Krebs-Kompass-Forum seit 1997  


Zurück   Krebs-Kompass-Forum seit 1997 > Spezielle Nutzergruppen > Forum für Angehörige

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
  #1  
Alt 01.11.2005, 14:01
Laura5555 Laura5555 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 01.11.2005
Beiträge: 56
Standard ich weiß nicht mehr weiter

Hallo,
nach fünf Jahren wurde bei meiner Mutter erneut ein Tumor entdeckt. Seit ich die Diagnose erfahren habe, fühle ich mich wie gelähmt, wobei ich dazu sagen muß, daß unser ganzes bisheriges Leben auch davor eine einzige Katastrophe war. Vor etwa sieben Jahren wurde mein Vater arbeitslos und hat seitdem nur noch sehr wenig verdient, Geld bzw. Sparen wurde seitdem zum Dauerthema. Vor fünf Jahren erkrankte dann meine Mutter an Unterleibskrebs, wurde operiert und erhielt Chemotherapie. Danach war sie eigentlich wieder sehr positiv gestimmt, und nahm sich fest vor, sich in Zukunft zu schonen und wir wollten ihr alle dabei helfen. Diese Phase hielt jedoch nur etwa ein Jahr an, denn dann folgten weitere schlimme Schicksalsschläge, die unser Leben nur noch wie einen Albtraum erscheinen ließen. Meine Großeltern wurden beide sehr schnell pflegebedürftig und wurden von meiner Mutter ständig betreut. Da sie in Österreich wohnen und meine Mutter Einzelkind ist, mußte sie die Pflege abwechselnd mit meinem Vater übernehmen, da sie keine Geschwister hat, die ihr helfen können. Diese Belastung war schon sehr groß. Hinzu kam noch, daß mein jüngerer Bruder (19) an einer schweren Depression erkrankte, was ebenfalls sehr viel Nerven kostete. Er wird in einer Psychiatrie behandelt. Aufgrund dessen, der allgemein sehr angespannten und gereizten Situation und der weiterhin finanziellen Probleme verschlechterte sich auch das Verhältnis meiner Eltern zunehmend, die eigentlich immer ein sehr entspanntes Verhältnis zueinander hatten. Inzwischen sprechen sie nur noch das nötigste miteinander. In den letzten zwei Jahren gab es nur noch Streit, Probleme, Sorgen und Angst. Inzwischen gehen sowohl meine Mutter als auch ich zum Psychologen. Meine Psychologin riet mir immer dazu, mich abnabeln zu müssen, um nicht ganz von diesem Sog verschlungen zu werden. (Ich bin schon fast 25 und wäre schon längst ausgezogen, hätten wir nicht diese ganzen Probleme gehabt). Ich war früher sehr offen und unternehmungslustig, habe immer viel gelacht, aber inzwischen bin ich nur noch traurig, sehr in mich gekehrt, würde auch sagen schon depressiv, habe Probleme, auf Menschen zuzugehen, fühle mich leer und habe keine Lust mehr, etwas zu unternehmen. Ich habe zwar ein paar gute Freundinnen, aber ich merke zunehmend, daß sie auch langsam mit meiner Situation überfordert sind. Zudem wird mir in ihrer Umgebung immer mehr bewußt, daß mein Leben so ganz anders verläuft, als das von Mädchen in meinem Alter. Jetzt hatte ich gerade geplant, im Frühjahr für ein Jahr zum Studium nach Amerika zu gehen, dort meine Abschlußprüfung zu machen und danach von zu Hause auszuziehen. Und plötzlich ist wieder alles anders und die Vergangenheit holt uns alle wieder ein. Ich habe solche Angst um meine Mutter und sie tut mir so leid, daß ich mir nicht vorstellen kann, sie während der ganzen schrecklichen Dinge, die jetzt wieder auf sie zukommen, alleine zu lassen. Warum passiert ihr das wieder? Warum kann sie einfach mal das Leben ein bißchen genießen und mal etwas schönes erleben? Ich weiß, daß sie mich braucht und daß auch mein Vater und mein Bruder mich brauchen, aber ich fühle mich so hilflos. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, daß ich mich jetzt noch aufs Lernen konzentrieren kann, die ersten Klausuren sind schon im Januar, und ich brauche ganz dringend einen guten Abschluß an der Uni, damit ich endlich mein eigenes Geld verdienen kann. Ich habe so gehofft, daß sie es schafft, und nicht wieder krank wird, aber der ganze Stress in den letzten Jahren hat sie wieder krank werden lassen. Sie ist im Vergleich zur ersten Diagnose völlig niedergeschlagen, hat keinen Lebenswillen mehr und sieht keinen Sinn, noch für ein Leben zu kämpfen, das am Ende genauso weitergeht wie vorher. Ich versuche, ihr Mut zu machen, daß es besser wird, aber ich bin auch mit meinen Kräften am Ende. Ich ziehe mich total zurück von allem, kann es nicht mehr ertragen, zu sehen, wie die Menschen um mich herum das Leben einfach genießen, während mein Leben eine einzige Hölle ist und sich nur um Krankheit und Probleme dreht. Ich fühle mich so allein mit diesen Sorgen und auch meine Freundinnen können mir nicht helfen. Sie sagen immer "das wird schon wieder", aber keine von ihnen kann sich vorstellen, was in mir vorgeht und wie es in mir aussieht. Ich möchte sie nicht angreifen und bin auch sehr froh, daß ich sie habe und ihre Reaktion ist auch normal, weil sie es sich wirklich niemand vorstellen kann, was es heißt, wenn ein Elternteil Krebs hat, wenn sie es nicht selbst erlebt haben. Deshalb habe ich im Internet geschaut und dieses Forum entdeckt. Ich habe das Gefühl, verrückt zu werden. Gibt es hier jemanden, der mir helfen kann, mit all dem fertig zu werden? Danke, Laura.
Mit Zitat antworten
  #2  
Alt 01.11.2005, 15:20
Drops Drops ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 07.10.2005
Beiträge: 32
Standard AW: ich weiß nicht mehr weiter

