Krebs-Kompass-Forum seit 1997  


Zurück   Krebs-Kompass-Forum seit 1997 > Spezielle Nutzergruppen > Forum für Angehörige

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
  #1  
Alt 15.11.2005, 13:01
britta15 britta15 ist offline
Neuer Benutzer
 
Registriert seit: 15.11.2005
Beiträge: 4
Standard Ich hab' solche Angst!

Hallo! Ich bin neu hier. Weil ich, wie viele andere auch, das Gefühl habe, dass mich nur derjenige versteht, der ähnliches erlebt hat, möchte ich meine Erfahrungen mit euch austauschen. Vor drei Jahren ist mein Vater nach zweijähriger Krebserkrankung gestorben – er war erst 66 Jahre alt. Begonnen hat die „Hölle“ mit einem Tumor an der Ohrspeicheldrüse... den nach außen sichtbaren ‚Knubbel’ hielt man zunächst für harmloses Fettgewebe. Bei der OP stellte man dann aber fest, dass es sich um ein Tumor handelte, der schon weit nach innen gewachsen war und einen Gesichtsnerv befallen hatte. In einer zweiten OP wurde der Nerv entfernt. Aber damit war die Sache längst nicht ausgestanden – es bildeten sich Metastasen in der Lunge und später auch im Gehirn. Die letzten Wochen seines Lebens waren schrecklich für uns alle. Papa wusste nicht mehr, wer wir sind und was er tut, und meine Mutter hat rund um die Uhr auf ihn „aufpassen“ müssen (mein Bruder und ich wohnen nicht mehr zuhause, so dass wir nicht immer dort sein konnten). Es war der erste Fall einer Krebserkrankung in unserer Familie... und ich bin noch heute völlig überfordert damit. Ich habe selbst panische Angst, an Krebs zu erkranken und das gleiche durchmachen zu müssen, wie er! Mein Mann versteht das nicht, er sagt immer, ich soll mir das nicht einreden – dann würde ich erst recht krank. Fertig. Das hilft mir aber nicht! Ich weiß nicht, was ich gegen meine Angst tun soll! Und jetzt kommt noch ein neues Problem hinzu: meine Mutter hat seit dem letzten Jahr hin und wieder mal heftige Schmerzen in einer Gesichtshälfte, im Bereich des Kiefers. Nachdem der Zahnarzt nichts feststellen konnte, hat sie einen Neurologen aufgesucht. Dieser hat für sie jetzt einen Termin zur Magnetresonanztomographie vereinbart. Vermutet wird eine Trigeminusneuralgie (eine Art Entzündung eines bestimmten Gesichtsnervs), die in seltenen Fällen durch einen Tumor hervorgerufen werden kann. Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass diese Aussage sowohl meine Mutter als auch mich völlig aus der Bahn geworfen hat! Sie hat jetzt panische Angst, das gleiche durchmachen zu müssen wie Papa. Morgen findet die Untersuchung statt! Bitte drückt uns die Daumen, dass es kein Tumor ist. Das halte ich nicht aus! Mir geht es schlecht, ich fühl’ mich leer / ausgebrannt und ohnmächtig. Ich schlafe schlecht und habe keinen Hunger. Ich sitze bei der Arbeit und kann mich nicht konzentrieren und wenn ich nach Hause komme, würde ich mich am liebsten gleich hinlegen und schlafen, damit ich nicht nachdenken muss. Nichts macht mir mehr Spaß und ich muss nur daran denken „was ist, wenn?“. Meine Mutter ist 65 Jahre alt. Sie hat sich nach wie vor nicht von Papas Tod erholt und jetzt das! Außenstehende sagen „wartet doch erst mal die Untersuchung ab“ (was im Grunde ja auch richtig ist), aber ich bin kurz vor’m durchdrehen! Versteht ihr, was ich meine? Letzte Nacht habe ich sehr real geträumt, dass der Arzt zu mir gesagt hat, sie hätte einen Hirntumor. Ich konnte mich kaum wieder beruhigen, als ich aufgewacht bin. Ich hab’ wirklich das Gefühl, verrückt zu werden.

Britta
Mit Zitat antworten
  #2  
Alt 15.11.2005, 13:12
Petra+Sarah Petra+Sarah ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 20.08.2005
Beiträge: 60
Standard AW: Ich hab' solche Angst!

