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  #1  
Alt 27.09.2006, 16:14
Lea75 Lea75 ist offline
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Registriert seit: 27.09.2006
Beiträge: 7
Frage Hilflose Lehrerin

Hallo! Ich bin selbst keine Betroffene, aber Lehrerin eines 15 jährigen Mädchens mit Knochenkrebs. - Und ich hoffe, dass Ihr mir vielleicht ein paar Tipps im Umgang mit ihr geben könnt.
Sie hat ihre Diagnose vor etwa 3 Jahren bekommen hat seit dem unzählige Therapien hinter sich gebracht, Lungenmetastasen gehabt (OP), eine Prothese bekommen und geht nun seit etwa 1 1/2 Jahren recht regelmäßig wieder zur Schule. Sie war auch in psychologischer Behandlung, aber hielt selbst wenig davon. Sie spricht mit mit und anderen offen über die Krankheit,- aber auf sehr sachlicher Ebene.

Nun mein Problem: Ihr Verhalten innerhalb der Klasse und auch gegenüber anderen Lehrern (selten bei mir) ist oft sehr problematisch. Sie ist extrem launisch und ist oft sehr hart und bestimmend zu ihren Mitschülern. - Allerdings ist sie genauso hart gegen sich selbst. Oft zieht sie sich total zurück. In der Regel bin ich die einzige, die sie wieder an sich ran läßt.

In letzter Zeit verletzt sie sich sehr häufig, z.B. im Sport. Viele meiner Kollegen meinen, dass sie das absichtlich tut, um Aufmerksamkeit zu bekommen. -Erhält sie diese dann, so reagiert sie sehr aufbrausend und abweisend. Duldet absolut kein "Mitleid". Vor allem wenn ein Krankenhausbesuch ansteht (sie war auf den Kopf gefallen), flippt sie aus.
In den meisten Fällen (z.B. wenn sie den ganzen Tag nichts essen will), lasse ich sie selbst entscheiden und nerve auch nicht, denn ich denke, dass sie ihren Körper gut genug kennt. - Aber manchmal muss ich eben Lehrerin sein - und sie zum Arzt schicken.
Ich kann ganz schlecht einschätzen, was "Show" ist und was echt. Letzte Woche sagte sie, dass die an ihrem Geburtstag am liebsten von der Brücke springen würde, das alles eh keinen Sinn machen würde. Den Abend vor ihrem Geburtstag habe ich die Krise gekriegt und bei ihr angerufen. - "Nein, es ist alles o.k.".

Ich denke manchmal, dass ihr Verhalten eigentlich eher "normal" ist, als wenn sie das ruhige brave Mädchen wäre. Sie hat echt schon irre viel durchgemacht. - Und wer weiß, wie lange es ihr noch so "gut" geht, wie im Moment.
Meine Kollegen meinen, dass ich härter durchgreifen muss, ihr nicht so viel Aufmerksamkeit schenken darf. Auch viele ihrer Klassenkameraden sind sehr genervt von ihrem Verhalten und distanzieren sich, bzw haben sie auch schon gemobbt.

Habt ihr ein paar Tipps für mich? Kennt ihr dieses Verhalten auch?
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  #2  
Alt 27.09.2006, 16:33
krabat krabat ist offline
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Registriert seit: 25.08.2005
Beiträge: 20
Standard AW: Hilflose Lehrerin

Nein, leider habe ich da keine Erfahrung.
Aber vielleicht eine Idee. Was wäre, wenn Du mal so tust, oder es wenigstens durchdenkst, mit Kollegen besprichst oder so, als ob besagtes Mädchen nie Krebs gehabt hätte?
Mehr will ich dazu gar nicht sagen. Deine/Eure Erkenntnisse würden mich interessieren.

Gruss
Krabat
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  #3  
Alt 28.09.2006, 17:57
Lea75 Lea75 ist offline
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Registriert seit: 27.09.2006
Beiträge: 7
Standard AW: Hilflose Lehrerin

Interessanter Gedanke.
Wobei ich sagen würde, dass meine Kollegen das schon quasi so sehen - und die Kids sowieso. Man sieht ihr die Krankheit nicht mehr an - außer dass sie humpelt. Aber das tun die meisten meiner anderen Schüler auch - ich arbeite an einer Schule für Körperbehinderte.
Ich dachte halt, wenn ich mich mehr mit der Krankheit und deren Folgen auseinandersetze, kann ich das Verhalten vielleicht besser verstehen. Nicht dass das alles entschuldigt, aber es wird nachvollziehbarer. Oder?
Naja, werde mal noch weiter darüber nachdenken. Danke für den Tipp!
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  #4  
Alt 30.09.2006, 07:27
Nicola Nicola ist offline
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Registriert seit: 17.11.2005
Beiträge: 119
Standard AW: Hilflose Lehrerin

Hallo Lea!

Das ist echt toll, dass du dich für deine Schülerin so einsetzt.
Ich denke nicht, dass man den Krebs ignorieren sollte. Scheinbar kann sie ja damit umgehen und hat gelernt damit zu leben.
Das sie hart zu sich selbst ist und zu Anderen ist auch verständlich. Sie hat viel durchgemacht und es durchgehalten, (sie weiß, wie stark sie ist) und wenn sie das kann, dann kann sie es auch von Anderen erwarten.
Dieses Zickige verhalten würde ich aber als relativ harmloses pupertäres Verhalten einstufen. Vielleicht ist es extremer als bei anderen Kindern, aber bei dieser Vorgeschichte.
Und ihre Verletzungen: hatte sie lange Chemo? Vielleicht sprichst du mal mit ihr darüber. Es gibt viele Menschen, die nach einer langwierigen Chemo Konzentrationsprobleme haben, warum dann nicht auch Koordinationsprobleme? Zumindest könntest du sie mal fragen, ob ihr das aufgefallen ist.


