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  #1  
Alt 06.01.2018, 20:30
fluturi fluturi ist offline
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Registriert seit: 24.01.2016
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Beiträge: 323
Standard AW: der Umgang mit dem Leid /Selbstfürsorge

Liebe Nicitzka,

ich kann mich meinen Vorrednerinnen nur anschließen. Ich habe vor knapp einem Jahr meinen Papa verloren und ich würde alles dafür geben, um nochmal diese schrecklich schmerzhafte und unglaublich leidgetragene Zeit vor einem Jahr erleben zu können. Einfach nur, weil er dann wieder da wäre. Für mich fühlt es sich an wie gestern. Ich kann es nicht begreifen. Vielleicht bin ich langsam im verarbeiten, vielleicht geht es dir ganz anders. Aber ich möchte dir meinen Eindruck von dieser Zeit schildern. Für mich gab es in dieser Zeit nur meine Familie. Nur meinen allerliebsten Papa, meine Mama und meinen Mann. Alles andere war mir egal. Diese Floskeln "Pass auf dich auf. Du darfst dich dabei nicht vergessen. Irgendwann kippst du noch um. Tu doch auch mal was für dich." Ich kann und konnte es nicht hören. Ganz ehrlich, meiner Meinung nach, schafft der Körper, was er schafft. Irgendwann kippt man dann vielleicht um. Na und? Ich hätte es mir nie verziehen auch nur eine Stunde weniger bei meinem Vater gewesen zu sein. Lieber wäre ich umgekippt. Ich warte auf diesen Zeitpunkt noch heute. Und ich finde, mein Körper hätte jeden Grund dazu, er tut es aber einfach nicht.

Das ist meine persönliche Meinung. Jeder ist anders und sieht das anders. Aber ich kann dir aus meiner Erfahrung nur sagen, bleib bei deinen Eltern. Mach das, was du für richtig hältst. Nichts anderes ist wichtig.

Ach und die anderen, die sich nicht melden oder nur so tun, als würden sie sich interessieren. Auf die verzichte ich. Von Tag zu Tag mehr. Ich war und bin so enttäuscht von Menschen, von denen ich dachte, sie wären mir nahe. Das merkt man erst, wenn es schlimm wird. Viele können damit nicht umgehen. Das ist schade, aber nicht mein Problem. Ich habe meinen Vater verloren. Klingt egoistisch. Ich glaub, das bin ich inzwischen auch ein Stück weit. Ich habe letztens einen schönen Spruch bei Facebook gesehen: "Geh mit, oder geh beiseite."

Ich wünsche euch viel Kraft.
__________________
Die höchste Form der Hoffnung ist die überwundene Verzweiflung. - Albert Camus

Geändert von fluturi (06.01.2018 um 20:38 Uhr)
  #2  
Alt 06.01.2018, 21:57
p53 p53 ist offline
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Beiträge: 145
Standard AW: der Umgang mit dem Leid /Selbstfürsorge

Hallo Nicitzka,

ich denke auch, dass du dir weniger Gedanken und Druck machen darfst, was du laut Expertenrat besser tun, anders tun oder lassen solltest.

Es kommt ja darauf an, dass es sich für dich und dein zukünftiges Leben richtig anfühlt, dass du mit deinen Entscheidungen nicht nur jetzt, sondern auch in den folgenden Jahren, für den Rest deines Lebens leben kannst und dir keine Vorwürfe machst oder ähnliches.

Ich habe allerdings ein wenig Bauchgrummeln, da eure Geschichte einfach nicht vergleichbar ist mit anderen.... es gibt eine (wahrscheinlich sehr lange) Vorgeschichte und die fließt natürlich mit ein.
Da lässt es sich für Außenstehende ohne diese Erfahrungen leicht daher reden, sie haben ja nicht deine Leidensgeschichte miterlebt, die deine nun todkranke Mutter verursacht hat. Natürlich nicht absichtlich und böswillig.
Du hattest deine Mama im Grunde schon vor langer Zeit verloren, und du weißt, an wen bzw was.....
Umso schöner, dass sich für dich einiges bereinigen konnte, auch wenn nicht drüber gesprochen wird und deine Mutter auch in ihrer Endphase weiterhin die Vermeidungshaltung beibehält.... aber das gehört eben auch zu ihrer schweren Erkankung und damit meine ich jetzt nicht den Krebs.

