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  #16  
Alt 20.02.2005, 19:10
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Standard Russisch Roulette.......

Liebe Kerstin,

danke für Deine Zeilen. Du erlaubst sicher, daß ich bei meiner Antwort auch Deinen Brief an Saphir mit berücksichtige. Deine Worte über Deinen Bruder und Deine Mutter geben einem wirklich zu denken, da kann man eigentlich gar nichts dazu sagen, nur, daß es einem leid tut und daß es sehr schade ist. Ich verstehe nichts von Psychologie, aber ich kann mir vorstellen, daß Du es mit der Trauer um Deinen Vater doppelt schwer hast. Zu der Trauer, dem Verlust, kommen auch noch Enttäuschung und das Gefühl im Stich gelassen zu sein dazu, sicher auch Wut.

Weißt Du was mir bei Deiner Erzählung auffällt, ich bemerkenswert finde? Daß Du eine Nähe zur Frau Deines Vaters gefunden hast, daß Ihr miteinander gut auskommt.
Manchmal denke ich, wir alle schenken oft zu viel Aufmerksamkeit den Defiziten und achten zuwenig auf Situationen in denen es gut geht. Zum Beispiel habe ich (für mich) oft die körperliche Verfassung meiner Eltern beklagt. Wenn andere meinten, welch ein Glück es sei, daß meine Eltern geistig und seelisch so gut drauf sind, na ja, das habe ich fast selbstverständlich genommen.
Als ich jetzt Deine Worte über Dich und die Frau Deines Vaters las, dachte ich, das hätte auch ganz anders sein können, für alle Teile schwer erträglich.

Ganz gut gefällt mir das Bild, Ihr zwei, 20 bis 30 Schubkarren Erde hievend auf dem Friedhof. Das ist kreatives Leben und Dein Papa hat das bestimmt mit Wohlgefallen betrachtet.

Ich möchte noch einmal auf Deinen - glaube ich ersten - Text zurückkommen, in dem Du schmerzhaft bedauerst nicht bei Deinem Papa gewesen zu sein, als er sein Leben aushauchte. Weißt Du, ich glaube worauf es wirklich ankommt, ist die Bereitschaft, da zu sein. Und die hattest Du. Ob sich das dann so ausgeht, daß man genau in dem Augenblick da ist, das ist Glück! Mir tut es im Herzen weh, wenn ich immer wieder höre oder lese, daß Angehörige so schwer damit leben, sich zusätzlich das Herz schwer machen, wenn sie nicht dabei waren. Es gibt Menschen, denen es möglich ist, sozusagen immer beim Kranken zu sein. Dann gehen sie aufs Klo, duschen sich und wenn sie zurückkommen ist der Mensch tot.

Wann ist Dein Vater gestorben?

Ich hab Dir geschrieben, daß ich mich schon vor dem Tod meiner Eltern, ja so früh, daß es sogar vor ihren Erkrankungen war, mit diesem Thema beschäftigt habe.
Das MYsterium Tod war nie ein Tabuthema. Aber das eigene Erleben hat alles aus den Angeln gehoben. Ich glaube durch dieses Tal muß man durchgehen um verstehen zu können.Man ist danach nicht mehr derselbe Mensch - im positiven Sinn. Ich kann heute ganz anders mit Kranken, mit Trauernden umgehen, ich weiß jetzt einfach WIE
das ist. Und jetzt wäre ich jemand, den man anrufen kann, an seine Seite bitten kann, so wie Du das gebraucht hättest, als Du bei Deinem Papa warst.

Und das meinen wir beide, wenn wir Saphir bitten, sich um Hilfe umzusehen. Wie alles sein wird, das weiß keiner, aber es tut gut, wenn man ein bißchen gewappnet ist.

Für heute schicke ich Dir liebe Grüße
Briele
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  #17  
Alt 20.02.2005, 20:06
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Hallo ihr da draussen!

