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  #16  
Alt 28.12.2008, 20:08
Stefans Stefans ist offline
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Registriert seit: 27.01.2007
Beiträge: 429
Standard AW: das Leben im "Jetzt"

Hallo,

Zitat:
Zitat von Speedy Schneller Beitrag anzeigen
Seid meiner Erkrankung, liest meine Mann mir jeden Wunsch von den Augen ab und ich habe ein schlechtes Gewissen!
(...)
Ich habe Ihn gebeten, es zu lassen.
Ich weiß ja nicht wie lange mir vergönnt ist und bei meiner langsam Wachsenden Form - hoffentlich noch seehr lange!!!
Ich wünsche dir von Herzen, dass du den Krebs überwindest !!!

Trotzdem: was dein Mann tut, ist genau richtig. Und er tut es besser früher als zu spät. Meiner Frau wurde Anfang 2007 BK diagnostiziert, dann sofort Ablatio, Tumor zum Glück langsam wachsend und hormonrezeptiv. Keine Chemo nötig, nur AHT. Ende 2007 ging sie wieder arbeiten und war praktisch gesund. Bis August diesen Jahres. Da wurden die Metastasen entdeckt. Vor 3 Monaten fing es an, ihr körperlich schlechter zu gehen. So rasend schnell, dass wir jetzt heilfroh sind, dass sie Weihnachten noch erleben durfte und es uns gelungen ist, sie als Pflegefall zum Sterben rechtzeitig nach Hause zu holen.

Geld? Im Moment nebensächlich - das letzte Hemd hat keine Taschen, und ausgeben kann meine Frau ohnehin nichts mehr. Also lieber selbst verbrauchen als vererben. Wünsche erfüllen? Selbstverständlich - alles, was nur irgendwie geht und was ihr gut tut. Was kann man in so einer Situation mit dem Dispo-Kredit besseres tun, als ihn auszuschöpfen. Für die Bezahlung von Pflegekräften; um guten Freunden, die nichts haben, die Reise hierher zu bezahlen, damit sie von meiner Frau (bzw. sie von ihnen) Abschied nehmen können; um ihr jeden Wunsch, der Geld kostet, soweit irgend möglich zu erfüllen. (Wobei die wichtigsten Wünsche ohnehin "free" sind, also nicht mit Geld aufzuwiegen.)

Meine Frau wird, da sie nichts mehr essen kann und die parenterale Ernährung ablehnt, in einigen Monaten an Unterernährung sterben - falls der Krebs nicht schneller ist (was sehr wahrscheinlich ist). Sparen? Sich zurücknehmen? Verzichten? Blödsinn !!! Wir leben nur noch mit der Perspektive von einem Tag zum nächsten. Und ich erbe von meiner Frau auch gerne Schulden. Ist im Moment völlig unwichtig, was ist, wenn sie tot ist. Nach ihr die Sintflut!

Der größte Wunsch meiner Frau (ausser hier Zuhause zu sterben, im Kreise von Ehemann, Hund, Katze usw.) ist sowieso unbezahlbar. Sie möchte noch einmal das Haus verlassen und mit dem Rollstuhl nach draussen. Am besten mit dem Hund, Gassi gehen. Und, wenn ihr das Schicksal wider Erwarten noch soviel Zeit zubilligt, vielleicht sogar noch die Baumblüte Ende März sehen. Geld? Es gibt Dinge, die man mit Geld nicht kaufen kann. Und je näher das Ende ist, desto wichtiger werden die unbezahlbaren Dinge.

Viele Grüße,
Stefan
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  #17  
Alt 28.12.2008, 20:30
Speedy Schneller Speedy Schneller ist offline
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Registriert seit: 27.06.2008
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Beiträge: 816
Standard AW: das Leben im "Jetzt"

Lieber Stefan,
es ist verständlich, daß Du in Deiner Situation - alles für deine liebe Frau gibst!! Ich fühle mit Euch!
Ich für meinen Teil könnte mich aber nicht in Ruhe verabschieden, wenn ich fürchten müßte, mein Mann hat nicht nur den Schmerz des Verlustes , sondern auch große Existenssorgen.
Also wünsche ich mir, daß er es nicht so weit kommen läßt.
Wie soll er mit beidem fertig werden?
Es ist schon der Verlust eines geliebten Menschen so schwer zu ertragen.
Ich wünsche euch, daß ihr den Wunsch deiner Frau , vielleicht mit Hilfe von der ambulanten Hospiz , erfüllen könnt.
Speedy
__________________
NHL MALT-Lymphom Typ E II 2 , ED im Mai 2007
lange partielle Remission 08 (watch & wait)
2 Ballonerweiterungen Magenausgang 08
Ab September 2009 endlich Vollremission - Juhu!!
2011 - neue ganz kleine Herde - Vollremision weg = "watch & wait" reicht noch aus