Ich stelle mir das einen ungeheurer schwierigen Zwiespalt auch vor, auch wenn gerade völlig das Mitgefühl, Mitleiden und Mitgehen überwiegen.

Vielleicht wäre es eine gute Idee, irgendwann einmal, wenn du den Kopf frei dafür hast, dich therapeutisch unterstützten zu lassen. Falls du das nicht schon in der Vergangenheit getan hast - ich weiß nicht, ob und wie sehr du dich distanziert hast oder Teil des "Systems" warst.

Was die ortsansässigen Mitbürger angeht, da sollte man eben auch nicht einfach blind verurteilen, sondern auch deren Seite sehen.
jeder Mensch hat auch das Recht, sich selbst zu schützen vor Dingen, die einem nicht gut tun. Das mag unangnehm sein für Betroffene, aber man kann niemanden dazu verdonnern, einen Weg mitzugehen, wenn sie nicht wollen.
Hinzu kommt eben auch hier eventuell die ganze Vorgeschichte, wer weiß, was da alles vorgefallen sein mag. Ich spreche da durchaus auch aus eigener Erfahrung, möchte das aber jetzt keinesfalls hier näher ausführen, es geht ja um dich und deinen Weg.

Du darfst auch ruhig mal unfassbare Wut (auf deine Mutter) zulassen, wenn du das so empfindest. Auch wenn es nicht rational ist, sie war einfach krank und konnte nicht anders, du darfst so fühlen und auch mal laut schreien.
Ob das nun das Umfeld versteht oder nicht... sche**egal.
Ich kann es sehr gut verstehen
  #3  
Alt 07.01.2018, 15:00
Nicitzka Nicitzka ist offline
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Beiträge: 62
Standard AW: Mama bereits im Leberkoma(?) - Erfahrungen, was tun

Hallo an euch,

danke für eure Antworten und eure Mühe.

Ceddy:
ich kann dir sagen, es wird irgendwann besser.
Und in dieser Zeit, wo du da sein musst, entwickelst du große Kräfte, damit du alles schaffst.


Ich hoffe, es wird irgendwann besser und leichter. Ich hoffe auch ein bisschen, dass ich irgendwann sagen kann, diese Sch... zeit ist nun vorbei (auch diese davor, denn die war ja auch nicht gut).


Christin12: danke für Deine Worte. Ja, es geht nicht, nicht mizuleiden. Das stimmt. Und egal, diese Umstände kennen einfach keine Rationalität, auch wenn ich mir das manchmal gerne wünschen würde. Ich bin kein Pragmatiker.

fluturi: Danke auch für Deine Zeilen. Ja, so ist es.

Nette1973: Danke für Deine Antwort. Darf ich fargen, was dein Papa genau hatte? Ja, mit Tätscheln meine ich nicht Täscheln, sondern tatsächlich Hand halten. Anfänglich hab eich sie viel massiert (Handmassage), aber mittlerweile habe ich einfach tatsächlich ihre Hand in meine gelegt.
Ich glaube aber, man kann eigentlich nicht viel falsch machen. Wichtig ist doch, dass man da ist.

p53: Danke auch für deinen kritischen Input. Ja, da sprichst du natürlich was an. Ich habe meine Mutter durchaus auch noch als „normale“ Mutter erlebt. Allerdings gibt es schon eine Zäsur zwischen damals und den vielen letzten Jahren. Damals war ich Kind. Mit dem Alkohol fing es im Rückblick an, als ich ca. 14 war. also Teenie. Das ging dann also über 24 Jahre und steigerte sich eben bis zur jetztigen Krankheit.
Sie war immer etwas schwierig, aber der Alkohol steigerte das „Schwierigsein“
dann noch ins Extreme.
Es ist in der Tat nicht zu vergleichen, das stimmt. Es ist ein schmaler Grad und mir fällt es trotzdem scher zu sagen: weil es so war (weil du so warst) versuche ich anders an „die Sache“ ranzugehen.
Für mich ist es eben auch wichtig, meinen Papa zu entlasten (denn ich war immer ein absolutes Papakind).
Sicher werde ich mir das nochmal ein einem professionellen Setting anschauen, wenn die Zeit dafür ist und mein Kopf frei dafür.

