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  #16  
Alt 21.09.2017, 18:35
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Kaffeetrinkerin Kaffeetrinkerin ist offline
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Standard AW: Er wird sterben...

Liebe vintage,
es tut mir so leid, dass du deinen Mann verlieren musstest.
Ja, alles ist gesagt. Wir leben ja seit Februar 2015 schon mit der Erkrankung. Und uns war immer irgendwie klar, weil es so weit fortgeschritten ist, wird es dieses Ende irgendwann nehmen. Wir hatten nach den ersten OPs noch ein ganzes schönes beschwerdefreies Jahr. Das haben wir so intensiv gelebt und erlebt. Das ist mehr, als manch einer hier geschenkt bekommt und wenn ich eure Geschichte sehe, ihr hattet die Zeit auch nicht. Das tut mir sehr leid.

Heute Mittag war der Palliativarzt da zum Hausbesuch. Dieser Termin hat insofern beruhigt, weil er nach seiner Untersuchung ganz fest davon überzeugt ist, dass der neue heftige Schmerz in der linken Leiste nicht tumorbedingt und nicht vom Bauchraum kommend ist, sondern daher kommt, weil das Wasser in den Beinen einem bestimmten Nerv hat aufquellen lassen. Verschwindet das Wasser, wird auch der Schmerz gehen.
Auch das Übergeben ist immer noch weg. Der zweite Tag in Folge ohne Übergeben. Das ist soooo schön, dass man einfach zufrieden ist. Waren am See und haben Eis gegessen. Die Sonne genossen.
Vielleicht haben wir ja noch etwas Zeit. Nochmal Weihnachten zusammen wäre so schön.

Liebe Diana,
ich danke dir sehr für diese lieben und zu Herzen gehenden Worte.
Das tut mir sehr gut. Und macht Mut, dass ich das packen werde.
Dein Verlust tut mir sehr leid. Es ist doch traurig, zu lesen, wieviele Frauen ihren Mann schon so früh abgeben mussten.
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  #17  
Alt 21.09.2017, 21:27
Nale1976 Nale1976 ist offline
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Standard AW: Er wird sterben...

Liebe Kaffeetrinkerin,

ich kann deine Situation und deinen Gemütszustand sehr gut nachvollziehen...
Mein Mann ist am 10. April verstorben. Seine Erstdiagnose war im August 2016 - nichtkleinzelliges Adenokarzinom mit Knochenmetastasen...

Du machst alles richtig!

Wie ich, lebst du momentan in einem Ausnahmezustand und keiner weiß, wie lange es andauert... genieße jeden Moment mit deinem Mann!

Ich kann nur aus meinen Erfahrungen berichten: ich dachte auch, dass der Horrorfilm mit dem Tod meines Mannes endet... heute nach über 5 Monaten kann ich dir sagen: er tut es nicht! Es gibt Unmengen an Menschen, die alles besser wissen / ihn plötzlich besser kannten etc... das was mir hilft, ist die Tatsache, das mein Mann und ich vollkommen im Reinen gegangen sind...Er hat mir Instruktionen gegeben, wie ich wann reagieren soll... das hilft und gibt mir die nötige Stärke!

Ich wünsche dir unendlich viel Kraft!

Liebe Grüße
Nale
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  #18  
Alt 22.09.2017, 02:26
lotol lotol ist offline
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Standard AW: Er wird sterben...

Liebe Kaffeetrinkerin,

Zitat:
...Wir lieben uns seit 24 Jahren und kennen uns in und auswendig.
Es freut mich sehr für Euch beide, daß dem so ist.

Alles, was Du bisher weiterhin beschriebst, deutet darauf hin, daß Ihr einvernehmlich handelt, was auch gut so ist.
Genauer gesagt, könnte es gar nicht besser sein.


Heute ist Herbstanfang - das "alte" Jahr klingt aus.
Vielleicht in dieser Jahreszeit auch das Leben Deines Mannes.

