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  #1  
Alt 08.02.2008, 21:54
Urmele Urmele ist offline
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Unglücklich Meine liebe Freundin

Hallo, ich möchte hier gerne auch mal um Rat bitten. Dazu gibt es eine lange, lange Vorgeschichte.
Es geht um meine liebste Freundin.
Vor fast 4 Jahren wurde bei ihr Brustkrebs diagnostiziert, und es wurde ihr ein etwa 3 cm großer Tumor samt der linken Brust entfernt, diese aber sofort wieder aufgebaut mit Hautlappen von Bauch und Rücken.
Sie verweigerte damals sämtliche Nachbehandlungen und machte weder Chemotherapie noch Bestrahlungen. Sie stellte ihre Ernährung massiv um, aß kein Fleisch, kein Weißmehl, kein Zucker, dafür viel Rohkost. Mit der Zeit aber ließ die Disziplin nach, auf jeden Fall bekam sie Metastasen am Brustbein, an Knochen/Wirbelsäule, letztes Jahr dann in der Lunge und ich weiß nicht so genau, wo der Krebs noch überall sitzt.
Sie machte dann letzten Januar doch Bestrahlungen, ging zur Kur woman sie nach 2 Wochen wieder nach Hause schickte, da sie sich nicht weiter ärztlich behandeln ließ und eine anschließende Chemo verweigerte und machte dann aber doch im Sommer und Herbst zwei verschiedene Chemos, die nicht anschlugen. Es gab heftige Diskussionen mit Ärzten und innerhalb ihrer Familie, weil sie sich nicht nach den Regeln der Schulmedizin behandeln ließ. Ich konnte es auch nicht verstehen, aber ich habe es so akzeptiert. Sie hatte Angst mit Chemotherapien kein lebenswertes Leben mehr führen zu können und vor allen Dingen, ihren Söhnen nicht richtig gerecht werden zu können. Sie arbeitete ja auch bis zum Frühjahr 2007.
Das Jahr vor der Erkrankung hatte sie sich von ihrem Mann getrennt, der sie betrogen hatte und ihm gab sie auch irgendwie die Schuld an dieser Erkrankung bzw. sie meinte immer, Krebs wäre eine „selbstgemachte“ Erkrankung und deshalb stünde es auch nur in ihrer Macht diese zu besiegen.
Sie hat alles mit Fassung ertragen, lebte nach außen hin weiter ihr fröhliches, geselliges Leben und hat jahrelang an Selbstheilung und Heilpraktiker geglaubt. Die Schulmedizin hat sie ziemlich verteufelt und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie verschiedene Termine entweder lange hinausgezögert hat oder einfach „vergessen“, damit sie nicht hören musste, was sie nicht hören wollte.
Man hat es lange nicht gemerkt, dass sie schwächer wurde, wir saßen den Sommer über stundenlang im Garten haben über Gott und die Welt philosophiert, aber Gespräche über ihre Krankheit hat sie immer vermieden.
Auf jeden Fall scheint es ihr nun wirklich sehr schlecht zu gehen. Vor einigen Wochen wurde ihre linke Lunge verklebt und die linke Brust wurde erneut abgenommen. Seither leidet sie unter Atemnot und hat nun ein tragbares Sauerstoffgerät und eine Station zuhause - und hofft, dass das mit dem Atmen bald besser wird. Das hätte man ihr ja gesagt - sonst hätte sie sich diese Op ja sparen können.
Ich habe eigentlich nur durch Zufall mitbekommen, dass sie anscheinend schon seit einiger Zeit Morphine bekommt/nimmt.
Ich erfahre von ihr immer nur so Stück für Stück, dass sie wieder irgendwo was gefunden haben, die Ärzte. Erst als ich sie im Sommer direkt mal darauf ansprach, z.B. woher denn das Wasser käme, das sie in der Lunge hat, rückte sie ein bisschen damit raus, ,,ach, hab ich dir das nicht gesagt, dass was in der Lunge ist…ich: Nein, was ist da? Na. Metastasen. Ich: nein, hast nichts davon gesagt….naja, und so erfahre ich nur ein wenig von ihr.
Ich möchte ihr so gerne helfen, beistehen – was kann ich denn tun?
Vorgestern hatte sie so starke Schmerzen in der Hüfte, dass sie nicht aufstehen konnte, dass nicht einmal das Morphium half. Das gab es noch nie.
Am nächsten Tag ging es wieder. Wovon kommen diese Schmerzen? Auch Knochenmetastasen?
Sie spricht nicht viel über ihre Krankheit, das ist sehr problematisch. Eigentlich weiß ich gar nicht wie es um sie steht. Ich sehe nur, dass sie das ist, was man glaube ich, „austherapiert“ nennt und dass es nur noch um palliative Unterstützung geht. Sie hat mit einem Arzt schon über eine Patientenverfügung gesprochen und über die Möglichkeit einer stationären Palliativbetreuung. Sie ist alleinerziehend und hat zwei Söhne, knapp 18 und 16.
Sie bittet auch nicht um Hilfe. Ich habe ihr schon so oft angeboten, Dinge für sie zu erledigen. Aber sie meldet sich nicht. Ich will ja auch nicht so aufdringlich sein – ich weiß ja nicht, wie man in so einer Situation richtig handelt. Sie war immer so ein positiver Mensch, kein Mensch wäre auf den Gedanken gekommen, dass sie todkrank ist, aber sie hat ihre Krankheit immer verdrängt und nun geht das nicht mehr, noch viel schlimmer, ich befürchte, dass uns gar nicht mehr soviel Zeit bleibt.
In welcher Zeitspanne muss man denn denken, wenn die Krankheit so weit fortgeschritten ist. Ich habe keine Ahnung….1 Jahr? ½ Jahr? Monate? Ein paar Wochen?
Wie werde ich es merken?
Wird sie irgendwann mit mir über ihre Sorgen und Ängste sprechen?
Zumindest hat sie einen großen Schritt gemacht, indem sie mit ihrem Hausarzt gesprochen hat und ihn um die Erklärung ihrer Befunde gebeten hat. Im Krankenhaus, als sie operiert wurde, hat man ihr das verweigert, was wir ungeheuerlich fanden.
Auf jeden Fall, nachdem sie mit dem Hausarzt gesprochen hatte, ging wohl schon eine Wandlung mit ihr vor. Die fröhliche Fassade ist gebröckelt und nun verschwunden. Sie macht sich nun zumindest spürbar Gedanken über das kommende Ende und das Sterben, bzw. der Arzt hat sie einfach „wachgerüttelt“ und Dinge ausgesprochen, was sonst immer vermieden wurde aus Selbstschutz.
Im Moment ist sie halt sehr abweisend, fast ein wenig mürrisch und verschlossen.
Wie verhalte ich mich denn am besten, womit helfe ich ihr am meisten?
Es ist so schwer….

