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Alt 26.11.2007, 00:15
In-situ In-situ ist offline
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Standard Demut als Betroffener

Bin ich ein Glückspilz?

Von Beitrag zu Beitrag den ich hier lese verstärken sich meine Demut und Dankbarkeit dafür, die Krankheit bis jetzt überlebt zu haben. Bei den Erfahrungsberichten von Mitbetroffenen vermisse ich jedoch Beschreibungen von Begleitumständen des Krankheitsverlaufs. Allgemeine moralische Unterstützungen bzw. tröstende Worte nimmt man ja gerne an. Was aber, wenn die Psyche aus dem Ruder läuft? Was ist, wenn neben der Erkrankung massive soziale und wirtschaftliche Schwierigkeiten die Gesamtproblematik verstärken? Deshalb würde ich gerne auch etwas darüber erfahren, wie es z.B. nach dem plötzlichen Ausfall beruflich weitergegangen ist. Oder was sich die Versicherungen so einfallen lassen, Leistungen zu verweigern oder anderes mehr aus dem Bereich.


Jetzt sollte ich mal schreiben, warum ich möglicherweise ein Glückspilz bin:
"Kleinzelliges Bronchialkarzinom, limited disease, Stadium IIIB", so die Diagnose im Oktober 2004. Es folgten Chemo und Bestrahlung, danach rundum erfreuliche Kontrolluntersuchungen. Obwohl vom Tumor "nur" noch eine Narbe zu sehen ist hatte ich jetzt, drei Jahre und einen Monat nach der Diagnose, auf Durchführung eines grossen Checks gedrängt. Dabei waren Blut und diverse CT weiter unauffällig. Lymphsystem, Leber, Niere, Bauchspeicheldrüse, Prostata und was weiss ich noch - alles ist im grünen Bereich. Wenn da nicht das Resultat der ebenfalls durchgeführten Bronchoskopie wäre, nach der wieder etwas Böswilliges im Anmarsch ist. Wird bei der noch ausstehenden PET-CT-Untersuchung nichts weiter gefunden, dürfte auch dieser im Vorstadium befindliche Lungentumor mit einer fast 100prozentigen Wahrscheinlichkeit vollständig wegbestrahlt werden. Bei dieser Faktenlage darf ich vermutlich schon von persönlichem Glück sprechen.
"Rezidiv", der so sehr gefürchtete Begriff, ist wohl auf meine Situation nicht anwendbar. Bei aller gebotenen Zurückhaltung machen mir die Ärzte Hoffnung, dass nach der anstehenden Therapie wieder Ruhe ist.


Und trotz der positiven Seite des Kernkrankheitsbildes ist nicht alles so gut, wie es sein könnte. Es sind Nebenkriegsschauplätze die mich zeitweise stärker belasteten als die Krankheit selbst. Zu nennen sind beruflich/geschäftliche Schwierigkeiten aufgrund des plötzlichen Ausfalls ebenso wie der erst nach einer OP ausgeräumte Krebsverdacht bei meiner Frau, und nicht zuletzt finanzielle Probleme wegen Stress mit der Krankenversicherung. Über das, was ich im letzten Satz zusammengefasst habe, könnte ich ein Buch schreiben...
Da beschäftigt mich schon die Frage, ob ich allein mit diesen Sorgen zu tun habe. Und führen die sich möglicherweise auftürmenden Probleme etwa zu weiterem Tumorwachstum und sind „schuld“ an meinem carcinoma in situ?

Weiterhin nahm ich mit Interesse die positiven Erwähnungen von Klinken und Ärzten zur Kenntnis. Es heisst, dass die Ärzte fachlich häufig Hervorragendes leisten, aber bei der direkten Beziehung von Arzt-Patient werden nicht selten Kommunikationsdefizite offenbar: Entweder stimmt ganz einfach „die Chemie“ nicht, oder sie nehmen sich kaum Zeit für ein Gespräch. Wobei gerade letzteres nach Ergebnissen neuester klinischer Placebo-Forschungen von eminenter Bedeutung für die Gesamttherapie sein soll. Zu diesem offenbar bedeutenden Komplex würde ich ebenfalls gerne Meinungen erfahren.

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J.W.v. Goethe
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  #2  
Alt 26.11.2007, 09:34
Ulla Krefeld Ulla Krefeld ist offline
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Registriert seit: 19.01.2007
Beiträge: 516
Standard AW: Demut als Betroffener

Hallo Glückspilz,

ja, das kannst Du wirklich von dir behaupten. Auf jeden Fall bin ich ganz sicher, dass Du von der richtigen Ärztecrew behandelt wirst und man extra eine Brochoskopie und sogar ein PET anberaumt. Hierfür müssen alleine viele kämpfen. Denn wir wissen alle, dass Mikrometastasen oftmals nicht in normalem CT sichtbar sind. Somit kann man schon vorab dem schlimmsten aus dem Wege gehen.

