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  #1  
Alt 20.09.2005, 13:51
AndreaM AndreaM ist offline
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Standard Meine Mama geht bald...

.. und ich bin so schrecklich sprachlos. Sie ist im Hospiz, es war ihr Wunsch dort zu sein, und ich glaube auch, es ist der beste Ort in dieser Situation.
Wir haben - das klingt seltsam, aber so emfpinde ich es - alles besprochen, was das Leben betrifft. Ich verstehe ihre Entscheidung, ich bin manchmal fast froh, dass sie sie so getroffen hat, und wir dem Leiden nur noch kurze Zeit so hilflos zusehen müssen.

Nun habe ich den Eindruck sie hat Angst und mag mir nicht sagen, wovor. Sie möchte sterben - lieber heute als morgen, sagt sie - aber sie schaut dabei so ängstlich. Und nun? Wovor fürchtet sie sich? Davor, wo man hingeht wenn man gehen muss? Wohin geht man denn? Ich selbst habe mich nie damit befasst, ich habe kein festes Bild.

Wie kann ich denn da helfen? Wie spricht man ein solches Thema an? Wie kann ich sagen "hab keine Angst", wenn ich doch auch nicht weiss, was kommt?
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  #2  
Alt 20.09.2005, 14:44
Beate D. Beate D. ist offline
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Standard AW: Meine Mama geht bald...

Liebe Andrea! Von mir ist noch niemand gestorben, darum kann ich hier nur einen laienhaften Rat geben: kennst du das Buch "vom Tod und dem Leben danach" von Elisabeth Kübler-Ross (Silberschnur-Verlag)? Dort wird geschildert, was passiert, wenn man stirbt. Sicher, niemand kann sagen, ob das so stimmt, aber es ist ungeheuer tröstlich und irgendwie logisch und beruhigend. Ich hab es gelesen, als es mit meiner kranken Mutter mal hart auf hart kam. Seitdem bin ich ruhiger und gelassener. Vielleicht liest du es mal oder sogar deiner Mama vor? Es könnte helfen, wenn ihre Ängste tatsächlich damit in Zusammenhang stehn. Alles Liebe und viel Kraft euch beiden Beate D.
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  #3  
Alt 20.09.2005, 16:31
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Lady Molly Lady Molly ist offline
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Standard AW: Meine Mama geht bald...

Liebe Andrea,

auch ich kann die Bücher von Kübler-Ross nur empfehlen.
Leider wird dir vielleicht die Zeit fehlen nun zu lesen und
gleichzeitig für deine Mama da zu sein.

Wenn ihr euch alles gesagt habt, was es zu sagen gab
und deine Mama nicht vielleicht noch etwas zu erledigen hat
(jemand den man 10 Jahre nicht mehr gesehen hat anzurufen?
Ein besonderes Kleidungstück jemanden zu kommen lassen?
Sie sollte auch wissen das ihr trauern werdet, aber bestimmt
weiter leben werdet, es also ohne sie "schaffen" werdet....)
kannst du nun einfach bei ihr sein, auch ohne grosse Worte.

Ein Patentrezept um die Angst vor dem Sterben und dem Tod
zu nehmen gibt es wohl nicht, denn jeder Mensch ist anders.
Steht deine Mutter einer Religion nahe, sucht dort Trost, wenn
nicht, möchte sie vielleicht nun erst einen Pfarrer sehen?

Da ihr in einem Hospiz seit, sprich doch mit den Helfern dort.
Sie kennen solche Situationen und sind nicht nur für den Sterbenden
da, sondern auch für die Familie. Vielleicht können sie weiter helfen.

Meiner persönlichen Meinung nach geht es nach unserem Tod weiter.
Mit meinem Mann (in seinen letzten Tagen) habe ich viel erlebt und meine Unsicherheit die ich vorher hatte wurde damit ausgeräumt. Nur die Hülle stirbt. Unsere Seele, unser Denken, einfach WIR gehen weiter und dieses "nächste Leben" findet zwar auf einer uns unvorstellbaren Basis statt, ist aber etwas Gutes.