Ich kann euch nur zu gut verstehen. Mein Papa hat BSDK mit MEtastasen und ich kann jeden Tag zu sehen wie es ihm schlechter und schlechter geht. Ich würde ihm sogerne helfen doch ich kann nicht mehr als da sein. Ich weiss es ist für ihn schon eine grosse hilfe aber ich fühle mich mit meinen 22 Jahren einfach zu überfordert. Ich träume davon wie es sein wird wenn er stirbt wie ich mich verabschiede. Das macht mich fertig. Ich schaffe das alles nicht. Ich kümmere mich um Papa unterstütze psychisch meine Mutter soll noch für meinen Mann die Ehefrau spielen. Mir wird das alles zuviel. Ich schaff das nicht
liebe Grüsse
Lollo
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  #18  
Alt 21.02.2005, 10:09
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Hallo Lollo,

das was Du da alles zu leisten hast ist auch unglaublich viel, und schwer. Ich habe auch Mann + zwei Kinder und mal abgesehen von den "logistischen" Problemen die ich hatte um zu meinem Vater zu können war es die ganze Zeit auch ein Spagat zwischen dem was man da bei dem Kranken leisten muss + will und dem "normalen" Leben drumherum das auch weitergeht. Mein Mann hat mich zwar schon unterstützt, z.B. dass er sich am WE um die Kinder gekümmert hat und ich konnte zu meinem Vater fahren, aber ich glaube nicht dass er erfassen kann WIE schwer das alles für mich war und es auch jetzt noch so viele Monate nach dem Tod meines Vaters ist. Oft liege ich abends im Bett und denke an alles was passiert ist und kann mit ihm aber nicht darüber sprechen. Ich bin nur froh dass ich meinen Therapeuten habe. Freundinnen wollen auch nicht wirklich IMMER NOCH über das Thema hören. Manchmal denke ich (etwas unschön...) "warte mal ab..." wenn ich sehe dass eine Freundin nicht darüber reden will, schnell ablenkt... bis man es ganz lässt den Versuch zu machen. Weitestgehend mache ich das mit mir selbst ab und hier im Forum, und eben bei dem Therapeuten.

So wie Du schreibst denke ich Du bräuchtest auch dringend Unterstützung FÜR DICH. Was kannst Du Dir denn vorstellen was Dir helfen könnte? Du musst deine Last doch auch teilen können - hat Dein Mann denn kein Verständnis für Dich? Ich kann gut verstehen dass Du das Gefühl hast das alles nicht schaffen zu können. Das ist ganz normal. Versuch auch für Dich Hilfe zu organisieren.

Viele Grüsse + Alles Gute
Kerstin
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  #19  
Alt 22.02.2005, 12:14
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Hallo Briele,

ich will Dir zu deiner letzten Antwort auch noch was schreiben aber ich liege im Moment mit Grippe flach und kann nicht klar denken. Melde mich. LG Kerstin
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  #20  
Alt 22.02.2005, 14:23
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Liebe Kerstin,

schnelle und gute Besserung!
Liebe Grüße
Briele
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  #21  
Alt 23.02.2005, 12:51
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Liebe Kerstin, liebe Briele, liebe Lollo und lieber Christoph,

Ich kann erst jetzt schreiben, da ich erst heute Nacht von einer beruflichen Reise zurück gekommen bin.
Jetzt sitze ich hier vor dem Computer, und bin wirklich gerührt. Zu sehen, dass ihr "da" seid, und so viele für mich wichtige Worte verfasst habt.
Wenn man es alles bisher allein ertragen hat, und sich dann doch mal traut, einen Hilfeschrei in die Öffentlichkeit zu entsenden, und dann sieht, was man für Feedback bekommt, ist ein gutes Gefühl. Zu sehen, wir sitzen alle im selben Boot, und bemüht sind, nach vorne zu rudern, ist einfacher zusammen als allein. Obwohl ja jeder letzendlich für sich selbst "zuständig" ist, ist diese Seite ein guter Zufluchtsort, um sich wieder voran zu treiben. Oder voran treiben zu lassen!!! Ich danke Euch.
Meine Mutter bekam bisher immer Valoron gegen die Schmerzen. Bis ich Anfang dieser Woche ein Schmerzstöhnenden Anruf meiner Mutter bekam, das die Schmerzen, da wo die Metastasen sitzen(Schädelknochen, Schienbein, Hüfte, Fußgelenk, hintere Rippe...)fast unerträglich sind. Bin dann sofort zur Onkologin mit ihr, und nun hat sie Morphiumpflaster bekommen. Mama zeigte leider immer eine extreme Unverträglichkeit bei oraler Morphiumgabe, sie hat danach immer stark erbrochen. So ist das wohl nicht ganz so einfach. Deswegen meine Frage zu spezialisierten Schmerzspezialisten. Es gibt doch tausende Schmerzmittel, die sie nicht belasten oder ganz "wegtreten"lassen. Sie soll ja noch am Leben teilhaben.
Der Nierenkrebs ist im August´03 diagnostiziert worden. Da war er schon sehr groß, hat sich schon halb um die Niere geschlungen. Im Juni´04 kamen wie in einer Schwemme die Knochenmetastasen.
Liebe Kerstin, ich wünsche Dir gute Besserung! Und Euch allen alles Liebe, Saphir
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  #22  
Alt 23.02.2005, 12:54
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Und natürlich auch liebe Stina, wollte ich Dich nicht vergessen. Dich habe ich natürlich auch angesprochen!
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  #23  
Alt 01.03.2005, 16:28
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Hallo Briele,