Vielen Dank fürs Zuhören und Ratschläge.
Irmi
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  #2  
Alt 08.02.2008, 23:16
Benutzerbild von Andrea Susann
Andrea Susann Andrea Susann ist offline
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Standard AW: Meine liebe Freundin

ach Urmele,

raten, was soll man raten, ich bin hier aus einem ähnlichem Grund, keine Angehörige sondern nur ein Freund.....Deine Freundin braucht schon Sauerstoff, recht weit fortgeschritten denke ich mal aber sagen wie lange sie noch da ist, das kann wohl niemand beantworten.

Sie wird mit Dir über ihre Ängste sprechen wenn sie es möchte, wenn sie es kann Ich habe in den letzten Wochen sehr viele Freunde und Bekannte durch diese Krankheit verloren, die einen sprachen drüber andere verschloßen sich total. Ich habe auch einige Kunden/dinnen die über ihre Krankheit mit mir reden, die eine sagte neulich, ich weiß gar nicht was mit los ist, ich kenne sie gar nicht und erzähle ihnen alles was ich noch nie jemanden sagte.......es gibt Menschen die können einem wildfremden alles erzählen aber den besten Freunden oder den Angehörigen nicht. Vielleicht weil sie dann gehen können ohne irgendwelche gut gemeinten Ratschläge hören zu müßen weil sie wissen es ist zwar gut gemeint aber es würde ihnen nicht helfen. Oder sie wollen nicht zur Last fallen.

Ich würde Dir gerne schreiben, tu dies oder das aber es gibt keine Ratschläge weil jeder anders mit seiner Krankeit umgeht. Mein Bekannter, Freund oder wie auch immer hat sich auch eine zeitlang sehr bedeckt gehalten, seine Krankheit nicht zur Kenntnis genommen, alles Selbstschutz sagte er mir heute, was ich nicht wahrhaben will ist nicht da........er suchte auch Gründe wer die Schuld an seinem Übel trägt aber inzwischen hat er sich ganz geöffnet, mir und seinen Ärzten gegenüber, seiner Famlie gegenüber nicht.

Es ist schwer wenn man helfen möchte und weiß nicht wie.......wenn wir reden geht es in erster Linie nicht über seine Krankeit, ich warte immer ab ob er von sich aus was sagt, ist halt so, dass es zwar gut gemeint ist sich nach dem Befinden zu erkundigen aber sie wollen nicht ewig dran erinnert werden wie krank sie sind.

Lieben Gruß
Susann
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  #3  
Alt 09.02.2008, 11:07
Elli Elli ist offline
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Beiträge: 1.329
Standard AW: Meine liebe Freundin

Liebe Urmele,

lass dich einfach mal ganz lieb in den Arm nehmen.
Ich selber habe BK seit 2001,und bei mir läuft schon seit 2003 eine sogenanntepalliativ Behandlung.Ich habe damals das volle Programm durchgezogen,und ziehe es auch noch heute durch. Will damit sagen,das ich es mein Leben lang durchziehen muss.
Ich gehe mit meiner Krankheit sehr offen um.Wenn ich Deinen Bericht so lese,so habe ich das Gefühl das Deine Freundin an Leute geraten ist,die Ihr eingeredet haben das diese Krankheit nur besiegt werden kann,wenn die Konflike die bestehen gelöst werden.Ich denke Du weißt was oder wen ich da meine.
Vielleicht hast Du die Möglichkeit,sie bei einem Ihrer Arztbesuche zu begleiten,und so mehr in Erfahrung zu bringen.Evtl. gibt es doch noch die Möglichkeit einer schulmedizinischen Behandlung,sodaß die Beschwerden gelindert werden können,und die Lebensqualität wieder stabilisiert wird.
sollte das alles nicht mehr möglich sein,so sei für sie da.Wenn auch im Moment einfach nur im Hintergrund.Biete ihr Deine Hilfe an,und sei nicht böse wenn sie sie im Moment verweigert.Ich denke es tut Ihr gut,wenn Sie weiß das Du da bist.Das Du da bist,um sie aufzufangen und zu trösten.
Bei mir ist es eigentlich immer so,wenn ein neuer Befund auftaucht,dann brauche ich auch immer einige Zeit bis ich damit klarkomme.Wenn ich dann für mich persönlich meinen Weg gefunden habe,dann werden die Familie und die Freunde informiert. Meine beste Freundin (wir kennen uns seit 36 Jahren)
ist immer für mich da,obwohl wir weit entfernt voneinander wohnen. Aber alleine dass Gefühl ,da ist jemand mit dem ich reden kann hilft mir wahnsinnig.
Mit meiner Familie kann ich natürlich auch über all diese Dinge sprechen,aber sie ist halt zu sehr betroffen.Ich denke ,Du wirst die Entscheidung Deiner Freundin akzeptieren müssen,auch wenn es Dir sehr schwer fällt.Aber ich bin der Meinung,es wird die Zeit kommen,wo sie einen Menschen braucht,der ohne wenn und aber sie so annimmt,wie es die Situation erforder.Ich denke das wirst Du schaffen.
Liebe Urmele,ich wünsche Dir und Deiner Freundin von ganzem Herzen alles Gute und ganz viel Kraft für die kommende ZEIT:

Liebe Grüsse
Elli
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  #4  
Alt 09.02.2008, 20:21
Urmele Urmele ist offline
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Lächeln AW: Meine liebe Freundin

Vielen Dank Susann und Elli für eure lieben Worte.
Im Grunde genommen habt ihr das geschrieben, was ich denke und ja eigentlich auch weiß. Nämlich dass ich mich da nach ihr richten muss, ob sie sich öffnen will oder nicht und halt einfach da sein -mal ganz kurz gesagt.