Meinem Mann hat dieser Satz geholfen (glaube ich):
Wir alle müssen mal sterben, aber du gehst voran. In der Ewigkeit ist es keine Sekunde bis wir folgen. Wir kommen alle nach.

Ich hatte das Gefühl, das waren die Worte die ihm geholfen haben.
Die passenden für deine Mutter findest du bestimmt auch.

Alles Liebe,
Susanne
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  #4  
Alt 21.09.2005, 08:54
AndreaM AndreaM ist offline
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Standard AW: Meine Mama geht bald...

Danke für die lieben Antworten!

Nein, das Buch zu lesen werde ich wohl nicht schaffen - aber der Hinweis (und eine kurze Rezension des Buches) haben mir geholfen mich an Dinge zu erinnern, mit denen ich mich früher einmal sehr eingehend beschäftigt habe. Nur war ich im Augenblick zu geschockt, blockiert, oder wie man es auch nennen will um darauf zu kommen. Meine Mama hat mir selbst erzählt, dass ihre Mutter, der objektivste, bodenständigste Verstandesmensch, der je in Frauengestalt gelebt hat, eine Geistererscheinung hatte. Wir wissen nicht, wohin der Geist der Verwandten nach dem Besuch bei ihr (das war in dem Moment als sie gestorben ist) gegangen ist, aber meine Oma konnte sich immer erinnern, dass ein Gefühl der Ruhe zurückblieb. Seltsam, dass ich das vergessen hatte.

Pfarrer sind nicht ihre Kragenweite - da haben wir in der Zeit im Krankenhaus schon eher unangenehme Erfahrungen gemacht. So geht es vermutlich jedem, der nicht genau an das glaubt, was die Kirche vordenkt.

Leider kann ich mit meiner Mama zur Zeit nicht viel sprechen, die Schmerzmittel wurden vorgestern erst auf Morphium umgestellt und seitdem schläft sie sehr viel und kann kaum sprechen - die Dosierung ist wohl noch etwas zu hoch. Die Frage, ob sie Angst hat, hat sie sehr deutlich mit "Nein" beantworten können - ich habe ihr dann einfach erzählt was ich denke - ich weiss allerdings nicht, ob sie noch zugehört hat, oder schon wieder eingschlafen war.

Gestern beim Besuch konnte ich ihr wenigstens das erste Mal von Herzen wünschen, dass sie es bald geschafft hat - ich glaube, ich bin langsam auf dem Weg auch innerlich, nicht nur verstandsmäßig loszulassen - vielleicht kann sie das auch spüren?
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  #5  
Alt 21.09.2005, 12:25
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Lady Molly Lady Molly ist offline
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Standard AW: Meine Mama geht bald...

Wir lesen oft davon das wir beim Übertritt von lieben Menschen abgeholt werden die vor uns gestorben sind oder auch das gerade Verstorbene noch mal ein Zeichen geben. Ganz sicher können wir nicht sein, ich selber glaube schon daran.

Morphium ist ein Segen gegen Schmerzen, leider macht es gerade in der Umstellungsphase sehr müde. Aber vielleicht würde deine Mutter auch ohne Morphium viel schlafen.

Ich möchte dir noch kurz etwas erzählen:
Mein Mann und ich hatten alles ausgesprochen, wir wussten es geht bald zu Ende und haben es soweit wie möglich akzeptiert. Am Abend bevor er starb habe ich das erste Mal in der Krankheitszeit gebetet. Ich habe darum gebeten das er doch einfach bald entschlafen kann. Am frühen Morgen hatte ich einen Traum in dem ich mit meinem Mann verbunden war. Ich kann es nicht in Worte fassen, es war aber wunderschön. In diesem Traum habe ich ihm das einzigste (doch noch) Ungesagte noch gesagt und beides, Gebet und Traum, waren erst wirklich das Loslassen. Er ging am selben Tag nachmittags.

Auch hier glaube ich fest daran, wenn wir los lassen spürt das der Betroffene und kann in Ruhe gehen. Ich glaube auch das manche Sterbende sich den Zeitpunkt selber auswählen.