die Grippe habe ich jetzt so halbwegs hinter mir, ich glaube so heftig hatte ich das noch nie.

Ich wollte ja noch mal auf deinen letzten Beitrag zurück kommen. Du hattest gefragt wann mein Vater gestorben ist. Also die Diagnose Darmkrebs (Zufallsbefund) bekam er Anfang 2002, dann wurde er schnell operiert und bekam Chemo da auch schon Metastasen da waren. Dann gab es noch div. kleine Eingriffe aber insgesamt ging es ihm gut, er hat sogar weiter gearbeitet, das war auch sein Halt und Lebensinhalt. Im März '04 bekam er bei Kontrolle die Diagnose dass wieder Metastasen/Lokalrezidiv aufgetreten sind und er ging dann am 6.4. zur OP in eine Uniklinik. Bei/nach der OP gab es Komplikationen hauptsächlich wohl wegen Lungenembolie, dann lag er ca. 2 Wochen im Koma und dann wurde er zwar ab und zu noch mal wieder wach, sie versuchten ihn wieder aufzubauen, es ging schliesslich mit andauernden Infektionen in seinem Körper (durch die vielen Infusionen und Katheter usw.) immer wieder auf und ab und er wurde immer dünner und ganz kraftlos und durch die Beatmung konnte er nie wieder sprechen. Insgesamt hat er über 9 Wochen auf der Intensivstation gelegen wo er dann starb. Er ist dann am 13.6.04 einen Tag vor seinem 68. Geburtstag eingeschlafen. Das Furchtbare ist dass er keine (kaum) Beschwerden hatte, er sah völlig OK aus, dann kam die Routinekontrolle und man sagte man müsste schnell operieren und er hatte Angst aber er hoffte noch einmal Zeit zu gewinnen. Man wusste es wird eine grosse OP aber wer hätte entscheiden können es lieber nicht zu tun, dann hätte er zwar noch mehr Zeit gehabt aber wer weiss wie jämmerlich er dann (inzwischen vermutlich...?) doch gestorben wäre....

