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  #1  
Alt 28.05.2003, 19:54
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Standard das soll es nun gewesen sein

Da mein Vati Lungentumor hat, welcher jedoch schon sehr gestreut hat und diverse Foren interessant für uns waren, bin ich bisher in verschiedenen Foren unterwegs gewesen.. Dort "passe" ich, glaube ich, nun nicht mehr so ganz hin. Daher versuche ich hier weitere Kontakte herzustellen. Vielleicht hilft das durch eine sehr schwierige Zeit. Nun, nach einer Strahlentherapie gegen die Gehirntumore (ohne Erfolg), ist mein Vater zu schwach für die Chemo, welche ihm das Leben hätte verlängern sollen. Er sei zu schwach, die Tumore zu schnell und groß. Mein Vater ist nun Zuhause und wird gepflegt bis es soweit ist..... was sicher das beste für ihn ist unter den gegebenen Umständen. Traurig bin ich trotzdem, besonders über seine Traurigkeit. Hätte er doch eine bessere Chance gehabt!
Das Härteste für mich ist nun SEIN seelisches Leiden, die Verzweiflung, denn er wollte so gerne kämpfen und länger weiterleben. Sein Schicksal lässt ihn verzweifeln, das ist so traurig. Er wollte doch so verdammt gerne weiterleben und ein bisschen was von seinem Rentendasein haben. Manchmal ist die Realität so knallhart und manchmal ist es so unwirklich..... Das ist alles in nicht mal 8 Wochen passiert. Vorher waren wir noch zusammen und keiner hatte Ahnung...
Eure Lena
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  #2  
Alt 28.05.2003, 22:36
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Standard das soll es nun gewesen sein

Liebe Lena,
so ähnlich ging es mir auch. Und bis heute ist es für mich am traurigsten daran zu denken, wie traurig er selbst war. Und daß er schreckliche Schmerzen hatte, über die er fast nie gesprochen hat, die man ihm aber ansah. Er war auch so lebenslustig. Ich glaube, manchmal konnte er die Diagnose selbst nicht fassen. Und dann war er manchmal so unglücklich. Mir gegenüber hat er sich immer zusammengerissen; nur meine Mutter sagte, daß er jetzt auf einmal manchmal anfängt zu weinen. Allein der Gedanke daran bringt mich auch immer wieder zum Heulen.

Wir hatten auch alle keine Ahnung. Er war immer gesund und hat niemals gejammert. Hatte keine Weh-Wehchen; war immer "kernig". Und dann das. Ich habe es bis heute nicht verstanden. Er hat es wohl in den letzten Tagen ein bißchen akzeptieren können. Zumindest schien es so. Aber er hatte - und dieses Bild bringt mich fast um - an den Augenlidern eine richtige Salzkruste, wenn ich ihn besucht habe. Damit werde ich nie fertig. Und auch damit nicht, daß er sich die ganzen Handinnenflächen mit seinen Fingernägeln kaputt gemacht hat, nur damit er nicht vor Schmerzen schreit. Die Bilder verfolgen mich. Daß er nicht mehr sprechen konnte vor Schmerzen. Daß er sich dann auch nicht mehr bewegen konnte und als ich seine Hand streichelte, so gezittert hat.

Entschuldige bitte. Vielleicht sollte ich das alles gar nicht schreiben.

Marga
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  #3  
Alt 28.05.2003, 22:43
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Hallo Lena,
uns gehts genauso wie dir. Wir wissen zwar schon seit letzten Sommer, daß mein Schwiegervater Krebs hat. Aber bis vor ca 4 Wochen ging es ihm noch relativ gut.
Wir hatten grade neue Hoffnung geschöpft. Und jetzt...
Er ist aus der Klinik, von der wir uns sooo viel versprochen hatten, entlassen worden.
Wenn ich ihn mir ansehe, so ein kleines Häufchen Elend. Ich kann es einfach nicht fassen. Es kommt mir vor, als läge da ein Mann mit seiner Stimme, der ihm ein klein wenig ähnlich sieht. Er wollte auch so gern kämpfen. Hat es auch die ganze Zeit getan und tut es noch.
Wir müssen jetzt das beste draus machen. Sein größter Wunsch, nach Hause zu kommen, konnten wir ihm erfüllen. Er sagt, er erholt sich jetzt zu Hause und dann geht es weiter. Er kämpft auch immer noch...
Es tut soooo weh, hilflos daneben zu stehen, nix mehr für ihn machen zu können. Nur noch dieses Abwarten. Und ich hoffe immer noch, das seine blöde Leber endlich wieder richtig arbeitet, obwohl ichs eigentlich besser wissen müßte.
Diese besch... Krankheit!
Christel
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  #4  
Alt 29.05.2003, 20:34
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Liebe Marga und Liebe Christel,