Es ist schön das deine Mutter keine Angst hat. Einen Sterbenden bewusst zu begleiten, es anzunehmen, kann eine schöne Erfahrung sein (so traurig es auch ist) und die Trauerarbeit wird meist auch anders verlaufen.
Du unterscheidest es schon ganz richtig, man weiss verstandesmässig was los ist, aber innerlich dauert das noch eine Zeit.

Ich hoffe ihr habt noch einige schöne, schmerzfreie Tage, könnt vielleicht noch dies oder das euch sagen, die kurzen Wachphasen wollen genutzt sein und habe auch du keine Angst, das macht es nur schwer, vertraue einfach deiner Mutter, sie wird wissen wann es soweit ist.

Ich weiss überhaupt nicht wie ich hier enden soll, denn trotzallem seit ihr in einer schweren Situation, denke dir bitte, dass ich weiss wie es ist und euch im Gedanken begleite.

Susanne
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  #6  
Alt 21.09.2005, 13:55
AndreaM AndreaM ist offline
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Standard AW: Meine Mama geht bald...

Susanne,

ich danke Dir sehr für diese Antworten und Dein Mitgefühl. Ich hoffe so sehr, dass Du Recht hast. Die Hospizmitarbeiterin meinte letztens auch, meine Mama spürt sicherlich, dass ich noch nicht mit mir selbst in Reinen bin. Die Ärtztin auf der Palliativstation sagte bei der Entlassung, wir müssten uns darauf einstellen, dass nur Tage, höchstens Wochen bleiben - das ist jetzt eine Woche her. Also bin ich sicher, sie hat es bald geschafft - und das wäre auch ganz richtig so.

Wie lange ist das her, dass Dein Mann starb? Ich meine, dass man irgendwann seine Eltern verliert - das ist noch in gewisser Weise das Schicksal das man eben hat (ich bin mitte 30 und - wie meine Mama sagt - "aus dem gröbsten raus"). Aber den Mann loslassen zu müssen - das bedeutet doch alle Zukunftspläne und Träume zu begraben, das ist für mich fast unvorstellbar. Ich bin selbst so traurig darüber, dass man keine Zeit zurückbekommen kann, dass ich Dinge, die ich mit meiner Mama hätte unternehmen wollen/können/sollen nicht getan habe - aber das ist wahrscheinlich das normale schlechte Gewissen, dass sicher jede Tochter ihrer Mutter gegenüber hat, schliesslich gibt es genügend Dinge, die man irgendwann aus Altersgründen nicht mehr umsetzt.

Wie bist Du damit umgegangen? Mit all den "irgendwann wollen wir mal..." Sätzen?
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  #7  
Alt 21.09.2005, 17:20
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Lady Molly Lady Molly ist offline
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Standard AW: Meine Mama geht bald...

Ich hole mal etwas weiter aus um deine Frage zu beantworten und hoffe es stört niemanden. Ich lese hier im Forum immer gerne, denn man bekommt dadurch neue Denkanstösse und fühlt sich nicht alleine. Vielleicht gehts anderen auch so.

Das erste Mal mit dem Tod direkt musste ich mich auseinander setzen als ich um die 20 war. Meine Ur-Oma, die mich mit groß gezogen hat, also eine Zweitmama war, starb. Heiligabend habe ich sie besucht und es gesehen, aber nicht verstanden, erst hinterher. Ich bin nur schnell auf die Flucht gegangen und als sie am nächsten Tag gestorben ist, haben wir nur den üblichen Anruf bekommen.

Meine Omi war 90 Jahre alt, das ist ein Trost gewesen und sie hatte mir vorher selber mal gesagt sie will nicht mehr, obwohl es ihr nicht schlecht ging.
Trotzdem wusste ich, nie wieder laufe ich davon, sondern stelle mich der Sache und bleibe.

Danach starb noch eine Oma und ein Opa, zu beiden hatte ich nicht den innigen Bezug und auch keine Möglichkeit dabei zu sein.