Also im KH fingen die Organe nach und nach an zu versagen, schlechte Leberwerte usw., und am Ende (nach div. Gesprächen in den ganzen Wochen mit den Ärzten und den entsprechenden gefühlsmässigen Achterbahnfahrten) hiess es schliesslich er würde es keinesfalls mehr schaffen. Am Freitag hiess es schon er würde evtl. das WE nicht mehr schaffen da bin ich abends noch schnell für ein paar Stunden allein ins KH gefahren, das war eine komische aber sehr intensive Atmosphäre, kein Tagesbetrieb mehr, aber da es so um ihn stand durfte ich auch lange bleiben. Am Samstag Mittag bin ich dann wieder hingefahren, dass war dann der letzte Tag an dem ich ihn sah. Die Ärzte sagten, wenn die Intensivmassnahmen aufrechterhalten werden könnte es noch lange dauern aber er würde es nicht mehr schaffen. Also musste ich an diesem Samstag die schwerste Entscheidung meines Lebens treffen. Mit der ich immer noch hadere weil ich immer wieder überlege: wenn man die starken Medikamente reduziert hätte, hätte er dann doch noch mal wach werden können? So wie die Ärzte es damals beschrieben wäre das wohl nicht mehr möglich gewesen weil die Organe (Leber) nicht mehr richtig arbeiteten und selbst wenn: wozu, man hätte ihn ja nicht wirklich FRAGEN können, seinen Willen dazu hatte er auch nie irgendwo hinterlegt, das Thema Krebs + Tod mit seiner Frau immer ausgeklammert.... trotzdem denke ich ob ich nicht egoistisch war weil ich auch irgendwie nicht mehr konnte... nachher wäre ich mit Freuden immer noch ins KH gerannt, als er dann wirklich nicht mehr da war, habe sogar diesen (ätzenden) KH-Geruch vermisst, wenn er denn nur noch am LEBEN gewesen wäre... obwohl das ja AUCH egoistisch wäre denn den wirklichen Preis hätte ER ja dafür zu bezahlen gehabt... aber so ganz komme ich nicht damit klar dass IChH das OK dafür gegeben habe, seine Frau sagte mir zwar natürlich dass sie einverstanden ist aber sie konnte es dem Arzt nicht sagen also tat ich es.... und dann ging es eben nicht so schnell wie (auch laut Arzt) erwartet, die Intensivmassnahmen wurden so ca. 16 Uhr reduziert und er ist am nächsten Morgen gegen 8 Uhr gestorben, er hatte nur noch ganz schwachen Puls, man sagte uns auch das Gehirn sei so gut wie nicht mehr durchblutet und er würde wirklich nichts mehr spüren oder denken können, dazu ja auch noch die starke Sedierung... Trotzdem habe ich ihn im Stich gelassen als ich dann Abends gegangen... auch wenn ich weiss dass das nicht rational gedacht ist aber es fühlt sich trotzdem furchtbar an. Ein bisschen so als hätte ich ihn umgebracht. Natürlich haben die Ärzte es uns sehr nahe gelegt es ihm leichter zu machen, ihn gehen zu lassen, er war doch auch äusserlich inzwischen ein Sterbender, so dünn mit komischen Flecken überall, trotzdem hatte ich auch diese furchtbaren Gedanken dass es dann auch für mich vorbei wäre....das finde ich so furchtbar dass ich dachte im Juli wollten wir in Urlaub fahren (als es vorher mit ihm etwas bergauf ging hatte ich überlegt nicht mitzufahren damit ich bei ihm bleiben kann, aber der Gedanke war irgendwie auch doof für die Familie und ich konnte den Gedanken nicht ertragen WEG ZU MÜSSEN und nicht bei ihm zu sein, und so war ich irgendwo auch erleichtert dass es jetzt passierte und nicht wenn ich vielleicht nicht da sein würde, auch wenn es hiess dass er dann früher stirbt... hört sich bestimmt alles reichlich verworren an, ich höre jetzt leiber auf. Wenn ich anfange an all das zu denken dann spielen die Gedanken verrückt....

Und jetzt vermisse ich ihn so sehr!

Kerstin
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  #24  
Alt 01.03.2005, 16:43
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Liebe Kerstin, auch ich mußte diese Entscheidung Mitte Oktober treffen, ob mein Vater noch eine Intensiv-Medizin bekommen sollte, künstliche Beatmung usw. Und auch ich habe mir lange Vorwürfe gemacht, ob es richtig war, daß ICH so etwas entscheiden durfte, auch heute überlege ich noch manchmal...
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  #25  
Alt 01.03.2005, 20:40
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Liebe Kerstin,

Danke für Deine Zeilen aus denen viel Schmerz und leider auch viel an Selbstvorwurf zu lesen ist.

Vielleicht beginne ich mit Deinem letzten Satz ".... und jetzt vermisse ich ihn so sehr!... Das impliziert, der Verlust wäre erträglicher, der Schmerz linder, hättest Du seinen Tod mit erleben können. Liebe Kerstin, ich glaube, was das Vermissen, die Sehnsucht betrifft, hätte das nichts geändert. Der Mensch ist nicht mehr da, man will ihn zurück haben, es fällt so ungeheuer schwer die Beziehung zu diesem Menschen auf eine andere Ebene zu heben.Im Kopf weiß man das, aber man will den Körper, man will den Menschen spüren, hören, riechen, diese Sehnsucht ist oft kaum auszuhalten. Es gibt, meiner Meinung nach, nur einen Verbündeten und das ist der Faktor Zeit.

