Nexavar hat nicht angeschlagen

[AuchSchwester]

Hallo,

bei meinem Bruder (58), wurde im Juli durch Zufall Leberkrebs festgestellt. Ab Ende August, als die Diagnose feststand (Stadium IV ), wurde Nexavar verordnet. Am 15.11. wurde nochmal ein CT gemacht. Unsere Onkologin hat bei der Besprechung am 22.11. dann gesagt das die Werte trotz Nexavar wesentlich schlechter geworden sind und der Tumor jetzt auf 10x11 cm groß ist. Die Lymphknoten sind bis zu 8 cm groß, die Metastasen in den Leberlappen bis zu 2 cm. Der Tumormarker ist von 500 im August über 900 im September auf 1641 im Oktober. Die neuen Werte bekomme ich erst am Dienstag. Ebenfalls hat er jetzt Wasser im Bauchraum. Das Nexavar wurde dann am 22.11. abgesetzt.

Bis jetzt hat er eigentlich gut gegessen, unter Nexavar aber extremen Durchfall mit gefühlten 20 Toilettengängen am Tag.

Heute Mittag ist ihm im wahrsten Sinne das Essen im Hals stecken geblieben und kam zurück. Ebenfalls hat er seit heute schneeweiße, eiskalte Hände und beschwert sich das es ihm kalt ist. Er wohnt alleine, nur ein paar Häuser von uns entfernt und kommt täglich zum Essen zu uns. Ich habe ihm angeboten ganz zu uns zu kommen, das möchte er aber nicht.

Kommenden Dienstag soll ich von der Uniklinik eine Info bekommen ob sie ihn in eine neue Studie aufnehmen. Ich weiß nicht, ob ich ihm das antun soll.

Normalerweise bin ich die Starke und Vernünftige die in der Familie immer allen die Entscheidungen abnimmt, nun weiß ich nicht mehr was richtig ist.

[Mel_1]

Hallo Auchschwester,

erstmal herzlich Willkommen, auch wenn der Anlass so traurig ist.
Es ist nicht unüblich, dass Nexavar nicht wirklich eine Verbesserung bringt.
Da findest Du in der Leberkrebsgruppe einige Themen zu.
Die Durchfälle auf das Medikament sind auch nicht unüblich, wenn es nur Durchfall war, ist Dein Bruder noch gut weggekommen.
Das Wasser im Bauch ist leider nicht so toll, aber leider auch eine Folge des HCC. :-(
Ob er an einer Studie noch teilnehmen will oder nicht, muss er selbst entscheiden. Da kann ihn keiner bei helfen.
Wenn es aber eine Quälerei für ihn wäre, da immer hinzufahren, würde ich ihn wohl auch abraten.
Sein BEfund ist ja wirklich massiv und da kann man nur palliativ unterstützen, Heilung ist da ja leider nicht mehr möglich.
Er sollte versuchen, Suppen etc zu essen, die sind auch leichter verträglich.
Ich wünsche Euch viel Kraft für die nächste Zeit.
LG
Mel

[AuchSchwester]

Liebe Mel,

Danke für die Antwort.
Heute war er sehr unwirsch und kam auch nicht zum Essen. Ich war vorhin bei ihm. Irgendwie habe ich das Gefühl das er jetzt erst alles richtig realisiert und bereits abgeschlossen hat.

"Das hat doch alles keinen Wert", "ist doch sch... egal" oder ähnliche Bemerkungen kamen mehrfach.

Leider hat die Uniklinik sich nicht gemeldet, auf Rückfrage um 15.30 Uhr wurde mir gesagt das niemand mehr da ist und ich morgen einen Rückruf erhalte.

Blutwerte von gestern: GGT 561, GOT 131, Leukozyten 11,67 usw.

Ich weiß wo die Krankheit hinführt, möchte ihm aber den Mut nicht nehmen bzw. ihn ein bisschen aufbauen.