vielen Dank, dass Ihr so offen geschrieben habt.
Marga, Deinen Worten entnehme ich, dass Dein Vater nun nicht mehr leidet und bereits hinter dem Regenbogen ist. Du meintest, Du solltest dies vielleicht alles gar nicht schreiben, aber ich möchte Dich dazu ermuntern. Vielleicht tut es Dir gut, Dich mit Menschen auszutauschen, denen es sehr ähnlich geht wie Dir. Vielleicht hilft es uns gegenseitig. Die schrecklichen Bilder, die Dich verfolgen - es geht mir ähnlich. Es ist so bitter, daß mir die richtigen Worte fehlen.

Christel, ich denke, es ist natürlich, bis zuletzt auf ein Wunder zu hoffen, selbst wenn man es besser weiß. Wie recht Du hast, die Krankheit ist wirklich besch...!!! Viel schlimmer, als ich es mir je habe vorstellen zu können, obwohl ich selbst schon GEbärmuttermundkrebs hatte (was aber sehr glimpflich verlief und nun viele viele Jahre zurückliegt. Ich war sehr jung damals). Nun ist Dein Schwiegervater zu Hause, leidet und kämpft genau wie mein Vater.

Auch meinem Vater haben die Ärzte Versprechungen gemacht. Speziell ein bestimmer Arzt. Wie mein Vater vor Freude geheult hat, als ihm gesagt wurde, er könne evtl. auch noch ein paar Jahre leben. Um so tiefer fällt jemand. Nicht nur mein Vater, auch ich habe mich an jeden Funken Hoffnung bis zuletzt geklammert.

Nun bin auch ich soweit, auf kein Wunder mehr zu hoffen. Die ganzen gemeinsamen Erinnerungen steigen immer wieder in mir hoch. Nach dem Tod meiner Mutter war er der wichtigste Mensch in meinem Leben. Jemand, der i m m e r 100 %ig hinter mir steht. Das gibt es so selten und vielleicht nie wieder.
Der Tod meiner Mutter (Schlaganfall) kam damals sehr plötzlich und völlig unerwartet. Keine Zeit zum Abschied nehmen, was mich bis heute verfolgt. Nun bietet mir das Schicksal die Chance zu einem Abschied, aber mein Vater leidet dabei und das ist ein sehr hoher Preis für ein Abschiednehmen.

Durch den Gehirntumor sind ja schon längere Zeit die Beine ausgeschaltet, nun kann er sich vor Schwäche nicht mehr bewegen. Er kann kaum mehr reden. Wenn überhaupt, bleibt meist bei einem kaum verständlichen Murmeln. Ich merke immer wieder, er will was sagen und dann schafft er es nicht mehr. Es bricht mir glaube ich langsam das Herz wie er so daliegt und nur noch auf sein Ende warten kann.
Es ist wirklich grausam, so hilflos zusehen zu müssen, wenn ein seelisch so nahestehender lieber Mensch so leiden muß.
In meinem Inneren existieren zwei Bilder, das eine ist der Vati, wie ich ihn kenne und wie er bis vor kurzem war. Lebenslustig, stark, weise. Konnte mit ihm über alles, wirklich alles reden. Immer für mich da und seine Ratschläge in der Not hat er mir jedoch niemals aufgedrängt. Meistens habe ich sie aber angenommen, denn sie waren gut. Das andere Bild ist nun der sterbenskranke Papa, der so hilflos furchtbar leiden muß. Ich dachte immer, diese "Zweispaltung" mag es in mir drin geben, weil alles so furchtbar schnell bergab ging, ab der Diagnose vor nicht ganz 2 Monaten. Aber nachdem auch Christel dies so beschreibt...
Manchmal bringe ich die Bilder dieser zwei Väter zusammen, in letzter Zeit immer öfter. Das tut dann am meisten weh. Dann wird es mir noch bewußter. Vor wenigen Wochen noch sah alles ganz anders aus. Selbst, als er schon im Krankenhaus lag. Konnte noch was für ihn tun, Wasser oder Tempo aus der Drogerie holen. Und an die Hoffnung klammern.