Heut war ein guter Tag, ich hab sie vorher besucht und sie war eigentlich fröhlich. Ich habe ihr eine Patientenverfügung vorbeigebracht (das hatten wir ausgemacht, dass ich eine besorge), die sie später ausfüllen will und der Hausarzt hat ihr versprochen sich 1:1 daran zu halten, hat sie mir gesagt. Ausserdem haben wir "ganz normal" über ihre Schmerzen gesprochen, ich habe sie auch gefragt, wo sie welche hat und sie hat es mir gezeigt und gesagt woher sie kommen und dass das kein Dauerschmerz ist sondern so anfallsartig auftritt. Ich hatte ja bisher keine Ahnung was sie so richtig plagte. Wir haben über Schmerzmittel gesprochen, über Morphium, Morphine (das ist anscheinend was anderes) über andere Schmerzmittel und dass sie heute die Dosis verringert hat um zu sehen wie es geht.
Also ich konnte ganz normal Dinge fragen und sie hat mir ganz normal geantwortet. Ich habe das Gefühl, dass sie ihre jetzige Situation - zumindest heute - akzeptiert hat.
Hinzu kommt, dass der 17-jährige Sohn gestern die Punktion eines Hirntumors gut überstanden hatte ( er hat ein Kraniopharyngiom) und sie die Nachricht erhalten hatte, dass es ihm gut geht.
Für diese Woche hat sie Besuch von einem ihrer Brüder der die ganze Woche hier bleibt. Anschließend kommt ihre Mutter für eine weitere Weile.
Naja, auf jeden Fall war es heute einfach besser - soweit man das in solchen Situationen sagen kann.
Viele liebe Grüße und nochmal danke!
Irmi
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  #5  
Alt 18.02.2008, 17:18
Urmele Urmele ist offline
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Unglücklich AW: Meine liebe Freundin

Meiner Freundin geht es gar nicht gut.
Seit sie sich die Lunge verkleben ließ leidet sie an ständiger Atemnot, trägt immer ihre Sauerstoffbrille und ihr Zustand ist wesentlich schlechter als vor der OP.
Hätte sie das gewusst, hätte sie niemals dieser OP zugestimmt sondern lieber noch einige Male die Lunge punktieren lassen. Aber die Ärzte versicherten ihr mehrmals, es könnte nur besser werden, im schlimmsten Fall würde sich nichts verändern. Nur sie hat seitdem furchtbare Angst zu ersticken, weil sie solche Luftnot hat. Ihre Lebensqualität hat seitdem massiv gelitten.
Aus diesem Grund möchte sich nun auch wieder ins Krankenhaus auf die Palliativstation, sie hofft, dass man ihr ein wenig von dieser Panik nehmen kann dort.
Ihre Söhne (17,18) und ihr Freund wären mit einer Pflegesituation überfordert, sagt sie und will ihnen auch eine später bettlägerige Mutter nicht zumuten.
Sie hat ja auch vor wieder nach Hause zu kommen, sie braucht jetzt erst einmal die Sicherheit, dass jemand da ist, wenn sie wieder Angst hat zu ersticken und sie möchte ein bisschen Kraft tanken dort.
Und am liebsten würde sie lieber heute als morgen noch dorthin gehen. Heute aber geht sie zusammen mit einer befreundeten Ärztin noch die Patientenverfügung durch und morgen kommt ihre Schwester und diese wird sie wohl dorthin fahren.
Ich habe auch schon überlegt, wie es wäre, wenn ich sie zu mir holen würde, aber auch dann wären da immer einige Stunden, in denen sie allein wäre. Und gerade so etwas macht ihr ja Angst.
Ausserdem wäre es bestimmt für die Söhne und den Freund komisch, wenn meine Freundin bei mir sein würde, wir sind nämlich auch Nachbarn. Das würde ihnen vielleicht Schuldgefühle vermitteln und ich hätte dann das Gefühl ich müsste die ganze Familie mitversorgen, was mich dann überfordert und mir Schuldgefühle verpassen würde.

Sie fühlt sich auch so furchtbar schwach und antriebslos mit dieser Atemnot.
Wie ist das denn? Das Morphium, das sie nimmt wirkt sich doch auch dämpfend auf die Atmung aus oder? Wie wäre es denn mit einem Ersatz? Ich habe hier im Forum mal irgendwas davon gelesen, ich glaube es war Methadon als Ersatz und diejenige war schlichtweg begeistert von der Verbesserung ihrer Lebenskräfte und ihres Allgemeinzustandes, dadurch. Leider funktioniert die Suchfunktion nicht mehr im Forum.

Naja, so sieht es halt jetzt bei uns aus.

Heute haben wir zusammen geweint - vielleicht hätte es uns seelisch gut getan, aber wenn sie weint, bekommt sie natürlich auch wieder schlechter Luft und deshalb war auch das eine schwierige Situation für sie und deshalb dürfen wir nicht gemeinsam weinen.

LG Irmi
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  #6  
Alt 09.11.2008, 21:36
Urmele Urmele ist offline
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Beiträge: 17
Standard ...noch ca 1 Woche....