Zitat:
Waren am See und haben Eis gegessen. Die Sonne genossen.
Vielleicht haben wir ja noch etwas Zeit. Nochmal Weihnachten zusammen wäre so schön.
Das macht Ihr schon richtig so.
Schlepp Deinen Mann nach draußen in die Natur, so lange das noch machbar ist.
Kann auch, wenn das Wetter lausiger wird, nur noch im Auto sein.
(Nach jedem meiner Chemo-Zyklen fuhr ich per Auto über's Land.
Allein und mit Musik, die mir gefiel.
Nicht, weil ich mich von der Natur "verabschieden" wollte, sondern weil es mich "aufbaute", noch ein Teil dieses Lebens sein zu können.)

Ich wünsche Euch, daß Ihr noch etwas Zeit haben werdet und vielleicht auch noch Weihnachten miteinander erleben könnt.
Genauer gesagt, noch etwas mehr Zeit haben werdet, um voneinander "loslassen" zu können.
Schmerzvoll ist das ohnehin weit mehr als genug und auch endgültig.


In der tiefen Trauer nach dem Tod Deines Mannes kann es vielleicht hilfreich sein, wenn Du Dich an all das Glück erinnerst, das Ihr miteinander erlebtet.
Ja - das ist nur eine "Krücke".
Die aber durchaus dabei helfen kann, im Leben (danach) "weitergehen" zu können.
Denke, Du bist Realistin genug, um auch das noch schaffen zu können.
Auch, wenn es anfangs schwerfällt.

Alles nur mögliche Glück Euch beiden bis dahin.


Liebe Grüße
lotol
__________________
Krieger haben Narben.
---
1. Therapie (2016): 6 Zyklen R-CHOP (Standard) => CR
Nach ca. 3 Jahren Rezidiv

2. Therapie (2019/2020): 6 Zyklen Obinutuzumab + Bendamustin => CR
Nach ca. 1 Jahr Rezidiv, räumlich begrenzt in der rechten Achsel

3. Therapie (2021): Bestrahlung
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  #19  
Alt 22.09.2017, 06:45
fluturi fluturi ist offline
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Standard AW: Er wird sterben...

Zitat:
Zitat von Kaffeetrinkerin Beitrag anzeigen
Hallo Fluturi,
es tut mir sehr leid, dass du diese Erfahrungen auch machen musstest. War das bei deinem Vater denn auch so, dass er sich mal permanent übergeben musste und dann wurde es wieder besser? Das ist das, was ich gerade nicht verstehen kann. 4 Wochen keine Nahrung und kein Trinken möglich und jetzt wurde es immer besser und gestern das erste Mal kein Übergeben mehr. Jetzt seit über 30 Stunden. Trotz Nahrung und Getränken. Dann kann der Darm doch noch nicht zugewuchert sein...
Liebe Kaffeetrinkerin,

ja, leider ging das die letzten Wochen auch so bei uns. Das sagt nichts darüber aus, wieviel Zeit ihr noch habt. Aber das war bei uns das Stadium, bevor das Ende nahte. Ich wünsche euch, dass ihr mehr Zeit habt und euch habt. Das ist das wichtigste. Da sein.
__________________
Die höchste Form der Hoffnung ist die überwundene Verzweiflung. - Albert Camus

Geändert von fluturi (24.09.2017 um 14:46 Uhr)
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  #20  
Alt 24.09.2017, 13:09
DianaL DianaL ist offline
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Standard AW: Er wird sterben...

Liebe Kaffeetrinkerin,

wie geht es Euch heute?

Da mich Eure Geschichte sehr an unsere erinnert, denke ich die Tage öfter an Dich.

Ich schicke Dir viel Kraft und vergiss nicht ab und zu mal durchzuatmen.
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  #21  
Alt 24.09.2017, 15:00
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Kaffeetrinkerin Kaffeetrinkerin ist offline
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Standard AW: Er wird sterben...