-------------------------

Heute habe ich bei meinen Eltern übernachtet, damit mein Papa entlastet wird (hinzu kommt ja da die Angst nun vor weiterem Prostatakrebs, bzw. Streuung)

Meiner Mutter haben wir abends das Morphinpflaster gewechselt und dann irgendwann sind wir schlafen gegangen. Ich übernachte dann auf dem Sofa.
Ich dachte, ich werde meine Mutter vllt. mal auf die Toilette bringen müssen (aus Bett heben in Toilettenstuhl) und gut is.

Meine Mutter hatte starke Unruhe und konnte nicht schlafen. Sie wollte andauernd hochgeschoben, hingesetzt werden und hat die ganze Nacht gejammert. Hinzu kommt, dass sie ein Schlüsselbeinbruch hat, der aber nicht mehr behandelt wurde (weil zu gefährlich, also keine OP).
Uns so ging es die ganze Nacht. Sie kann nicht mal mehr ihr Bett bedienen. Also Kopfteil hoch und runter fahren. Sie kann eigentlich gar nichts mehr.

Ich dachte, das Morphium müste doch wirken habe mir dazu aber keine Gedanken gemacht. Irgendwann habe ich ihr dann eine Tavor gegeben.
Daraufhin konnte sie 1,5 h schlafen. Dann ging es wieder los.
Dann hingen ihre Beine aus dem Bett, also wieder rein usw usw.
Um 8h gab ich ihre Medizin und setzte sie auf den WC-Stuhl.

Um 9 kam mein Papa und wir banden ihren Arm (Schlüsselbeinbruch-Arm)ein.
Da stellten wir fest, dass das M.-Pflaster weg war! Wir hatten zwar was drüber geklebt, aber sie musst es nachts verloren haben.

Also neues drauf, kurz danach schlief sie ein und schläft jetzt wohl.
Ich war fertig und bin dann irgendwann nach Hause gefahren, nachdem ich noch die Tabletten für die Woche gerichtet habe.

Ob das nun an dem fehlenden Pflaster lag? Wann es wegging, kann ich ja leider nicht feststellen. Diesesmal haben wir es richtig festgeklebt, so dass es definitiv nicht abgehen kann. Schöner Mist. Ich bin durch.

Ach ja, das mit den Mitmenschen: klar ist mir bewusst, dass sich Menschen unterschiedlich verhalten und das auch dürfen. Erstaunt bin ich dennoch, denn ich erwarte nicht mal viel.

Euch trotzdem einen guten Sonntag, vielleicht scheint bei euch irgendwo die Sonne?

N
  #4  
Alt 07.01.2018, 19:54
Däumling Däumling ist offline
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Standard AW: Mama bereits im Leberkoma(?) - Erfahrungen, was tun

Hallo,

Das liest sich sehr sehr kräftezehrend!
Dein Vater ist dir sicher sehr dankbar, dass du ihn gelegentlich „ablöst“ , gerade jetzt wo er selbst noch mehr Ängste hat.

Ich wünsche dir weiterhin ganz viel Kraft, Mut und Tapferkeit!