Hallo zusammen,
vor etwa einem dreiviertel Jahr habe ich hier schon mal über meine liebste Freundin geschrieben. Damals ging es ihr nach einer Verklebung der linken Lunge richtig schlecht und wir dachten, dass sie uns bald verlassen würde. Sie besuchte dann auch die Palliativstation im Nachbarort und dort wurde sie wieder nach Hause geschickt mit den Worten: Hier wollen wir sie noch lange nicht sehen. Mit anderen Worten, es ging ihr noch zu gut um sich so schnell aufzugeben. Diese ehrlichen Worte haben ihr auch Mut gemacht, es wurde besser mit der Atmung und es ging wieder bergauf. Sie hat zwar seitdem ein Sauerstoffgerät zuhause, dass sie anfangs ständig, später aber nur nach Bedarf benutzte – hauptsächlich nachts.
Wir haben noch einen wunderbaren Frühsommer und Sommer zusammen verbracht, konnten gemeinsam grillen, draussen sitzen, ihren Geburtstag im August feiern, und sie machte mit ihrem Lebensgefährten noch einige Reisen (Ägypten, Südfrankreich, in die Berge).
In den letzten Wochen machte ihr nun das Luftbekommen zunehmends zu schaffen. Es wurde immer schlimmer, sie saß fast nur noch herum, war auch sehr depressiv und war eigentlich immer damit beschäftigt sich selbst beim Atmen zu beobachten. Zwischenzeitlich hatte sie starke Schmerzen im linken Arm, und der Schulter. Es kribbelte immer und sie hat starke Gefühlsstörungen. Der Ringfinger und der kleine Finger, werden immer gekrümmter und die Sehen allgemein scheinen sich zu verkürzen. Der Arm ist auch dicker als der andere.
Vor etwa 14 Tagen war es wieder ganz schlimm, sie schläft seit langem mehr recht als schlecht und nur mit erhöhtem Kopfteil, fast im Sitzen. Da entschloss sie sich, wieder in die Palliativstation zu gehen um sich ein wenig aufpäppeln zu lassen und dann wieder zu kommen. Ihr Lebensgefährte verbringt die Zeit ununterbrochen an ihrer Seite und hat auch ein Bett dort bezogen. Sie will keine Minute mehr alleine sein, weil sie Angst hat, sie könnte ersticken.
Ihr Zustand bei der Einlieferung war recht schlecht. Sie bekam ihr tägliches Morphium dort über eine Pumpe, die an den Port angeschlossen wurde. Erst wurde die Dosis erhöht, da bekam sie nachts so schlimme Albträume, dass sie lieber die ganze Nacht im Bett saß und Angst hatte wieder einzuschlafen. Die Morphiumpumpe wurde entfernt und sie bekam wieder Tabletten/Tropfen. Morgens 30 mg, abends 30 mg und um Mitternacht noch mal 30 mg. Schließlich wurde die mitternächtliche Gabe wieder weggelassen und auf morgens 30 und abends 30 mg reduziert. Ausserdem haben sie ihr 2 x die rechte Lunge punktiert. Sie wurde geschallt und geröntgt.
Letzten Samstag, also etwa 1 Woche nach der Einlieferung in die Palliativstation, teilte eine Stationsschwester der Schwester meiner Freundin in einem Gespräch mit, dass meine Freundin noch etwa 1 Woche +/-2 Tage zu leben hätte. Das war ganz schön heftig so eine konkrete Angabe zu bekommen.
Aber dann dachten wir, die haben ja Erfahrung auf der Station und können das vielleicht schon einschätzen. Sie sagten auch, dass sie noch keinen so jungen Menschen hatten, der sich so gegen sein Schicksal sperrte und dagegen kämpft – in dieser Endphase.

Die Schwester meiner Freundin, kam am Abend zu mir um mir das zu erzählen, sie hat auch die Mutter und Geschwister informiert. Die Mutter ist dann auch gleich angereist. Aber irgendwie konnten und können wir das nicht glauben. Gut, es gab 2-3 Tage, wo es ihr sehr schlecht ging, aber dann wieder Tage, so wie heute (morgen wäre Tag X !), wo sie relativ munter ist. Sie ist seit vorgestern wieder zuhause, hat ein Krankenbett bekommen und einen Rollstuhl. Sauerstoff hat sie schon länger zuhause. Heute sind wir dann nachmittags als die Sonne schien, auf den Reiterhof gefahren, wo unser Pferd steht. Wir sind durch die Ställe gegangen, ganz langsam, mal ist sie selbst ein Stück gegangen, mal im Rolli, mal mit Sauerstoff, mal ohne, wir haben beim Reiten zugeguckt, und haben uns dann ein Stündchen in die Novembersonne gesetzt und uns unterhalten. Meine Freundin, ihr Freund, ihre Mutter und ich. Anschließend sind sie noch Essen gefahren. Eigentlich isst sie ja fast nichts mehr.
Einerseits glaube ich nicht an die Prognose der Palliativschwester, andererseits ist es wohl doch möglich, dass das von einem Tag auf den anderen sehr schnell gehen kann.
Was ich sehe ist, dass sie sich solange wach hält, wie es nur irgendwie geht. Sie hat Angst davor einzuschlafen – genauer gesagt, glaube ich, hat sie die größte Angst davor vielleicht nicht wieder aufzuwachen….
Ich wünschte irgendetwas könnte ihr die Angst nehmen, denn eigentlich kann man jemandem den man liebt und den man ja doch sehr bald gehen lassen muss, doch keinen schöneren Tod wünschen, oder?
Ihr gilt morgens mein erster und abends mein letzter Gedanke. Ich wache nachts auf und merke, dass ich im Schlaf weine, mein Gesicht ist nass. Tagsüber versuche ich eigentlich nicht so emotional zu sein, um es ihr dadurch nicht noch zu erschweren, sie hat es schwer genug.
So, ich hab jetzt alles ein bisschen durcheinander und wirr geschrieben, wie es mir grad einfiel.
Gibt es hier vielleicht noch andere, die auch eine zeitlich beschränkte Prognose bekamen und wie seid ihr damit umgegangen?

Liebe Grüße,
Urmele
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  #7  
Alt 11.11.2008, 13:27
Stefans Stefans ist offline
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Registriert seit: 27.01.2007
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Standard AW: ...noch ca 1 Woche....

Hallo Irmi,

Zitat:
Zitat von Urmele Beitrag anzeigen
Tagsüber versuche ich eigentlich nicht so emotional zu sein, um es ihr dadurch nicht noch zu erschweren, sie hat es schwer genug.
So, ich hab jetzt alles ein bisschen durcheinander und wirr geschrieben, wie es mir grad einfiel.
Gibt es hier vielleicht noch andere, die auch eine zeitlich beschränkte Prognose bekamen und wie seid ihr damit umgegangen?
Ich kann deine Gefühle recht gut nachvollziehen. Meine Frau wird auch "nur" noch palliativ behandelt, mit reichlich Morphium gegen die Schmerzen, und ihre "Restlebenszeit" ist unsicher.

