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  #1  
Alt 29.09.2006, 20:36
ixitrixi ixitrixi ist offline
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Standard Weibliche Identität und die Gebärmutter

MORITAT

Jetzt holen sie sie raus.

Mein archaischstes Organ. Es dämmert mir, dass mir das höchstens zur Hälfte Freude bereitet. Ich würde mich doch nicht allen Ernstes über meine Gebärmutter identifizieren, fragt halb erstaunt, halb entrüstet meine Gyn. Was heißt schon, mich „über sie identifizieren“? Sicherlich tu ich dies nicht in Bezug auf meine intellektuelle Identität.

Die Frage stellt sich plötzlich konkreter als irgendwann zuvor: Wie ist sie denn genau, meine „weibliche Identität“? Oder: Was an meiner Identität ist weiblich? Ganz zweifelsfrei mein Körper, mein Körperempfinden. Wie wird sich das ohne die Gebärmutter verändern? Wird es sich überhaupt verändern? Oder verändert sich nur die Vorstellung, die ich von meinem Körper habe?

Meine kleine Umfrage hat ergeben, dass angeblich der Orgasmus unverändert bleibt. Schön. Vielen Dank. Immerhin sehr erfreulich. Mit der Tatsache, dass sich die Verhütungsfrage nie wirklich in einer für mich befriedigenden Art und Weise beantworten ließ, hatte ich mich inzwischen auch mal mehr, mal weniger, abgefunden. Jetzt ist diese Frage endgültig und hundertprozentig geklärt. Vorbei das schizophrene Spielen mit dem Schwanger werden. Wenigstens in dieser einen Hinsicht bin ich jetzt sozusagen in Sicherheit vor mir selbst.

Die Auswirkungen der zyklischen körperlichen Veränderung, so mein Gedanke, die könnten schwächer werden. Immerhin wird nicht mehr jeden Monat eine neue Schleimhaut aufgebaut. Da die Eierstöcke drin bleiben, bleibt der hormonelle Zyklus eigentlich vorerst zwar der gleiche. Ist ja noch ein paar Jahre hin bis zu den Wechseljahren. Aber sichtbar wird er nicht mehr sein. Keine Blutung mehr. Abrupt, nie mehr. Das, was sich sonst in einem langsamen Prozess vollzieht. Das, was immer lästig war, plötzlich weg - -

Es wird auch eine nostalgische Erinnerung sein: die zusammengekrümmten Nachmittage mit Wärmflasche auf dem Sofa, schön regelmäßig, alle 26 Tage einmal. Die Gemütlichkeit dieser totalen Introversion. Zyklus ohne Blutung wird demnächst sein wie Jahreszeitenwandel ohne Laubwechsel. Fremd. Und ohne Eierstöcke wäre es direkt so, wie ein Umzug in die Tropen: nicht mal die Jahreszeiten mehr.

Gebärmutter: der Name sagt es, sie ist zum Gebären. „Austragen, zu Ende tragen“. Ein „Bär“ steckt auch drin, witzig. Ist aber, laut Lexikon, etymologisch unrichtig, dieses „ä“. Da ich schon eine erwachsene Tochter habe und mir für weitere Kinder a) der Mann und b) die Energie fehlen, brauche ich meine schöne Gebärmutter also nicht mehr wirklich. Eigentlich kann ich mich glücklich schätzen, dass mir der blöde Krebs erst jetzt passiert. Mikroinvasiv, das heißt, er hat noch nicht gestreut, gerade nochmal Schwein gehabt, kein Grund zur Panik, kein Drama.

Aber die Fantasien, die diese bevorstehende Operation auslöst, sind doch ganz erstaunlich. Der letzte Rest eines Kinderwunsches meldet sich plötzlich, und mit ihm die Frage: von wem hätte ich denn gern noch eins gehabt, von Roland, Ricky oder dem Vater meiner Tochter? Um nur die stilistisch gekürzte Variante der Liste zu nennen. Die Antwort ist Ricky, und ich dachte, über ihn wäre ich endlich weg. Bin ich vielleicht sogar, aber ein Kind hätte ich trotzdem noch gern von ihm gehabt, dem alten Blödmann. Und von dem Vater meiner Tochter eigentlich auch. Aber der war leider nicht mehr da. Und mit den anderen hätte es alles sowieso nicht richtig zusammengepasst. Vielleicht ist es besser so, wie es ist.

Ich bin meiner Gebärmutter dankbar für meine wundervolle Tochter!