Liebe Grüße
  #5  
Alt 07.01.2018, 21:39
Elisabethh.1900 Elisabethh.1900 ist offline
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Standard AW: Mama bereits im Leberkoma(?) - Erfahrungen, was tun

Liebe N,
Zitat:
Ob das nun an dem fehlenden Pflaster lag? Wann es wegging, kann ich ja leider nicht feststellen. Diesesmal haben wir es richtig festgeklebt, so dass es definitiv nicht abgehen kann. Schöner Mist. Ich bin durch.
So ein Pflaster wirkt nur richtig, wenn sich darunter noch etwas Unterhautfettgewebe befindet. Außerdem hält es sehr schlecht, wenn man es klebt und zu dem Zeitpunkt der Patient stark friert. Es dauert eine gewisse Zeit, ehe das Pflaster richtig klebt, manchmal haben die Dinger einfach auch eine schlechte Qualität.

Herzliche Grüße an Dich,
Elisabethh.
  #6  
Alt 09.01.2018, 11:18
Nicitzka Nicitzka ist offline
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Standard AW: Mama bereits im Leberkoma(?) - Erfahrungen, was tun

Hallo ihr, die ihr hier mitlest,

seit knapp 3 Tagen hat sich der Zustand meiner Mama fast schlagartig verschlechtert.

Vor 3 Tagen sagte sie mir noch: „ich verliere die Wörter, ich glaube ich werde blöde“ und zwei Tage später kann sie nicht mehr sprechen, nur noch Laute von sich geben.

Sie schläft meistens und ist nur kurz wach, bekommt ihre Augen aber nicht mehr richtig auf.

Als ich gestern morgens kam, hat sie eine wunderschöne Bewegung gemacht, als sie merkte, dass ich da war.

Mama merkt also schon wer da ist und was wir sagen.
Leider isst und trinkt sie nichts mehr. Wir geben etwas Wasser in den Mund, damit er nicht austrocknet und die Pfleger (und wir) machen natürlich die Mundhygiene.

Sie kann nun auch nicht mehr auf den Toilettenstuhl gesetzt werden.
Das ist für sie eine echte Belastung, dass sie nicht mehr auf das WC gebracht werden kann.

Es ging sooo unglaublich schnell nun. Wenn ich zuhause bin, weine ich fast ununterbrochen.

Ich habe Sachen bezüglich eines Fetanylpflasters gelesen (sie hat die kleinste Menge), dass ich dachte, scheisse, was haben wir da angefangen.
Aber ich möchte mir nicht darum auch noch einen Kopf machen.
Wichtig ist doch, dass sie keine Schmerzen hat?!

Es tut unendlich weh (trotzdem) und auf einmal kommen auch so viele Sachen, die mir gar nicht mehr bewusst waren (nämlich sehr schöne Kindheitserinnerungen)

Ach Mama, ich hoffe, Du weißt, dass ich dich trotzalledem lieb habe
und dass wir versuchen, dass beste, was uns möglich ist zu tun.

Sie verdrängt das Sterben bis zum Schluss. Ich denke, sie kämpft innerlich (und manchmal auch äußerlich dagegen an).

Vieles werde ich wohl nicht mehr erfahren und manches nicht mehr lösen können.

Ich habe heute einige Telefonate führen müssen (Pflegedienst, Krankenkasse), zum Schluss noch eine Bestatterin angerufen, mit der ich vorab Email-Kontakt hatte und es fällt mir ein Stein vom Herzen – sie ist sehr sehr nett, glaube ich.

Man will das alles nicht, doch man muss.

Es ist Elend meine Mama so zu sehen (ich weiss, sie hat sich da reinmanövriert, doch sie glaubte immer, dass sie nie ein Pflegefall würde und
in diese Lage käme, von anderen gewaschen zu werden ...).

N
  #7  
Alt 09.01.2018, 12:03
Däumling Däumling ist offline
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Registriert seit: 01.01.2018
Beiträge: 100
Standard AW: Mama bereits im Leberkoma(?) - Erfahrungen, was tun

Hallo,

Das tut mir so leid zu lesen!

Leider liest man zu allem was es gibt pro und contra.
Einer sagt „das ist DAS Mittel“ der nächste sagt „um gottes willen das ist das schlimmste was man machen kann“

Ich wünsche die ganz viel Kraft für die nächsten Tage und drücke dich unbekannterweise.
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hcc, leberkoma, tace


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