Was die Prognosen betrifft, finde ich: ignoriere solche Mitteilungen, so gut du kannst. Mich wundert sehr, dass eine Stationsschwester sich zu so einer Aussage hinreissen läßt. Kein verantwortungsvoller Arzt würde das tun. Weil schlichtweg niemand, auch kein noch so toller Experte, die Frage nach dem "wie lange noch" hinreichend fundiert beantworten kann.

Hier und in anderen Krebsforen schreiben Dutzende von krebskranken Menschen, die eigentlich schon lange nicht mehr leben dürften, wenn es nach den Prognosen der Fachleute ginge !!! Also: SCHEISS DRAUF !!!

Und tu mit deiner Freundin, mit ihrer Familie und Freunden genau das, was du gerade tust: Nutzt und geniesst die guten Tage, so lange es sie noch gibt. Wie wertvoll "eine Stunde Novembersonne" sein kann, merkt man erst, wenn sowas nicht mehr selbstverständlich ist. Es sind dann halt die ganz kleinen Dinge des Alltags, die Freude bereiten.

Meine Frau möchte z.B. immer dringend mit unserem Hund Gassi gehen. Sie kann ihn nicht mehr halten, so stark hat sie körperlich abgebaut. Und darauf, dass mal das Wetter entsprechend ist _und_ sie sich so gut fühlt, dass sie in der Lage ist, sich anzuziehen und raus zu gehen, muss man halt schon länger warten. Aber dann ist so etwas, was noch vor einem halben Jahr eine Selbstverständlichkeit war, umso schöner und wertvoller.

Dass du deine Gefühle dabei unterdrücken willst / musst, kann ich verstehen. Geht mir genau so. Mag meine Frau damit nicht belasten, und schließlich bin nicht ich krebskrank, und ich kann mit anderen darüber reden. Ich fände es falsch, meine Frau auch noch damit zu belasten. Auch, wenn es schwierig ist. Zur Not muss man halt allein in sein Kissen heulen, hilft ja alles nichts.

Viele Grüße,
Stefan
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  #8  
Alt 12.11.2008, 21:27
Urmele Urmele ist offline
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Standard AW: Meine liebe Freundin

Hallo Stefan,
vielen Dank für deine Antwort.
Ja, das mit dieser "Lebenszeitprognose" ist wirklich so eine Sache aber wie man sieht, ist es bei meiner Freundin so nicht eingetroffen.
Ich weiß nicht, soll ich jetzt sagen "GottseiDank", wir sind für jeden Tag dankbar, oder sollte man im Interesse des Schwerkranken denken und ihm eine schneller Erlösung wünschen.

Eigentlich tendiere ich zu ersterem, denn ich weiß, wenn sie einen guten Tag hat, dann können wir auch noch ein wenig Spaß und Lebensfreude haben zusammen und sie hat vielleicht noch ein paar schöne Stunden mit ihrer Familie und Freunden. Das war jetzt eigentlich seit Sonntag so.
Nun ist das Wetter leider schlecht geworden und gleich gehts wieder bergab. Heute hat sie wirklich fast den ganzen Tag geschlafen, bis auf wenige Minuten. Vielleicht war es ihr auch zuviel, denn in den letzten schönen Tagen, hat sie nicht viel geschlafen, war immer präsent.
Man muss sie aber auch immer ein bisschen überreden um etwas zu unternehmen, wahrscheinlich strengt sie der Gedanke daran, sich fertig zu machen um rauszugehen, schon zu sehr an. Aber sonst versauert sie ja zu Hause, auch der Gesprächsstoff wird immer weniger, wenn man nichts erlebt.

Ich habe ihr übrigens so ein Stillkissen/Seitenschläferkissen besorgt, nachdem sie sagte, sie könne sich nicht so auf den Rücken legen, weil sie das Gefühl hat, es würde sie beim Atmen behindern, so als ob sich die Lunge nicht entfalten könnte durch das Gewicht. Jetzt mit dem neuen Kissen, das sie wie einen Bogen drapiert, ist der Rücken frei und sie hat auch wirklich gut geschlafen, sagte sie....

Schön für deine Frau, dass ihr einen Hund habt, wir sind erst seit zwei Jahren Hundebesitzer und ich hatte vorher null Bezug zu Hunden. Aber seit wir nun selber einen haben, weiß ich erst wieviel Wärme und Gefühl ein Hund dem Menschen zu geben vermag. Kuscheln und Streicheln - auch das tut deiner Frau bestimmt gut, auch wenn sie selber nicht mehr mit ihm spazieren gehen kann. Wenn sie es kräftemäßig nicht mehr schafft, könnt ihr euch dann keinen Rolli besorgen und dann gemeinsam mit dem Hund rausgehen?

Wie lange ist denn deine Frau schon erkrankt?

Die Palliativ-Behandlung meiner Freundin geht jetzt schon mehr als ein Jahr. Im März bekam sie aber nochmal Bestrahlungen an den Augen, da sich auch dort Metastasen gebildet hatten. Diese verschwanden glücklicherweise wieder. Ihre Sehkraft die schon massiv beeinträchtigt war, kehrte wieder zurück, sonst wäre sie auch noch innerhalb kürzester Zeit erblindet.
Natürlich nimmt sie jede Menge Tabletten und Tropfen. Das Dilemma ist, dass die meisten Medikamente auch die Atmung dämpfen.
Ansonsten geht sie nur noch zur Massage und Lymphdrainage.(Sofern sie dazu in der Lage ist.)