Auch versuche ich, mir die Vorteile auszumalen, die das jetzt alles haben könnte: mehr Platz im Bauch, vielleicht auch für die Blase, vielleicht muss ich in Zukunft nicht mehr so oft zur Toilette. Endlich erwachsen, weil kein „Pipimädchen“ mehr… Vielleicht werde ich mich auch insgesamt leichter und fitter fühlen, wieder so ein bisschen „zum Bäume ausreißen“ wie damals mit fünf Jahren, bevor die Hormone begannen, ihr Unwesen zu treiben. Bevor es anfing, dass ich regelmäßig einmal im Monat in den Boden gezogen wurde. Bevor ich mich an den Tagen davor so schwer und zugleich schwach fühlte, dass selbst das Hochheben eines Päckchens Zucker sich zuweilen anstrengend anfühlte. Es ist schon interessant, was für Ausmaße ein Gefühl der Schwäche selbst in relativ jungen Jahren haben kann.

Und wenn ich überlege, wie lange ich dafür gebraucht habe, diese Zustände als mir zugehörig anzunehmen; mich ihnen hinzugeben, ohne mich auch noch zusätzlich selbst mit Depressionen für das Schwachsein zu bestrafen; denn das habe ich gelernt – entgegen all denjenigen Stimmen, die mir diese Seite des Weiblichseins unbedingt aberkennen wollten. „Reiß Dich doch mal ein bisschen zusammen“, so die vermeintlich konstruktive, in Wahrheit aber aggressive Aufmunterung mancher Männer.

Jetzt muss ich mir nur noch die Freude darüber zugestehen, dass es mit diesen Zuständen auch wieder ein Ende hat. Denn das ist meine stille Hoffnung. Ohne dabei zu denken, mir ginge ein Stück Weiblichkeit verloren. Zumindest keins, auf das ich nicht gut verzichten könnte. Wenn ich Weiblichsein nicht im masochistischen Sinne verstehen will.

Ganz ungeachtet des Standes, den die Medizintechnik inzwischen erlangt hat, und auch ungeachtet der Tatsache, dass ich die Operation vermutlich mit nur sehr geringen, womöglich sogar gänzlich ohne jede Schmerzen überstehen werde, erscheint mir das Entfernen der Gebärmutter schon wie ein Akt der Gewalt.

In ihr entsteht das Leben. Der Urquell. Dieses Mysterium, der Ort, vor dem die Männer sich fürchten, um den sie uns beneiden. Den sie erobern wollen, um an ihm ihre Kräfte zu erneuern. Die warme, kuschelige Höhle, in der mein Baby herangewachsen ist.

Darüber, dass auch in mir Urmütterlichkeit steckt, war ich selbst damals überrascht. Und erfreut. Darauf war ich nicht vorbereitet. Deshalb habe ich jetzt, wenn ich nicht für meine Gebärmutter kämpfe, so ein klitzekleines Gefühl von Schuld. So, als würde ich diese archetypische Form der Weiblichkeit verraten, im Stich lassen. Doch nicht wirklich Frau sein wollen? Und hier erneut die Frage: Was bedeutet das eigentlich?

Aber das Risiko ist mir zu groß. Wer weiß schon, ob selbst bei regelmäßigen Vorsorgen eine erneute bösartige Veränderung tatsächlich rechtzeitig erkannt wird? Ich habe keine Lust, mein Leben auf dem Altar der Weiblichkeit zu opfern.

Und würde ich vor die Wahl gestellt, mich zwischen meinem Kopfhaar, das auch langsam schütter wird, und der Gebärmutter zu entscheiden, muss ich gestehen, dass die Eitelkeit größer wäre. Ich würde mich für die Haare entscheiden, ganz klar.

So ziehe ich denn die Konsequenzen aus meiner Ambivalenz.

Vorbei die Hysterie. Es lebe der Uterus.

Womb und tomb, im Englischen reimen sie sich, der Mutterleib und das Grab. Hier sind wir am Anfang, dort am Ende des Lebens. Quasi Antonyme. Obwohl sie etymologisch nichts miteinander verbindet: vulva und tumba.
Kleine, feine, freie, kuriose Herleitung:
Hysterie, Hyterie, Hyterus, Uterus, Udaran: Bauch, Gebärmutter auf Altindisch.

HYSTEREKTO-ELEGIE

In meinem Bauch, da nagt ein Tier,
es knabbert innerlich an mir.

