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  #1  
Alt 30.07.2007, 19:31
irmgard05 irmgard05 ist offline
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Frage Das Leben nach der Erkrankung in all seinen Aspekten

Hallo zusammen!
Ich habe nun keine Vorstellung, ob euch ein solches Thema, wie es mir vorschwebt, überhaupt interessiert. Nun ja, es wird sich herausstellen.
Ich frage mich häufiger, wie gestalten Menschen, die in einer vergleichbaren Situation wie ich durch ihre Erkrankung leben, ihren Alltag. Wie sind sie mit der Situation umgegangen aus ihrem Beruf zeitweilig oder ganz ausscheiden zu müssen ; mit der Situation ihren Aufgaben in der Familie nicht mehr gewachsen zu sein oder sie nicht mehr so auszufüllen wie vorher; wie gestaltet ihr heute euren Alltag, den Alltag mit mehr oder weniger großen Einschränkungen; banale Dinge wie euch selbst das Essen zu machen, wenn es manchmal schwer fällt überhaupt was zu essen;Haushaltführen; existentielle Dinge wie das Leben in der Partnerschaft, das sich ja doch oft anders darstellt als vorher. Gibt es neue Lebensinhalte? Wie geht ihr mit den kleinen und den ganz großen Tiefs um, den schwarzen Zeiten? Habt ihr Tage an denen die Gedanken nur um die Erkrankung kreisen, wie löst ihr euch daraus? Wie geht ihr mit den Zukunftsgedanken um, eurer eigenen und denen von Familienmitgliedern oder Freunden? Wie begegnet ihr Bekannten, Freunden, die sich nicht offen trauen(?) mit euch zu sprechen, die so tun, als sei alles so wie früher?
Wie geht ihr mit den ganz konkreten Problemen und Problemchen um, die durch Op oder Chemo/Bestrahlung entstanden sind. Welche habt oder hattet ihr? Was hat sich gebessert? Gibt es Dinge, die sich verschlechtert haben?
Wie verschafft ihr euch Positives? Bedeutet Glück heute etwas anderes als vorher, habt ihr euch verändert?
Ich denke, ich habe nur einige Punkte angesprochen, es gibt noch eine Vielzahl von Gesichtspunkten, die im Leben eines Erkrankten und dann erfolgreich Behandelten( ich sehe mich als erfolgreich behandelt, denn ich lebe und das eigentlich nicht schlecht) eine Rolle spielen, große oder kleine. Vielleicht lässt sich hier doch einiges Hilfreiche aus der Sicht der Betroffenen austauschen, auch, wenn unsere Situationen sicher sehr unterschiedlich sind.

Ich würde mich freuen, wenn einige von euch hier einen Beitrg schreiben würden! Mit lieben Grüßen Irmgard
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  #2  
Alt 31.07.2007, 00:37
ulla46 ulla46 ist offline
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Standard AW: Das Leben nach der Erkrankung in all seinen Aspekten

