und wer kümmert sich um mich??

[Theresa85]

Hallo liebes Forum,

ich bin neu hier und hoffe ein bisschen auf eure Hilfe und Erfahrungen. Kurz zu meiner Geschichte: Bei meiner Mutter wurde im Oktober 08 ein Glioblastom festgestellt, operiert bestrahlt + Chemo. Mittlerweile ist sie halbseitig gelähmt, kann nur noch ein paar Schritte gehen und nicht mehr sprechen. Außerdem ist sie inkontinent, kurz gesagt, es geht immer weiter bergab. Mein Schmerz ist gar ncht in Worte zu fassen, sie ist die wichtigste Person in meinem Leben.

Ich bin 25 und habe gerad mein Studium beendet. Mittlerweile bin ich mit der Situation maßlos überfordert, aber ich funktioniere noch. Ich stehe nachts auf, wenn sie hinfällt, und pflege sie, bin immer für sie da. Ich habe noch Geschwister, die mit der Situation völlig anders umgehen. Sie wohnen ca. 1 Std. entfernt und kommen so wenig wie möglich nach Hause, da sie selbst mit der Situation nicht klar kommen. Ich bin vor der Diagnose mit meinem Freund zusammen gezogen, wohne aber seit November wieder zuhause, da ich mich meiner Mutter gegenüber verpflichtet fühle und es außerdem von Herzen gerne für sie mache. Sie hat immer alles für uns getan und das möchte ich ihr jetzt zurückgeben. Am Anfang hab ich alles ganz gut auf die Reihe bekommen, aber mittlerweile ist mein Akku leer. Meine Geschwister ruhen sich auf mir aus, "ich bin ja sowieso da". Meine sozialen Aktivitäten habe ich auf ein Minimum beschränkt, höchstens Abends, wenn mein Vater von der Arbeit kommt. Er kümmert sich liebevoll um sie, ist allerdings auch überfordert und voller Kummer. Ich habe einfach niemanden auf den ich mich stützen kann. Natürlich ist das hier kein Beziehungsforum, aber vielleicht liest es sich ja doch jemand durch;-) Ich bin mit meinem Freund 7 Jahre zusammen. Bis zur DIagnose meiner Mutter hatten wie eine wundervolle Beziehung. Aber ab dem Zeitpunkt, an dem wir DIagnose erfahren haben, ist er völlig verändert. Seine Mutter ist vor 10 Jahren ebenfalls an Krebs verstorben. Ich verstehe ihn, dass ihn diese Situation an früher erinnert, aber er sieht einfach nicht, wie schlecht es mir geht. Er rührt keinen Finger.Im Gegenteil, er sagt, ihm wäre es alles zu viel, ich sei nur noch traurig. Ich wäre nicht die einzige, die die Situation belaste. Er hätte keine Lust mehr, mit mir etwas zu unternehmen, weil ich nur noch wie ein Häufchen Elend dreinschaue. Stattdessen rennt er weg, unternimmt was mit seinen Freunden etc. Wenn ich anfange zu weinen, sagt er einfach nichts. Ich habe nicht das Gefühl, dass er für mich da ist und mich stützt. Es ist eine so verfahrene Situation. Ich bin soo wütend auf ihn, aber kann mich in meiner jetzigen Situation auch nicht trennen, da wäre nichts mehr von mir übrig.

Habt ihr auch solche Erfahrungen gemacht? Menschen, für die ihr die Hand ins Feuer gelegt hättet, haben euch enttäuscht?
Ich kann es einfach nicht verstehen, dass er sich so verhält, gerade jetzt, wo ich ihn brauche. Stattdessen bereitet er mir noch viel mehr Kummer.