Hallo Diana,
danke der Nachfrage... ich konnte in den letzten Tagen nicht so gut schreiben.
Manchmal habe ich ein riesiges Output-Bedürfnis und bin dann froh, dass ich hier ein Ventil finde, was loszuwerden an Gedanken. Und manchmal kann ich garnicht darüber nachdenken, was gerade passiert.
Musste was verarbeiten in den letzten Tagen und habe ein bisschen an mir gezweifelt.
Es ist so. Viele der Menschen, die mit der Behandlung meines Mannes betraut sind, haben mir deutlich gesagt oder direkt angedeutet, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, sich zu verabschieden. Tage oder wenig Zeit. Davon war die Rede. Darauf hat sich mein Kopf jetzt eingestellt und mein Herz wird das erst viel später verarbeiten. Das weiß ich. Nun weiß ich nicht, wie sehr ich das, was in meinem Kopf ist, in meinen Taten, Gesprächen etc. auch rüberbringe. Also ganz bestimmt ist es nicht so, dass ich ihm dauernd sage, du stirbst ja bald.
Aber genau das hat mir meine Schwiegermutter vorgeworfen. Sie hat das Gespräch mit mir gesucht und mir unter Tränen gesagt, dass ich doch nicht so sein könnte, ihm das dauernd ins Gesicht zu sagen, dass er bald stirbt. Das hat mich sehr sehr getroffen. Weil ich zwar Realistin bin und mich mit der Wirklichkeit auseinandersetze, aber ihn bestimmt nicht damit dauernd konfrontiere. Sie, also die Schwiegermutter, konfrontiere ich damit. Damit sie aufhört, nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Ich weiß nicht, ob das jemand verstehen kann. Aber ich kann nicht mehr dieses Auf und Ab und diese falschen Hoffnungen ertragen. Wir haben den schulmedizinischen Weg gesucht und sind ihn gegangen. Da ist er austherapiert. Da bringt es mir jetzt nur Unruhe, immer noch was bewirken zu wollen. Wenn man nur noch weiterkämpft. Und sie glaubt einfach, dass es doch noch einen Weg geben muss. Und überfällt ihn und vor allem mich damit, dass ich das probieren soll und was gegen Problem XY getan wird. Ich habe Verständnis dafür, dass es für sie auch schwer ist, die Realität zu akzeptieren. Aber sie muss auch akzeptieren, dass sie es mir als Ehefrau, sehr schwer macht, indem sie mich versucht, vor einen Karren zu spannen. Das ich irgendwas angehen soll. Da habe ich ihr deutlich gesagt, dass man es nicht mehr heilen können wird und dass man das akzeptieren soll. Und das die aktuellen gesundheitlichen Probleme eben dazu gehören wenn man stirbt. Aber da war mein Mann nicht dabei.
Sie sagte, er wäre ganz getroffen von meinen Aussagen. Das hätte sie in seinem Gesicht gesehen.
Habe nach langem Nachdenken meinen Mann befragt. Weil es mich wirklich getroffen hat. Richtig getroffen. Weil sein Übergeben ist weg. Immer noch. Und vielleicht sehe ich alles zu negativ. Aber es kommt immer ein neues Problem. Nun die dicken Beine und die heftigen Leistenschmerzen.
Mein Mann hat gesagt, ich würde alles richtig machen und ich solle ihm bloß manchmal seine Ruhe vor der Erkrankung geben. Nicht alleine davon anfangen zu sprechen. Er versuche das auszublenden. Nicht heulen, nicht thematisieren, normal sein. Okay, das kann ich einhalten.

Heute morgen war ich in der Kirche und kam nach Hause. Er lag wie tot, schlafend mit offenem Mund auf der Couch. Ich habe ihn auch nicht atmen gesehen. Habe mich sehr erschrocken und gleichzeitig gedacht, hat er es endlich geschafft? Er sieht friedlich aus.
Er hat dann aber nur geschlafen. Zum Glück haben wir heute einen weiteren Tag. Waren trotz der Symptomatik im Biergarten in der Sonne. Und jetzt sitzt er mit mir auf dem Balkon. Wählen waren wir auch schon.

Liebe Nale,
es tut mir für dich ganz furchtbar leid, dass du auch so früh Witwe geworden bist. Und dass der Horrorfilm noch nicht endet.
Bei mir ist es momentan so schlimm, weil ich es einfach kaum noch schaffe, ihn so leiden und verfallen zu sehen. Ich hoffe darauf, dass, wenn er gestorben ist, sein Leid zuende ist. Und dann hoffe ich weiterhin, dass ich die Kraft finde, wiederaufzustehen und zu leben.
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  #22  
Alt 24.09.2017, 15:39
DianaL DianaL ist offline
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Standard AW: Er wird sterben...