Lieber Stefan,
ich wünsche deiner Frau und dir, dass die guten und schönen Tage überwiegen und ihr an den Schlechteren, noch ein wenig von der Erinnerung zehren könnt. Ich wünsche deiner Frau, dass sich die Schmerzen in Grenzen halten lassen und dir wünsche ich auch weiterhin die Kraft der Liebe. Es ist schön, wenn der Spruch vom "Zusammenhalten in guten und in schlechten Zeiten" auch so gelebt wird.
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  #9  
Alt 23.11.2008, 17:38
Stefans Stefans ist offline
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Beiträge: 428
Standard AW: Meine liebe Freundin

Hallo Irmi,

Zitat:
Zitat von Urmele Beitrag anzeigen
Man muss sie aber auch immer ein bisschen überreden um etwas zu unternehmen, wahrscheinlich strengt sie der Gedanke daran, sich fertig zu machen um rauszugehen, schon zu sehr an.
So, wie es deiner Freundin geht, wird das nicht (nur) der Gedanke sein. Sondern schlichtweg die praktische Anstrengung. Sehe ich an meiner Frau: Sie hat meist nicht mal mehr den Elan, sich zu waschen. Obwohl sie eigentlich noch könnte - bzw. "können müsste". Und wenn sie einmal wöchentlich zur Chemo muss, dann dauert das Procedere von Aufstehen, Waschen, Anziehen etwa eine Stunde. Danach ist sie so fertig, dass sie sich nochmal eine halbe Stunde hinlegen muss, bevor das Taxi kommt, dass sie in die Klinik bringt. Natürlich tut sie sich diesen Stress nicht freiwillig an, um mal kurz mit Freunden nach draussen zu gehen. Weil sie schon von den Vorbereitungen so erschöpft ist, dass sie den ganzen nächsten Tag nur noch im Bett liegt. Soll heissen: dränge deine Freundin nicht. Was für dich wie "Versauern" aussieht, ist für sie vielleicht nur "einfach Ruhe haben und sich nicht anstrengen müssen".

Zitat:
auch der Gesprächsstoff wird immer weniger, wenn man nichts erlebt.
Ich glaube weniger, dass deine Freundin das als Problem ansehen wird. Natürlich kann ich da immer nur von meiner Frau ausgehen. An "Gesprächsstoff" ist ihr nicht mehr gelegen. Im Gegenteil. Sie will niemanden mehr von ihren Freunden und Bekannten mehr sehen, weil sie das zu sehr anstrengt. Und sie will auch nicht mehr hören, wie es anderen privat oder bei der Arbeit geht, oder was sich in der Welt so tut. Zu anstrengend. Und ausserdem indirekt verletztend: alles, was sie von der "Aussenwelt" erzählt bekommt, erinnert sie nur daran, dass _sie_ eben nicht mehr fähig ist, an dem normalen Leben teilzunehmen, das für andere selbstverständlich ist.

Wie soll man das erklären? Schwierig. Stell' dir vor, du liegst seit Wochen im Bett und mühst dich alle 7 Tage extrem ab, nur um per Taxi zur Chemo zu fahren. Und dann besuchen dich Freunde, die dich nicht nur löchern, wie es dir geht, welche Behandlung du kriegst, wie die Prognose ist usw. (zu anstrengend, schon tausend mal beantwortet - und trotzdem kann es niemand nachvollziehen...) - nein, die erzählen dann auch noch von ihrem Alltagsleben. Davon, dass sie letztens auf der und der Feier versumpft sind und soo einen Kater hatten. Oder davon, dass sie Montag wieder zur Arbeit müssen, und wie sehr sie ihre Arbeit anödet. Oder von... Mein Gott! Meine Frau wäre heilfroh, wenn sie in ihrem Leben noch ein einziges mal nach einer Feier einen Kater hätte, zur Arbeit gehen könnte oder beim Einkaufen im Supermarkt von der Kassiererin blöde angemacht würde. Nichts davon wird sie noch erleben. Und was es bei ihr auslöst, wenn andere davon erzählen, sind natürlich auch Neid und Hass: die können alles so locker und berichten von etwas, was für mich unmöglich ist - und was ich nie mehr schaffen werde. Und die gehen nach Hause und leben weiter wie immer, während ich hier liege und von Woche zu Woche immer weniger kann :-(

Kann man sich nur schwer vorstellen. Aber wenn man es versucht, wird vielleicht auch klar, warum sich schwer kranke Menschen nach und nach vom "Leben draussen" und entsprechenden Kontakten zurückziehen. Weil es nicht nur physisch, sondern auch seelisch nur schwer zu ertragen ist.

Zitat:
Kuscheln und Streicheln - auch das tut deiner Frau bestimmt gut, auch wenn sie selber nicht mehr mit ihm spazieren gehen kann.
Dafür hat meine Frau ihre Katze, die ist Gold wert. Der Hund natürlich auch, aber der dient eher mir zum Trost (ich bin seine Bezugsperson und sein "Rudelführer"). Ich wüßte nicht, wie ich die letzte Zeit ohne Hündchen überstanden hätte - und v.a. dieZeit, die noch vor uns liegt.

Zitat:
Wie lange ist denn deine Frau schon erkrankt?
Anfang 2007 gab es bei der Gyn.-Untersuchung Krebsverdacht, dann sofort Klinik und Ablatio. Prognose gut, weil langsam wachsender und hormonrezeptiver Tumor (AHT ausreichend). Behandlung OK, ReHa, seit Ende 2007 ist sie wieder teilzeit arbeiten gegangen. Keine Beschwerden, alle Nachsorgeuntersuchungen ohne Befund. Im Juli 08 dann scheinbar eine Darmgrippe. Durchfall, Übelkeit, über Wochen. Darmgrippe war's nicht, sondern Metastasen in Nebennieren und Lymphsystem. Seither geht's bergab, und zwar schnell. Diasgnostik ohne Ende, Klinikaufenthalte, schlechte Prognose. Metastasen schnell wachsend (in den Nebennieren ca. 1 cm pro Monat), Tumor nicht hormonzeptiv. Auch im Lymphsystem kann man praktisch zugucken, wie die Metastasen-Knubbel wachsen. Seit 1 Monat palliative Chemo.

Remission wäre ein unerwarteter Glücksfall. Darum geht es im Alltag auch nicht. Da geht es darum, dass meine Frau in den vergangenen Monaten 20 kg abgenommen hat, und das weiter tut, weil sie kaum noch was isst und trinkt. Und immer mehr Morphium gegen die Schmerzen nehmen muss. Und immer weniger selbst machen kann. Die Schmerzen sind nicht das Problem. Da verschreibt heutzutage (zum Glück) jeder Onkologe soviel Morphium wie nötig. Aber Morphium geht natürlich auch auf den Kopf. Sudoku-Rätsel lösen? Schon lange nicht mehr möglich. Buch lesen? Geht noch, wenn's was ganz Leichtes ist (Kinderbücher). Konzentrieren oder Denken? Vergiss' es. Meine Fau kommt am Dienstag von der Chemo, die sie immer dienstags hat, und fragt mich eine Stunde später: "morgen ist doch Freitag, oder?"