Kurz vor dem letztem Weihnachtsfest starb eine weitere Oma hier bei uns daheim. Sie war weit über 80, nicht mehr die Frau die sie mal war, hatte alle möglichen Altersprobleme und musste versorgt werden. Meine Eltern kümmerten sich um sie (leben in einem 2 Familienhaus). Auch bei der Oma bat ich Gott am Abend vor ihrem Tod sie doch endlich zu sich zu holen, denn für sie war es ein Warten und auch für uns wurde die Sache schwer. Am nächsten Tag spät nachmittag ist sie gestorben. Ich war nicht direkt dabei, habe Telefonate geführt und musste meinen Haushalt regeln, weil wir uns auf Nachtwache einstellten. In den paar Minuten in denen ich aus dem Zimmer war ist sie gegangen, meine Mutter war bei ihr. Aber Oma machte mir noch das Geschenk zu sehen das eine Leiche nichts schlimmes ist, das sie sehr schön und friedlich aussah.

Seit Anfang des Jahres kränkelte dann mein Männe, im April wurde der Lungenkrebs festgestellt mit der Aussicht auf Heilung durch Chemo, Bestrahlung und OP. Heute weiss ich, dass wir seit dem Zeitpunkt vom Verstand her geglaubt haben es klappt mit der Behandlung, vom Herzen her gehofft haben, aber das Unterbewusstsein da schon mit dem verabschieden anfing. Im Rückblick sind das ganz viele Kleinigkeiten.
Während mein Mann in der Klinik zur Chemo war, wurde mein Schwiegervater auch dort behandelt. Auch er hatte Lungenkrebs und ich freue mich das ich etwas Zeit mit ihm verbringen konnte, denn vorher hatten wir uns sehr selten gesehen. Er sagte mir oft, er kann nicht mehr, er hat keine Kraft mehr. Ich kam ihm dann mit den "dummen Sprüchen" das die Ärzte ihn bestimmt noch einmal aufpeppeln, er glaubte nicht daran und behielt auch recht. Er starb kurz nach der Kliniksentlassung. Leider konnten wir nicht hin, weil mein Mann an diesem Tag den ersten grossen Schmerzdurchbruch hatte und mit Morphium "zugedröhnt" war.

Mein Schwiegervater machte uns aber auch ein Geschenk, mein Männe konnte die Situation annehmen, wir redeten über den Tod und wie es nicht sein sollte, über unsere Ängste, einfach über alles. Man darf sich das nicht als ein stundenlanges Gespräch vorstellen, sondern dort mal ein Satz und eine Antwort, dort mal kurz nachgehakt und besprochen, da mal eine Rückblende oder ein Danke. Bis zum Schluss hat Männe gehofft, obwohl wir immer wussten wie es wirklich um ihn steht. Diese Offenheit und Ehrlichkeit, dieses gemeinsame beschreiten des Weges, auch den Kindern gegenüber, mit den Kindern, war für uns das beste.
Mein Mann starb 8 Wochen nach seinem Vater, knapp vier Monate nach der Diagnose. Das ist nun bald sieben Wochen her.
Ich war bei ihm, alleine, sagte ihm das wir ihn lieben und als ganz zu Ende ging, lass los. Es war wie ein Mantra. Meine Freundin (Krankenschwester) kam kurz darauf und gemeinsam mit meiner Mutter haben wir ihn gewaschen, den Medikamentengeruch entfernt, ihn angekleidet. Arzt und Bestattungsunternehmer waren zwischendrin mal da, aber erst als ich mich dann noch einmal alleine von ihm verabschiedet habe, habe ich ihn abholen lassen. Der Körper wurde kalt, ich hatte das greifbare Gefühl nun ist er wirklich weg.

Wenn ich nun schreibe das das eine der schönsten Erfahrungen in meinem Leben war, neben der Geburten meiner Kinder, verstehen das bestimmt nur wenige Leser. Mein Mann und ich haben in den letzten paar Wochen mehr Beziehung wirklich gelebt als in den fast 20 Jahren vorher. Das letzte Waschen seines Körpers, war mit soviel Liebe begleitet, mit Schmerz, aber auch mit Freude und gar Witzen. Er wollte sich z.B. nicht von meiner Freundin rasieren lassen und ich traute mich da nicht richtig ran. Die letzte Rasur hat er dann doch von meiner Freundin bekommen. Wir haben mit ihm geredet als wenn er noch lebt und wissen genau was er zu uns gesagt hätte.
Das war eine Zeit in der alle Gefühle einen Platz nebeneinander hatten.