Ich würde mich freuen über weitere Beiträge
und schicke
ganz liebe Grüsse.

Lena
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  #5  
Alt 29.05.2003, 23:52
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Liebe Lena,

mein Vater ist seit Ende Februar hinter dem Regenbogen. Aber ich kann mich in keiner Form damit beruhigen, daß er nicht mehr leidet. Vielleicht ist das eine Form von Egoismus. Vielleicht auch nicht, weil ich eben genau weiß, wie gerne er gelebt hat. Wir hatten soviele gemeinsame Pläne; er wollte mir noch bei so vielen Dingen helfen. Und ich wollte so gerne, daß er bei uns einzieht. Ich hatte so dieses Bild wie in der Fernsehwerbung. Ein gutaussehender, gutgelaunter 100-Jähriger geht durch den Garten oder streicht den Zaun. Und ich mache gutgelaunt die Rama-Margarine auf. Na ja. Ich weiß selbst, daß das Unfug ist.
Aber ich werde in meinem Leben nie wieder jemanden haben, der mich so uneingeschränkt liebt und für mich durch's Feuer gehen würde. Und ich werde das wohl auch für niemanden mehr tun wollen.

Seine Ruhe und seine Ratschläge - die ich oft erst hinterher erkannte, weil sie so verborgen geäußert wurden, seine Freundlichkeit zu jedem, sein Verständnis und seine Gelassenheit und natürlich seine herrliche Aktivität werden mir immer fehlen.

Er war so tapfer. Und ich wollte ihn nicht gehen lassen. Ich will es bis heute nicht. Er hat früher über Krankheiten nur gelacht, er war körperlich und geistig auch als er Ende 60 war augenscheinlich voll auf der Höhe. Dann ein Husten, der nicht weggehen will und auf einmal Bauchschmerzen. Und nach 3 Wochen Behandlung auf irgendwelche Magenprobleme wurde er doch mal zum Lungeröntgen geschickt. "Könnten Metastasen sein" hieß es dann knapp. Und dann begann das ganze Drama.
In der letzten Woche, als er wieder im Krankenhaus war, und er immer mehr körperliche Probleme bekam, sagte er zu meiner Mutter: "Du siehst doch selbst, was das für ein Mist ist". Das vergesse ich nicht.
Auch nicht die Szene ein paar Tage später, als ihm eine sehr nette Krankenschwester half und sie ihn anschließend fragte, ob er jetzt noch etwas brauchen würde. Er konnte kaum noch reden. Hat ihr aber mit ganz schwerer Zunge geantwortet: "Nein. Vielen Dank. Machen Sie jetzt Feierabend."
Meine Ma ist bei ihm bis zum Ende im KKH geblieben. Ich nicht. Ich bin Samstag abend nach Hause zum Schlafen gefahren. Sonntag früh ist er dann gestorben. Ich war nicht dabei. Das beschäftigt mich auch. Aber ich hätte es auch nicht länger durchgehalten. War ihm keine Hilfe (von wegen, Du kannst gehen, wenn Du magst). Habe an seinem Bett tagelang still vor mich hingeheult.
Das Bild, als ihn die Schwester auf die Seite drehte, weil er das selbst nicht mehr konnte, macht mich auch fertig. Er konnte keinen Laut mehr von sich geben, aber er hatte dabei schon schlimme Schmerzen, die man ihm angesehen hat. Ich glaube, er war wirklich bis zum Ende bei völlig klarem Verstand. Es gibt noch viele dieser Bilder, die mich immer wieder zum Heulen bringen, weil ich das alles nicht fasse.

