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  #1  
Alt 20.04.2017, 21:44
fluturi fluturi ist offline
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Ort: Hamburg
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Standard Kein Platz für Trauer?

Hallo,

ich weiß nicht, ob das Thema hier hin passt und ob überhaupt jemand seine Erfahrungen mit mir teilen mag. Aber ich versuche es, weil ich keinen anderen Raum dafür habe.

Ich habe vor 2,5 Monaten meinen über alles geliebten Papa verloren. Mein Löwenherz, meinen Anker. Ich vermisse ihn so schrecklich. Und es tut noch so weh als wäre es gestern. Ehrlich gesagt kann ich es nicht begreifen. Ich schauspielere den Tag über vor mich hin. Bei der Arbeit, in der Uni, vor Freunden. Nur meine engsten Freunde wissen, dass es mir sehr schlecht geht. Und genau da liegt mein Problem. Erfahrt ihr auch so wenig Verständnis oder Rücksicht von der Umwelt? Selbst Freunde, von denen ich dachte, sie stünden mir nahe, fragen mich sowas wie: geht es dir denn jetzt schon besser? Bist du immer noch traurig?

Ist das nicht ganz normal, dass ich so unendlich traurig bin? Ich gebe mir ja schon Mühe möglichst unauffällig zu sein. Aber darf ich nicht traurig sein? Wie sind eure Erfahrungen? Wie geht ihr damit um?
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Die höchste Form der Hoffnung ist die überwundene Verzweiflung. - Albert Camus
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  #2  
Alt 20.04.2017, 22:46
Adlumia Adlumia ist offline
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Standard AW: Kein Platz für Trauer?

Hallo,

es sind Gefühle und die dürfen sein! Auch wenn dieser Schmerz und all das was damit verbunden ist, manchmal so schwer auszuhalten ist, dass man lieber diese Gefühle abwehren möchte.

Ich habe durch die vergangenen Monate für mich gelernt, dass ich mich in erster Linie mit meiner Trauer annehmen muss. Ich habe anfangs sehr auf Verständnis gehofft und war wie vor den Kopf geschlagen, wenn gefühlt der 20. 0815-Spruch kam. Doch ich habe mir klar gemacht, dass es aus Hilflosigkeit entstehen kann, dass manche Menschen das einfach auch nicht können, diesen Schmerz des Gegenübers auszuhalten, ja auszuhalten! Wir neigen doch meistens dazu gegen die unguten Gefühle direkt bekämpfen zu wollen, da muss es doch etwas geben. DA muss es doch Trost geben, etwas was man tun kann - eine Lösung eben!
Aber es gibt keine und das anzunehmen, einfach mal dem ins Auge zu blicken, dass es für einen trauernden Menschen vielleicht erst mal keine Lösung, keine Perspektive, keine Normalität etc. gibt, das können viele nicht und wollen viele nicht.
Das ist auch ok. Man kann sich darüber beklagen, es traurig und schade finden aber die anderen ändert man dadurch nie, nur man selbst kann für sich eine Haltung gewinnen, in dem man sich auch selbst ein liebevoller Freund ist und sich auch mit diesen Gefühlen annimmt! Natürlich leben wir nicht im luftleeren Raum, denke ein Mensch, der einen ohne Worte einfach versteht, in den Arm nimmt, liebevoll schweigt, ja diesen Menschen brauchen wir in solchen Zeiten aber es ist auch ein Geschenk, solche Menschen um sich herum zu haben. Und manchmal findet man sie eben nicht direkt da, wo man selbst gerade steht.

Umso wichtiger finde ich, dass du dich nicht selbst verurteilst, niemand sollte sich für seine Trauer verurteilen oder sich unnormal finden. Die anderen sind nicht du und nur du fühlst das so einzigartig, wie du eben auch als Mensch bist. Deswegen dürfen wir das auch anerkennen, was wir fühlen!

Zumindest hat es mir geholfen, unabhängiger davon zu werden, ob mich nun mein Gegenüber in meiner Trauer versteht oder nicht. Ich habe im Gegenteil auch so etwas wie "Milde" gewonnen, in dem ich auch verstanden habe, dass es schwer ist, zu trösten etc.

Kurzum: Du darfst jetzt wütend sein, dass dich niemand versteht, traurig sein weil du einen so lieben und bedeutenden Menschen verloren hast, alles darf sein. Es kommt und geht und Ansichten wandeln sich und wandeln dadurch auch dich.

Viel Kraft!

Geändert von gitti2002 (20.04.2017 um 22:59 Uhr) Grund: PN
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  #3  
Alt 21.04.2017, 07:57
Clea Clea ist offline
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Beiträge: 561
Standard AW: Kein Platz für Trauer?