Liebe Kaffetrinkerin,

weißt Du, wir waren damals auf der Palliativstation und das Ziel war, nach Hause zu kommen und weitere Therapiemöglichkeiten zu suchen. Mir war völlig klar, dass es keine gab und das die Wahrscheinlichkeit nach Hause zu kommen, winzig war.

Aber mein Mann wollte das so. Er hätte es nicht ertragen, einzusehen, dass er mit seinen 47 Jahren sterben wird, mich mit allem alleine lässt und keine Chance hat all die Dinge zu tun, die er nach der ersten erfolgreichen Therapie aufgeschrieben hat (Die Notiz habe ich gefunden, ein paar Tage nach seinem Tod.). Er konnte es nicht ertragen von der Krankheit besiegt worden zu sein. Wir haben gelebt, als wäre genau das der Weg. Demzufolge gab es auch wenig Besuche und es hat mir zum Glück auch niemand reingeredet. Es war insgesamt auch "nur" eine Woche und ich hatte kaum Zeit zum Grübeln oder Infrage stellen. Ich habe nach meinem Gefühl gehandelt, ich habe das gemacht, was für ihn am erträglichsten war. Wir waren draußen, er hat seine Runden absolviert, wir haben am Laptop gearbeitet, er hat E-Mails diktiert und wir haben gerade erarbeitetes Geld in einer Exceltabelle auf unterschiedliche Investitionen verteilt.

Seine Eltern haben sich damit abgefunden - sein Vater war Arzt und demzufolge sehr realistisch. Sie waren eine unheimliche Unterstützung.

Andere Menschen haben mir das übel genommen. Sie meinten ein Recht darauf gehabt zu haben, sich von ihm zu verabschieden und ich habe ihnen das genommen. Bullshit. Menschen, die vielleicht mal am Geburtstag angerufen haben und sonst nichts. Ich muss sagen, dass hat mich schon getroffen und später auch zum Nachdenken gebracht. Aber ich wusste sehr schnell und weiß heute umso mehr, dass genau das der richtige Weg war. Es war sein Weg und somit unser Weg.

Ich glaube Du machst das richtig. Höre auf Dich und Dein Gefühl, lass Dich nicht verunsichern und rede mit den Menschen wenn Du die Gelegenheit hast. Ich glaube Eltern die ihre Kinder verlieren, haben nochmal eine andere Art damit umzugehen.

Aber ich sehe das so: DU musst demnächst ohne ihn leben. Und das heißt nicht nur, dass er nicht mehr da ist - das ist schon schwer genug - sondern Du wirst oft über die letzte Zeit nachdenken und ich kann für mich sagen, dass wir diese Zeit so gestaltet haben wie es für uns gepasst hat, hat mir meine Trauerarbeit an vielen Stellen erleichtert.

Ich wünsche Dir viel Kraft, die Fähigkeit mit Deinem Mann zu kommunizieren, vielleicht auch ohne immer zu reden, und noch ein paar schöne Tage.

Und wenn Dir danach ist, können wir auch hier schreiben.

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  #23  
Alt 24.09.2017, 16:14
Sonnenschein30 Sonnenschein30 ist offline
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Standard AW: Er wird sterben...

Liebe Kaffeetrinkerin,

ich verstehe dich leider nur zu gut und bin aktuell in ähnlicher Situation,
nur 10 Jahre früher. Mein Mann und ich sind Anfang 30 und kämpfen seit einem Jahr gegen den Krebs, keine Behandlung hat geholfen. Nun sollen seine letzten Wochen angebrochen sein. Schlafen ist leider ein Fremdwort für uns. Wir schlafen nachts auf Grund der Nebenwirkungen von Medikamenten oder Schmerzen fast gar nicht mehr.

Es ist schön, dass ihr noch schöne Stunden zusammen verbringen könnt.
Wir können die Wohnung leider fast gar nicht mehr verlassen und wenn doch sind die Schmerzen danach noch viel schlimmer.