Es ist ja nicht so, daß man den Umweinten dann vergißt, die Beziehung erhält nur langsam, langsam, eine neue, andere Qualität. Ich nehme an, wenn etwas unsere Verstorbenen mit tiefem Kummer erfüllt, dann die Tatsache, daß uns ihr Tod vernichtet zurückläßt.

Ich kann sehr gut verstehen, daß die Entscheidung nun Maßnahmen zu beenden eine ganz schwere ist, das ist wahrscheinlich die schwerste Entscheidung vor die man gestellt ist. Aber Du hast es richtig gemacht, Kerstin und man kann sich vor Dir, vor jedem Menschen, Stina, ich darf Dich da mit hineinnehmen, weil Du das sicher liest, man kann sich da nur vor Euch verneigen. Diese Entscheidung ist und war der größte Liebesbeweis den Ihr geleistet habt. Ich hoffe von ganzem Herzen, daß an meiner Seite auch einmal ein Mensch sein wird, der die Entscheidung für mich trifft, wenn ich es selbst nicht mehr kann.

Wenn ein geliebter Mensch stirbt, wenn er schlimm krank war, alles aussichtslos wurde, dann kann man für diesen Menschen fast froh sein, daß es zu Ende ging, so makaber das klingt.Die bitteren Tränen weint man um sich selbst. Wenn ich mir meine Mama und meinen Papa so zurückwünsche, dann denke ich auch, meine Güte, um welchen Preis wäre das, was würde das für sie bedeuten? Manchmal, wenn ich das Gefühl hatte diese Sehnsucht nicht mehr auszuhalten, wenn die Trauer und der Verlust richtig weh taten, dann dachte ich, das ist jetzt wirklich schlimm, aber es ist jetzt nur mehr MEIN Schmerz, es waren auch die Zeiten der Krankheit, der Ängste, der Sorgen, des Mitleidens, der Ohnmacht schlimm und schwer.

Kerstin, Stina, Ihr habt aus Liebe und Barmherzigkeit das einzig Richtige getan. Eure Väter sind stolz auf ihre tapferen Töchter. Keiner weiß, wie und was nach dem Tod ist. Weil es mir Trost und Hoffnung ist habe ich für mich entschieden, daß es eine Verbindung gibt, zwischen meinen Toten und mir.
Ich weiß es nicht, aber ich denke mir, wenn Ihr Euch mit Vorwürfen quält, dann quälen sich vielleicht auch Eure Väter mit Vorwürfen, daß sie Euch in so einen Gewissenskonflikt gebracht haben. Keiner, weder Eure Väter noch Ihr, haben sich dieses Schicksal ausgesucht.

Was die Trauer, den Verlust, die Bewältigung betrifft, da gibt es sicher keine Rezepte. Im ersten Jahr hatte ich das Gefühl einfach Stunde um Stunde, Tag um Tag irgendwie hinter mich zu bringen, das alles einfach auszuhalten. Dann habe ich fest gestellt, daß es Zeiten gab, in denen es mir richtig gut ging, daß das aber nichts bedeutet, denn die Trauer springt einen wie ein wildes Tier an dann hab ich den Wechsel akzeptiert. Wenn es mir richtig schlecht ging, dann hatte ich eben schon x-fach die Erfahrung gemacht, daß das jetzt nicht für immer so bleibt,es wird wieder leichter und umgekehrt genauso.

Was mir wirklich gut tut? Meine kleinen Neffen im Arm zu halten, da halt ich auch ein wenig meine Eltern im Arm.Den guten Eigenschaften meiner Eltern Leben zu verleihen, mit Interesse sehe ich, daß mir das gar nicht schwer fällt, zunehmend Freude bereitet.