Liebe Lena; es bricht einem wirklich ein bißchen das Herz. Ich kann Dich so gut verstehen. Aber wenn Dein Papa es einmal "überstanden" hat, ist es erstaunlich, wie man wieder funktioniert. Ich habe gedacht, daß ich kündigen werde, Einsiedler werde oder mich umbringe. Und dann geht alles weiter wie zu guten Zeiten - mit Ausnahme der Total-Krisen, in denen man zZeit zum Nachdenken hat. Abends ist eben alles wieder da. Und das wird auch so bleiben. Für mein Weiterleben ist wohl Ablenkung alles. Wahrscheinlich ist das ganze Leben eine einzige Ablenkung.

Liebe Grüße.
Es hört sich alles sehr ähnlich an bei Dir. Ich denke an Dich.

Marga
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  #6  
Alt 30.05.2003, 01:05
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Liebe Marga,

wie schön, wieder von Dir zu hören. Dein Vater hat wohl eine ähnliche Rolle für Dich und Dein Leben gespielt, wie das bei meinem Vater der Fall ist.
Die uneingeschränkte Loyalität, die so ein Vater schenkt.
Ich verstehe gut, dass Du das als geringen Trost empfindest, dass Dein Vati zwar tot ist , aber nicht mehr leidet. Da er ja auch so voller Lebensfreude war. Was Dein Vater sagte und die Bilder in Deinem Kopf... Einige Worte meines Vaters werden auch mir nie aus dem Kopf gehen. Was er auch mal gesagt hat, ist, er hat "keine Angst vor dem Sterben", möchte aber so "verdammt gerne weiterleben". Seine grösste Angst war schließlich die, zu leiden. Ein andermal sagte er, "wenn es nur ein einzelner Tumor wäre, aber diese Banditen bringen mich um". Anderseits wollte er die Chemo durchziehen, und machte Pläne für eine anschließende Reha...
Hier im Forum finde ich so viel mehr Trost als sonst irgendwo. Die Verwandschaft sieht es eher sehr pragmatisch. Wenn ich mal ein paar Tränen nicht unterdrücken kann, heißt es bloß so ungefähr "was willst denn! Das haben wir doch gewußt!". Aber
1. Nix gewußt hat irgendwer und 2. tut es trotzdem weh. Also da finde ich keinen Halt oder Trost. Hier im Forum viel mehr!
Du warst sehr für Deinen Papi da. Das hat er bestimmt mitbekommen! Kein Mensch kann 24 Std. tagelang Wache halten ohne Schlaf. Und wann die letzte Minute schlägt, kann kein Mensch vorhersehen. Mir wird es vermutlich nicht anders ergehen. Mein Vater wohnt außerhalb der Stadt mitten auf dem Land. Ich wohne und arbeite hier in der Stadt. Werde so oft es geht, zu ihm fahren. Diese Woche hatte ich Urlaub. Aber ob ich in der letzten Minute bei ihm sein werde, das bleibt nur zu hoffen, hoffentlich erhalte ich rechtzeitig Bescheid.
Am Samstag muß ich eine Prüfung schreiben. Hole das Fachabi nebenberuflich nach. Es erscheint so sinnlos, wahrscheinlich wird er das Zeugnis im Febr.04 ja nie sehen und ich weiß, er wäre so stolz auf mich. Ich wollte es hinschmeißen, aber ich weiß, er möchte, dass ich weitermache. Es gilt nur irgendwie weiterzumachen, auch für ihn. Aber Lernen ist mir nun unmöglich und es scheint so unwichtig. Ich schaffe es nicht, mich durchs Lernen abzulenken. Habe immer das Handy bei mir. Das einzige was zählt, ist schnellstmöglich bei meinem Vater sein zu können. Das ganze Leben wird relativiert.
Ich beginne andere Schwerpunkte zu setzen. Denke nur noch an Papi, die Vergangenheit mit ihm, die Gegenwart. Die Zukunft ist geprägt von Angst. Auch Angst vor Erinnerungen.
Du schreibst, Ablenkung spielt eine grosse Rolle. Ich glaube Dir, dass Ablenkung Dich durch den Alltag bringt. Hoffentlich wird mir das auch gelingen.