Einen geliebten Menschen auf seinen letzten Tagen zu begleiten ist das schlimmste für mich. Man fragt sich, was man im Leben falsch gemacht hat um soviel leid mit seiner großen Liebe ertragen zu müssen

Aber es hilft alles nichts, da müssen wir durch und aufgeben ist kein Option!
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  #24  
Alt 24.09.2017, 16:52
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Kaffeetrinkerin Kaffeetrinkerin ist offline
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Standard AW: Er wird sterben...

Liebe Diana,
der Austausch mit dir hilft mir sehr. Vielen Dank, dass du mit mir deine Erfahrung teilst.
Ja, das ist unser Weg. Du hast Recht. Und mein Mann und ich haben immer sehr offen über die Krankheit und den Tod gesprochen und waren sehr ehrlich zueinander. So ehrlich es geht. Er wollte nie leiden und lieber sein Leben vorher beendet wissen. Kein Pflegefall werden. Deshalb kämpft er sich auch immer noch mal hoch, um seine Selbstständigkeit nicht zu verlieren.
Mir macht der Tod Angst, weil es der erste Mensch ist, und gleich auch der wichtigste in meinem Leben, der nun vor meinen Augen sterben wird. Habe Angst vor den letzten Stunden und Minuten. Ob ich das schaffe.
Ihm geht es gerade sehr schlecht. Er hat heute sehr viel Morphium gesprüht mit dem Nasenspray und gestern auch schon, weil die Schmerzen in der Leiste so unerträglich sind. Hilft aber kaum. Nun ist ihm ganz schwindelig und komisch. Da er (und auch ich) nachts kaum noch schlafen, und er trotzdem versucht, aktiv zu sein und kaum noch Nahrung zu sich nimmt, denke ich, dass er einfach total entkräftet ist gerade.

Hallo Sonnenschein (was für ein schöner Name in so einer traurigen Situation- das gefällt mir sehr!),
Anfang 30 und diese Situation ist einfach so unfair. Es tut mir sehr sehr leid. Das, was du beschreibst, genauso geht es ihm auch. Aber er will unbedingt raus. Egal wie es ihm geht. Und egal wie es ihm danach geht. Ich komme auch nachts kaum noch zu Schlaf. Und heute gehe ich nicht laufen, weil ich ein komisches Gefühl habe, ihn allein zu lassen. Habe Angst, dass es heute Nacht passiert.
Ja, unsere Aufgabe ist fast nicht zu schaffen. Manchmal möchte ich einfach nur weglaufen. Fliehen vor der Situation.
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  #25  
Alt 24.09.2017, 16:55
Safra Safra ist offline
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Standard AW: Er wird sterben...

Liebe Kaffeetrinkerin,

ich habe hier was zum Thema Schmerztherapie:

http://www.netdoktor.de/palliativmed...pie-13158.html:

Zitat:
Die dritte Stufe der WHO-Schmerztherapie beinhaltet stark wirksame Opioide wie Morphin, Buprenorphin, Fentanyl und Oxycodon. Mit Ausnahme von Buprenorphin ist hier kein Ceiling-Effekt zu erwarten, das heißt: Die Dosis kann bei Bedarf ohne obere Grenzdosis angepasst werden, was vor allem bei stärksten Tumorschmerzen sehr wichtig ist.
Wenn es gar nicht mehr geht: palliative Sedierung:
Zitat:
Unter Sedierung versteht man in der Palliativmedizin die medikamentöse Reduzierung des Bewusstseinsniveaus eines Patienten (im Extremfall bis hin zur Bewusstlosigkeit). Sie kann eine Nebenwirkung der Schmerzlinderung mit Opioiden sein oder gezielt herbeigeführt werden, um Patienten unerträgliche Schmerzen, Angst und andere Belastungen in der letzten Lebensphase weitestgehend zu ersparen. Im zweiten Fall nennen Mediziner dies eine „palliative Sedierung“. Früher verwendete man dafür auch den Begriff „terminale Sedierung“, weil man befürchtete, durch die Sedierung die Lebenszeit des Patienten zu verkürzen. Dies ist aber nicht der Fall, wie Untersuchungen inzwischen gezeigt haben.