Hallo,

bei mir waren es vorgestern zwei Monate.
Auch ich bin noch gelähmt von den Eindrücken,
den Gefühlen und den Entscheidungen, die da auf uns eingeprasselt sind.
Ich habe für mich beschlossen, dass es so lange dauern darf, wie es dauert.
In den Büchern steht, dass die physiologische Trauer zwei Jahre dauern kann.
Erst danach wird es ungesund.
Da darf man nach der kurzen Zeit auch noch keine Wunder erwarten.
Wir sind ganz normal.
Und das muss die Umgebung aushalten. Wofür hat man Freunde und Familie?
Wenn die Trauer zum Tabuthema wird- ja, dann hat man verloren.
Dann kann sie nirgendwo mehr hin, wird im Innern vergraben...
Und sucht sich irgendwann, nach Jahren, ihren Weg.
Und dann gibts burnout, Angststörung und was weiß ich noch.

Darum sag ich, geht eurem Umfeld ruhig auf den Keks,
lasst mitleidige Blicke an euch abtropfen wenn ihr euch an eure Lieben erinnert
während des normalen Alltags.
Sagt es allen, wenn ihr zum Grab fahrt oder wenn ihr euch wünscht,
er oder sie könnte jetzt einen Rat geben.
Lasst sie weiterleben, nicht nur für euch selbst, sondern für alle.
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  #4  
Alt 24.04.2017, 09:52
fluturi fluturi ist offline
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Standard AW: Kein Platz für Trauer?

Danke euch beiden für eure Eindrücke und Einstellungen. Ich habe das gesamte letzte Jahr noch nicht im Ansatz verarbeitet und bin extrem sensibel. Das weiß ich. Vor dem ganzen war ich jemand, der alles immer geschafft hat, es gab nichts, was nicht ging. Und nun geht gar nichts. Da hatte ich auf ein Netz gehofft, auf "Freunde", die es wohl gerade nicht sind. Vielleicht werden sie es wieder oder auch nicht..
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  #5  
Alt 24.04.2017, 10:19
Sunflower85 Sunflower85 ist offline
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Standard AW: Kein Platz für Trauer?

Bei mir sind es nun noch keine zwei Wochen... Die Beerdigung noch nicht vorbei... Ich vermisse meinen Papa unglaublich... Auch er war mein Fels in der Brandung. Es ist manchmal unbegreiflich wie unterschiedlich Menschen darauf reagieren. Manche tun so als ob man das bemitleidendswerteste Wesen auf der Welt ist, sagen hunderte male wie leid es ihnen doch tut und andere sagen ,,jetzt muss er nicht mehr leiden und ihr seid alle erlöst damit,, das wars... Mein Freund mit dem ich schon lange zusammen bin hat sich von mir getrennt, er konnte mich nicht mehr leiden sehen, seine Gefühle seien nicht mehr die selben... Naja so habe ich nicht nur meinen Papa sondern auch noch meinen Freund verloren. Den Menschen den ich jetzt am meisten gebraucht hätte und von dem ich das am wenigsten erwartet hätte... Er meldet sich nicht mal um zu fragen wie es mir geht... Dafür melden sich Menschen die ich Jahre nicht mehr gesehen habe und sagen sie seien da wenn ich etwas brauche.
Irgendwie verrückt... Komme mir oft vor wie im falschen Film. Ich hoffe blos die Zeit heilt die Wunden etwas, aber ich habe Angst das es nicht besser wird....
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  #6  
Alt 25.04.2017, 11:00
Clea Clea ist offline
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Standard AW: Kein Platz für Trauer?

Liebe Sunflower,
das wird. Langsam, aber es wird. Zwei Wochen sind noch so kurz.
Ich kann nach 10 Wochen sagen, ja, es ist etwas besser. Etwas.
Aber es ist immernoch unwirklich, schlimm, grausam.
Der Alltag kommt zurück. Wenn man mitmacht, werden zumindest die Tage mit Beschäftigung erträglich.
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  #7  
Alt 30.04.2017, 10:43
Drea1971 Drea1971 ist offline
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Standard AW: Kein Platz für Trauer?

Fühle dich erst einmal gedrückt!!

Ja du darfst trauern und du sollst trauern! Lass dir auch nichts anderes einreden! Ich kenne auch die blöden Sprüche.... so langsam musst du dich aber mal wieder zusammen reißen......
Bei mir ist es im August zwei Jahre her. Vier Wochen nach der unfassbaren Diagnose und für uns aus heiterem Himmel starb mein Papa. Ich vermisse ihn immer noch sehr. Ich rede mit ihm. Fast jeden Tag.
Ja, es wird mit der Zeit wirklich etwas besser. Du kannst damit besser umgehen. Es wird nicht mehr so sehr weh tun. Aber das dauert halt. Bei dem einen geht es etwas schneller, bei einem anderen dauert es. Und das ist ok. Jeder geht anders damit um. Aber du darfst trauern. Meistens kommen diese blöden Sätze von Leuten, die selbst noch niemanden verloren haben. Oder die besser damit umgehen können. Aber stehe drüber! Und sage ruhig: ich Trauer aber! Und das ist nicht schlimm! Mein Papa fehlt mir halt.
Ich habe erst letzte Woche meiner Arbeitskollegin was dazu gesagt. Sie meinte nämlich zu mir: aber so langsam sollte deine Mutter besser damit umgehen, so langsam sollte damit ja auch gut sein.....
ich sagte: nein! Sie darf trauern und sie soll trauern! Sie macht das wirklich toll jetzt in ihrem Leben. Sie macht ja alles und sie geht ihr Leben an. Warum soll sie nicht mal diese Krankheit anzweifeln dürfen? Warum nicht fragen warum?
Auch gesagt, dass ich diese Sätze nicht mag und nicht gut finde. Sie war dann still.
Aber meine Mama macht es wirklich toll. Sie kannten sich seit dem 16. Lebensjahr. Waren fast 55 Jahre verheiratet. Meine Mama kannte nichts anderes. Und ich bin wirklich stolz auf sie.