Diese Woche etwas Neues: ich muss meiner Frau nicht nur ihre vielen Tabletten vorsortieren und bereit legen - sondern auch morgens, mittags, abends und nachts kontrollieren, ob sie die wirklich brav nimmt. Sonst vergisst sie das seit neuestem, und das darf nicht sein (v.a. bei den Morphium-Tabletten nicht).

Zitat:
ich wünsche deiner Frau und dir, dass die guten und schönen Tage überwiegen
Schöne Tage gibt's schon seit längerem nicht mehr, gute Tage immer weniger :-( Ein "guter Tag" ist für meine Frau einer, an dem sie keine starken Schmerzen hat und nicht gleich kotzt, wenn sie irgendwas isst oder trinkt. Und für mich einer, an dem ich in der Lage bin, ein posting wie dieses zu schreiben, ohne dabei Heulkrämpfe zu kriegen.

Diese Krankheit ist schlimm, böse und bitter zu ertragen. Von daher: habe bitte Nachsicht mit deiner Freundin, wenn sie nicht dem entspricht, was du von ihr erwartest (oder nicht tut, von dem du meinst, was ihr gut tun würde).

Viele Grüße,
Stefan
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  #10  
Alt 23.11.2008, 18:43
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Renate23 Renate23 ist offline
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Ort: Ba-Wü
Beiträge: 211
Standard AW: Meine liebe Freundin

Hallo Stefan,
ich möchte Dich einfach mal umarmen für Deine Stärke zu Deiner Frau. Wenn Deine Frau könnte würde sie Dich nie und nimmer verlassen, aber dies liegt leider nicht in unserer Macht, es zu verhindern.
Ganz liebe Grüße Renate
__________________
Ab einem gewissen Alter erzählt unser Gesicht unser Leben!
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  #11  
Alt 23.11.2008, 19:57
Lenalotta Lenalotta ist offline
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Standard AW: Meine liebe Freundin

Liebes Urmele,

ganz am Anfang hast Du geschrieben, dass deine Freundin sich sehr belastet fühlt durch den Betrug/dieTrennung ihres Mannes. Auch ich glaube auf jeden Fall, dass seelischer Stress und Krebs einen Zusammenhang haben und sie deshalb mit ihren "Anschuldigungen" nicht ganz unrecht hat. Das Problem: Solche Anschuldigungen sind ihrem eigenen Gesundheitszustand alles andere als dienlich. Deshalb würde mich sehr interessieren, ob sich dieser Konflikt mit ihrem ehemaligen Lebenspartner mittlerweile lösen konnte oder ob es immer noch ein Thema in ihrem Leben ist?

Ich grüsse dich ganz herzlich und wünsche dir viel Kraft, lG, Lenalotta
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  #12  
Alt 26.11.2008, 21:56
Urmele Urmele ist offline
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Standard AW: Meine liebe Freundin

Zitat:
Zitat von Lenalotta Beitrag anzeigen
Liebes Urmele,

ganz am Anfang hast Du geschrieben, dass deine Freundin sich sehr belastet fühlt durch den Betrug/dieTrennung ihres Mannes. Auch ich glaube auf jeden Fall, dass seelischer Stress und Krebs einen Zusammenhang haben und sie deshalb mit ihren "Anschuldigungen" nicht ganz unrecht hat. Das Problem: Solche Anschuldigungen sind ihrem eigenen Gesundheitszustand alles andere als dienlich. Deshalb würde mich sehr interessieren, ob sich dieser Konflikt mit ihrem ehemaligen Lebenspartner mittlerweile lösen konnte oder ob es immer noch ein Thema in ihrem Leben ist?

Ich grüsse dich ganz herzlich und wünsche dir viel Kraft, lG, Lenalotta
Hallo Lenalotta,
leider gibt es diesen Stress nach wie vor.
Meine Freundin hat zwar schon seit etwa 4 Jahren eine neue Beziehung, aber der Kontakt zu dem Ex muss ja schon wegen der beiden Söhne stattfinden. Leider nimmt ihr der Exmann auch keine Sorgen im Bezug auf die beiden Jungs ab, sondern bereitet ihr nur noch mehr Probleme, da er stark trinkt und sie die beiden ihm ungern bzw. eigentlich gar nicht überlassen möchte, abgesehen davon, dass er sowieso nicht besonders scharf ist drauf, sich um die Söhne zu kümmern.

Vielen Dank für die guten Wünsche, ich gebe sie auch gerne zurück
Irmi
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  #13  
Alt 28.11.2008, 19:29
Urmele Urmele ist offline
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Standard AW: Meine liebe Freundin

Lieber Stefan,

vielen Dank für deine ausführlichen Worte.
Du hast schon recht, meiner Freundin ist wirklich alles zu anstrengend geworden. Am liebsten wäre es ihr, wenn sie nicht aufstehen müsste aus dem Bett.
Vorgestern hatte sie einen Termin um 14.00 Uhr, sie hat 2 Stunden gebraucht vom Aufstehen, bis wir los konnten. Aber sie möchte die meisten Dinge ja noch selber machen. Auch wenn sie hinterher wieder die totale Atemnot hat. Das ist nach wie vor das größte Problem.
Als wir dann im Rolli unterwegs waren, das Wetter war herrlich, war sie wieder bester Dinge, wir haben gescherzt und gelacht. Nach der Massage und Lymphdrainage ist sie dann wieder ziemlich erledigt gewesen.
Die letzten beiden Nächte waren schlecht, weil sie so oft hyperventilierte und nicht gut atmen konnte. Morgens kam der HA und hat ihr eine beruhigende Spritze gegeben. Die meiste Zeit hat sie dann wieder geschlafen die letzten beiden Tage. Sie schläft nur noch in fast sitzender Position. Leider ist ihr linkes Bein sehr dick geworden und sie hat nun auch Entwässerungstabletten bekommen.
Das Essen bereitet ihr keine Probleme, wenn sie auch nicht so viel essen mag.
Zusätzlich hat sie jetzt noch Diazepam-Tropfen bekommen.