Hallo Laura,

leider kann ich Dir mit Deinem Kummer nicht helfen. Ich wüßte ehrlich gesagt im Moment auch nicht wie. Bei Dir sind es ja gleich mehrere Dinge.
Vielleicht hat Deine Psychologin mit dem abnabeln doch recht?

Ich nehm Dich mal lieb in den Arm und schicke Dir ein ganz großes Kraftpaket

Liebe Grüße
Simone
Mit Zitat antworten
  #3  
Alt 01.11.2005, 21:10
Benutzerbild von Michaela68
Michaela68 Michaela68 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 01.09.2005
Ort: NRW
Beiträge: 264
Standard AW: ich weiß nicht mehr weiter

Liebe Laura,

Eure Geschichte ist, wie auch soviele andere Geschichten hier, sehr traurig. Und Du bist noch so jung und machst Dir schon soviele Gedanken und nimmst soviel Rücksicht auf Deine Familie.

Das Deine Eltern kaum miteinander reden ist für die Krankheit natürlich nicht förderlich, geht Dein Vater auch zum Psychologen? Vielleicht sollten Deine Eltern zusammen gehen, damit sie wieder zueinanderfinden, dann kommst Du auch zur Ruhe und kannst in Ruhe studieren. Es ist schade, dass Du schon jetzt diese Traurigkeit hast, Du bist noch so jung.

Wenn Du reden willst, schicke mir einfach eine PN, wir können auch gerne telefonieren.

Viele liebe Grüße
Michaela
Mit Zitat antworten
  #4  
Alt 03.11.2005, 14:05
Benutzerbild von DaskleineÄnnchen
DaskleineÄnnchen DaskleineÄnnchen ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 22.08.2005
Beiträge: 275
Standard AW: ich weiß nicht mehr weiter