Ich bin so saftig und so süß,
für jedes Tierchen ein Genüß.

Jedoch in meinem Kopf hoch oben,
wo deshalb die Synapsen toben,

wird gerade die diktatorische indes ökologisch korrekte und nachhaltige
pro Mensch/contra Nager Entscheidung getroffen:

Tierchen, du musst vor die Tür!

Geändert von ixitrixi (02.10.2006 um 12:18 Uhr)
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  #2  
Alt 30.09.2006, 10:41
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rihei rihei ist offline
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Standard AW: Weibliche Identität und die Gebärmutter

hallo ixitrixi....
einen wirklich wundervollen text hast du da geschrieben.....
und ich hatte merkwürdiger weise ähnliche gefühle oder gedanken.....
ich habe die op schon hinter mir.....wollte auch niemals kinder haben und war vorher auch schon sterilisiert......und trotzdem....plötzlich fühlte ich mich nach der op total LEER....und jedesmal wenn im fernsehn etwas mit säugligen war, habe ich rotz und wasser geweint......
es war wirklich ein kleiner tod und ein kleiner abschied......
und als ich dann währrend der bestrahlung einmal ein röntgenbild von meinem becken gesehen habe, hat sich dieses bild regelreecht in meinem kopf eingebrannt....da ist nix mehr.....nur noch leere......und manchmal fühlt es sich heute noch (nach 5 monaten) so an und mich überkommt einfach nur traurigkeit......
wenn mir das vorher jemand gesagt hätte, dann hätte ich ihn ausgelacht....
ich hab selber gesagt "raus damit, brauch ich sowieso nicht".......
tja, aber so einfach scheint es nicht zu sein.....
es ist nicht so, das ich mich jetzt nicht mehr als frau fühle...aber ich merke halt machmal, das da etwas fehlt....so komisch sich das auch anhören mag....

danke noch mal für den schönen beitrag...
liebe grüsse und alles gute für deine op....
rihei

p.s.: ich hab die op (nach schauta) sehr gut überstanden, ohne große schmerzen und war nach 7 Tagen wieder zuhause.....
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  #3  
Alt 30.09.2006, 13:31
Evche Evche ist offline
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Standard AW: Weibliche Identität und die Gebärmutter

Hallo ixitrixi!

Auch ich danke dir für diese wunderschöne Moritat. Denn auch ich werde um die Hysterektomie nicht herum kommen. Meine Gefühle sind deinen sehr ähnlich. Ergänzen möchte ich in meinem Fall noch die Trauer um den Verlust der "ersten Wiege" meiner Kinder. Hilfreich für mich ist hier die Aussage meiner 16jährigen Tochter. Lieber eine Mama ohne Gebärmutter als gar keine Mama. Wie recht sie hat.

Liebe Grüße - Evche

Geändert von Evche (30.09.2006 um 15:25 Uhr)
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  #4  
Alt 30.09.2006, 19:41
Benutzerbild von Flips
Flips Flips ist offline
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Standard AW: Weibliche Identität und die Gebärmutter

Hallo, Ihr Lieben
Hallo Ixitrixi, rihei, Evche

Eure Beiträge sprechen mich sehr an, und bringen es auf den Punkt, was ich mir bis jetzt nicht wirklich eingestehen wollte.

Vor 2 Jahren wurde bei mir eine Totaloperation durchgeführt. Mußte mich recht schnell entscheiden. Weiterleben oder.....

Eine lange Zeit war ich nur dankbar, daß der Krebs wohl ziemlich sicher bekämpft wurde. Habe voll Freude alles weggeworfen, was Frau nun mal normalerweise alle 28 Tage braucht. Endlich keine Bauchschmerzen mehr....
Und trotzdem habe ich mich öfters ertappt, meine Blutung regelrecht zu suchen und nicht mehr zu finden.
Und seit geraumer Zeit sehe ich mich und träume auch davon, als Ballon, einfach nur "luftgefüllt". Und es macht mir plötzlich Angst.

Ganz liebe Grüße Flips
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  #5  
Alt 02.10.2006, 10:50
Tini! Tini! ist offline
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Pfeil AW: Weibliche Identität und die Gebärmutter

Wow Itrixi!

War das ein Text! Das war alles mir aus der Seele gesprochen! Alles! Es ist genau so wie Du es beschrieben hast. Das Überlegen, der Verlust und auch mir wären die Haare wichtiger.