Die berühmte "Schaufel", für mein Mundwerk habe ich, vorsichtshalber, gut versteckt! - das bleibt auch so!
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  #18  
Alt 29.12.2008, 20:32
Benutzerbild von SiSa
SiSa SiSa ist offline
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Registriert seit: 07.12.2008
Ort: Dortmund
Beiträge: 728
Standard AW: das Leben im "Jetzt"

Hallo Stefan

Ich habe deinen Beitrag sehr Intensiv gelesen und bin total Sprachlos.
Aber das vor Rührung... auch Tränen konnte ich nicht zurück halten.

Ich wünsche dir und deiner Familie ganz viel Kraft
__________________
Auch wenn ein Leben beschädigt ist, wirft man es nicht weg!

Liebe Grüße
Silke
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  #19  
Alt 01.02.2009, 14:08
anne1 anne1 ist offline
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Beiträge: 1
Daumen hoch AW: das Leben im "Jetzt"

hallo,
ich bin auch neu.

ich fand den satz von sisa,

auch wenn ein leben beschädigt ist, wirft man es nicht einfach weg.

so großartig. es hat mich sehr berührt.vielen dank
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  #20  
Alt 07.02.2009, 00:55
*Ulli* *Ulli* ist offline
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Registriert seit: 03.02.2009
Beiträge: 11
Standard AW: das Leben im "Jetzt"

Bei uns ist es so (mein Mann war vor 2 1/2 Jahren erkrankt), wir leben HEUTE. Man weiß sowieso nicht, was morgen oder in einigen Monaten/Jahren kommt.

Natürlich sind wir überwiegend im "normalen Alltags-Trott" drin, mein Mann arbeitet voll im Schichtdienst. Wir haben 2 kleine Jungs. Dennoch möchten wir uns unsere Wünsche erfüllen und nehmen es gelassener. Aber wir würden uns auch nicht in Schulden stürzen, nur um unser Leben JETZT zu leben. Es sind viel mehr, die emotionaleren Wünsche, die wir uns erfüllen. Das ist viel mehr Wert als teure Geschenke


LG Ulli
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  #21  
Alt 09.02.2009, 17:39
Marion Ingrid Marion Ingrid ist offline
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Registriert seit: 20.03.2008
Beiträge: 15
Standard AW: das Leben im "Jetzt"

Ich habe im Jahr 2003 meine Eltern und meine Lieblingtante innerhalb eines 1/2Jahres verloren, meine Mutter und meine Tante hatten Brustkrebs, bei meinem Vater spielten mehrere Faktoren zusammen , zum einen Krankheit und zum anderen fehlender Lebenswille nach dem Verlust meiner Mutter.
Meine eltern haben ihr ganzes Leben hart gearbeitet und da mein Vater selbständig war, immer geplant, das der "Lebensabend" finanziell abgesichert ist. Als meine liebe Mama die Augen für immer schloss (sie starb im Krankenhaus) bin ich rausgegangen und zum ersten Mal dachte ich, was bringt die ganze Planerei, wenn wir im Endeffekt innerhalb von ein paar Stunden unser Leben aushauchen, die ganze Rennerei war doch umsonst. Ich habe in dieser für uns sehr schweren Zeit, schon angefangen umzudenken. Als erstes habe ich mir vorgenommen, nicht nur für später zu planen, denn wer weiss schon ob er das überhaupt erlebt. Kleinere Wünsche habe ich nicht mehr vor mir hergeschoben, sondern mir auch mal erfüllt. Was aber eine Hauptüberlegung von mir war, ich wollte mich nicht mehr mit Menschen umgeben, die mir auf die Nerven gingen, Banalitäten interessieren mich nicht mehr. Früher als junges Mädchen war ich eigentlich immer recht impulsiv, im Laufe der Jahre wird man diplomatischer. Aber seit dem Tod meiner Eltern und meiner Tante und im letzten Jahr meine eigene Erkrankung haben mich wieder undiplomatischer werden lassen. Möglicherweise ist das auch eine Art, den unterdrückten Frust rauszulassen. Ich bin meinen Mitmenschen gegenüber sehr direkt und habe es auch schon fertig gebracht einer Bekannten die mich schon länger mit ihrer Art und Nörgelei genervt hat, zu sagen, das ich da keine Lust dazu habe, ich habe viele liebe Menschen mit denen ich gerne zusammen bin und auf sie und ihr Gehabe habe ich keine Lust, das muss ich mir nicht antun. Termine und Einladungen auf die ich keine Lust habe, sage ich ab. Ich versuche, mich nicht selbst unter Druck zu setzten um anderen einen Gefallen zu tun. Wobei sich das wie gesagt auf von mir emfundene Unwichtigkeiten bezieht, für meine Familie und meine wahren Freunde würde ich nach wie vor alles tun.
@ Stefan: Ich verstehe dich sehr gut, denn erst in dieser Situation merkt man, wie unwichtig die materiellen Dinge des Lebens sind. Wie du richtig sagst, es gibt Dinge die man sich mit allem Geld dieser Welt nicht kaufen kann. Ich wünsche dir und deiner Frau viel Kraft.
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  #22  
Alt 10.02.2009, 13:25
Stefans Stefans ist offline
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Beiträge: 429
Standard AW: das Leben im "Jetzt"

