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...noch ca 1 Woche....
Hallo zusammen,
vor etwa einem dreiviertel Jahr habe ich hier schon mal über meine liebste Freundin geschrieben. Damals ging es ihr nach einer Verklebung der linken Lunge richtig schlecht und wir dachten, dass sie uns bald verlassen würde. Sie besuchte dann auch die Palliativstation im Nachbarort und dort wurde sie wieder nach Hause geschickt mit den Worten: Hier wollen wir sie noch lange nicht sehen. Mit anderen Worten, es ging ihr noch zu gut um sich so schnell aufzugeben. Diese ehrlichen Worte haben ihr auch Mut gemacht, es wurde besser mit der Atmung und es ging wieder bergauf. Sie hat zwar seitdem ein Sauerstoffgerät zuhause, dass sie anfangs ständig, später aber nur nach Bedarf benutzte – hauptsächlich nachts. Wir haben noch einen wunderbaren Frühsommer und Sommer zusammen verbracht, konnten gemeinsam grillen, draussen sitzen, ihren Geburtstag im August feiern, und sie machte mit ihrem Lebensgefährten noch einige Reisen (Ägypten, Südfrankreich, in die Berge). In den letzten Wochen machte ihr nun das Luftbekommen zunehmends zu schaffen. Es wurde immer schlimmer, sie saß fast nur noch herum, war auch sehr depressiv und war eigentlich immer damit beschäftigt sich selbst beim Atmen zu beobachten. Zwischenzeitlich hatte sie starke Schmerzen im linken Arm, und der Schulter. Es kribbelte immer und sie hat starke Gefühlsstörungen. Der Ringfinger und der kleine Finger, werden immer gekrümmter und die Sehen allgemein scheinen sich zu verkürzen. Der Arm ist auch dicker als der andere. Vor etwa 14 Tagen war es wieder ganz schlimm, sie schläft seit langem mehr recht als schlecht und nur mit erhöhtem Kopfteil, fast im Sitzen. Da entschloss sie sich, wieder in die Palliativstation zu gehen um sich ein wenig aufpäppeln zu lassen und dann wieder zu kommen. Ihr Lebensgefährte verbringt die Zeit ununterbrochen an ihrer Seite und hat auch ein Bett dort bezogen. Sie will keine Minute mehr alleine sein, weil sie Angst hat, sie könnte ersticken. Ihr Zustand bei der Einlieferung war recht schlecht. Sie bekam ihr tägliches Morphium dort über eine Pumpe, die an den Port angeschlossen wurde. Erst wurde die Dosis erhöht, da bekam sie nachts so schlimme Albträume, dass sie lieber die ganze Nacht im Bett saß und Angst hatte wieder einzuschlafen. Die Morphiumpumpe wurde entfernt und sie bekam wieder Tabletten/Tropfen. Morgens 30 mg, abends 30 mg und um Mitternacht noch mal 30 mg. Schließlich wurde die mitternächtliche Gabe wieder weggelassen und auf morgens 30 und abends 30 mg reduziert. Ausserdem haben sie ihr 2 x die rechte Lunge punktiert. Sie wurde geschallt und geröntgt. Letzten Samstag, also etwa 1 Woche nach der Einlieferung in die Palliativstation, teilte eine Stationsschwester der Schwester meiner Freundin in einem Gespräch mit, dass meine Freundin noch etwa 1 Woche +/-2 Tage zu leben hätte. Das war ganz schön heftig so eine konkrete Angabe zu bekommen. Aber dann dachten wir, die haben ja Erfahrung auf der Station und können das vielleicht schon einschätzen. Sie sagten auch, dass sie noch keinen so jungen Menschen hatten, der sich so gegen sein Schicksal sperrte und dagegen kämpft – in dieser Endphase. Die Schwester meiner Freundin, kam am Abend zu mir um mir das zu erzählen, sie hat auch die Mutter und Geschwister informiert. Die Mutter ist dann auch gleich angereist. Aber irgendwie konnten und können wir das nicht glauben. Gut, es gab 2-3 Tage, wo es ihr sehr schlecht ging, aber dann wieder Tage, so wie heute (morgen wäre Tag X !), wo sie relativ munter ist. Sie ist seit vorgestern wieder zuhause, hat ein Krankenbett bekommen und einen Rollstuhl. Sauerstoff hat sie schon länger zuhause. Heute sind wir dann nachmittags als die Sonne schien, auf den Reiterhof gefahren, wo