leide, mich aber in therapie begebem habe. Ich weis noch wie ich ihre hand gehalten hab als sie in der intensivstation lag um sich von ihrer nieren op zu erholen.
Das sie krebs hat damit hab ich mich abgefunden... muss ich ja leider, weil man sich jetuz nichts mehr einreden kann.
Das was mich aber richtig fertig macht ist , das ich einfach merk wie die krankheit meine mutter psychisch kaputt macht, die stimmung daheim ist nicht mehr so wie sie mal wahr, und je länger sie die krankheit hat frag ich mich immer mehr ,wie lang sie noch hat, weil man es ihr einfach ansieht.

Ich habe mich auch mit dem thema tod beschäftig, und ich bin sehr dankbar für des das du von deinem erlebnis berichtet hast, es gibt mir kraft zu wissen das ich nicht der einzige bin der diese verzweiflung in sich trägt und einen weg mich ein wenig darauf vorzibereiten.und ich danke diesem forum dafür das man zugehört wird, das man seine sorgen reinschreiben kann und alles.

Ich denke an dich, bzw an euch alle und wünsche euch sehr viel kraft.

Lg marcel
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  #7  
Alt 20.06.2014, 02:25
erikaman erikaman ist offline
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Standard AW: So ist meine Mutter gestorben

Es tut mir wahnsinnig leid, dass du so eine schlimme Erfahrung machen mußtest.
Wahrscheinlich ist es aber immer anders.
Meine Mama hat von Anfang an eine Morphiumpumpe gehabt, sie war vielleicht 1/2 Stunde bei klarem Verstand, dass sie äußern konnte, Schmerzen zu haben.
Die Pumpe hat ihr dann alles Empfinden-Gott sei Dank-genommen.
15 Stunden hat sie gelegen, es wurde auch nicht der Schleim entfernt, sie hat auch extrem geröchelt.
Der eigentliche Sterbeprozeß bei meiner Mama hat ca. 3 Minuten gedauert.
Den Moment und diesen ganzen Tag werde ich nie vergessen, aber im Vergleich zu Dir, ging alles doch besser.
Dank nochmals an die Palliativstation im Behring-Krankenhaus Berlin.
Ich drück Dich ganz doll,
bin noch lange nicht darüber hinweg, Du mit Sicherheit auch nicht.
Liebe Grüße Majo
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  #8  
Alt 04.07.2014, 09:13
mutti-vation mutti-vation ist offline
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Standard AW: So ist meine Mutter gestorben

Lieber Andre,
vielen Dank für deine Zeilen, wozu man ja auch Mut braucht.

