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  #1  
Alt 01.08.2005, 22:02
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Standard wir sind jetzt auf der Palliativstation

Vor zwei Jahren wurde meiner Mutter in einer ersten Operation ein Müllerscher Mischtumor entfernt, im Juli wurde in einer 6. und letzten OP das zweite Rezidiv herausgenommen, jedoch mit dem Ergebnis, dass der Arzt uns mitteilen musste, dass der ganze Bauchraum voll Krebs sei, der meine Mama eher früher als später sterben lassen würde. Knappe zwei Wochen fuhr die Hoffnung im Krankenhaus nocheinmal Achterbahn, ehe sie am letzten Mittwoch gestoppt wurde mit der Mitteilung, das Krankenhaus sei am Ende seiner Möglichkeiten, wir mögen uns doch damit befassen, einen besser geeigneten Ort für ein friedliches Sterben zu überlegen. Gottseidank habe ich mich rechtzeitig informiert, bin zweigleisig gefahren (Hoffen auf ein Wunder - die mir geschilderte Realität in Betracht ziehen) und hatte zu einem Tag der offenen Tür die Palliativstation (lindern, pflegen, Schmerz ersparen) im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in München besucht, es war, als träte ich in eine andere Welt.

Und als ich dann meiner Mutter im Krankenhaus die niederschmetternde Wahrheit (sie hat es bis dahin nicht ahnen wollen) sagte, mit viel Tränen meinerseits, mit einer Schockreaktion ihrerseits (Verstummen, Schweißausbrüche...), konnte ich ihr wenigstens die Aussicht auf Ruhe und Geborgenheit schildern, einen krassen Gegensatz zum üblichen Krankenhausgetriebe.

Am Freitag wurde sie also dorthin transportiert, beim Ankommen war ich leider nicht dabei, aber nachmittags kam ich hin. Ich ging durch eine Tür des Krankenhauses und trat in eine andere Welt. Boden und Wände in warmen Farben, mit reichlich schönen Bildern behängt, immer wieder Sitzgruppen aus Korbmöbeln im Gang, Blumen auf den Tischchen, im zentalen Bereich ein großer Brunnen, ein großer Käfig mit zwei Wellensittichen drin, überall freundlich grüßende Menschen. Rechts in der Mitte ein großes Wohnzimmer für PatientInnen und Angehörige und Personal gleichermaßen, eingerichtet mit großer Gemütlichkeit, Korbmöbel, bunte Decken, ein Klavier, auf dem spielen kann, wer möchte (dann werden die Türen zu den Zimmern geöffnet, dass alle zuhören können).

Bei meiner Mutter im Zimmer - in Blau gehalten, mit viel Holz (Betten und Nachttische) und Korbmöbeln (Tischchen, Stühle und Hocker), Parkettboden, - gibt es schöne gelbe Bettwäsche, die Apparate sind so weit wie möglich in den Hintergrund gedrängt. Auf einem Regal steht ein Fernseher, der aber kaum genutzt wird, woanders ein CD-Player, die PflegerInnen nutzen die Möglichkeit und legen CDs während der ausgesprochen liebevollen und sanften wohltuenden Körperpflege mit schöner Musik ein, auch wir nutzen die Möglichkeit und hören gelegentlich Musik, die meine Mama gerne mag. Es steht auch hier ein Zimmerbrunnen, gleichzeitig Klangschale, ungemein beruhigend und schön, dieses Plätschern und ab und zu ein schöner Ton, eine Duftlampe gibt einen erfrischenden Duft mit Zitrone ab.....der ganze Raum steht fast im Grünen, weil die Hälfte des Zimmers ein Wintergarten ist, d.h., die PatientInnen können ins Grüne und in den Himmel schauen, und die Sonne kann hereinstrahlen.

Nachdem meine Mutter im Krankenhaus noch - warum wohl?- mit künstlicher Ernährung und viel viel Flüssigkeitszufuhr große Probleme mit den Wassereinlagerungen bekommen hatte, wurde hier die Ernährung ganz eingestellt (sie muss auch nicht essen, sie darf essen, wann und was sie schafft und will), und die Medikamente, die im Krankenhaus noch in Tablettenform hingestellt worden waren, werden hier komplett über die Schmerzpumpe gegeben, zusätzlich zur Flüssigkeitszufuhr (auch reduziert, sodass die Ödeme gut zurückgegangen sind und nun auch das Atmen wieder leichter geworden ist).

Der Pflegeschlüssel pro PatienIn ist hier so, dass eine Pflegekraft nur für wenige PatientInnen da ist, dann aber mit viel Hingabe, Zuwendung und auch Zeit zum Sprechen, zum Streicheln, Zeit für liebevolle Gesten. Und alle machen sich viele Gedanken, was noch getan werden kann, um den Kranken die meist letzten Tage noch besonders schön zu machen.