Weiter ging es mit den üblichen Sachen, Beisetzung, Papierkram usw.
Viele Menschen die uns beistehen wollten, viele dumme Sprüche, aber auch wirkliche Helfer.

Nach jedem Todesfall kommt auch bei mir noch das "hätte ich dies oder das", aber ich habe so ausführlich geschrieben, damit man sehen kann das wir Menschen reifen und die Situation besser annehmen können. Wenn nur ein Leser dadurch einen für ihn passenden Weg findet, bin ich froh, denn weg laufen, wie ich damals bei meiner Ur-Oma, belastet hinterher doch sehr.

Wenn man den Weg auch so intensiv begleitet hat, wie bei meinem Mann, fehlt natürlich trotzdem jemand, man trauert und man würde gerne dies oder das noch sagen/machen. Aber ich habe in der ganzen Zeit, man muss sehen, nicht nur die sieben Wochen nach dem Tod, sondern auch die Monate vorher schon akzeptiert (natürlich mit harten inneren Kämpfen) und ich weiss auch das mein Mann sein Leben auf seine eigene Weise gelebt hat. Ich bin traurig weil wir nicht als Oma und Opa mit dem Krückstock unsere Enkel betrachten werden, aber ich sehe auch die andere Seite, wer kann mir sagen das mein Männe nicht in 5 oder 10 Jahren eine andere Krankheit bekommen hätte und viel mehr gelitten hätte?

Wenn Tod bedeuten sollte, dass da nichts mehr ist, warum soll es dann so schlimm sein? Aber wenn Tod bedeutet, woran ich glaube, das wir einfach nur weiter gehen, ist das nicht für den Verstorbenen etwas schönes?
Trauern wir nicht nur um unser gewohntes Leben? Weil wir alleine gelassen werden? Denn ehrlich gesagt, ich weiss auch noch nicht wie es auf Dauer weiter gehen soll. Ich bin sehr selbstständig, habe keine Probleme mit den praktischen Dingen, Haushalt, Schule usw... aber finde alles im Moment noch sinnlos ohne Männe.

Ich kann nun nur mein Leben besser gestalten um Fehler nicht zu wiederholen, um Chancen nicht ungenutzt zu lassen. Unser Blick muss nach vorne gerichtet werden, egal, wen wir verloren haben. An der Vergangenheit können wir nichts mehr ändern, sondern nur die Zukunft gestalten und das ist unsere Aufgabe als Hinterbliebene. Das möchten unsere Lieben, denn würde ich nun sterben, möchte ich betrauert werden, aber nicht das meine Familie daran verzweifelt.

Ach du Schreck, nun habe ich mich selber therapiert, denn schreiben entlastet. Liebe Andrea, liebe Mitleser, ich schreibe gerne, bin auch noch hier im Forum um selber mit dem Geschehenen fertig zu werden, aber ich hoffe von Herzen ihr könnt euch wenigstens etwas aus meinen Beiträgen schnappen das euch Kraft und Mut gibt, euch etwas tröstet und weiter hilft, denn ich habe hier sehr nette Menschen kennen gelernt die mir in der akuten Situation mit ihren ehrlichen Beiträgen auch immer sehr geholfen haben.
Werde nun meinen Mammutpost absenden und für euch alle heute abend eine Kerze anzünden, aber besonders für Andreas Mutter.

Entschuldigt mein langes Tippen,
Susanne
(Der es aber auch gut getan hat. Danke!)
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  #8  
Alt 21.09.2005, 18:24
Briele Briele ist offline
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Standard AW: Meine Mama geht bald...

Liebe Lady Molly,
liebe Susanne,

ich hoffe es ist in Ordnung wenn ich hier in Andreas thread einen Brief an Dich schreibe.

