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Alt 01.08.2003, 08:56
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Ich trau mich mal...

Hallo, liebe Jutta2,

da ich selber Krebsbetroffene bin (und auch schon Angehörige war), möchte ich Dir auch noch ein paar Worte dazu sagen, zu all Deinen Fragen.

Manchmal steht man da, als Angehöriger, völlig ratlos und hilflos, und vor lauter Angst davor, wie man jetzt damit umgehen soll, und wegen der dauernden Frage, ob man auch alles "richtig" macht, fühlt man sich fast wie gelähmt. Man dreht sich im Kreis, der eigene Kopf dreht sich im Kreis. Hin und hergerissen fühlt man sich im Wunsch, da zu sein für den kranken Menschen, etwas für ihn zu tun, und gleichzeitig der eigenen Angst davor. Nicht nur das Leben des kranken Menschen hat sich plötzlich verändert, auch das Leben und der Alltag der Angehörigen.
Das ist oftmals so einschneidend im Leben, dass mancher eben schon ein bisschen Zeit braucht, sich ein wenig daran zu gewöhnen und die Situation zu akzeptieren. Egal ob Betroffener oder Angehöriger.

Als ich damals im Krankenhaus war, spürte ich sehr gut, wer hier jetzt aus reiner Besorgnis bei mir war, oder wer es einfach aus einem Pflichtgefühl heraus tat.
So ist aber jeder Mensch auch verschieden, und jene, die anfänglich aus Pflichtgefühl bei mir waren, haben vielleicht etwas später gelernt, dass es gar keine Pflicht für sie ist, sondern bloss jenes, was SIE selber in dieser Situation ebenfalls gerne gehabt hätten: Blosses DA-Sein der Lieben.
Aber es gibt bei mir auch jene Leute, für die ist es heute, nach zwei Jahren, noch immer eine "Pflicht", und wenn sie mit diesem Pflichtgefühl zu mir kommen, so enden solche Besuche nie sehr schön. Denn aus dem scheinbar unerträglichen Pflichtgefühl heraus, wollen diese Menschen die Situation (meine und ihre) so schnell wie möglich "ändern", sie wollen, dass es endlich aufhört, dieses Leid. Also beginnen sie damit, mir Krebsbetroffene zu sagen, was ich zu tun habe, raten mir mit diesem und jenem, und damit werde ich dann ziemlich bedrängt. Wenn ich an dieser Stelle meinen eigenen Kopf habe, meine eigenen Entscheidungen, so werden diese "Pflichtmenschen" oft sehr wütend, und rauschen beleidigt davon.
Es ist genau an diesem Punkt ein guter Grund für sie, abzurauschen. Denn sie haben genügend Argumente dafür, wie unerträglich ICH sein soll.

Umgekehrt: Jene Menschen, die aus Besorgnis bei mir sind (oder aus Liebe), sehen ihr DA-Sein für mich nicht als "Pflicht", sondern als reine Selbstverständlichkeit. Sie überlegen sich am Anfang nicht lange, was und wie sie etwas tun sollen, sie handeln einfach irgendwie, lassen die Dinge auf sich zukommen.
Natürlich werden auch sie von Ängsten geplagt, sie haben es auch nicht einfacher. Aber ihre innere Selbstverständlichkeit zur Liebe, lässt sie weniger vor der Situation "erstarren".

Was ist denn das DA-Sein für den Krebsbetroffenen? Es ist gar nicht so viel, liebe Jutta. Das DA-Sein ist nicht NUR Besuche machen. Das DA-Sein ist manchmal auch bloss ein Telefongespräch oder ein lieber Brief. Das DA-Sein verlangt nicht unbedingt absolute Regelmässigkeit.
Das DA-Sein ist bloss Menschlichkeit. Es ist Liebe. Das Gefühl zu geben, dass man DA ist, wenn der andere ihn braucht. Das DA-Sein sind manchmal die lustigen Momente oder Tage, aber auch die traurigen Momente oder Tage. Manchmal ist das DA-Sein eine schöne Ablenkung, manchmal ist es halt nötig, dass man über die Krankheit spricht. Das DA-Sein heisst auch mal, die Hand des kranken Menschen zu halten. Das DA-Sein ist auch das Zuhören. Das DA-Sein heisst auch, dem anderen das Gefühl zu geben, dass man DA ist, auch wenn man körperlich nicht anwesend ist.
Und das DA-Sein beinhaltet eben auch, dass man miteinander spricht, dass man Fragen stellt, wie man helfen kann.

Mache Dir nicht zu viele Gedanken, liebe Jutta. Wenn Dir vor Angst, das richtige zu sagen, die Worte fehlen, so sprich es aus, und stelle Deiner Mutter Fragen, was Du für sie tun kannst.
Du wirst sehen, sie wird Dir dabei helfen können.

Geh hin zu ihr, wenn Du kannst. Sie wird sich sehr darüber freuen.

Liebe Grüsse von
der "krassen" Brigitte
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