Die palliative Sedierung sollte möglichst nur mit Zustimmung des Patienten und nur dann durchgeführt werden, wenn sich seine Symptome auf keine andere Weise lindern lassen.
Die Patienten schlafen dann quasi "hinüber".

Ich hoffe, dass Euch noch etwas Zeit bleibt. Deine Vorgehensweise bzgl. Schwiemu und wie Du das versuchst zu verarbeiten, finde ich total richtig.

Alles Liebe! Safra
__________________
"Die Hoffnung ist der Regenbogen über den herabstürzenden Bach des Lebens."
Friedrich Wilhelm Nietzsche
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  #26  
Alt 24.09.2017, 17:22
Nale1976 Nale1976 ist offline
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Standard AW: Er wird sterben...

Liebe Kaffeetrinkerin!

Wie bereits geschrieben hatte: Du machst alles richtig!

Bei uns war es so, dass mein Mann es sehr genau wusste oder gemerkt hat.
Ich nicht - ich wollte es auch ehrlich gesagt nicht wissen... ich konnte damit nicht umgehen. Es sah bei meinem Mann nicht gut aus - er hatte aber noch mittwochs eine neue Therapie begonnen, Termine für Bestrahlungen erhalten, stand auf der Warteliste für eine Studie etc... Ich glaube oder weiß, dass er einfach nicht mehr wollte und keine Kraft für den weiteren Kampf hatte. Er sagte immer zu mir, dass er dieses andere Leben nicht annehmen kann. Er wollte nie in einer Strickjacke im Rollstuhl auf der Terasse sitzen... er war bis zur Erkrankung sehr sehr sportlich und wurde dann komplett ausgebremst...

Ich habe in der Nacht als er starb erst 4 Stunden vorher gemerkt, dass es eventuell soweit sein könnte. Mein Mann ist friedlich rüber geschlafen. Lediglich eine Schlaftablette hatte ich ihm gegeben und immer und immer mit ihm gesprochen bzw geredet. Ich war alleine mit ihm zuhause. Warum ich dir dies schreibe? Du wirst es merken, wenn es soweit ist. Genieße bis dahin jede Sekunde mit ihm. Du wirst dir diese Momente immer wieder zurück wünschen... Ich weiß, wie dir momentan die Kraft ausgeht, wie es ist tagelang nicht richtig zu schlafen... wie hilflos und machtlos du dem gegenüber stehst...

Und was andere Menschen dir sagen oder wie sie dir begegnen? Es ist egal. Es ist dein Mann! Mir hat man auch Vorwürfe gemacht - auch heute noch. Sie prahlen mittlerweile an mir ab. In deiner jetzigen Situation lebst du in einem emotionalem Ausnahmezustand - der auch noch andauern wird. Ich habe den Menschen immer geantwortet, dass wenn sie meinen Weg gegangen sind, all das gesehen habe was ich gesehen habe, dann können sie über mich urteilen - ansonsten nicht. Ich muss noch dazu schreiben, dass mein Mann immer der Stärkere von uns beiden war. Gegenüber ihm hatten sie nie Kritik geäußert - zu guter Letzt war ich dann diejenige die alles abbekommen hat. Er wollte während seiner Erkrankung wenig Kontakt zu vielen Bekannten haben - man hat es mir später zum Vorwurf gemacht...

Versuche stark zu sein und zu bleiben! Ich wünsche euch ganz viel Kraft!

Liebe Grüße
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  #27  
Alt 24.09.2017, 18:33
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Kaffeetrinkerin Kaffeetrinkerin ist offline
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Standard AW: Er wird sterben...

Hallo Nale,
es tut so gut, von dir zu lesen. Nimmt mir ein bisschen die Angst. Und das Unverständnis für alle weiteren Mitmenschen.
Mein Mann will auch keine Kontakte mehr haben. Und Verabschiedungsszenen erleben. Dass der Kontakt mit seinen Eltern aktiver geworden ist, ist mein Verdienst. Weil es mir so leid getan hat, dass sie überhaupt keinen Zugang zu ihm hatten.