Liebe Susanne, ich glaube den Großteil Deiner Beiträge gelesen zu haben, die, aus der Zeit als Dein Mann krank war, der Schwiegervater auch, sowie die Beiträge nach dem Tod Deines Mannes.

Eigentlich wollte ich Dir immer schreiben. Ich habe oft an Dich gedacht, was soll man dazu sagen, ist ja recht nett, aber mehr hättest Du von einem Brief gehabt!

Als das Forum geschlossen war dachte ich, so, jetzt hast du`s versäumt, nun kannst ihr nicht mehr schreiben. Nun gibt’s das Forum wieder, ist es die vierte, ist es die sechste Woche?

Es gibt einige Frauen die ich im KK-Forum kennen gelernt habe, die mich unheimlich beeindrucken. So richtig tolle Frauen. Ich will keine Namen nennen weil ich Angst hätte eine zu vergessen. Manchmal denke ich sie bekommen ein bisschen wenig feedback, nicht genug Aufmerksamkeit. Auch ich schreibe eher selten an diese Frauen. Das tut mir dann leid. Ich versuche eher herbei zuspringen wenn jemand ganz desperat ist.

Heute möchte ich Dir endlich sagen, dass ich Dich sehr bewundere. Deine Tapferkeit, Deinen Mut, das „sich stellen“ und was mir richtig ans Herz geht, ist die Tatsache, dass Du während der Erkrankung und dem Sterben Deines Mannes und seit seinem Tod immer wieder andere tröstet. Auf so eine liebe, ruhige, hilfreiche Art.
Du bist mir da ein richtiges Vorbild!

Heute hast du einen schönen Beitrag über das Dabei sein beim Sterben geschrieben – den kann ich nur unterschreiben. Wenn man das einmal mit- und durchlebt hat, dann ist man danach nicht mehr derselbe Mensch. Im positiven Sinn.

Ich wünsche Dir und Deinen Kindern alles Gute.
Liebe Grüße
Briele
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  #9  
Alt 21.09.2005, 19:14
Briele Briele ist offline
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Standard AW: Meine Mama geht bald...

Liebe Andrea,

ich bin in einem kleinen Bergdorf aufgewachsen. Zu Geburstagen, auch zu Neujahr sagten ältere Menschen zueinander " ich wünsch dir eine gute Sterbestunde".
Lange Zeit fand ich das nicht nur seltsam, sondern auch makaber.

Nun bin ich selbst älter, habe meine Eltern in der Krankheit und beim Sterben begleitet und weiß, daß es ein guter Wunsch ist.

Ich wünsche Deiner Mama, daß sie gut gehen kann und ich wünsche Dir, daß Du gut dabeisein kannst, liebe Andrea.

Briele
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  #10  
Alt 21.09.2005, 20:44
AndreaM AndreaM ist offline
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Standard AW: Meine Mama geht bald...

Liebe Susanne,

danke für Deine Geschichte. Es ist schön zu sehen, dass es - was auch kommt - immer weitergeht. Und - wieviel ein Mensch zu ertragen in der Lage ist. Im Augenblick bin ich auch ganz zuversichtlich, aber das ändert sich immer wieder.

Ich bin der Überzeugung, ob man im Moment des Sterbens bei dem geliebten Menschen sein kann, kann man selbst nicht beeinflussen. Meine Oma starb zuhause - ich war am frühen Abend noch dort, meine Mama hat zu dieser Zeit schon länger in Omas Wohnung gelebt. Sie hat noch nach ihr gesehen und wollte dann nur eine Weile vor dem Fernseher entspannen - und ist dort gleich eingeschlafen. Als sie wieder wach wurde, hatte meine Oma ihren letzten Atemzug schon getan. Ich denke, sie wollte es wahrscheinlich so. Meine Oma war zwar dement, hatte sich aber trotzdem von allen ihren Lieben in den Tagen zuvor verabschiedet (mir fehlten die Worte, ehrlich gesagt, als sie mir alles Gute fürs Studium wünschte - und es jetzt schon bedauerte, dass sie nicht mehr da sein würde, um den Abschluss zu feiern).