Für heute schicke ich Dir liebe Kerstin, und Dir liebe Stina liebe Grüße und gute Wünsche.
Briele
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  #26  
Alt 03.03.2005, 19:10
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Hallo,

endlich finde ich die Zeit zu schreiben. Ich bin sehr nervös. Samstag früh fliege ich in die USA, und nächste Woche ist die Untersuchung meiner Mutter, wo es um sehr viel geht. Habe verdammte Angst, da meine Mutter mir gestern ihr Schienbein gezeigt hat. Und da sieht man jetzt, ohne auch nur darüber zu streichen, das eine Wölbung auf dem Knochen ist. Da wo die Metastase sitzt. Wenn es das ist, wonach es aussieht, hat die Chemo ja anscheinend nicht sehr viel gebracht. Habe soooo Angst vor der Untersuchung.
Nachdem ich Eure Briefe gelesen habe, bin ich tief in mich gegangen, um zu sehen, was ich für mich tun kann. Und mir ist was Gutes eingefallen. Ich werde wieder reiten gehen, was ich seit dem Tod meines Pferdes (Jahr 2000) nicht mehr getan habe.
Und ich glaube, das ist momentan das Einzige, wo ich Kraft schöpfen kann. Was für mich eigentlich schon immer die beste Therapie war. Das werden bestimmt die Pferdebegeisterten unter Euch verstehen.
Und nun habe ich noch etwas, wovon vielleicht auch viele andere profitieren können. Vor ein paar Tagen hat meine Mutter mir ein Buch in die Hand gedrückt, mit dem Titel: Über den Tod und das Leben danach. Es beinhaltet die Erforschung vom Tod und dem Sterben, mit Erfahrungsberichten von Menschen, die schonmal auf der Kippe standen. Klar, man muß offen für so etwas sein, aber da dies ein ziemlich verschwiegenes Thema ist, fällt es einem doch leicht. Gerade mir, die absolut nichts vom Tod wissen will, tat es gut zu lesen. Denn es zeigt den Tod von einer sehr positiven Seite, und nimmt schon recht viel von der Angst, einen geliebten Menschen "gehen" zu lassen. Was darin stand, hat in mir und meiner Mutter was verändert.
Schließlich ist es auch gerade das, was mich in Panik versetzt(Mama wahrscheinlich auch): nicht zu wissen, was mit meiner Mama passiert, wenn sie von unserer Erde, aus unserem Leben gerissen wird. Wo kommt sie hin? Wie wird es ihr da gehen? Ist sie alleine? Ich könnte weinen, wenn ich diese Fragen formuliere. Denn nicht mehr bei ihr sein zu können, sie alleine in das "Ungewisse" gehen zu lassen, ist mit das Schlimmste für mich.
Die Buchautorin ist Elisabeth Kübler-Ross, die mehrfach den Ehrendoktortitel für ihre Arbeit erhielt. Das Buch "Über den Tod und das Leben danach" ist beim Silberschnurverlag zu erhalten: ISBN 3-923 781-02-4. Für alle, die Interesse haben.
Gut, nun werde ich durch die nächste Woche müssen. Ich hoffe, dass ich mich mit einer positiven Nachricht von meiner Mutter wieder melden kann. Liebe Grüße, Saphir
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  #27  
Alt 03.03.2005, 21:27
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Liebe Saphir,

vielleicht guckst Du noch einmal ins Forum vor Deiner Abreise, daher beeile ich mich Deiner Mama und Dir alles Gute zu wünschen.

Die Untersuchung, die Krankheit, die ganze Situation, das ist mit Angst besetzt und das versteht auch jeder. Man kann rein gar nichts machen, man kann nur versuchen das alles irgendwie auszuhalten und dem Kranken dabei noch eine Stütze zu sein.

Über zwei Dinge bin ich - wenn man das Wort überhaupt in den Mund nehmen kann - froh, nämlich, daß Du etwas gefunden hast, was Dir Freude machst und woraus Du Kraft schöpfen kannst. Ich kann nicht reiten, aber ich stelle mir vor, was Besseres kannst du nicht machen, etwas was Du gerne tust, Bewegung in der Luft und Begegnung mit einem Tier.

Das zweite finde ich ganz wichtig und darüber bin ich richtig froh: daß DEINE Mama DIR dieses Buch in die Hand drückt. Wenn Du einmal in einer Buchhandlung bist, wirst Du sehen, daß es über dieses Thema Meter um Meter Bücher gibt. Vielleicht ist der nächste Schritt der, daß Ihr beide darüber redet. Ich glaube ich habe das schon einmal geschrieben, meine Meinung ist, daß da man in dieser Beziehung nur seine Bereitschaft signalisieren darf, man dem anderen zu verstehen gibt, wenn Du darüber sprechen willst, ich bin da und ich will und kann mit dir darüber reden.