Liebe Irmgard,
ich finde dieses Thema sehr interessant, da ich mich selbst auch immer wieder frage, wie es anderen wohl nach Abschluss der Therapien geht, was sich ändert usw.
Ich versuche also mal auf einige deiner Fragen einzugehen. Grundsätzlich kann ich sagen, dass in meinem Lebens fast nichts mehr so ist wie vor der Krankheit, was aber nicht negativ ist! Mir war sehr schnell klar, dass ich in dem Falle, dass ich das alles überleben würde, vieles ändern würde. Ich hatte ja im KH Zeit genug darüber nachzudenken, warum mein Immunsystem wohl so versagt hat. Was hat mich so belastet? Ein Hauptübeltäter war schnell gefunden: Stress. Ich bin freiberuflich tätig, war viel unterwegs, musste mich immer um Aufträge bemühen usw. Das alles hat mir aber Spass gemacht, deshalb habe ich das nicht als belastend empfunden, nur mein etwas erhöhter Blutdruck sprach eine andere Sprache. Als Konsequenz habe ich meine berufliche Tätigkeit sehr stark eingeschränkt, anfangs auch notgedrungen, da ich durch mein "Chemohirn" für einen Text erschreckend viel länger brauchte als vorher. Das 2. war die Trennung von einem alkoholkranken FReund, der mich mit seiner ewigen Lügerei und was sonst so alles mit Alkoholismus zusammenhängt, über Jahre zur Verzeiflung gebracht hat. Ich habe mir prof. Hilfe geholt, um das zu bewältigen.
Psychologisch hat mir sehr geholfen, dass ich immer Tagebuch geführt habe (daraus wird bald eine Homepage) und eine private "Selbsthilfegruppe" von FRauen, die auch gerade eine Therapie beendet hatten.
Im ersten Jahr hatte ich, nachdem es zuerst in jeder Beziehung steil bergauf ging, jede Menge körperlicher und seelischer Probleme. Alles kreiste eigentlich um die Angst vor einem Rezidiv. Geholfen haben da die Gespräche mit den anderen betroffenen Frauen, denen es genauso ging und die Ablenkung mit meinem Enkelkind. In den eher "schwarzen" Zeiten habe ich mich sehr zurückgezogen, viel gelesen, spazieren gegangen usw. und gewartet, dass diese Zeit vorbei ging. Außer Geduld hat mir da nichts geholfen und bei gut gemeinten Ratschlägen bin ich aggressiv geworden!. Aber das waren manchmal schon sehr heftige Durchhänger! Heute ist die Angst vor einer neuen Erkrankung zwar da, aber sehr im Hintergrund, da ich wenig Beschwerden habe, die mir Angst machen könnten. Ich kann alles essen, sehr langsam natürlich. Sehr selten ( wenn ich mal hastig geschluckt habe) bleibt mal ein Stückchen hängen, das dann nicht runter, aber auch nicht oben raus will. Das ist unangenehm, aber es geht ja irgendwie vorbei.
Sichtbare Folgen der Strahlentherapie ist mein "Schlaffhals", also da bin ich um 20 Jahre gealtert!
Zu den Änderungen in meinem Leben gehört auch, dass ich mir keine großen Ziele mehr stecke, nichts großartig plane, sondern die Dinge auf mich zukommen lasse. Da ich jetzt nur noch wenige Verpflichtungen habe und Single bin, kann ich das tun, worauf ich gerade Lust habe und das ist ein echter Luxus.
Ein absoluter Lichtblick ist mein Enkelkind, das mir mein Lachen wieder geschenkt hat. Ich verbringe viel Zeit mit ihr, was mir sehr viel Sinn und Glück schenkt. Dagegen habe ich Probleme bei Geselligkeiten, die ich früher sehr geliebt habe. Nach etwa 2 Stunden kommt bei mir ein Punkt, wo ich alles nur noch als anstrengend empfinde und mich verdrücke, wenn es geht. Kennt das auch jemand??? MIch irritiert es. Auch so mancher Kleinkram im Haushalt fällt mir recht schwer und so insgesamt gesehen fühle mich schon so um 10 Jahre gealtert.
Was ich als sehr positiv empfinde, ist, dass meine Familie sehr viel enger zusammengerückt ist. Sie ist mir auch viel wichtiger geworden.
Mitterweile sind seit der Diagnose ja mehr als zwei Jahre vergangen. Mein Optimismus hat sich wieder gemeldet und ich danke Gott jeden Abend dafür, dass ich soviel Glück im Unglück hatte und das bitte noch lange anhalten möge.
So, das fiel mir zum THema ein und ich hoffe, es ist nicht zu wirr!
Ulla
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SPK 2005, ED T4, Nx, Mx, G2. Chemo und anschl. Chemoradiatio bis Ende 2005. Seitdem ohne Befund.
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  #3  
Alt 31.07.2007, 21:23
irmgard05 irmgard05 ist offline
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Daumen hoch AW: Das Leben nach der Erkrankung in all seinen Aspekten