[Mel_1]

Hallo Auchschwester,

das Unwirschsein ist leider auch oft im Zusammenhang mit der Krankheit zu sehen. Es tut den Patienten danach aber gleich wieder leid, das kommt halt oft daher, dass der Körper nicht mehr so entgiftet wird, da die Leber nicht mehr so fit ist. Das steigt dann oft in den Kopf.
Nimm seine Launen hin...irgendwie kann man die Patienten in solch Situation schon verstehen, sie wissen, dass sie nicht mehr 90 werden und sind auch schrecklich neidisch auf die Menschen, die gesund weiter leben dürfen.
Ich hab damals als mein Mann so schwer krank wurde, die 5 Sterbephasen von Elisabeth Kübler-Ross gelesen...die man auch auf die schwere Krankheit umleiten kann. Heisst ja deswegen nicht, dass man deswegen gleich sterben muss. Aber man kann die Patienten leichter verstehen.
Ich drück Euch weiter die Daumen.
Liebe GRüße
Mel

[AuchSchwester]

Guten Morgen,

nun muss ich mich wieder melden weil ich keine Antworten auf meine Fragen finde:

Nachdem das Nexavar abgesetzt wurde, wurde eine Aufnahme in eine alternativ Studie in einer Uniklinik beantragt. Diese wurde aufgrund der schlechten Werte abgelehnt.

Nächster Antrag bei der Krankenkasse zu einer weiteren Behandlung wurde ebenfalls abgelehnt.

Nun möchte die Krankenkasse das mein Bruder die Rente beantragt (seit 4 Monaten im Krankengeld).

Am 10.01. waren der CEA weit über 4.000.

Er isst sehr gut!

Seit 2 Wochen beklagt er sich über einen unangenehmen Druck nachts der ihn nicht schlafen lässt. Eine deutliche Gelbsucht hat eingesetzt.

Seit Freitag bekommt er Novalgin und ein Cortison. Gestern fragte er mich was es bedeutet das sein Stuhl seit Sonntag ganz schwarz wäre?

Auf dem Kopf und an den Beinen hat er offene Stellen, die gelegentlich leicht bluten. Ebenfalls sind Einblutungen an Gesicht und Ohren zu sehen.

Eigentlich wollte ich vorgestern für 4 Tage in den Kaiserstuhl fahren, die Onkologin meinte aber ich solle ihn nicht mehr alleine lassen, es könnte nun schnell kippen.

Er möchte nicht komplett zu mir ziehen, wohnt nur ein paar Häuser weiter. Mein Angebot das ich wieder in mein altes Zimmer ziehe lehnt er bisher auch ab.

Er tut mir so leid.....

[vintage]

hallo auchschwester,

das hört sich alles nicht so gut an, aber das weisst du ja.

ich wünsche euch viel kraft und
zwischendurch immer wieder gute momente, auch wenn die zeit rinnt.

[AuchSchwester]

Hallo,

es geht rapide bergab. Am Sonntag habe ich ihn mit starken Tumorschmerzen ins Krankenhaus gebracht da ich keinen Arzt gefunden habe der Morphium verschreibt. Er hat nun ein Pflaster 5my, zusätzlich 3x tägl 0,2 mg Morphium und 4x Novalgin 500.

Heute habe ich ihn nach Hause geholt, im Krankenhaus am Sonntag aber schon betont das er nur zur Schmerzbekämpfung da ist. Er ist nun freiwillig mit zu uns gekommen, hier ist alles einfacher da wir einen Bungalow haben und er das Gästezimmer mit Bad bekommen hat.

Er schläft fast nur noch. Vorhin hat es am Hinterkopf angefangen zu bluten. Ich bekomme es nicht gestoppt.

Den schwarzen Stuhl hat er nun 9 Tage, seit 7 Nächten auch Nasenbluten. Im Krankenhaus wurde 2 Bluttransfusionen gegeben, HB ist nur bei 7.

Warum muss man in Deutschland so leiden?

[gilda2007]

Du schreibst gar nichts vom Pflegedienst -- den braucht ihr ganz dringend. Das kannst und sollst Du nicht alleine ohne Hilfe durchstehen. Habt ihr das in die Wege geleitet. Der Palliativdienst entlastet dich schon alleine dadurch, dass du immer kompetente Ansprechpartner hast, die auch schnell bei der Pflege reagieren können.

Viel Kraft euch allen!

[Mel_1]

Es gibt für solch Blutungen wie zb am Hinterkopf spezielle Watte in der Apotheke, die auch Bluter nehmen. Wenn man diese draufdrückt, hört das auf.
Durch die kaputte Leber ist auch die Blutgerinnung kaputt und von daher kommt es leider sehr oft zu solch Blutungen.
Habt Ihr denn ein Palliativteam?
In Deutschland darf man natürlich keine Sterbehilfe leisten, aber eine sehr gute Sterbebegleitung.
Es muss heute keiner mehr Schmerzen ertragen.
Weiterhin viel Kraft.