Wie alles sein wird, was sein wird, weiß letztlich keiner. Man kann das eine, das andere glauben. Für mich habe ich entschieden, daß es danach etwas gibt und wenn es etwas gibt kann es nichts Schlechtes, Böses sein. Wie und was es ist weiß ich nicht und in Wirklichkeit kann mir das auch keiner erklären. Und manchmal denke ich wenn es nichts gibt ist das auch nicht das Schlechteste.

Als meine Mama und mein Papa starben hatte ich für mich das Gefühl - und sagte es zu ihnen auch - bis zum Schluß bin ich bei Dir, dann mußt du nur einen kleinen Schritt alleine machen und auf der anderen Seite sind dann deine Eltern.

Diesen Text lesen nun auch Menschen die schwer daran tragen eben nicht bis zum letzten Atemzug bei ihrem Angehörigen sein konnten. Daher schreibe ich es noch einmal: es geht meiner Meinung nach um die Bereitschaft da zu sein, es auszuhalten, es ist Zufall, Glück, was weiß ich, wenn man dann wirklich genau in dieser Minute dabei ist. Aber so wie man seine Verstorbenen spirituell erreicht, man sie mit seiner Liebe erreicht, so erreicht man auch die Sterbenden.

Und nun liebe Saphier nochmals meine besten Wünsche.
Briele
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  #28  
Alt 15.03.2005, 20:38
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Hallo,
nun bin ich durch die Woche gegangen, und habe heuten einen sehr "unschönen" Tag gehabt. Heute war die Besprechung bei Mama´s Onkologin. Nun sitze ich hier mit einem Glas Wein und einer Portion emotionalen Chaos. Fühle mich knallhart und versteinert, nicht fähig zu weinen!
Die Chemo hat in keinster Weise gewirkt. Die Metastasen sind wortwörtlich explodiert, und das körperliche Befinden meiner Mama hat sich auch verschlechtert.
Fakt ist, dass alle Möglichkeiten der deutschen Medikation nicht angeschlagen haben. Weder Bestrahlung noch die 3 Chemo´s haben etwas Positives bewirkt. Die Chemo mit den starken Nebenwirkungen wurde abgesetzt, da es jetzt nur noch darum geht, dass Leben meiner geliebten Mama "lebenswert" zu machen.
Wir werden jetzt um ein Medikament aus den USA kämpfen, was hier noch nicht zugelassen ist, weil es die letzte Chance wäre, den Krebs aufzuhalten. Ich kann und will nicht aufgeben. Meine Mama hat die Onkologin gefragt, wann es Zeit ist, sich eine Fahrkarte für "oben" zu kaufen. Ich kann nicht warhaben, dass dies alles passiert. Es ist einfach wie in einem ganz üblen Film. Und was mich gerade verwirrt ist, dass ich in die Stahlhülle eines Roboters geschlüpft bin. Ich kann nicht mehr, werde aber irgendwoher gezwungen, zu können. Ich will fühlen, mich bis zur Erschöpfung ausweinen, werde aber mit irgendeiner Macht davon abgehalten. Nun sitze ich hier, und der ganze Tag, all die ausgesprochenen Wörter spulen sich immer wieder in meinem Kopf ab, als würde ich vor einer Leinwand sitzen, dessen Bilder sich immer wiederholen. Nebenbei meine ich, bald haltlos durchzudrehen. Ich habe mich nicht unter Kontrolle. Meine Gefühle knallen gegen eine riesige Felswand. Mein Körper wird immer schlapper, aber ich komme nicht zur Ruhe.
Es tut mir leid, wenn ich Euch das Gefühl gebe, es mit einer absolut "Irren" zu tun zu haben, aber genauso fühle ich mich. Ich glaube, wir sind jetzt in den Strudel geraten, der einen mit einer rasanten Geschwindigkeit bergab zieht. Vielleicht erwischen wir ja noch einen Ast, der uns doch noch vor dem absoluten Abstieg bewahrt. Ich jedenfalls würde alles dafür tun, diese Chance zu bekommen. Denn sonst weiß ich nicht weiter. Bin einfach am Ende. Nur wie wird es, wenn dem jetzigen und starken Schock, der mich gerade noch umhüllt, die Realität folgt???? Glaube nicht, dass noch soviele Reserven da sind, aber meine Mutter braucht mich, und zwar nicht als kaputtes Wrack. Viele Grüße, Saphir
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  #29  
Alt 15.03.2005, 21:09
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Liebe Saphir, ich kenne genau dieses Gefühl. Nach der Krebs-Diagnose meines Vaters (Juli 04) bis zu dessen Tod (Okt. 04) habe ich auch ALLES versucht, noch einen Arzt, ein Krankenhaus, eine Chemo, eine OP, eine Bestrahlung, ein Medikament zu bekommen. Habe bis morgens vor dem Internet gegessen und gesucht und war zudem noch täglich bei meinem Vater im Krankenhaus oder auf der Palliativ-Station oder habe ihn zu Hause gepflegt. Ich funktionierte auch wie ein Roboter, anders wäre es auch nicht gegangen.... Nach seinem Tod kam dann der Zusammenbruch...Ich wünsche Dir sehr viel Kraft. LG
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  #30  
Alt 15.03.2005, 21:27
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Liebe Saphir,