Natürlich musste er in letzter Zeit zurückstecken, aber die Erkrankung meiner Mutter hat sich niemand ausgesucht. Ich möchte einfach so viel wie möglich für sie da sein und ihr noch eine schöne Zeit bereiten. Aber dafür brauche ich Kraft und die hab ich nicht mehr.
Gerade für "kinder" ist es so schwer, den Verfall mitanzusehen, weil Eltern eigentlich bisher immer unantastbar waren. Für mich ist es unglaublich schwer, meiner Mutter die Windeln zu wechseln, weil es so unwürdig für sie ist. Früher war sie diejenige, die alle Fäden der Familie zusammen gehalten hat und jetzt wechsel ich ihr die Windeln und passe auf, dass sie nicht nackt in den Garten geht, weil sie das manchmal einfach nicht mehr merkt, dass das nicht richtig ist.
Es tat gut, das einfach mal aufzuschreiben, auch wenn die Gedanken ein wenig unsortiert sind...
Liebe Grüße
The

[stellina]

liebe theresa,
willkommen hier. hört sich jetzt erst mal hart an: um dich mußt du dich kümmern. aber: wir hier werden dich unterstützen, so gut es nur irgend möglich ist - virtuell. mir ist von vielen seiten bekannt, daß männer mit so extrem emotionalen umständen ganz oft nicht zurechtkommen. entweder man kann sich als frau damit arrangieren oder der partner ist der falsche. was du für deine mutter tust ist absolut bewundernswert - meine hochachtung.
habt ihr eine pflegestufe beantragt? habt ihr kontakt aufgenommen mit dem pflegedienst vor ort? ihr hättet jeden menge möglichkeiten, hilfen in anspruch zu nehmen. denn du brauchst deine kraft noch ganz, ganz dringend. sobald ein pflegender angehöriger das gefühl hat, überfordert zu sein, muß erhilfe in anspruch nehmen. der kranke hat nichts davon, wenn der andere zusammenklappt. versuch dir deine freiräume zu schaffen. was deinen partner betrifft: du wirst ihn nicht ändern können. grade in krisensituationen lernt man oftmals völlig neue seiten an menschen kennen, die man zu kennen meinte. ob du damit zurechtkommen kannst, kannst nur du entscheiden.
fürs erste wars das. melde dich hier, wann immer dir danach ist, es ist immer jemand da. alles liebe, tina.

[Theresa85]

vielen Dank für die schnelle Antwort!! Meine Mutter hat einen Schwerbehindertenausweis (100%), Eine Pflegestufe haben wir noch nicht beantragt, darum kümmert sich mein Vater. Es ist einfach ein schlimmes Gefühl, so allein gelassen zu werden. Ich bin einfach unsagbar traurig. es wäre so schön, noch mal ein einziges Gespräch mit ihr zu führen. Ich gucke dann in ihre treuen großen Augen und sie versucht, etwas zu sagen, aber sie kann einfach nicht. Sie strengt sich so furchtbar an, aber sie kann nicht sagen, was sie fühlt. es ist schrecklich. Woher nehmt ihr eure Energie, um das durchzustehen? Mein Vater ist sehr gläubig, er sagt, es hilft ihm sehr. Für mich ist es schwer, an jemanden zu glauben, der mir meine Mutter so früh weg nimmt...

[stellina]

liebe theresa,
man wächst an seinen aufgaben. die kraft kommt - woher auch immer - wenn man sie braucht. ist meine erfahrung. ich finde auch, daß schlimmste leiden ist es, einen geliebten menschen leiden und verfallen zu sehen. warum es bei manchen menschen ein so schwerer weg ist, wird dir niemand beantworten können. du machst das alles ganz tapfer. aber verlier dich nicht ganz. du kannst deiner mama ihr leiden nicht abnehmen, aber beistehen und erleichtern. und das ist eine sehr wichtige erfahrung, die man da macht. irgendwann einmal wirst du sie nicht missen wollen.
ich wünsche dir sehr, daß du mit allem zurechtkommen kannst und unterstützung findest - nicht nur hier. alles liebe, tina.