Wenn diese es wollen, dann fahren sie sie sogar mit dem ganzen Bett ins Wohnhimmer oder auf die Terrasse. Heute kam eine Atemtherapeutin, am Sonntag gab es Klaviermusik, am Samstag kam eine Harfinistin.............

Ich fragte heute die Ärztin, ob es realistisch sei, dass meine Mutter nochmal nach Hause könnte, sie meinte, angesichts ihres Zustandes sei das nicht realistisch, und zu Hause wäre es auch sehr schwierig, ihre Wunde von der OP adäquat zu versorgen. Ich bin auch der Meinung, dass es für sie und für mich das Allerbeste ist, dass wir uns aufeinander konzentrieren können, die Athmosphäre genießen können, die Ruhe, das Umsorgtsein. Das hat meine Mama auch verdient. Nächste Woche, sagt die Ärztin, wird ihr die Kraft ausgehen. Aber bis dahin werden alle dort - mich eingeschlossen - dafür sorgen, dass es ihr bestens geht. Und nun gehe ich ins Bett, mit einer großen Gewissheit, dass ich sofort verständigt würde, wenn es kritisch werden würde.

So ganz stringent ist mein Bild von der Station nicht geworden, aber wer will, sollte mal ein wenig herumgoogeln, solche Stationen gibt es zunehmend in den Krankenhäusern, und wo es nicht so ist, sollte man doch zumindest mal ansprechen, dass es das braucht.

Alles Liebe und bis bald, Eure Dani
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  #2  
Alt 01.08.2005, 23:02
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Standard wir sind jetzt auf der Palliativstation

Hallo Dani,
habe deinen Bericht mit großem Interesse gelesen. Mein Mann ist im 12/04 auf der Palliativstation der Barmherzigen Brüder in Regensburg verstorben.
Auch ich dachte ich komme in eine andere Welt als ich diese Station das erste mal sah. Ich hatte eine Riesenbammel damals als ich hörte mein Mann wird auf die Palliativ verlegt. Heute muß ich sagen uns hätte nichts besseres passieren können. Ich weiß mein Mann wäre zu Hause niemals so schmerzfrei und ruhig eingeschlafen. Für ihn wurde dort getan was nur ging. Ich selber und meine Kinder durften Tag und Nacht dasein. Die Schwestern haben sich auch um uns gekümmert. Wenn ich ganz unten war konnte ich mich mit einem Priester aussprechen (obwohl ich eigentlich gar nicht so christlich bin) hat es mir sehr gut getan. Ich konnte mich voll auf meinen Mann konzentrieren was zu Hause nicht möglich gewesen wäre. Ich bin den Schwestern und dem Arzt heute noch dankbar für die große Unterstützung die ich dort bekam. Wenn ich nach Hause fuhr wußte ich daß mein Mann in den besten Händen ist und ich sofort Bescheid bekomme falls sich sein Zustand verschlechtert.
Ich finde es ist ein Segen daß es solche Stationen gibt, denn es ist halt mal so daß nicht jeder Schwerkranke zu Hause so optimal betreut werden kann.
Für die kommende Zeit wünsche ich dir viel Kraft
Liebe Grüße
Gitte
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  #3  
Alt 02.08.2005, 06:49
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Standard wir sind jetzt auf der Palliativstation

Auch ich kann nur gutes von der Palliativstation berichten. Mein Vater wurde dort immer wieder "hochgepäppelt, aufgebaut". Leider verstarb er nicht dort, sondern in einem "richtigen Krankenhaus"...
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  #4  
Alt 04.08.2005, 22:50
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Standard wir sind jetzt auf der Palliativstation