Ich selbst stopfe noch zuviel Süßigkeiten in mich hinein. Ich denke, dass hat auch was mit der Trauer zu tun. Unbewusst. Ich war nach Papas Tod drei Wochen krank geschrieben. Danach hatte ich noch arge Probleme auf der Arbeit. Fand es alles total sinnlos irgendwie dort. Konnte mich aber auch null konzentrieren. Ich hab angefangen und schwups waren meine Gedanken wieder woanders. Ich hätte da richtig Schwierigkeiten mit. Es wurde aber dann langsam besser. Das alles geht jetzt auch wieder. Trotzdem vermisse ich meinen Papa.

Trauer also ruhig. Weine, wenn dir danach ist. Aber du darfst auch lachen. Das ist auch nicht schlimm. Rede mit deinem Papa. Er ist immer noch bei dir.
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  #8  
Alt 01.05.2017, 09:21
fluturi fluturi ist offline
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Standard AW: Kein Platz für Trauer?

Liebe Drea,

danke dir für deine Erfahrungen. Ich weiß zu schätzen, dass du sie teilst. Die Zeit läuft ja einfach weiter, 2 Jahre sind da nicht viel. Eine Trauerbegleiterin sagte mir, das nächste Mal, wenn jemand fragt, bist du immer noch traurig?, soll ich antworten: Ja, denn er ist ja auch immer noch tot. Das fand ich richtig gut und will es umsetzen.

Dass deine Mama oft noch in einem tiefen Loch feststeckt, ist doch mehr als verständlich und auch richtig so. Nach so einer langen Zeit wie kann man da einfach weitermachen? Meine Eltern kannten sich seit sie zwölf waren. 45 Jahre waren sie zusammen. Ich glaube nicht, dass meine Mutter das je richtig verarbeitet. Sie tut mir so leid und es tut mir im Herzen weh, dass ich nichts tun kann.

Am Samstag war ich auf einer Hochzeit. Darum hatte ich mir wenig Gedanken gemacht und dann hat es mich vollends gepackt. Ich habe in der Kirche nur geweint. Wie soll ich dankbar und fröhlich sein? Für was? Ich werde mir sowas demnächst nicht mehr antun.
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  #9  
Alt 31.05.2017, 12:23
Marlene2014 Marlene2014 ist offline
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Standard AW: Kein Platz für Trauer?

Hallo,
ich lese von eurer Trauer als hätte ich selber diese Zeilen geschrieben. Bei mir werden es jetzt 5 Wochen, dass ich meinen über alles geliebten Papa verloren hab.
Es ist unwirklich, tut unendlich weh, mal mehr mal weniger, meist mehr. Manchmal kann ich darüber reden, mit lieben Arbeitskollegen z.B. Ein andermal breche ich sofort in Tränen aus. Manche scheinen mich zu meiden, egal.
Oft träume ich von Papa, was Schönes, dass er da ist, fröhlich, wie er im Leben war und wache erschreckt auf und weine. Arbeiten ist ganz schwierig, bin unkonzentriert und finde ebenfalls alles sinnlos. Zukunftspläne oder Urlaub? Wozu?
Meine Eltern waren über 60 Jahre verheiratet. Wie es meiner Mutter geht , übersteigt vermutlich selbst mein Vorstellungsvermögen, obwohl wir uns jetzt sehr häufig sehen. So, wie ich mir meine Trauer nicht vorstellen konnte in dieser Heftigkeit, denke ich, wie muss es erst sein, den Lebensgefährten zu verlieren. Sie tut mir unendlich leid und irgendwie weine ich um beide.
Wenn sich der Partner wegen der Trauer trennt, würde ich ihm keine Träne nachweinen. Die Tränen haben andere verdient.
Ich finde auch, dass Trauer sein darf. Es dauert solange wie es dauert.
Eine wichtige Erkenntnis bei mir ist, diejenigen, die noch da sind, mehr zu schätzen. Irgendwann ist es vorbei! Die kleinen Nörgeleien oder Unzufriedenheiten mit dem anderen, die lasse ich jetzt.
Fühlt euch gedrückt!
Marlene
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