[mahanuala]

liebe theresa
vielleicht sagt die 85 hinter deinem namen, wann du geboren bist?
dann bist du so alt wie mein sohn und ein bißchen jünger als meine töchter.

ich kann dir nur sagen, was ICH wollen würde, wenn du meine tochter wärst:
ich würde wollen, daß du dein leben aufbauen kannst.
ich würde professionell gepflegt werden wollen, damir ich keine schlechtes gewissen haben müßte bei all der überlastung meiner kinder/meines kindes und ich würde mich super freuen, wenn ich jeden tag besuch bekommen würde und meine tochter die stunde die sie da ist einfach nur meine hand hältr oder mit mir spricht.
wenn ich in guten finanziellen verhältnissen leben würde wäre ich froh, in meiner wohnung zu sein, aber mit rund-um-die uhr pflegedienst.
klar würde ich auch gerne die letzten wochen meines lebens dann möglichst meine tochter viel sehen wollen, aber ich glaube sie mich auch
aber ohne daß sie vor überlastung nicht mehr kann.

ich wünsche dir sehr viel kraft deinen weg zu finden
alles liebe
mahanuala

[mahanuala]

hallo theresa

ach ja, das mit den leuten, für die man die hand ins feuer gelegt hätte
ooo ja, die hatte ich auch
das paar das unsere trauzeugen waren....
um es kurz zu machen; wir haben die freundschaft beendet.
für mich heißt freundschaft auch, daß derjenige der gerade NICHT in der aktuellen schwierigen situation ist sich am riemen reißt, auch wenns schwer fällt.
aber du wirst mit anderen leuten vielleicht positive erfahrungen machen, die du nicht erwartest!
lg
mahanuala

[*chica*]

hey theresa,
ich kann mir vorstellen, wie du dich fühlst.

Klar , bei jedem ist es anders, aber gewisse pralelle fand ich, als ich mich bei dir eingelesen habe.

was mahanuala und stellina schreiben, so denke ich auch.
lieben gruss an die zwei

deine ma wollte nicht, das du aufhörst "zu leben". du sollt nicht nur funktionieren,
ich kann dich aber wie gesagt sehr gut verstehen, denn was stellina meinte "jemanden verfallen" zu sehen tut so weh - sehr sogar, und der schmerz lässt auch nicht nach..., aber es ist echt so, du wirst die kraft haben dies durchzustehen!

genauso wirst du aber auch tage haben, an denen du glaubst, du kannst gar nicht mehr. solche tage werden dich immer wieder einholen...und auch dann wird es weitergehen, an solchen tagen wirst du funktionieren.
ABER: man muss kämpfen, und sich nicht aufgeben, denn wenn man sich schon aufgibt, dann gibt man auch seine liebsten menschen auf!
männer empfinden eh anders und vielleicht hat dein freund einfach nur angst, und dies ist seine reaktion nach aussen, vielleicht benötigt er mehr zeit...
er verarbeitet eh alles anders, zumal er es schon einmal durchlebt hat...
vielleicht müsst ihr, bzw. er mehr mit dir reden...

ich schicke dir viel kraft und das du das wesentliche für deine kraftquelle entdecken magst, wo du hoffnung, ja und die kraft schöpfen kannst.MEin Sohn der erst 2 ist, gibt mir soviel kraft, und ich bekomme irgendwie jeden tag gemeistert....mal besser mal schlechter....

wenn du garade nicht auf deinen freund zurückgreifen kannst, überleg mal ob du nicht eine gute freundin oder freund hast? einfach nur jemanden mit dem du auch mal "zusammen weinen " kannst, wo du dich dort mal "fallen" lassen kannst....

auf jedem fall sind wir hier im forum für dich da!
ich drück dich auch mal

[vintage]

liebe theresa,

willkommen hier.
du hast es echt gerade nicht leicht...
wichtig ist, nicht die akkus ganz leer zu machen. du brauchst unterstützung (pflegedienst, alles was es gibt an professionaler unterstützung). dein leben muss auch weiter gehen. und dann wird die pflege und umsorgung deiner mutter auch wieder besser gehen, ohne zusammenbruch.