Liebe Itrixi, ich wünsche Dir alles Gute für Deine Operation und drücke Dir fest die Daumen.

P.S. der Sex danach ist körperlich, technisch genauso, aber bei uns Frauen spielt der Kopf ja noch eine größere Rolle. Sobald Du abschalten kannst klappts wieder.

Alles Liebe
Tini
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  #6  
Alt 02.10.2006, 12:48
ixitrixi ixitrixi ist offline
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Standard AW: Weibliche Identität und die Gebärmutter

Hallo Ihr Lieben alle,
die aufmunternden Worte sind sehr tröstlich, ich danke Euch! Was für ein Glück wir haben, dass es dieses Forum gibt!
Wenn mich nicht noch vorher die Erkältung niederstreckt, ist es am Donnerstag soweit.
Ich finde, wenn man die Möglichkeit hat, ein Problem vorher von allen Seiten zu betrachten und ausgiebig hin- und herzuwälzen, braucht man sich hinterher nicht zu ärgern. Gibt mir ein angenehmes Gefühl der Sicherheit.
Bin also derzeit optimistisch.
So long
ixitrixi
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  #7  
Alt 02.10.2006, 13:10
Evche Evche ist offline
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Standard AW: Weibliche Identität und die Gebärmutter

Liebe ixitrixi,

ich wünsche dir für Donnerstag alles Gute, daß die OP komplikationslos verläuft und du eine schnelle und gute Heilung erfährst. Meine Entscheidung ist auch gefallen. Habe am Mittwoch Termin bei meiner FÄ und erfahre dann, wann ich unters Messer muß.

Laß uns wissen, wie es dir geht, wenn du wieder daheim bist.

Alles Liebe für dich - Evche
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  #8  
Alt 07.10.2006, 09:21
ixitrixi ixitrixi ist offline
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Standard AW: Weibliche Identität und die Gebärmutter

Bin bei meinen Erkundungen zum Thema Weiblichkeit auf das interessante Buch „Bodies of Evidence“ von Susanne Weingarten gestoßen. Ein zehnseitiger Ausschnitt ist vom Verlag in Netz gestellt, wollte die PDF hier angehängen, sie ist aber zu groß. Deshalb hier der URL, unter dem die PDF zu finden ist (ganz unten auf der Seite):
http://ssl.einsnull.com/paymate/sear...?vid=2&aid=374
Der Text betrachtet am Beispiel der Schauspielerin Demi Moore die Art und Weise, wie weibliche Körperlichkeit in den Medien rezipiert wird.

Weingarten argumentiert zwar ausgehend von der Prämisse, Unterschiede zwischen Frauen und Männern seien ausschließlich das Resultat unterschiedlicher Performanz, sprich der Tätigkeit und des Verhaltens, und in keiner Weise biologisch determiniert. Selbst wenn man sich diesem radikalen Standpunkt aber nicht anschließen möchte, verliert die Analyse nichts von ihrer Brillanz.

Wenn also die Definition von Weiblichkeit das Resultat eines gesellschaftlichen Konsens’ ist und man betrachtet, wie weit sich dieser inzwischen aufgelöst hat, ist es kein Wunder, wenn man als Frau da gewisse Unschärfen in der Empfindung hat. Eine mögliche Konsequenz wäre also, auf die Zuordnung männlich/weiblich zu verzichten und sich einfach als Individuum zu begreifen. So muss mensch dann „nur“ noch mit den körperlichen Konsequenzen des Verlustes der Gebärmutter fertig werden…

P.S. Wegen wirklich scheußlich Erkältung OP jetzt doch aufgeschoben, so surf ich halt ein bisschen rum mit meinem Rotzkopf.

Geändert von ixitrixi (07.10.2006 um 09:39 Uhr)
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  #9  
Alt 08.10.2006, 18:50
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Flips Flips ist offline
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Standard AW: Weibliche Identität und die Gebärmutter

Lieber Rotzkopf

wünsche Dir gute Besserung, so und so....