unser Pferd steht. Wir sind durch die Ställe gegangen, ganz langsam, mal ist sie selbst ein Stück gegangen, mal im Rolli, mal mit Sauerstoff, mal ohne, wir haben beim Reiten zugeguckt, und haben uns dann ein Stündchen in die Novembersonne gesetzt und uns unterhalten. Meine Freundin, ihr Freund, ihre Mutter und ich. Anschließend sind sie noch Essen gefahren. Eigentlich isst sie ja fast nichts mehr. Einerseits glaube ich nicht an die Prognose der Palliativschwester, andererseits ist es wohl doch möglich, dass das von einem Tag auf den anderen sehr schnell gehen kann. Was ich sehe ist, dass sie sich solange wach hält, wie es nur irgendwie geht. Sie hat Angst davor einzuschlafen – genauer gesagt, glaube ich, hat sie die größte Angst davor vielleicht nicht wieder aufzuwachen…. Ich wünschte irgendetwas könnte ihr die Angst nehmen, denn eigentlich kann man jemandem den man liebt und den man ja doch sehr bald gehen lassen muss, doch keinen schöneren Tod wünschen, oder? Ihr gilt morgens mein erster und abends mein letzter Gedanke. Ich wache nachts auf und merke, dass ich im Schlaf weine, mein Gesicht ist nass. Tagsüber versuche ich eigentlich nicht so emotional zu sein, um es ihr dadurch nicht noch zu erschweren, sie hat es schwer genug. So, ich hab jetzt alles ein bisschen durcheinander und wirr geschrieben, wie es mir grad einfiel. Gibt es hier vielleicht noch andere, die auch eine zeitlich beschränkte Prognose bekamen und wie seid ihr damit umgegangen? Liebe Grüße, Urmele |
#2
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AW: ...noch ca 1 Woche....
Hallo Irmi,
Zitat:
Was die Prognosen betrifft, finde ich: ignoriere solche Mitteilungen, so gut du kannst. Mich wundert sehr, dass eine Stationsschwester sich zu so einer Aussage hinreissen läßt. Kein verantwortungsvoller Arzt würde das tun. Weil schlichtweg niemand, auch kein noch so toller Experte, die Frage nach dem "wie lange noch" hinreichend fundiert beantworten kann. Hier und in anderen Krebsforen schreiben Dutzende von krebskranken Menschen, die eigentlich schon lange nicht mehr leben dürften, wenn es nach den Prognosen der Fachleute ginge !!! Also: SCHEISS DRAUF !!! Und tu mit deiner Freundin, mit ihrer Familie und Freunden genau das, was du gerade tust: Nutzt und geniesst die guten Tage, so lange es sie noch gibt. Wie wertvoll "eine Stunde Novembersonne" sein kann, merkt man erst, wenn sowas nicht mehr selbstverständlich ist. Es sind dann halt die ganz kleinen Dinge des Alltags, die Freude bereiten. Meine Frau möchte z.B. immer dringend mit unserem Hund Gassi gehen. Sie kann ihn nicht mehr halten, so stark hat sie körperlich abgebaut. Und darauf, dass mal das Wetter entsprechend ist _und_ sie sich so gut fühlt, dass sie in der Lage ist, sich anzuziehen und raus zu gehen, muss man halt schon länger warten. Aber dann ist so etwas, was noch vor einem halben Jahr eine Selbstverständlichkeit war, umso schöner und wertvoller. Dass du deine Gefühle dabei unterdrücken willst / musst, kann ich verstehen. Geht mir genau so. Mag meine Frau damit nicht belasten, und schließlich bin nicht ich krebskrank, und ich kann mit anderen darüber reden. Ich fände es falsch, meine Frau auch noch damit zu belasten. Auch, wenn es schwierig ist. Zur Not muss man halt allein in sein Kissen heulen, hilft ja alles nichts. Viele Grüße, Stefan |
#3
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AW: Meine liebe Freundin
Hallo Stefan,