Liebe Grüße
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  #5  
Alt 01.10.2006, 12:29
Benutzerbild von struwwelpeter
struwwelpeter struwwelpeter ist offline
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Registriert seit: 19.08.2006
Beiträge: 3.460
Standard AW: Hilflose Lehrerin

Liebe Lea, geschrieben hatte ich ja bereits einiges - auch erst an die falsche Adresse. Allerdings bekam ich heute eine Mail, in der mir vorgeschlagen wurde, dieses auch in Deinem Thread zu setzen. Und es gehört ja auch irgendwie dort hin!
Hier Auszüge zu dem, was ich bereits geschrieben hatte, etwas sortierter vielleicht.
Zitat von struwwelpeter
Liebe Lea,
dieser Einsatz von Dir ist wirklich wunderbar und bemerkenswert dazu!
Ich bin Betroffene (allerdings andere Erkrankung), und kann mir sehr gut vorstellen, wie es in diesem Mädchen aussieht. Sie kommt mir der Krankheit selbst klar, nur weiß sie nicht, wie sie mit der Behinderung und mit ihrer Umwelt in Einklang kommen kann. Sie ist mitten in der Pupertät, sie wollte so wie jeder Andere das Leben leben. Tanzen, Lachen und Party`s, eben alles was dazu gehört. Nun glaubt sie, mit ihrer Behinderung ist sie Außenstehende, sie kann nicht mehr so leben, wie sie es wollte. Sie versteht sich nicht mitzuteilen, hat Angst vor ihren eigenen Ängsten. Ich glaube nicht, daß sie jemand verletzen möchte, vielmehr glaube ich, sie hat für sich noch keine andere Möglichkeit gefunden, sich mitzuteilen. Liebe Lea, sie redet mit Ihnen, das ist ein guter Ansatz, eine Vertrauensbasis. Darauf kann man aufbauen.
Für mich sind das Hilferufe, sie müßen nur erhört werden. Es spielt eine Rolle, wie in ihrer Familie mit der Situation umgegangen wird - ob es inzwischen als normal eingestuft ist. Und die Frage taucht auch bei mir auf: WIEVIEL WÄRME UND GEBORGENHEIT HAT SIE ZUHAUSE? Dabei zählen gar nicht mehr die Materiellen Dinge des Lebens. Nein, es ist nicht normal, und die Ängste und Sorgen bleiben auch bei diesem Mädchen. Ich könnte mir selbst gut vorstellen, dass sie mal für eine Ferienzeit o.ä. mit Leuten in Verbindung kommt, die ähnliche Probleme haben. Dort könnte sie ( vorausgesetzt das gibt es ) lernen, besser mit sich und der Krankheit, mit der Gesellschaft gerechter umzugehen.
Ich bin (war ) Betreuer bei Schwerstbehinderten gewesen, leider nicht mehr, aber bei dieser Arbeit sieht man oft solche Probleme. Wichtig wäre ganz sicher auch, wenn sie eine Gruppentherapie macht, wo sie von Gleichaltrigen reflektiert und kritisiert wird, die auch Probleme haben. Es wird ganz sicher immer wieder vorkommen, das sie Verhaltensauffällig wird, doch mit dem richtigen Einsatz kann dies sicherlich in Grenzen gehalten werden und sie lernt, sich selbst wieder zu lieben und zu achten, sowie die Mitmenschen auch.

Ich finde es wunderbar***Dieser Einsatz ist alles Wert***Die Jugendzeit geht viel zu schnell vorbei!
Anregung: Es gibt die Einrichtung " Herzenswünsche "! Vielleicht bekommt man ihren Herzenswunsch raus - vielleicht kann die gesamte Klasse aktiv sich mit dieser Einrichtung einmal in Verbindung setzen. Ein Versuch wäre es wert - so kann die Angst des Mädchens vor Nähe evtl. eingerissen werden.
Es ist eine überarbeitete Version, ich hoffe, nichts vergessen zu haben.


Viel Viel Erfolg
struwwelpeter

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  #6  
Alt 01.10.2006, 14:29
Benutzerbild von struwwelpeter
struwwelpeter struwwelpeter ist offline
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Registriert seit: 19.08.2006
Beiträge: 3.460
Daumen hoch AW: Hilflose Lehrerin

Sorry, ich noch einmal
Als "Swantje"(ein Name für sie, damit es sich leichter formulieren läßt) erkrankt war, war sie gerade mal 11 oder 12 Jahre alt. Sie hat in dieser Zeit garantiert nicht an ihre einsetzende Pupertät, an einen Freund oder Zärtlichkeitsaustausch gedacht. All das wird sie allerdings jetzt mit 15 Jahren bei ihren Freundinnen und Freunden sehen und sich selbst auch danach sehnen! Auch in diesem Bereich besteht die Möglichkeit, daß sie nicht für sich an dergleichen glaubt. Sie steht an einer anderen Stelle, selbst dann, wenn sie es nur so sieht! Tatsächlich ist es jedoch gerade häufig in diesem Alter so, das Unterschiede gemacht werden. Swantje kann nicht mehr das Bieten, was alle anderen haben, die körperliche und auch die seelische Freiheit, das wird sie garantiert von sich glauben. Sie befindet sich ganz sicher in einem schweren Konflikt mit sich selbst. Sie braucht Hilfe, jemand der ihr zeigt, daß das Leben auch so schön weiter gelebt werden kann. Die Werte verschieben sich nur.
Das ist etwas, was mir hierzu noch eingefallen ist - könnte interessant für ein Gesprächsaufbau sein.

struwwelpeter
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