Ich war kürzlich etwas spazieren. Wenn ich schöne Dinge sehe, werde ich traurig, weil Papi sie nicht mehr sehen können wird.

Das, was Du beschreibst, ist wirklich sehr ähnlich wie bei mir. Ich hoffe, ich werde die Zukunft so tapfer und stark angehen können wie Du.

Lena mit einem lieben Gruß
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  #7  
Alt 30.05.2003, 22:56
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Liebe Lena,
ich glaube gar nicht, daß ich stark und tapfer bin. Oder gewesen bin. Ich wollte in diesem einem Jahr so viel Zeit wie möglich mit ihm verbringen; das war durchaus auch ein bißchen selbstsüchtig. Aber ich wollte ihm auch zeigen, daß er nicht allein ist, daß er sich auf mich verlassen kann so wie ich mich auf ihn. Und ich habe immer auf ein Wunder gehofft.
Aber dieses Jahr war trotzdem für mich die nackte Katastrophe. Jeden Tag hat sich alles in mir vor lauter Angst zusammengekrampft; jeden Abend Heulerei aus Angst. Angst, Angst, Angst.

Als die Diagnose kam, hat er mir mal gesagt, er sei nicht so böse, wenn er sterben müsse. Aber er sei böse, weil er nichts mehr richtig machen könne.
Er war wie ich ein großer Rosen-Fan. Wenn ich besonders schöne Rosen gesehen habe, mußte ich auch gleich wieder heulen - aus Angst, daß er sie eines Tages nicht mehr sehen kann. Aber Du kennst das ja alles.

Weißt Du, ich an Deiner Stelle würde das Fach-Abi machen. Und wenn es jetzt partout nicht geht, dann behalte den Gedanken im Hinterkopf, bald wieder damit anzufangen. Ich hatte nach der Diagnose auch überlegt, alles hinzuwerfen und war in Gedanken ausschließlich bei meinem Vater. Aber ich habe weitergemacht, z.B. mit meinem Beruf. Ganz bestimmt nicht, weil ich mich für so toll halte in dem Job oder weil ich karrieresüchtig bin. Eher deshalb, weil ich wußte, daß ich damit niemandem helfe und er es auf keinen Fall wollen würde. Und vor allem, weil ich, wenn ich nicht genügend beschäftigt bin, zum Grübeln neige. Und dann drei Stunden vor mich hinstarre und anschließend heule. Also: Ein Fachabitur ist bestimmt eine gute Sache. Und sei es nur, weil Du vielleicht doch mal wenigstens ein Stündchen an etwas ganz anderes denken mußt. Das strengt auf der einen Seite sehr an; auf der anderen Seite gibt es auch wieder Kraft. Wobei es natürlich auch sehr schwierig ist, sich selbst ohne Einflüsse von außen durch Lernen abzulenken. Das klappt ja auch bei vielen Studenten schlecht - dieses Sich-selbst-Motivieren. Und in so einer Situation ist es doppelt schwer. Meist geht das nur, wenn man schon immer für eine bestimmte Sache sehr viel Interesse hatte. So eine Art Hobby eben.

Die liebe Verwandtschaft ist manchmal etwas trottelig. Mein Onkel hat mich in diesem Jahr mal gefragt, wie es mir so gehen würde. Ich habe ihm geantwortet, daß mir wegen der Krankheit meines Vaters auch nicht besonders gut sei. Er hat nur die Schultern gezuckt und gesagt: "So ist das Leben" und ist weggegangen. Er wollte einfach nichts hören. Das nächste Mal habe ich ihn bei der Beerdigung wiedergesehen. Er hat geheult wie ein Schloßhund.

Es gab noch ganz andere Geschichten mit Verwandten und Bekannten.