vielen Dank für deine Antwort. Ja, das mit dieser "Lebenszeitprognose" ist wirklich so eine Sache aber wie man sieht, ist es bei meiner Freundin so nicht eingetroffen. Ich weiß nicht, soll ich jetzt sagen "GottseiDank", wir sind für jeden Tag dankbar, oder sollte man im Interesse des Schwerkranken denken und ihm eine schneller Erlösung wünschen. Eigentlich tendiere ich zu ersterem, denn ich weiß, wenn sie einen guten Tag hat, dann können wir auch noch ein wenig Spaß und Lebensfreude haben zusammen und sie hat vielleicht noch ein paar schöne Stunden mit ihrer Familie und Freunden. Das war jetzt eigentlich seit Sonntag so. Nun ist das Wetter leider schlecht geworden und gleich gehts wieder bergab. Heute hat sie wirklich fast den ganzen Tag geschlafen, bis auf wenige Minuten. Vielleicht war es ihr auch zuviel, denn in den letzten schönen Tagen, hat sie nicht viel geschlafen, war immer präsent. Man muss sie aber auch immer ein bisschen überreden um etwas zu unternehmen, wahrscheinlich strengt sie der Gedanke daran, sich fertig zu machen um rauszugehen, schon zu sehr an. Aber sonst versauert sie ja zu Hause, auch der Gesprächsstoff wird immer weniger, wenn man nichts erlebt. Ich habe ihr übrigens so ein Stillkissen/Seitenschläferkissen besorgt, nachdem sie sagte, sie könne sich nicht so auf den Rücken legen, weil sie das Gefühl hat, es würde sie beim Atmen behindern, so als ob sich die Lunge nicht entfalten könnte durch das Gewicht. Jetzt mit dem neuen Kissen, das sie wie einen Bogen drapiert, ist der Rücken frei und sie hat auch wirklich gut geschlafen, sagte sie.... Schön für deine Frau, dass ihr einen Hund habt, wir sind erst seit zwei Jahren Hundebesitzer und ich hatte vorher null Bezug zu Hunden. Aber seit wir nun selber einen haben, weiß ich erst wieviel Wärme und Gefühl ein Hund dem Menschen zu geben vermag. Kuscheln und Streicheln - auch das tut deiner Frau bestimmt gut, auch wenn sie selber nicht mehr mit ihm spazieren gehen kann. Wenn sie es kräftemäßig nicht mehr schafft, könnt ihr euch dann keinen Rolli besorgen und dann gemeinsam mit dem Hund rausgehen? Wie lange ist denn deine Frau schon erkrankt? Die Palliativ-Behandlung meiner Freundin geht jetzt schon mehr als ein Jahr. Im März bekam sie aber nochmal Bestrahlungen an den Augen, da sich auch dort Metastasen gebildet hatten. Diese verschwanden glücklicherweise wieder. Ihre Sehkraft die schon massiv beeinträchtigt war, kehrte wieder zurück, sonst wäre sie auch noch innerhalb kürzester Zeit erblindet. Natürlich nimmt sie jede Menge Tabletten und Tropfen. Das Dilemma ist, dass die meisten Medikamente auch die Atmung dämpfen. Ansonsten geht sie nur noch zur Massage und Lymphdrainage.(Sofern sie dazu in der Lage ist.) Lieber Stefan, ich wünsche deiner Frau und dir, dass die guten und schönen Tage überwiegen und ihr an den Schlechteren, noch ein wenig von der Erinnerung zehren könnt. Ich wünsche deiner Frau, dass sich die Schmerzen in Grenzen halten lassen und dir wünsche ich auch weiterhin die Kraft der Liebe. Es ist schön, wenn der Spruch vom "Zusammenhalten in guten und in schlechten Zeiten" auch so gelebt wird. |
#4
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AW: Meine liebe Freundin
Hallo Irmi,
Zitat:
Zitat:
Wie soll man das erklären? Schwierig. Stell' dir vor, du liegst seit Wochen im Bett und mühst dich alle 7 Tage extrem ab, nur um per Taxi zur Chemo zu fahren. Und dann besuchen dich Freunde, die dich nicht nur löchern, wie es dir geht, welche Behandlung du kriegst, wie die Prognose ist usw. (zu anstrengend, schon tausend mal beantwortet - und trotzdem kann es niemand nachvollziehen...) - nein, die erzählen dann auch noch von ihrem Alltagsleben. Davon, dass sie letztens auf der und der Feier versumpft sind und soo einen Kater hatten. Oder davon, dass sie Montag wieder zur Arbeit müssen, und wie sehr sie ihre Arbeit anödet. Oder von... Mein Gott! Meine Frau wäre heilfroh, wenn sie in ihrem Leben noch ein einziges mal nach einer Feier einen Kater hätte, zur Arbeit gehen könnte oder beim Einkaufen im Supermarkt von der Kassiererin blöde angemacht würde. Nichts davon wird sie noch erleben. Und was es bei ihr auslöst, wenn andere davon erzählen, sind natürlich auch Neid und Hass: die können alles so locker und berichten von etwas, was für mich unmöglich ist - und was ich nie mehr schaffen werde. Und die gehen nach Hause und leben weiter wie immer, während ich hier liege und von Woche zu Woche immer weniger kann :-( Kann man sich nur schwer vorstellen. Aber wenn man es versucht, wird vielleicht auch klar, warum sich schwer kranke Menschen nach und nach vom "Leben draussen" und entsprechenden Kontakten zurückziehen. Weil es nicht nur physisch, sondern auch seelisch nur schwer zu ertragen ist. Zitat:
Zitat:
Remission wäre ein unerwarteter Glücksfall. Darum geht es im Alltag auch nicht. Da geht es darum, dass meine Frau in den vergangenen Monaten 20 kg abgenommen hat, und das weiter tut, weil sie kaum noch was isst und trinkt. Und immer mehr Morphium gegen die Schmerzen nehmen muss. Und immer weniger selbst machen kann. Die Schmerzen sind nicht das Problem. Da verschreibt heutzutage (zum Glück) jeder Onkologe soviel Morphium wie nötig. Aber Morphium geht natürlich auch auf den Kopf. Sudoku-Rätsel lösen? Schon lange nicht mehr möglich. Buch lesen? Geht noch, wenn's was ganz Leichtes ist (Kinderbücher). Konzentrieren oder Denken? Vergiss' es. Meine Fau kommt am Dienstag von der Chemo, die sie immer dienstags hat, und fragt mich eine Stunde später: "morgen ist doch Freitag, oder?" Diese Woche etwas Neues: ich muss meiner Frau nicht nur ihre vielen Tabletten vorsortieren und bereit legen - sondern auch morgens, mittags, abends und nachts kontrollieren, ob sie die wirklich brav nimmt. Sonst vergisst sie das seit neuestem, und das darf nicht sein (v.a. bei den Morphium-Tabletten nicht). Zitat:
Diese Krankheit ist schlimm, böse und bitter zu ertragen. Von daher: habe bitte Nachsicht mit deiner Freundin, wenn sie nicht dem entspricht, was du von ihr erwartest (oder nicht tut, von dem du meinst, was ihr gut tun würde). Viele Grüße, Stefan |
#5
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AW: Meine liebe Freundin
Hallo Stefan,
ich möchte Dich einfach mal umarmen für Deine Stärke zu Deiner Frau. Wenn Deine Frau könnte würde sie Dich nie und nimmer verlassen, aber dies liegt leider nicht in unserer Macht, es zu verhindern. Ganz liebe Grüße Renate
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Ab einem gewissen Alter erzählt unser Gesicht unser Leben! |
#6
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AW: Meine liebe Freundin
Liebes Urmele,
ganz am Anfang hast Du geschrieben, dass deine Freundin sich sehr belastet fühlt durch den Betrug/dieTrennung ihres Mannes. Auch ich glaube auf jeden Fall, dass seelischer Stress und Krebs einen Zusammenhang haben und sie deshalb mit ihren "Anschuldigungen" nicht ganz unrecht hat. Das Problem: Solche Anschuldigungen sind ihrem eigenen Gesundheitszustand alles andere als dienlich. Deshalb würde mich sehr interessieren, ob sich dieser Konflikt mit ihrem ehemaligen Lebenspartner mittlerweile lösen konnte oder ob es immer noch ein Thema in ihrem Leben ist? Ich grüsse dich ganz herzlich und wünsche dir viel Kraft, lG, Lenalotta |
#7
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AW: Meine liebe Freundin
Zitat:
leider gibt es diesen Stress nach wie vor. Meine Freundin hat zwar schon seit etwa 4 Jahren eine neue Beziehung, aber der Kontakt zu dem Ex muss ja schon wegen der beiden Söhne stattfinden. Leider nimmt ihr der Exmann auch keine Sorgen im Bezug auf die beiden Jungs ab, sondern bereitet ihr nur noch mehr Probleme, da er stark trinkt und sie die beiden ihm ungern bzw. eigentlich gar nicht überlassen möchte, abgesehen davon, dass er sowieso nicht besonders scharf ist drauf, sich um die Söhne zu kümmern. Vielen Dank für die guten Wünsche, ich gebe sie auch gerne zurück Irmi |
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