über die beziehung zu deinem freund wirst nur du ahnung haben, aber prüfe auch, warum er dir nicht beisteht/ beistehen kann, denn wie soll man sonst ein weiteres zusammenleben aufbauen, familie gründen etc., denn das leben hat immer wieder auch probleme parat! und du hast es verdient, unterstützt zu werden von deinem partner.

also: kümmere dich in erster linie auch selbst um dich (das war ja deine frage), um unterstützung und fordere sie auch bei deinen nächsten ein.
selbst wenn deine geschwister unsicher sind: mache eine familienkonferenz und verteilt aufgaben und aufgäbchen. mehrere schultern sind nun nötig. dann hast auch du wieder kraft und lebensmut.

achso, was ich noch sagen wollte: ich finde dein engagement für deine mutter toll und du kannst für dich nachher sagen, du hast deinerseits alles mögliche für sie getan. das ist für die zukunft auch wichtig, da ruhigen gewissens sein zu können. manchmal wird man in solchen phasen von anderen menschen enttäuscht, weil sie diesen weg nicht mitgehen (können). dann ist das so. entweder verzeiht man es ihnen oder geht weiter getrennt, weil man sich etwas anderes erhofft hat.
krisen zeigen immer wer zu einer hält, im forum wird viel davon geschrieben, das man neue menschen gewinnt und anders sieht, weil sie einen positiv überraschen und manche sich als ganz grässlich entpuppen. macht nix, gehe DEINEN weg, aber sorge auch für dich!


liebe gruesse,vintage

[Theresa85]

vielen Dank für die lieben Antworten. Ich habe ganz liebe Freundinnen, die immer für mich da sind, aber sie können den Partner nicht ersetzen. Ich stehe einfach vor der Entscheidung, ob ich mit jemandem zusammenleben möchte, der vor so einer Krisensituation davonrennt oder nicht. Denn das wird nicht die einzige Krise im Leben sein.
Wir sind Gott sei Dank finanziell ganz gut gestellt, so dass es da wenigstens ein bisschen einfacher ist. Ich werde mit meinem Vater über einen Pflegedienst sprechen, zumal ich ja auch ins Berufsleben einsteigen werde.
Von meinen Geschwistern kann ich nichts erwarten, so traurig das auch ist. Ich habe schon oft mit ihnen gesprochen, aber sie verstecken sich hinter ihren (zugegeben stressigen) Jobs. Genauso verhält es sich mit meinem Freund, ich habe alles versucht, ich hab ihn angeschrien, ruhig mit ihm geredet, aber er mauert einfach komplett. Mittlerweile bin ich zu müde zu reden. Meine Mutter hat auch schon mitbekommen, dass er immer weniger hier ist und sie gibt sich die Schuld, das ist das Schlimmste.

Ich weiß wohin die Erkrankung führt und ich möchte später ruhigen Gewissens sagen können, dass ich alles, was in meiner Macht stand, für sie getan habe. Ich glaube, das ist wichtig, um später seine innere Ruhe zu finden. Meine Geschwister werden es da schwerer haben.

Ich habe viele Freunde durch die Krankheit verloren, aber die "Guten" sind immer noch da:-)

Wenn ich ein bisschen mehr Zeit habe, werde ich mich hier mal durchs Forum lesen, ich glaube, dass ich hier auf jeden Fall ein paar Tipps sammeln kann. Und, so traurig es ist, man ist hier ja nicht alleine mit dieser Sch...krankheit..

[Tina65]

Liebe Theresa ,ich kann gut nachvollziehen wie du dich fühlst
es ist sehr schade das du sowenig Unterstützung aus deinem Umfeld bekommst
Ich sende dir einfach ein bischen Kraft
LG Tina