Hoffentlich bis bald mit nur guten News Moni
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  #10  
Alt 01.11.2006, 00:21
Nana78 Nana78 ist offline
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Standard AW: Weibliche Identität und die Gebärmutter

Hallo ihr alle,

seltsam, nicht wahr: vor dem Krebs glaubt man, und da schließe ich mich mit ein: wenn ich mal Gebärmutterhalskrebs haben sollte, dann lass ich mir lieber alles wegschneiden und rausoperieren, als dass ich sterben muss. Ganz klare, leichte Entscheidung!!... und wenn man dann plötzlich nicht mehr aus seiner Haut kann und sich wirklich entscheiden muss zwischen Gebärmutter raus oder... da entwickelt man plötzlich ein ganz anderes Bewusstsein.
Ich hab noch vor ein paar Monaten gesagt: "Schneiden Sie lieber etwas zu viel als zu wenig weg, wichtig ist NUR, dass ich gesund werde, dass der Krebs verschwindet". Und sie HABEN weggeschnitten... ich hatte zwar Glück im Unglück und konnte gebärmuttererhaltend operiert werden, aber den Teil, den sie mir herausgeschnitten haben, den "vermisse" ich - auf eine ganz seltsame Art und Weise. Genauso meine 26 gesunden Lymphknoten, die entfernt wurden! Die waren schließlich auch Teil MEINES Körpers. Warum wird einem sowas erst so spät bewusst? Vielleicht weil man die Gebärmutter nicht sieht? Alle sagen nun: man sieht doch gar nicht, dass was rausoperiert wurde und du kannst doch auch noch Kinder kriegen, es hat sich doch also REIN GAR NICHTS geändert...! Ach ja???!
Auch ich habe und hatte mit den psychischen Folgen zu kämpfen, obwohl ich meine Fertilität behalten konnte. Habe mir schreckliche Vorwürfe gemacht, dass ich mich überhaupt hab operieren lassen, denn meine innere Stimme hat mir gesagt, dass es nicht unbedingt notwendig ist... Ich habe erst im Nachhinein verstanden, warum es mir nach der OP psychisch so schlecht ging. Im Grunde meines Herzens habe ich den Eingriff als Akt der Gewalt gegen meinen Körper gesehen. Und ich habe dem auch noch zugestimmt! Ich habe zugelassen, dass die Ärzte meinen Körper sozusagen innerlich "verstümmeln"!

Am Abend unmittelbar vor der OP meinte der behandelnde Arzt, dass das MRT "unruhig" aussieht und dass das evtl von einem weiteren Krebsherd rühren könnte. Ich sollte ihm sagen, ob ich, wenn das der Fall sei, lieber noch in derselben OP am nächsten Morgen die Gebärmutter entfernt haben möchte oder im Anschluss ne Radio-/Chemotherapie bekommen will - was für eine Entscheidung... hacke ich mir die rechte oder die linke Hand ab? Die linke natürlich, weil ich Rechtshänder bin! Haha.

Die ganze Nacht habe ich mich hin und her gewälzt, eine Antwort gesucht - so alleine hab ich mich noch nie in meinem ganzen Leben gefühlt! Und am Morgen meinte ich: MEINE GEBÄRMUTTER BLEIBT DRIN, EGAL OB MIR JEDER ARZT RÄT, SIE ENTFERNEN ZU LASSEN, SCHLIEßLICH ES IST GANZ ALLEIN MEINE GEBÄRMUTTER IN MEINEM KÖRPER...

VOR der Diagnose Krebs hätte ich das bei mir nie für möglich gehalten - ich wollte doch sowieso keine Kinder! Wofür brauch ich also ne Gebärmutter? Und plötzlich war ich bereit, für sie zu kämpfen - und sogar meine Haare für sie zu verlieren, nur damit sie bleiben kann! Und ob ich Kinder bekommen will, weiß ich immer noch nicht!

Ich weiß, dass es mir im Vergleich zu euch viel besser geht, ich hoffe, ihr nehmt mir nicht übel, dass ich hier trotzdem meinen Senf dazu gegeben habe. Wollte nur zum Ausdruck bringen, wie einem der Krebs vor allem die Augen für das eigene, weibliche Bewusstsein öffnet. Er kann alle Prinzipien über Bord werfen, einem einen ganz neuen Weg offenbahren, und und und...

Zum Glück blieb mir Chemo usw erspart, aber eins habe ich aus der ganzen Sache gelernt. In Zukunft werde ich, egal welche Diagnose, für meinen Körper und dessen medizinische Behandlung mehr (Eigen-)Verantwortung übernehmen, mir Zeit lassen für Entscheidungen und mir immer mehrere Meinungen einholen, bevor irgendetwas damit gemacht wird - denn es ist und bleibt MEIN Körper!

Ich wünsche euch alles Gute und viel Kraft im Umgang mit eurem schweren Verlust,
ich drück' euch!
Nana
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