Ich möchte auch von meiner Mutti erzählen.
Meine Mutti ist im Mai gestorben. Sie war Ende Februar erkrankt und kam nach verschiedenen Stationen dann auf die Palliativstation. Es ging ihr eeiiigentlich besser, aber so wirklich auch nicht. Sie hatte viel viel Nachdenkzeit und so hatte sie mehr Pflege, mehr Ansprechpartner durch all die tollen Pfleger,Schwestern und Ärzten- das hat ihr gut getan...aber es war ein Wettlauf und WOLLEN reicht eben nicht immer... mir machen Sätze wie-du darfst jetzt nicht aufgeben! Du musst kämpfen! usw inzwischen sehr zu schaffen und sehr wütend, denn "wir" haben gut reden...
Aber trotzdem hatte sie immer mehr abgebaut...dann durfte sie plötzlich nach Hause, dort war sie 2 Tage glücklich und in der zweiten Nacht weckte sie meinen Vater wegen Atemproblemen. So kam der Notarzt und meine Mutti kam auf die ITS.
Am nächsten Früh rief mein Vater mich weinend an, meine Mutti wurde auf die Onkologie verlegt und hatte ihn gebeten zu kommen, um über den Friedhof zu sprechen
Ich bin mit, denn er schaffte es nicht und so redeten wir immer, wenn er rauchen oder weinen war, über alles, was sie wollte...
Am nächsten Tag kamen wir ins Zimmer und meine Mutti lag da und phantasierte. Es war kein Arzt weit und breit zu sehen, nur Azubis, die in Deckung gingen...wir haben ihr versucht, zu trinken zu geben, ihre Stirn gekühlt mit einem Lappen, sie versucht, so zu legen, dass es ihr besser geht.
Meine Mutti hat gesprochen, unverständlich, und dabei immer zur Zimmerdecke geguckt. Sie hat diskutiert, aber unverständlich. Dann hat sie sich umgedreht und hat mich voll angesehen und ihre Augen waren sooo voller Liebe, und Lächeln, sie hat von innen gestrahlt, ich kann es einfach nicht beschreiben, es ist wie in einem schönen Film...es war ein Augen-Liebe-Strahlen, wie ich es noch niiie gesehen hatte von jemanden...ich habe mit ihr gesprochen, auch voll von Liebe, dann drehte sie sich wieder rum und phantasierte wieder zur Zimmerdecke hoch und fuchtelte mit den Armen.Das
machte sie im Wechsel ganz oft so, erkannte auch meinen Vater und lächelte ihn genau so an wie mich. Zwischendurch atmete sie schwer. Immer, wenn wir uns bewegten, wurde sie wieder "halb-wach" und "diskutierte" wieder zur Decke hoch.
Später kam mein Bruder und Schwägerin, aber da hat meine Mutti niemanden mehr erkannt. Mein Bruder ging einen Arzt suchen oder Schwester- die ganze Station war wie ausgestorben...
Dann beratschlagten wir draußen, was mir machen...ich schlug eine Sitzwache vor und aber am Ende entschieden wir, heimzufahren, damit sie zur Ruhe kommt, denn immer, wenn wir bei ihr saßen und auch nur einer sich kurz bewegte oder wir sie berührten, ging die Luftknappheit bei meiner Mutti wieder los und auch das unruhige Phantasieren.
Also fuhren wir heim....abends dann bekam ich einen Weinkrampf, ich wollte unbedingt zu meine Mutti. Dann im Bett fing ich wieder an und es hörte nicht auf, das Weinen...mein Schatz machte sich riesig Sorgen um mich- ich konnte mich einfach nicht beruhigen.

Früh 02:15 dann bekam ich einen Anruf vom Krankenhaus. Meine Mutti war verstorben eine Stunde vorher....

Was mich quält, sind Fragen wie: Hat sie nun allein leiden und bleiben müssen? Blieb sie bis zum Schluss in diesem 2-Bettzimmer oder wurde sie woanders hingebracht und war sie da völlig allein, also war jemand da oder guckten die Schwestern einfach nur aller halbe Stunde mal hin?
Das macht mir so zu schaffen, ich habe Schuldgefühle und es tut mir soooo leid, denn wir hätten da bleiben können bei ihr für sie... 7 Stunden allein gekämpft hat sie ja noch...DAS wollte ich NIE für meine Mutti!

Wenn das hochkommt, spricht sie mit mir: "Es ist ja nun vorbei." sagt sie. Immer diesen einen Satz als Trost. Ich höre da aber auch heraus, das es schwer für sie war.

Habt lieben Dank für euer Lesen !

mutti-vation
__________________
Meine kleine starke Mama !

30.Mai 1943 - 21.Mai 2014
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  #9  
Alt 06.07.2014, 01:52
erikaman erikaman ist offline
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Registriert seit: 02.06.2012
Ort: berlin
Beiträge: 17
Standard AW: So ist meine Mutter gestorben

Hallo,ich weiß, wie schwer das alles ist.
Ich bin geblieben, meine Mama ist einen ganzen Tag lang gestorben.
Morgens um 8 haben wir die Nachricht bekommen. Kurz konnte sie sich noch äußern, dann hat sie 15 Stunden gebraucht, bis sie gehen konnte.
Meine Schwester und ich wußten, dass wir nicht nach Hause gehen konnten, weil wir wußten, dass Mama geht.
Schade, dass Du es nicht konntest, aber mach Dir trotzdem keinen Vorwurf.
Ich bin mir sicher, dass es für Mama gut war, aber für mich letztendlich nicht. Ich bin in ein depressives Loch gefallen, das ich nur mit Medikamenten überwinden kann.
Egal wie, ich bin unendlich dankbar und stolz auf meine Schwester und mich, allein lasse wäre nicht drin gewesen.
Majo
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