Angst vor Erinnerungen hatte ich auch. Jetzt nicht mehr, weil ich sie sowieso nicht stoppen kann. Aber ich habe Angst, mich mit anderen über ihn unterhalten zu müssen. Manche Leute trauern auch um ihn und sie haben dann jedes Mal dieses eine Thema. Das macht mich fertig. Ich denke so viel an ihn aber ich will nicht in jedem Satz hören: "Da waren wir auch schon mal, da war Dein Vater noch dabei". Und da ich da nicht drüber reden will, denken alle, daß ich die Sache schon überwunden habe. Sollen sie ruhig.

Dein Papi macht sich sicherlich Sorgen um Dich, wenn er bemerkt, wie Dich seine Krankheit beschäftigt und wie sie Dich vom Lernen abhält. Und natürlich hat er das längst bemerkt. Das ist auch so eine Schwierigkeit. Man will ihm helfen und bei ihm sein aber gleichzeitig ist man auch ein bißchen Ursache seiner Sorge. Liebe kann so bitter sein.

Ich wünsche Dir eine erfolgreiche Prüfung am Samstag. Wenn es klappt, ist das toll. Wenn es nicht klappt, ist es nicht schlimm. Der Versuch ist doch schon im Sinne Deines Vaters.

Liebe Grüße
Marga
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  #8  
Alt 31.05.2003, 00:58
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Liebe Marga,

mein Papi ist heute Abend hinter den Regenbogen gezogen zu meiner Mama.
Ich bin total durcheinander. Irgendwie meine ich manchmal, der Papi, wie ich ihn immer kannte lebt noch und ein Teil von ihm wäre nur gestorben. Manchmal bin ich erleichtert, dass er die Qualen hinter sich hat. Aber dann wieder wird es so schmerzhaft und realistisch, dass er nun nie mehr anruft, ich ihn nie mehr anrufen kann. Kann ihn nun nicht mehr in die Arme nehmen, seine warme Hand spüren oder sein verschmitztes Lächeln sehen. Die Welt dreht sich weiter, und ich erfahre nicht mehr seine Meinung zum Tagesgeschehen in der Welt.
Seine persönlichen letzten Ratschläge habe ich mir notiert. Ich konnte damals vor ein paar Wochen zwar noch nicht wissen, dass es definitiv bald zu Ende gehen wird und es die letzten sein sollten. Aber es war eindeutig, dass er sie mir mit auf den weiteren Weg geben will, sollte er doch sterben. Und nun ist er fort, wird aber immer bei mir sein und in mir weiterleben. Es wird die kommenden Wochen, Monate ziemlich schwer werden. An meinem Geburtstag sind wir immer spazieren gegangen in einem Park und haben die Blumen angeguckt. Auch mein Vater liebte die Natur, Blumen und fand Rosen besonders schön. Wieder eine Parallele zu Deiner Situation. Es gibt hier so viele Orte und Dinge, die mich immer wieder traurig machen werden, die mich an ihn mit aller Härte erinnern. Hoffentlich werde ich stark genug sein, nicht an jeder Ecke in Tränen auszubrechen. Aber ich habe Angst, wie es mit der Trauerarbeit wohl so gehen wird. Denn es gab schon genug, was mich traurig machte, wenn ich an Mami erinnert wurde. Manchmal habe ich z.B. die Orte auch aufgesucht in den letzten Jahren, welche mich an sie erinnern. Ich bin ihr dann wieder besonders nah. Aber es machte mich trotzdem traurig. Und nun mein Vater. Habe gestern zu Papi gesagt, dass ich ihn lieb hab und er der beste Papa ist. Es wurde uns vom Schicksal ein liebevoller Abschied gegönnt. Dafür bin ich dankbar, denn ich weiß, wie es ist, wenn man dazu keine Gelegenheit erhält (als Mama so plötzlich weg war).
Ich habe mir Dein Mail aufmerksam durchgelesen. Die Menschen rühren in Deiner Wunde, ohne es zu wollen oder zu merken, wenn sie immer wieder davon anfangen . Kann es mir schon vorstellen, dass die Verarbeitung des Verlustes so nicht leichter wird. Man braucht zwar jemanden zum reden und austauschen. Aber es muß auch möglich sein, mal wohin zu gehen und dann entweder im Inneren selbst seinen Gedanken ganz privat nachzuhängen ohne Angst haben zu müssen, gleich wird wieder alles betont und besprochen.