Liebe Britta,
ich kann dich sehr gut verstehen, gerade die Ungewissheit macht einen total fertig. ich bin gerade in einer ähnlichen Situation. Meine Tochter (3,5 Jahre alt) ist an einem embryonalen Rhabdomyosarkom erkrankt, das ist ein Weichteiltumor. Sie ist gerade mit der Therapie fertig und wir waren froh das sie sich wieder so gut erholt hat und nun gibt es einen Verdacht auf ein Rezidiv. Diesen Verdacht hat man mir vor genau einer Woche mitgeteilt, es soll eine Biopsie gemacht werden, die ist aber erst am nächsten Dienstag, diese Ungewissheit, ob oder ob nicht, das zerrt dermassen an den Nerven. Ich falle von einem extrem ins nächste, hoffen und Panik!!!
Bei der Vorgeschichte ist es ja nur natürlich das man gleich das schlimmste denkt. Aber ich finde das ist auch eine gute Taktik, denn es ist besser sich positiv "überraschen" zu lassen, als erst das beste anzunehmen und dann ins bodenlose zu fallen.
Mir hilft es wenn ich mit anderen einfach über meine Ängste rede, oder hier schreibe. Keiner der das nicht selbst erlebt kann es nachempfinden, wie man sich wirklich fühlt, aber ich finde, das reden hilft, die Angst einfach rauszulassen.
ich drücke Euch ganz fest die Daumen, das es etwas harmloses ist und nicht gleich das schlimmste.
Liebe Grüsse
Petra
Mit Zitat antworten
  #3  
Alt 15.11.2005, 13:20
Wolke Wolke ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 11.11.2005
Ort: Niedersachsen
Beiträge: 252
Standard AW: Ich hab' solche Angst!

Liebe Britta,

ich kann deine Angst sehr gut verstehen. Versuch für deine Mutter dazu sein und vielleicht auch bei ihr zu sein. Selbst wenn es ein Tumor sein sollte (wovon ich nicht ausgehe nach deiner Schilderung) dann heißt es noch lange nicht, dass deine Mutter den selben Weg geht wie dein Vater.

Versuch dich etwas abzulenken, rede mit deiner Mutter, wenn sie das kann und versuche Stark zu sein. Vielleicht brauchst du deine Kräfte noch.

Ich drücke ganz feste die Daumen.

Wolke
Mit Zitat antworten
  #4  
Alt 16.11.2005, 11:50
Benutzerbild von Kerstin63
Kerstin63 Kerstin63 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 30.10.2002
Ort: Norddeutschland
Beiträge: 155
Standard AW: Ich hab' solche Angst!

Hallo Britta,

ich kann mir gut vorstellen, dass die Angst bei dir/Euch im Moment sehr gross ist. Was Deine Mutter angeht, könnt ihr wohl im Moment nur auf die Ergebnisse warten und hoffen... Ich weiss, es ist furchtbar wenn man so garnichts tun kann, und diese Ohnmacht kann einen aufreiben, das kenne ich auch. Mein Vater ist am 13.6.03 gestorben, 1 Tag vor seinem 68. Geburtstag, er hatte Darmkrebs.

Ich wollte gern mal auf Deine Ängste eingehen. Ich kann das gut nachvollziehen, ging mir ähnlich. (Ich meine jetzt nicht das, was im Moment Deine Mutter betrifft). Nachdem wir seit Anfang 2002 von der DK-Diagnose meines Vaters wussten, habe ich nach und nach immer mehr Ängste entwickelt, allgemeine Panikzustände aber auch in bezug auf Krebs, ich fühlte plötzlich überall Gnubbel und hab mich total verrückt gemacht. Komischerweise habe ich zu der Zeit überhaupt nicht realisiert (was mir jetzt aber logisch erscheint) dass es natürlich mit der Erkrankung meines Vaters zusammen hing. Ich dachte ich habe Angst, weil ich einen Grund dazu habe, nicht weil mir eigentlich ja die Erkrankung meines Vaters Angst machte. Denn das hat mir den Boden unter den Füssen weggezogen, ich habe ja wie gesagt alle möglichen Ängste entwickelt.

Aus anderen Gründen war ich bereits in Psychotherapie als mein Vater krank wurde. Mit der Zeit wurden die diversen Ängste natürlich auch Thema in der Therapie. Ich habe dort gelernt mit den Ängsten besser umzugehen. Ich nehme zwar auch ein Medikament (Anti-Depressivum) aber ich bin sicher dass die Therapie auch viel dazu beigetragen hat, meine Ängste anders einzuschätzen. Wenn Du also in deinem Alltag sehr beeinträchtigt bist, durch den Verlust deines Vaters, die Ängste jetzt um Deine Mutter und auch um Dich selbst, könntest Du evtl. versuchen Dir professionelle Hilfe zu suchen?

"Natürlich" kann Dein Mann Dich nicht verstehen.