Hi Laura...
du sprichst mir aus der Seele...
Ich bin 20 und seit zweieinhalb Monaten wissen wir das mein Vater krebs hat...
Nach "nur" zweieinhalb Monaten bin ich am Ende...ich kann nichtmehr normal mit meinem Vater sprechen und umgehen...alles regt mich auf.
Das mit den Freunden kann ich sehr gut nachvollziehen....ich konnte mich in den ersten paar Wochen überhaupt nicht mehr mit meinen Freunden treffen, das alles kam mir so verlogen vor....niemand kann nachvollziehen wie es mir geht, sie reden zwar mit mir, aber dann gehen sie alle wieder nach Hause in ihre gesunde Familie....
Ach es ist einfach alles soooo beschissen, seit dieser verfluchte krebs da ist...
Anna
Mit Zitat antworten
  #5  
Alt 03.11.2005, 15:27
Andrea6 Andrea6 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 15.04.2005
Beiträge: 26
Standard AW: ich weiß nicht mehr weiter

Hallo Laura,
Deine Geschichte kommt mir sehr bekannt vor. Ich bin 26 Jahre alt, und in den vergangenen zwei Jahren sind sowohl mein Vater als auch meine Mutter an Krebs erkrankt. Was da alles auf einen einprasselt, ist wirklich heftig. So, wie Du es beschrieben hast, geht es mir auch. Einerseits möchte man alle unterstützen und für jeden da sein, aber andererseits ist man irgendwann auch am Ende seiner Kräfte angelangt. Den Ratschlag, sich abzunabeln und nicht alles so nah an sich heranzulassen, haben mir auch schon viele gegeben, aber das ist gar nicht so leicht. Ich glaube, nur wer ähnliches erlebt hat, kann die Situation, in der wir uns befinden, wirklich beurteilen: Dieses ständige Auf- und Ab, diese Ängste, wenn wieder Kontrolluntersuchungen anstehen, die Veränderungen, die die Eltern durchmachen usw. Auch meine Eltern sind durch die Erkrankungen in eine Ehekrise geraten, was mich eigentlich fast am meisten belastet, weil es mir einfach nicht in den Kopf will, dass die beiden ihre Kräfte nicht eher für andere Dinge zusammenhalten können. Sie sind schon so lange verheiratet und haben so viel zusammen durchgestanden. Es ist einfach eine heimtückische Krankheit, die soviel kaputt macht, und das können Außenstehende zum Teil auch nicht nachvollziehen. Aber vielleicht findest Du hier ja die Möglichkeit zum Austausch.
Alles Gute für Dich,
Andrea
Mit Zitat antworten
  #6  
Alt 04.11.2005, 12:10
Laura5555 Laura5555 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 01.11.2005
Beiträge: 56
Standard AW: ich weiß nicht mehr weiter

Liebe Simone, Susanne, Michaela, Anna und Andrea,

ganz lieben Dank für Eure Zeilen. Seit gestern wissen wir, wie der Therapieverlauf aussehen wird. Der Tumor ist ein Rezidiv vom Eierstock (damals hatte sie Tumorklasse 1) und meine Mutter bekommt jetzt wieder sechs Zyklen Chemo und zwischendurch noch Lymphknoten entfernt, etwa nach der Hälfte der Chemos.
Es ist alles so furchtbar. Einerseits weiß man schon genau, was auf uns zukommt, und man hat nicht mehr so viel Ansgt davor, wie beim ersten Mal, aber da man es eben so genau weiß, weiß man auch, wie schwer wieder alles werden wird, vor allem, weil meine Mutter diesmal auch psychisch total am Ende ist, was sie nach der ersten Diagnose nicht war. Da waren die äußeren Umstände in unserer Familie noch nicht so schlimm und sie war nachher eigentlich die Stärkste von uns allen. Aber jetzt ist alles ganz anders. Meine Eltern wollen sich jetzt erstmal nach Alternativen zur Chemo erkundigen, da meine Mutter einfach auch körperlich nach der OP noch sehr schwach ist, und schon nächste Woche die erste Chemo bekommen soll. Dieser ganze Horror fällt jetzt genau in meine Prüfungsphase und dauert bestimmt bis nächstes Jahr April oder Mai, bis alles vorbei ist. Bin heute in der Uni total abwesend gewesen und hab die ganze Zeit gedacht, ich schaff das alles nicht mehr. Ich hatte mich so auf das Semester gefreut, darauf, mit ein paar Freundinnen, die auch Prüfung haben, zusammen zu lernen und danach schön Kaffeetrinken zu gehen und jetzt habe ich wieder nur noch diesen Horror im Kopf und kann mich an gar nichts mehr freuen. Eine Freundin von mir, mit der ich gestern telefoniert habe, hat mir wieder ständig gesagt, daß ich trotz allem weiterhin ausgehen soll, sie mit mir ins Kino geht oder shoppen, aber diese ganzen Dinge interessieren mich einfach nicht mehr, weil mir in solchen Momenten noch schmerzlicher bewußt wird, daß mein Leben einfach nicht das Leben ist, was ich gerne leben würde. Ich weiß nicht, was ich mit der Prüfung machen soll und alles absagen soll, weil es schon sehr viel zu lernen ist.