Meinem Papi habe ich beréits vor einigen Wochen versprechen müssen, nicht mehr so viel zu lernen,wie ich es bisher für den Kurs tat. Er fand, ich war zu verkrampft und habe das Leben gar nicht mehr genossen. Ich habe da erkannt, dass Ehrgeiz, wenn man ihn übertreibt, die Lebensqualität sehr einschränkt und dass es nicht immer die beste aller Noten sein muß. Wie mir mein Vati sagte, das Leben ist zu kurz dafür. Dann einmal, hat er mir dann unter Tränen gesagt, er sei stolz auf mich, dass ich trotz dieser Belastung weitergemacht habe und mich bloß nicht mehr so fertigmache mit der Lernerei. Also dass ich einen guten Mittelweg gefunden habe. So schwer es manchmal auch war. Morgen werde ich die Prüfung (ein Drittel der Abschlußnote) mitschreiben, Papi wäre enttäuscht gewesen, wenn ich es ´nicht tun würde. Ich hoffe, er sieht es "von oben", und begleitet mich weiter mit seinem Karma.

Habe Angst vor der Beerdigung. Wir waren gemeinsam auf so vielen Beerdigungen, und nun soll es seine sein. Das gibt es doch gar nicht.
Ich bin total durcheinander.
Jetzt versuch ich mal zu schlafen, 2 Baldrian und eine halbe Std. fernsehen, dann klappts hoffentlich.

Sei ganz lieb gegrüsst!
Lena
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  #9  
Alt 31.05.2003, 10:21
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*stille umarmung*


...ich weine mit dir...
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  #10  
Alt 31.05.2003, 18:12
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danke, liebe Elke...
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  #11  
Alt 01.06.2003, 20:15
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Ich zieh jetzt um ins Forum für Hinterbliebene...
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  #12  
Alt 03.06.2003, 21:59
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Liebe Lena,
ich denke, ich kenne Deinen Schmerz und Deinen Verlust.
Mein Vater ist vor 8 Wochen gestorben, voller Qualen, ohne richitg Abschied zu nehmen, denn reden konnten und wollten wir nicht in den letzten Stunden über das Sterben.
Ich hasse uns alle so sehr dafür - warum nur haben wir nicht geredet, ganz offen - über unseren Schmerz?
Jetzt ist es zu spät. Nun muss ich mit diesem Warum leben.

Die nächste Zeit wird voller auf und abs für Dich sein. Es wird Tage geben, an denen gelingt Dir das Leben so einigermaßen, vielleicht kannst Du sogar manchmal ein kleines Lächeln über Dein Gesicht schicken. Aber wir brauchen alle Zeit....

Ich hoffe, Du liest meine Zeilen noch, auch wenn Du zu den "Hinterbliebenen" gewechselt bist. Ich habe da nicht so richtig "meine Welt" gefunden und schaue deshalb nur ab und überall mal rein.
Mein Vater ist auch zwischen meiner schriftlichen und meiner mündlichen (ist in 2 Tagen) Prüfung gestorben. Unsere Väter hätten gewollt, dass wir weitermachen, dass wir diese Prüfungen bestehen.
Also versuchen wir, den Umständen entsprechend das beste draus zu machen.

Alles Liebe und erdenklich viel Kraft für Dich,
Deine Sonja (sunniee)
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  #13  
Alt 03.06.2003, 22:47
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Liebe Sonja,

Dein Vati hätte es sicher nicht gewollt, dass Du mit diesem Hass auf Euch selbst weiterlebt.
Bei einem Abschied halte ich es für das Wichtigste, dass der geliebte Mensch, Liebe vermittelt bekommt. Und das kann auch geschehen, indem man einfach in der schweren Zeit oft da ist. Die Nähe allein bedeutet Beistand. Das weiß ich von meinem Papi.
Über das Sterben selbst zu reden mag bis zuletzt manchmal ungewollt sein. Ich bin mir sicher, er hat Eure Sorge und Liebe gespürt. Und das ist das allerwichtigste.

Viel Kraft und ich denke an Dich!
Lena
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