Wenn ich deinen Schilderungen lese, über das Leiden deiner Frau und dir, dann sehe ich doch wie unterschiedlich diese Sch...krankheit verlaufen kann.
Scheinbar ist deine Frau noch viel schlechter dran, als meine Freundin. Sie kann noch lesen oder Rätsel lösen. Und sie ist schmerztechnisch wirklich super eingestellt. Aber man muss auch bei ihr kontrollieren, bei der Medikamenteneinnahme. Sie experimentiert gerne ein bisschen...
Aber wirklich kann man das nicht miteinander vergleichen oder beurteilen.
Ich lese nur aus jeder deiner Zeilen soviel Liebe und Hingabe (auch Wut, Trauer und Verzweiflung darüber), wie ich es selten erlebt habe.

Und natürlich habe ich keine Erwartungen an meine Freundin, ich möchte sie nur, in der uns verbleibenden Zeit, unterstützen, etwas helfen und lindern und einfach mit ihr sein.

Liebe Grüße,
Irmi
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  #14  
Alt 30.11.2008, 15:25
Stefans Stefans ist offline
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Beiträge: 428
Standard AW: Meine liebe Freundin

Hallo Irmi,

Zitat:
Zitat von Urmele Beitrag anzeigen
Aber wirklich kann man das nicht miteinander vergleichen oder beurteilen.
Nein, das kann man nicht. Weil der der Mensch halt so ist, dass das Leid, dass er selbst unmittelbar oder mittelbar an geliebten Mitmenschen erfährt, immer das schlimmste ist, das es gibt. Das ist auch OK so.

Vergleiche sind da IMHO völlig sinnlos. Jeder erfährt Leid anders und geht anders damit um. Der "gemeinsame Nenner" dabei ist für mich der Titel dieses threads: "meine liebe Freundin." Oder auch: meine liebe Frau, mein lieber Mann, meine liebe Tochter, mein lieber Vater, usw. usf.

Es ist immer schlimm. So schlimm, dass andere sich das nur vorstellen können, wenn sie es selbst (als Kranker oder mit einem geliebten Menschen) erleben. "Schlecht dran" ist, glaube ich, relativ. Wenn wir uns mit Aussenstehenden unterhalten, z.B.: die sind entsetzt, dass meine Frau sterben wird. Und "schlecht dran" ist für die, dass die Krankheit nicht heilbar ist.

Für uns hier aber ist "schlecht dran" nicht, dass es keine Heilungsperspektive mehr gibt und dass meine Frau sterben wird. Das spielt im Alltag keine Rolle. Noe, "schlecht dran" entscheidet sich im Alltag, von Tag zu Tag. Kann sie noch lesen oder sich gar eine gewisse Zeit konzentriert unterhalten. Kann sie die Schmerzen so halbwegs aushalten, ohne die Medikamentendosis zu erhöhen. Kann sie ein paar Löffel mehr essen als gestern. Sprich: wieviel Lebensqualität bleibt ihr jenseits der Morphium-bedingten Schmerzfreiheit eigentlich noch?

Und für mich: wie komme ich damit klar. Und da sehen wir, dass die Theorie viel einfacher ist als die Praxis. Klar nehmen wir unser Eheversprechen ernst, und selbstverständlich will ich für meine Frau sorgen, so lange und so gut ich kann. Aber so langsam tritt das ein, was mir andere hier schon länger vorausgesagt haben: ich stoße an meine Grenzen :-( Nicht von der praktischen Arbeit her (Einkaufen, kochen, putzen, waschen, Einläufe machen, stündlich nachschauen, beim Baden helfen usw.). Das überhaupt nicht.

Sondern von der seelischen Belastbarkeit. Man will mit allen Kräften, die man hat, etwas tun. Aber man kann nichts tun. Natürlich palliativ, aber eben nichts, was zur Heilung beiträgt. Die gibt es nicht mehr. Und mitanzusehen, wie meine Frau "immer weniger" wird und von Woche zu Woche weniger kann (und auch selbst immer geringere Erwartungen an ihr "Restleben" hat). Das ist so bitter, das es wohl nur die Leute verstehen, die sowas selbst erlebt haben. Sinnlos, das anderen erklären zu wollen.

Meine Frau ist gerade mal wieder in der Klinik, und ich schäme mich. Ich schäme mich dafür, dass ich es heute beim besten Willen nicht geschafft habe, sie zu besuchen. Ich habe den Arsch einfach nicht hochgekriegt, es war einfach zuviel. Und ich schäme mich noch mehr, weil ich - der geschworen hat, immer für sie da zu sein - zugeben muss, dass es mich seelisch entlastet, wenn meine Frau in der Klinik ist. Wo sie medizinisch gut versorgt ist und ich mir dieses Elend nicht tagtäglich anschauen muss.

An meinen Ansprüchen als Ehemann / Pflegender gemessen, die ich noch vor 2 Monaten hatte, ist das eine Bankrotterklärung. Meine Frau stirbt, und ich, der gesund ist und den ganzen Tag Zeit hat, ist jetzt schon "froh", wenn sie eine Woche im Krankenhaus ist ?!?! Wenn ich jetzt schon versage... Wie soll das in Zukunft werden, wenn sich die Lage verschlimmert.

Viele Grüße,
Stefan
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  #15  
Alt 30.11.2008, 19:32
tina n. tina n. ist offline
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Beiträge: 1.036
Rotes Gesicht AW: Meine liebe Freundin

hallo Stefan

Wie kommst Du auf Bankrotterklärung???

Angehörige,Pflegende und Mitfühlende Menschen fallen genauso in ein tiefes Loch wie der Kranke selbst.
Ab einem gewissen Punkt wird für den Kranken gesorgt,aber was ist mit den Versorgern???
Der erlebt dieselben Ängste und Schmerzen(wenn auch nicht Körperlich),Hoffen und Bangen,und schlimmer noch,die Ohnmacht.

Es ist doch Verständlich das Du einmal froh bist,wenn Dir ein wenig Belastung abgenommen wird.Wenn Du Dich einmal hängen lassen kannst.

Mach Dir nur kein schlechtes Gewissen,das muss so sein,sonst brichst Du irgendwann zusammen.
Du musst Dir kleine Auszeiten gönnen um weiterhin stark zu sein für Deine Frau.

Ich wünsch Dir noch einen angenehmen Abend,Tina n.
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