@ Susanne: Mein Vater geht nicht zum Psychologen, er hält nicht viel von "sochen" Ärzten. Vielleicht würde es ihm helfen, aber ich glaube, er ist nicht dazu zu bewegen. Meine Mutter hatte ihn früher schon mal darauf angesprochen, aber er hat abgelehnt.

@ Michaela: Vielen Dank für Dein Angebot mit der PN und Telefonieren. Ich werde bestimmt darauf zurückkommen.

@ Anna und Andrea: Es tut mir sehr leid, zu hören, daß Eure Eltern auch erkrankt sind. Es wäre schön, wenn wir uns hier ein bißchen austauschen könnten. Es ist einfach so schwierig, das alles unter einen Hut zu bekommen, für die Eltern da zu sein und irgendwie auch noch ein bißchen ein eigenes Leben zu führen. Wie geht ihr mit Euren Freundschaften um? Ich habe allgemein das Gefühl, das ich diesmal Freunde verlieren werde, einfach, weil ich selbst diesmal damit überhaupt nicht mehr umgehen kann. Ich melde mich kaum noch bei Freundinnen, rufe auch nicht mehr an, um zu reden, weil es mir ehrlich gesagt nichts bringt und ich einfach nicht ertragen kann, wenn sie mir von ihrem normalen Leben erzählen und von Dingen, die es bei mir einfach nicht gibt und abends schön ausgehen und Spaß haben wollen. Ich habe auch das Gefühl, daß sie sich zurückziehen, weil sie mit der Situation nicht umgehen können. Wenn ich anrufe, fragen so oft ganz nomal "und, wie geht´s?", so als wäre nichts, und reden über ihren Alltag. Vielleicht tue ich ihnen auch allen Unrecht, es ist ja nicht so, als würden sie sich nicht bemühen, und ich erwarte einfach zu viel von ihnen, was sie nicht leisten können, aber es macht mich einfach so wütend, daß ich nicht wirklich jemanden habe, der mich versteht und ich neben der Riesenangst, die ich um meine Mutter habe, auch noch mein eigenes Leben wieder vollkommen aus der Bahn geworfen wird und das zum zweiten Mal.

Ich finde mein Leben, mit allem drumherum, einfach so schrecklich und so gar nicht lebenswert.

Liebe Grüße von Laura.
Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 12:47 Uhr.


Für die Inhalte der einzelnen Beiträge ist der jeweilige Autor verantwortlich. Mit allgemeinen Fragen, Ergänzungen oder Kommentaren wenden Sie sich bitte an Marcus Oehlrich. Diese Informationen wurden sorgfältig ausgewählt und werden regelmäßig überarbeitet. Dennoch kann die Richtigkeit der Inhalte keine Gewähr übernommen werden. Insbesondere für Links (Verweise) auf andere Informationsangebote kann keine Haftung übernommen werden. Mit der Nutzung erkennen Sie unsere Nutzungsbedingungen an.
Powered by vBulletin® Version 3.8.7 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
Gehostet bei der 1&1 Internet AG
Copyright © 1997-2024 Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V.
Impressum: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Eisenacher Str. 8 · 64560 Riedstadt / Vertretungsberechtigter Vorstand: Marcus Oehlrich / Datenschutzerklärung
Spendenkonto: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Volksbank Darmstadt Mainz eG · IBAN DE74 5519 0000 0172 5250 16 · BIC: MVBMDE55