Und natürlich ist es nicht damit getan dass man sagt "denk mal an was anderes" oder "mach Dich nicht verrückt"... wäre ja schön, wenn es so einfach wäre. Vor allem ist es Käse (sorry) zu sagen man soll sich nicht verrückt machen sonst wird man erst recht krank - Klasse, dann wärst Du am Ende ja noch selbst schuld..... ausserdem hast Du bestimmt nichts, genauso wenig wie ich, aber wenn man Ängste hat kommt es ja nicht darauf an ob ANDERE es als realistisch einschätzen, sondern ob man selbst es als realistisch einschätzt. Und bei mir war es immer so: je grösser die Angst war, für umso realistischer hielt ich das was ich dachte was mir da passieren würde. Logisch, sonst hätte ich ja keine Angst gehabt. Also muss man lernen seine Wahrnehmung zu verändern, und das geht nicht mal eben so mit ein paar netten Sprüchen..... Aber es geht, wenn man Hilfe dazu bekommt. Manche finden vielleicht die Kraft in sich selbst, oder in der Zeit die vergeht.... mit hat die professionelle Hilfe von Aussen jedoch gut getan.

Weisst Du, was mir am meisten geholfen hat (musste ich natürlich erst lernen, mit der Zeit): vor den Ängsetn nicht weglaufen sondern ihnen ins Gesicht kucken und sagen/denken: OK, das ist jetzt Angst. Es ist NUR Angst. Warum habe ich jetzt diese Angst?..... Und mich dem ganzen langsam stellen... geholfen hat es insofern dass ich das was ich als realistische Bedrohung ansah, als "Angst" enttarnen konnte....

Wenn es etwas realistisches wäre wie eine Erkrankung Deiner Mutter - dann hast Du/habt ihr natürlich einen Grund, da funktioniert das natürlich nicht.... aber ich hoffe für Euch, es wird nicht der Fall sein!

Das sind meine Gedanken dazu. Ich hoffe, Du kannst etwas damit anfangen.

Viele Grüsse
Kerstin
Mit Zitat antworten
  #5  
Alt 16.11.2005, 14:11
britta15 britta15 ist offline
Neuer Benutzer
 
Registriert seit: 15.11.2005
Beiträge: 4
Standard AW: Ich hab' solche Angst!

Vielen Dank für eure Antworten. Ich fühl' mich nicht mehr so allein mit meiner Angst, wenn ich eure Zeilen lese.
Heute morgen war meine Mutter ja in der MRT. Gott sei Dank war es ohne Befund. Ich bin so froh. Der Arzt meinte, dass es sich "nur" um eine Nervenentzündung handelt, die möglicherweise durch nächtliches Zähneknirschen entstanden ist. Sie soll nachts eine Schiene im Mund tragen, die das Zähneknirschen verhindern soll (das hatte ihr Zahnarzt auch schon vorgeschlagen).
Ich denke mal, wir hätten auch nicht so schnell die Nerven verloren, wenn das mit Papa nicht gewesen wäre - und das versteht eben nur derjenige, der vergleichbares selbst erlebt hat!
Ich werde dieses Forum sicherlich regelmäßig besuchen (auch wenn manche Berichte sehr erschütternd sind). Ich wünsche euch allen viel Kraft, eure Schicksale bzw. die von Freunden und Familienangehörigen auszuhalten. Neulich habe ich mal einen Spruch gelesen, der sinngemäß lautete "nach jedem Dunkel der Nacht folgt ein neuer Morgen"...
in diesem Sinne... vielen Dank noch einmal.
Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 10:31 Uhr.


Für die Inhalte der einzelnen Beiträge ist der jeweilige Autor verantwortlich. Mit allgemeinen Fragen, Ergänzungen oder Kommentaren wenden Sie sich bitte an Marcus Oehlrich. Diese Informationen wurden sorgfältig ausgewählt und werden regelmäßig überarbeitet. Dennoch kann die Richtigkeit der Inhalte keine Gewähr übernommen werden. Insbesondere für Links (Verweise) auf andere Informationsangebote kann keine Haftung übernommen werden. Mit der Nutzung erkennen Sie unsere Nutzungsbedingungen an.
Powered by vBulletin® Version 3.8.7 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
Gehostet bei der 1&1 Internet AG
Copyright © 1997-2024 Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V.
Impressum: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Eisenacher Str. 8 · 64560 Riedstadt / Vertretungsberechtigter Vorstand: Marcus Oehlrich / Datenschutzerklärung
Spendenkonto: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Volksbank Darmstadt Mainz eG · IBAN DE74 5519 0000 0172 5250 16 · BIC: MVBMDE55