In der Phase, wo man mitgeteilt bekommt, Krebs zu haben, interessieren die finanziellen Angelegenheiten möglichst wenig. Alles ist egal, man befindet sich zu diesem Zeitpunkt in einer ganz anderen Welt.
So ähnlich ergeht es Menschen, die die Haare nach der Chemo verlieren. Zu diesem Zeitpunkt ist es so egal, aber wenn der Krebs sich verzogen hat, möchte man schon wieder mit einer netten Frisur erscheinen. Auch ähnlich geht es Menschen, die eine schwere OP hinter sich gebracht haben. Ist der Krebs weg, möchte man wieder Luft bekommen wie früher oder die Narbe stört auch auf einmal. So sind wir Menschen. Irgendwann kommt wieder das Ego hervor und das ist auch gut so.

Wenn man wie Du, nach ein paar Jahren sagen kann, ich hab es geschafft, kann man doch wieder alles , was das Finanzielle angelangt, in Ruhe angehen. Viele wünschten sich, wieder normal arbeiten gehen zu dürfen. So schnell hat das Leben einen wieder im Griff.

Ich habe mich auch sehr über die ganzen Zuzahlungen der KK geärgert. Sogar die einzelnen Chemotherapien werden mit Euro 10,-- abgerechnet. Clexane wird auch mit jeder Verschreibung mit Euro 10,-- angerechnet. Die AHB täglich mit dem gleichen Betrag. Mittlerweile habe ich bei der Krankenkasse einen Zuzahlungsbefreiungsschein erhalten.

Du hast schon recht, es gibt sicherlich auch viele Menschen, die vor lauter finanzielle Sorgen gar nicht so richtig aus ihrem Loch heraus kommen. Ich habe es jetzt mit meinen Freunden so vereinbart. Statt Blumen - bringt Kaffee mit. Laden sie mich zum Essen ein, koche ich das nächste mal bei mir zu Hause für sie. Das ist wesentlich günstiger und gemütlicher.

Wichtig ist, lieber Glückspilz, aus allem das Beste zu machen. Es freut mich sehr, dass es mit Deiner Frau noch gut ausgegangen ist.

Und ich drücke feste die Daumen, dass die Therapie - sollte etwas dasein - wieder gut anschlägt und Du dem Krebs für immer ADE sagen kannst.

Liebe Grüsse Ulla
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  #3  
Alt 26.11.2007, 17:20
Benutzerbild von Anhe
Anhe Anhe ist offline
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Registriert seit: 10.02.2006
Ort: Mainhattan
Beiträge: 944
Standard AW: Demut als Betroffener

Hallo "Glückspilz",

falls es Dich beruhigt - nein, Du bist nicht alleine mit Deinen Nebenkriegsschauplätzen. Wenn man sich durch die Foren liest, wenn man Kontakt zu anderen Betroffenen hat, erkennt man immer wieder, daß die Erkrankung nicht die einzige Not ist. Viele kämpfen nicht nur um ihr Leben, sondern auch um's Überleben. Urplötzlich ist nichts mehr so, wie es mal war. Betrag X, den man monatlich zur Verfügung hatte, wird ersetzt durch Krankengeld, welches natürlich nicht in der gleichen Gehaltshöhe gezahlt wird. Fällt man aus dem Krankengeldbezug heraus, bleibt einigen die Rente, die nochmals deutlich unter dem Krankengeldbezug liegt oder gar HarztIV. Plötzlich ist die Wohnung zu teuer, das Auto nicht mehr haltbar und der Kauf einer Winterjacke wird fast zum Roulettespiel, da man nicht weiß, was noch dazwischen kommt und ob das Geld nicht 2 Wochen später fehlt.

Selbstverständlich ist man glücklich darüber, den Weg der Gesundung zu beschreiten, auch wenn er steinig ist. Gleichermaßen tut aber auch jeder Schritt weh, da man sich das Schuhwerk dafür nicht leisten kann.

Job's werden oftmals in dieser Zeit gekündigt oder man bekommt signalisiert, daß man nicht mehr erwünscht ist. Zu sozialen Verlusten (der Bekanntenkreis schrumpft) kommt einfach oft die reine Existenzangst hinzu und viele Fragen....z.B. wie reagiert mein Arbeitgeber, wenn ich irgendwann wieder anklopfe....bin ich in einem neuen Job so belastbar, dass ich ihn meistere, bekomme ich überhaupt einen neuen Job mit meiner Vorgeschichte oder aufgrund meines Alters.....

Ich kann Deine Zweifel und Deine Ängste verstehen...und es hat auch nichts damit zu tun, daß man auf hohem Niveau "jammert". Durch eine Krebserkrankung gerät das Lebensfundament aus den Fugen - wenn man dann nicht die Mittel hat, eine "Erstsanierung" durchzuführen, leidet man nicht nur körperlich, sondern auch seelisch.

Was die Arztauswahl angeht - ich selbst hatte das große Glück und durfte mir einen Arzt in der Klinikonkologie aussuchen, zu dem ich Vertrauen hatte und wo auch die Kommunikationsebene stimmte.

Beste Grüße,
Anhe
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