Heute habe ich mit der Ärztin sprechen können, weil ich die Chance auf ein Wunder irgendwie schwinden sah, weil meine Mom nicht künstlich ernährt wird. Die Ärztin hat mich letztendlich in Tränen ausbrechendes Etwas an der Hand genommen, in ihr Zimmer geführt und mir erklärt, dass eine künstliche Ernährung Mamas Organismus nur über Gebühr belasten würde, ödeme würden wieder schlimmer, die Flüssigkeit, die aus den OP-Wunden austritt, würde zunehmen, sodass "sie nur noch im eigenen Saft läge", nütze wäre es nichts. Rein von der Ernährung her, hätte ihr Körper noch Reserven für ein halbes Jahr. Nach allem, was wir wissen, sei eine solche Lebenszeit aber unwahrscheinlich. Sie wünsche ihr vor allem, dass sie in Ruhe einschlafen darf. Das tue ich auch und bin wieder beruhigt. Meine Mom hat das jetzt auch irgendwie angenommen, die Ärztin hat uns beide hochgelobt, wie wir alles richtig und gut miteinander machen, da bin ich aber schon froh. Und kann nicht genug Lobeslieder singen auf die Fürsorge und liebevolle Betreuung auf dieser Station im Paralleluniversum Palliativstation. Hoffentlich macht das Schule. Gegen den trockenen Mund (die Ärztin sagt, u.a. vor Angst bleibt ihr einfach die Spucke weg) gibt es einen Vernebler, der ihre Atemluft befeuchtet. Ihre Matratze ist so genial (der Mercedes unter den Matratzen), dass sie nicht wundliegt, obwohl sie sich selbst nicht mehr bewegen kann. Heute hat sie plötzlich ein derartiges Herzklopfen bekommen, dass sowohl sie als auch das ganze Bett wackelte. Die Schwester machte dann einen Umschlag auf die Brust mit Rosenöl und gab eine Spritze, und die klösterliche Ruhe bewirkte, dass nach drei Stunden das vehemente Herzschlagen beruhigt war. Sie fragte meine Mutter, ob ich über Nacht dableiben solle - das geht spontan und ohne Probleme, es gibt Gästezimmer, Gästeaufenthaltsräume, ich hätte aber auch direkt neben ihr schlafen dürfen, aber sie meinte, nee, das sei nicht notwendig und hat mich heimgeschickt. So hoffe ich nun, dass sie vielleicht morgen auch noch für mich da ist oder dass sie mich rechtzeitig holen oder dass sie ganz ruhig einschläft. Wenn sie gestorben sein wird, gibt es dort ein Abschiedszimmer, mit tollem Sonnenmosaikfenster, Kerzen, Blumen, wo sie dann ganz schön gemacht wird und man wirklich Ruhe hat, Auf Wiedersehen zu sagen, sofern es vorher nicht möglich war.
Besuch strengt sie wahnsinnig an (ich bin ja kein Besuch, ich bin ja Inventar), aber ich denke, nach diesem Herzrasen werde ich ihr keine Wohltaten, die ich meine, ihr noch tun zu müssen, mehr antun. Soviel für heute, vielleicht bekomme ich irgendwann eine Geschichte hin, die durchgängiger zeigt, warum jeder in die Hospizbewegung einsteigen sollte, warum jeder eine Patientenverfügung machen sollte und warum es fast nichts Schöneres geben kann, als seine letzten Tage, so sie denn mit schwerer Krankheit behaftet sind, auf einer solchen Station zu verbringen.
Alles Liebe Euch allen und danke für die lieben Worte, Eure Dani
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  #5  
Alt 05.08.2005, 06:01
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Standard wir sind jetzt auf der Palliativstation

Liebe Dani, ich wünsche Dir und Deiner Mutter noch eine "gute Zeit" mit einem "guten Ende", dass sie friedlich einschlafen darf.
Ja, Du hast Recht, es müßte viel mehr Plätze oder viel mehr Palliativstationen mit guten Pflegern und Ärzten geben, leider gibt es hiervon einfach zu wenig. ALles Liebe.
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  #6  
Alt 06.08.2005, 00:24
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Standard wir sind jetzt auf der Palliativstation

Hallo Dani,
auch ich durfte die letzten Stunden mit meiner Mutter verbringen, bevor sie Heim ging. Zwar in einem Krankenhaus, aber in guter und ruhiger Atmosphäre. Ich bin unendlich dankbar, dass ich sie bis zum SChluss begleiten durfte. Ich habe ihr danken können, aus meiner Kindheit Dinge erzählen können. Ich habe ihr ihre Lieblingslieder vorgesungen und ihr alles mitteilen dürfen, was mir noch wichtig war, sie streichenln und küssen dürfen. Sie ist dann ganz ruhig und friedlich eingeschlafen. Es war für mich ein Gefühl, als ob ich sie bis zu einer neuen Geburt begleitet hätte. Ich konnte sie losslassen, weil ich wusste, dass es ihr jetzt gut geht, da wo sie ist. Anschl. wurde sie in eien Abschiedsraum gebracht, der mit Kerzen und feierlicher Musik ausgestattet war und jeder konnte so lange er wollte,ihr ein letztes Mal lebewohl sagen. Wir haben noch ihr Lielingslied gesungen und jeder hat sich mit einem Kuss von ihr verabschieden dürfen.
Ich bin den Schwestern heute noch dankbar, dass sie nicht noch einen Arzt hinzugezogen haben, sondern meiner Mutter in Würde haben sterben lassen.
Das meiner Mutter gehen mußte war klar, aber das ich so viel dazu beitragen durfte, dass es liebevoll und friedlich geschah, dass gibt mir großen Trost.
Ich wünsche dir und deiner Mutter alles Liebe und viel Kraft.
Rubbelmaus
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