.....ich sitze vor der Anrede "liebe Saphir" und das schon einige Minuten und denke vielleicht leben wir gar nicht weit voneinander entfernt, dann würde ich fragen. soll ich zu Dir kommen, und das denke ich weil ich nicht recht weiß was ich sagen soll und doch jetzt irgendwie da sein will. Lass Dich erst einmal umarmen.

Das ist alles sehr traurig. Wie hat Deine Mama auf diese niederschmetternde Nachricht reagiert? Ich meine, was sagt sie, was möchte sie?

Ich kann nur von meiner Erfahrung sprechen, ich hatte immer das Gefühl, daß eine neue Diagnose, ein Schock einfach eine gewisse Zeit braucht bis der sozusagen vom Verstand in die Seele sickert, ich das alles kapiere und erst dann fähig bin zu reagieren. Rückblickend betrachtet wundere ich mich wie ich alles bewältigt habe und wundere ich mich auch wie wir uns immer wieder an neue (schrecklichere) Gegebenheiten anpassen konnten.

Was das Weinen betrifft ist das etwas womit ich eigentlich nie Probleme hatte,aber in Situationen die mit Deiner vergleichbar sind, habe ich auch nicht geweint. Ich hatte das Gefühl wenn ich einmal anfange dann kann ich nicht wieder aufhören und dann wird mir die letzte Kraft genommen. Mach das, wonach Dir ist!

Du klingst nicht "irr" Du bist außer Dir vor Angst und Kummer und hast auch allen Grund dazu. Es hilft Dir nicht, wenn ich mit so Ratschlägen komme, hast Du nicht jemanden der Dir zur Seite steht.Ich weiß nicht ob Du schon für Dich, Deine Probleme beim Arzt vorgesprochen hast, ob Du Urlaub nehmen kannst, ob es besser für Dich ist zu arbeiten.

Ich weiß nicht so gut Bescheid über die Möglichkeiten der deutschen Krebshilfe, weiß aber, daß z.B.in Österreich es viele Angebote auch für Angehörige gibt. Das heißt, daß man mit der ganzen physischen und psychischen Problematik als Kranker und Angehöriger kommen kann und die einen Hilfen zeigen, an die man selbst vielleicht gar nicht gedacht hat.
Leider wußte ich das in unserem Fall erst hinterher, so wie ich überhaupt vieles erst danach wußte. Das gleiche gilt für die Hospizbewegung.

Jeder Mensch regaiert anders, aber, liebe Saphir, es muß nicht sein, daß Deine Gefühle, so wie Du sie jetzt im Schock hast in der Realität noch multipliziert werden.

Wenn Du magst, erzähl mir doch was Deine Mama sagt.

Ich weiß jetzt auch nicht mehr was ich Dir sagen kann. Ich habe oft an Euch gedacht.
Traurige Grüße
Briele
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