Puh.. er ist nach seinem Schlaf auf der Couch aufgewacht und sieht schon wieder viel besser aus.
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  #28  
Alt 24.09.2017, 18:35
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Kaffeetrinkerin Kaffeetrinkerin ist offline
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Danke dir Safra für die wirklich sehr guten Informationen zu der palliativen Schmerzmedikation.
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  #29  
Alt 24.09.2017, 19:08
DianaL DianaL ist offline
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Standard AW: Er wird sterben...

Liebe Kaffeetrinkerin,

ich glaube Dir, dass Du Angst hast. Ich hatte eine Scheißangst.

Ich hab mich damals gefragt, was mir diese Angst eigentlich sagen will und alles getan um mich von ihr zu distanzieren. Ich habe mir all die Dinge die in dieser furchtbaren Situation trotzdem gut sind vorgestellt und siehe da, es war leichter.

Ich war froh, dass wir zusammen sind. Zwar nicht zuhause, aber so eine Palliativstation bietet sehr viel Privatsphäre. Es war ruhig und wir waren uns nahe. Ich habe unsere Liebe gespürt und tiefe Dankbarkeit meinen Mann so lange an meiner Seite gehabt zu haben. Ich habe gespürt, dass genau in dieser Situation, die intimer, trauriger, bedrohlicher und auswegloser nicht sein kann, er genau mit mir sein wollte und ich mit ihm. Ich habe das als Geschenk gesehen auf diesem Weg, den wir nicht in der Hand hatten, dem wir ausgeliefert waren und dem wir uns gemeinsam gestellt haben.

Und dann ist er ganz plötzlich unruhig geworden, wollte sich nicht hinlegen obwohl er erschöpft war, wollte sich nicht ausruhen. Erst nach gutem Zureden hat er sich aufs Bett gelegt. Auch wenn ich noch gar nicht damit gerechnet habe, wusste ich sofort, dass der Moment gekommen ist. Ich habe ihn beruhigt, ihm liebe Dinge gesagt, ich war ohne Panik, habe nicht nach Schwestern gerufen, habe mich neben ihn gelegt und ihm die Reise so leicht und friedlich wie möglich gemacht.

Ich hoffe meine Schilderung erschreckt Dich nicht und geht zu weit. Ich will Dir nur sagen, Du kannst alles in diesem Moment auf den man sich nicht vorbereiten kann. Und so wie ich Dich bisher gelesen habe, wirst Du genau das Richtige tun. Hab keine Angst. Angst ist ein schlechter Begleiter. Das werden die Momente sein, die Dich begleiten.

Vertrau auf Dich, Eure Liebe und Euer Selbstverständnis.

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  #30  
Alt 24.09.2017, 19:21
shania shania ist offline
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Standard AW: Er wird sterben...

Liebe Kaffeetrinkerin, mein Mann ist im Juli nach einem Jahr voller nicht anschlagen der Therapien - er wollte sie bis zum Schluss- gegangen. Die letzten Wochen und Tage waren sehr schlimm, er wollte nicht sterben, es war schlimm ihn leiden zu sehen, nicht wegen der Schmerzen, sondern seine Trauer um das nicht gelebte Leben.
Ich hatte jeden Schritt im voraus geplant, sodass es bis zum Ende so war wie er es wollte. Das Sterben in der Endphase empfand ich gar nicht so schlimm, ich habe ihm die Hand gehalten und sein Gesichtsausdruck war nach dem Kampf ganz friedlich. Wir hatten immer gute Unterstützung vom Palliativdienst und das war so wertvoll.
Du machst alles richtig und das ist so wichtig für Dich “danach“, Du lebst ja weiter. Lass Dir von keinem Vorwürfe machen, es ist Euer Weg und den geht ihr wie ihr es für gut und richtig haltet, da kann keiner dran rütteln.
Ich wünsche dir viel Kraft, ich habe diesen Wunsch früher immer für überflüssig gehalten, aber Du brauchst Kraft für die letzte Zeit und vor allem für die Zeit danach. Liebe Grüsse Shania
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