Ich werde sehen müssen, wie es bei meiner Mama sein wird. Sie kann kaum noch sprechen, sie driftet wohl so langsam ins Leberkoma (die Reduzierung der Morphiumdosis hat nicht bewirkt dass sie ansprechbarer wurde, nur dass sie Schmerzen hatte). Das schlimmste war heute, als sie mich sehr eindringend angeschaut hat und genauso eindringlich etwas gemurmelt hat, was ich nicht verstehen konnte - ich werde es nicht erfahren, ob es etwas aus ihrem Traum war (sie schlief halb), oder ob sie mir wirklich etwas mitteilen wollte. Manchmal denke ich, es ist nicht schlimm, wenn sie von ihrer Umwelt nichts mehr mitbekommt - andererseits weiss ich eben nicht, ob sie nicht doch noch etwas sagen möchte.

Ich weiss auch nicht, ob ich bei ihr sein werde - ich muss ja arbeiten. Ich hoffe aber, dass es sich rechtzeitig ankündigen wird, dass ich vom Hospiz noch benachrichtigt werden kann. Glücklicherweise kann ich, egal ob von zuhause oder vom Büro in 20 Minuten dort sein. Und falls nicht, ist sie dort wenigstens nicht ganz allein.

Sicher, es wird weitergehen, wir werden alle zurecht kommen. Aber es werden mit diese Momente sein, bei denen man eben seine Mama anruft - und sei es nur so belangloses, wie "wieviele Zwiebeln würdest Du für 2kg Kartoffelsalat nehmen?". Oder die Tatsache, dass ich noch nie zu Weihnachten einen Gänsebraten selbst gemacht habe...
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  #11  
Alt 21.09.2005, 20:46
AndreaM AndreaM ist offline
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Standard AW: Meine Mama geht bald...

Liebe Briele,

ich denke, man muss sich mit dem Sterben auseinandergesetzt haben, um die Bedeutung dieses guten Wunschs zu erkennen.

Ich jedenfalls danke Dir von Herzen.

Andrea
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  #12  
Alt 23.09.2005, 10:35
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Lady Molly Lady Molly ist offline
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Standard AW: Meine Mama geht bald...

Liebe Andrea,

der Gänsebraten, ja, bei mir war es die Glühbirne. Ich bin nicht besonders gross und konnte zwar einen 60 seitigen Rentenantrag ohne Problem bewältigen, aber so eine dumme Glühbirne hängt wörtlich zu hoch für mich.
Zum Glück haben meine Töchter Freunde die über mehr Körpergrösse verfügen. An diesen vielen Kleinigkeiten bemerken wir unseren Verlust immer wieder.

Weisst du, ob du deine Mama verstehst oder da sein kannst oder auch nicht, ich glaube nicht das es in der Phase wichtig ist.
Du bemühst dich alles nach besten Denken möglichst gut zu machen, deine Grenzen mußt du akzeptieren und deine Mutter, ob von aussen ansprechbar oder nicht, weiss es. Das ist das wichtige.
Wenn es sein soll, wirst du im letzten Moment an ihrer Seite sein.
Wenn nicht, sollte es nicht sein. Sie ist nicht alleine und das ist gut.
Manche Menschen können auch nicht gehen, wenn ihre Lieben am Bett sitzen, sie warten dann auf den Toilettengang oder "mal schnell eine Zigarette draussen rauchen" und machen sich dann auf den Weg.

Wir nehmen es so wie es kommt und meist kommt es anders als wir denken und hoffen. Das gehört zum Leben und auch zum Sterben.
Ich möchte nicht für Gleichgültigkeit werben, aber einfach dafür, die Situation anzunehmen, um nicht später an Selbstvorwürfen zu verzweifeln, denn das wäre übel und hilft auch niemanden.

Gefühlsschwankungen sind normal. Man ist stark und schafft alles, im nächsten Moment ist man ein Häufchen Elend.
Hast du denn Familie oder Freunde die euch begleiten?
Vielleicht hast du das auch schon geschrieben, nur ich finde im Moment nichts dazu, entschuldige.