Hallo Marion,

Zitat:
Zitat von Marion Ingrid Beitrag anzeigen
Als erstes habe ich mir vorgenommen, nicht nur für später zu planen, denn wer weiss schon ob er das überhaupt erlebt. Kleinere Wünsche habe ich nicht mehr vor mir hergeschoben, sondern mir auch mal erfüllt. Was aber eine Hauptüberlegung von mir war, ich wollte mich nicht mehr mit Menschen umgeben, die mir auf die Nerven gingen, Banalitäten interessieren mich nicht mehr.
Ich glaube, du machst das richtig. Niemand weiss, wann das Leben zuende ist. Muss ja gar nicht Krebs sein, andere (auch plötzliche) Todesursachen gibt es genug. Meine Frau ist am 3.01.09 gestorben. Aber sie hat die wenige Zeit, die ihr noch blieb, so gut wie möglich genutzt. Sie hätte schon noch einige Dinge gerne erlebt, Kleinigkeiten nur: mal mit dem Hund Gassi gehen, raus in den Garten, vielleicht sogar den Frühling und die Baumblüte noch sehen dürfen... dazu hat es leider nicdht mehr gereicht. Insofern sollten wir uns an jedem Frühlung und jeder Kleinigkeit erfreuen, die wir noch erleben dürfen.

Ich versuche das jetzt besonders, schließlich ist mein wichtigster Lebensinhalt nicht mehr da (wir kannten uns 23 Jahre lang). Ein bischen so kommt mir das Leben manchmal vor wie Fotografieren ;-) Da gibt es Leute, die fragen nach "lohnenswerten" Motiven. Die einzige Antwort darauf ist: geh' aus der Haustür, und du findest nach 10 Metern Dutzende von tollen Motiven. Du musst nur lernen, sie auch zu sehen...

Viele Grüße,
Stefan

Geändert von Stefans (10.02.2009 um 13:31 Uhr)
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  #23  
Alt 10.02.2009, 21:32
Marion Ingrid Marion Ingrid ist offline
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Registriert seit: 20.03.2008
Beiträge: 15
Standard AW: das Leben im "Jetzt"

Lieber Stefan,
mein tiefstes Beileid, ich wünshe dir viel Kraft für diese schlimme Zeit.
Aber es ist schön, dass ihr die Zeit noch so gut wie möglich genutzt habt, wie du schreibst.
So wie du schon gesagt hast, in dieser Situation wird man bescheiden und erfreut sich schon an Kleinigkeiten.
Die meisten Menschen, die noch nicht in so einer Situation waren, wissen viele dieser Dinge nicht zu würdigen. Wie ich schon oben erwähnte, setzte bei mir dieses Umdenken auch damals ein.
Es gibt so viele kleine Dinge, an denen man sich erfreuen kann, man muss sie nur sehen.
Lieber Stefan, dort wo deine Frau jetzt ist, muss sie keine Schmerzen mehr erleiden und sie wird mit Solz auf dich herunterblicken, denn du hast ihr ihre kleinen bescheidenen Wünsche erfüllt und warst bis zuletzt an ihrer Seite.
Ich bin kein religiöser Mensch, aber ich glaube, irgendwann werden wir uns da oben oder wo auch immer wiedersehen, und das gab mir auch die Kraft im Laufe der Zeit mit dem Tod meiner Lieben zurecht zu kommen.
Vielleicht ist das auch ein kleiner Trost für dich, sie sind nicht tot, sie haben den Raum gewechselt.

Viele herzliche Grüße Marion
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