[AuchSchwester]

Danke für eure Antworten.

An einen Pflegedienst habe ich bereits gedacht, leider ist mein Bruder schon der 3.Pflegefall mit dem ich den letzten Weg gehe. Noch geht es, ich habe auch kein Problem mit jeglichen Pflegearbeiten und meine Schwägerin arbeitet bei einem Pflegedienst. Die Tel.-Nr. von einem Pflegedienst liegt hier parat.

Wir haben einen Hospizverein, dort habe ich auch noch nicht angerufen. Wir sind beide bis Ende März Zuhause und haben 4 erwachsene Kinder die auch reihum kommen und ihn in seinen Wachphasen unterhalten. So wird er etwas abgelenkt.

Das Mittagsessen hat er heute bis auf 2 Gabeln komplett stehen lassen und ich koche ausschließlich nach seinen Wünschen.

Seit gestern Abend ist er auch sehr friedlich, die Agressivität ist komplett weg.

Der Hausarzt hat heute früh angerufen und kommt noch vorbei. Ich fahr gleich mal in die Apotheke und hole diese blutstillende Watte.

[Mel_1]

Hast Du kein Palliativteam an der SEite? Das würde ich auf jeden Fall anleiern, denn die unterstützen nicht nur, sondern kümmern sich auch um die Medikation.
Das mit der Agression kenn ich leider auch von meinem Mann, die hatte er auch phasenweise. Er konnte sich danach aber nicht mehr dran erinnern, dass er so knatschig war.
Wenn er nicht mehr essen will, lass ihn...ich hab das auch nicht mehr erzwungen.
Hauptsache er ist nicht alleine und weiss, dass er den schweren Weg nicht alleine gehen muss.
Weiterhin viel Kraft
LG Mel

[AuchSchwester]

Hallo,

am 09.02. waren wir, auf seinen ausdrücklichen Wunsch, nochmal in die Uniklinik. Es war für seine Kräfte eindeutig zuviel, wir mussten ihn in einem Rollstuhl transportieren.
Der Prof. hat ihm auf eine sehr einfühlsame und ruhige Art mitgeteilt das er nicht mehr lange zu leben hat.

Wir lassen ihn nun gar nicht mehr alleine und wechseln uns in seinem Zimmer ab.
Es geht nichts mehr alleine. Die Nahrungsaufnahme geht gegen Null. Trinken nur noch aus der Schnabeltasse. Er wehrt sich nun auch nicht mehr gegen die Körperpflege durch mich. Er hat keine Schmerzen obwohl das Morphium reduziert wurde.

Der örtliche Hospitzverein ist informiert und war auch schon da.

Ich habe ein beruhigendes Duftöl aufgestellt und hoffe das er bald die Tür findet hinter der er von unseren Eltern und einem Bruder erwartet wird.

Er möchte noch keinen kirchlichen Beistand, deshalb habe ich in der Küche eine gesegnete Kerze brennen die seinen Weg erhellen soll.

Diese Krankheit ist unfair

[Adlumia]

Du bist sehr stark und ich finde es sehr schön, dass du innerhalb der Familie auch unterstützt wirst und ihr gemeinsam den letzten weg deines Bruders begleitet. Ich hoffe mit dir, dass er nicht mehr leiden muss und nun medizinisch gut versorgt wird und durch eure Liebe und Fürsorge er die Kraft zum loslassen finden kann.

Viel Kraft
Adlumia

[Clea]

Hallo,
Du bist wirklich sehr stark. Auch ich hoffe, dass meine Ma schnell Erlösung findet. Ich ertappe mich aber immer wieder dabei, dass ich Angst habe vor dem, was danach kommt. Denn wir bleiben hier, wenn der oder die Person geht. Und dann?

[AuchSchwester]

Mein Bruder hat heute Mittag um 13.45 Uhr die richtige Tür gefunden und ist nun in einer Welt ohne Leid und Schmerzen.

Ich wünsche allen in diesem Forum das bald die Wunderwaffe gegen diese Krankheit gefunden wird.