Brieles Wunsch ist sehr schön und ich denke du verstehst ihn gut, möchte mich mit dem gleichen Gedanken anschliessen.

Alles Liebe,
Susanne

@Briele, danke. Ich schreibe dir noch eine private Nachricht.
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  #13  
Alt 26.09.2005, 10:31
AndreaM AndreaM ist offline
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Standard AW: Meine Mama geht bald...

Liebe Susanne,

ich danke Dir für Deine Worte und Dein Mitgefühl - und ich verstehe erst jetzt vieles von Deiner Geschichte.

Meine Mami hat sich für Ihren Abschied den letzten Donnerstag ausgesucht - und eine Zeit, zu der ich immer da war. Sie war nicht mehr ansprechbar, hat viel gestöhnt und geseufzt - muss man wirklich bevor man geht noch jeden Gedanken zuende denken? Jedes verdrängte Gefühl zuende fühlen? Ich hatte den Eindruck. Glücklicherweise stand mir von all den tollen Menschen im Hospiz die Schwester zur Seite, von der ich mich und meine Mutter immer am allerbesten verstanden fühlte - mit keinem anderen Menschen hätte ich alles weitere so anehmen können und dafür bin ich ihr so dankbar.

Ich kann erst jetzt verstehen, was Du geschrieben hast - wie schön es sein kann, jemandem den letzten Dienst zu erweisen, ihn zu waschen, darauf zu achten, dass er Kleidung trägt, die er selbst auch gewählt hätte (niemals hätte meine Mutter im Pyjama ihren letzten Weg antreten wollen). Selbst zu erleben, dass der geliebte Mensch in jedem Augenblich gut behandelt wird, gibt einem ein wenig Trost.

Wenn man Abschied nehmen muss, dann ist in meinen Augen ein Hospiz der beste Ort dafür. Diese Ruhe, der Respekt für die Menschen, die Geborgenheit, das Aufgefangen werden in diesem Moment, umgeben von Menschen, die wissen was zu tun ist - und die auch wissen, was alles "bis morgen" Zeit hat.

Es gab dort auch eine Aussegnung am folgenden Nachmittag - im engsten Kreis, am Bett meiner Mutter. Ich denke, das hat mir so viel mehr gegeben als jede offizielle Trauerfeier das könnte.

Auch wenn mir der Abschied selbst so erträglich wie irgend möglich gemacht wurde - die Lücke die bleibt scheint unendlich groß...

Ich danke nochmals für die tröstenden Worte - und - Briele: ich denke, wir hatten eine gute Sterbestunde...
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  #14  
Alt 26.09.2005, 11:34
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Birgit4 Birgit4 ist offline
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Standard AW: Meine Mama geht bald...

Liebe Andrea, mein herzliches Mitgefühl und ich danke euch für so viel Erlichkeit, Vertrauen und so viel Liebe die ihr hier niedergeschrieben habt, Gottes Segen und Liebe für euch, ich bin eine Betroffene und ich lese in euren Zeilen wie nah ihr Gott seit, alles liebe und Gott beschütze euch, Birgit
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  #15  
Alt 26.09.2005, 13:14
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Standard AW: Meine Mama geht bald...

Liebe Andrea,

eine Lücke wird immer bleiben, auch die Trauer begleitet dich bestimmt
noch lange Zeit mehr oder weniger schwer.
Ich fühle mit dir, bin aber froh das ihr eine gute Sterbestunde hattet.
Das ist ein Geschenk, wenn uns schon jemand Geliebtes verlassen muß.
Deine Schilderung ist wunderschön und ich lese daraus soviel Liebe
für deine Mutter, von dir, aber auch vom Hospiz.
Nun folgen ein paar Tage der Ausnahmezeit und danach siehst du
mit anderen Augen das Leben und wirst deinen Weg mit deiner Mutter
im Herzen weiter gehen.

Ich wäre sehr stolz auf meine Töchter, wenn sie als Erwachsene
so sind wie du und deine Mutter ist das bestimmt auch.

Liebe Grüße,
Susanne
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