Hallo zusammen! Hallo Ulla, schön, dass du geschrieben hast. Ich denke, deine Antwort ist nicht wirr, es ist halt schwierig all die Dinge, die einem durch den Kopf gehen zu ordnen. Das fiel mir auch sehr schwer, daher die Vielzahl von Fragen.
In meinem Leben hat sich auch recht viel gändert, allein durch die Tatsache, dass ich aufgehört habe zu arbeiten. Es ist mir schwer gefallen, auch, wenn ich sagen muss, dass ich nicht alle Aspekte meines Berufes gerne hatte, ich hatte schon mal drüber nachgedacht früher aufzuhören. Es aber aus finanziellen Überlegungen nicht weiter angegangen. Fehlendes Gehalt, 100% selbstversichern, das hätten wir nur schwer über einige Jahre schaffen können, insbesondere ,da 2 unserer 3 Kinder noch in der Ausbildung sind. Jetzt bin ich endgültig pensioniert,vom Personalrat verabschiedet(bei mir zu Hause) und habe meine Schlüssel abgegeben und auch einen kleinen, spontanen Miniausstand gegeben. So richtige Verabschiedung usw. hätte ich nicht ausgehalten.Ich bin aber froh, dass es jetzt endlich einen Abschluss gefunden hat. Mein Mann arbeitet noch bis Ende Januar und er hat sich ,glaube ich , auch mittlerweile damit arrangiert. Der Kontakt zu den Menschen fehlt mir- und er fehlt mir auch nicht. Ich freue mich, wenn ich Kollegen -ehemalige geht mir noch schwer über die Lippen/Finger- treffe und sie gehen mir nach einer Weile auf die Nerven, ich möchte eigentlich nur noch gehen. Ich denke, das liegt mit daran, dass man eben doch nicht mehr dazu gehört. Die Gespräche sind einem irgendwie doch alle bekannt, und ich fühle mich nicht mehr dazugehörig. Berufsgruppen neigen dummerweise dazu unter sich zu bleiben. Das rächt sich jetzt in gewisser Weise. Es geht mir aber auch bei ganz anderen Anlässen so.
Der Haushalt ist etwas was mir anfangs unendlich schwer gefallen ist. Natürlich wurde mir geholfen, von allen. Außerdem ist unsere ehemalige Kinderfrau immernoch als Haushaltshilfe gekommen, sie ging auch 1x die Woche zu meiner Schwiegermutter. Jetzt möchte ich das langsam ganz auslaufen lassen, ich brauche es ja nicht wirklich ,da sie selbst nicht gesund ist( sie wurde vor ca 12 Jahren an Gebärmutterkrebs operiert und hat jetzt einen extremen Lymphstau in einem Bein und kann eigentlich nicht mehr, aber sie will nicht nur zu Hause sein, denn ihr Mann ist auch krank/Dialyse). Aber, wenn man immer Haushalt und Beruf hatte, man gewohnt ist für einen 5Personenhaushalt zu sorgen, fällt es schon schwer zu sehen, dass Kochen plötztlich Schwerstarbeit ist, Wäsche und all diese Dinge.
Es hat eine Zeit gegeben, da sind mein Mann und ich fast jeden Tag essengegangen, nichts Besonderes oft bei Karstadt, ich meist eine Suppe mit meinem Zusatzpulver, weil für mich das der bessere Weg war. Kochen und dann selbst essen ging für mich zeitweilig gar nicht. Und fürs kochen war ich immer zuständig, daran hat sich nichts geändert. Wenn mein Mann "kocht", gibts was vom Imbiss o.ä.. Nicht schlimm, ist halt so.
Mein Schlafbedürfnis war lange enorm. Seit etwa 5-6Monaten bessert es sich deutlich, wie ich auch bei einigen anderen Dinge feststelle.
Das Gedankenkreisen gehört auch dazu. Lange Zeit war ich kaum in der Lage Abstand zu gewinnen, das Zentrum war Krebs. Ist es auch jetzt bis zu einem gewissen Grad, aber nicht mehr so absolut beherrschend!
Mir ist es noch nicht gelungen einen wirklich neuen Lebensrythmus zu finden, Dinge zu finden, die neue Lebensinhalte, neue Gedankengänge...wie soll ich es sagen? Früher hatte ich mir vorgenommen, ehrenamtliche Tätigkeiten aufzunehmen, wenn ich nicht mehr berufstätig bin. Heute? Zunächst war es so, dass das gar kein Thema sein konnte, war nicht zu schaffen, ich hatte genug mit mir selbst zu tun, dann habe ich immer das Gefühl dafür nicht verlässlich(gesundheitlich) genug zu sein. Dann hatte ich Dinge ins Auge gefasst, die für mich schlicht und einfach zu schwer waren, d.h. ich bin nicht realistisch genug daran gegangen. -Ich dachte, ichkönne Gebärdensprache lernen und damit etwas Sinnvolles zu tun. Damit hatte ich mich überfordert. Manchmal habe ich den Eindruck, dass ich ein halbes Jahr nach der Op mehr Elan hatte etwas Neues anzugehen, als heute. Damals dachte ich auch, ich könne wieder arbeiten, ich habe z.B. mehr Sport gemacht als heute.
Es gäbe noch viel, aber das solls für heute sein.
Morgen fahren wir nach Hannover zu "Porgy and Bess" ,ich freu mich drauf! Liebe Grüße Irmgard
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  #4  
Alt 03.08.2007, 01:41
jani1944 jani1944 ist offline
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Standard AW: Das Leben nach der Erkrankung in all seinen Aspekten

Hallo Ulla und Irmgard,
schön das diese Themen hier zur Sprache kommen. Eure Beiträge finde ich schon interessant. Ich leide zur Zeit an Zeitmangel. Deshalb werde ich vielleicht in 2 - 3 Monaten etwas dazu sagen. Nur in Kurzform, auch ich bin noch berufstätig und bis zu meiner Berentung ist es max. noch 2 Jahre. Ich habe ebenfalls mein Leben lang gearbeitet. Für mich wäre ein "Nur-Hausfrauendasein" nichts gewesen. Damit will ich das nicht abwerten. Es ist mir klar, daß jemand mit mehreren Kindern durchaus genug zu arbeiten hat. Aber ich brauchte u.a. immer den Kontakt mit Menschen. Habe mir schon seit einigen Jahren über mein zukünftiges "Rentnerdasein" Gedanken gemacht. Aber durch die Krankheit meines Mannes wird meine Zukunft wohl etwas anders aussehen. Für mich steht jedenfalls fest, daß ich verschiedene Sachen noch machen möchte. Zur Zeit beschäftige ich mich mit "Ernährungsfragen". Habe schon einige Kurse absolviert. Außerdem schwebt mir vor meine Englischkenntnisse zu vervollständigen und wenn es die Gesundheit meines Mannes erlaubt, viele Reisen durchzuführen. Ich wandere gerne und Natur ist für mich sehr wichtig. Desweiteren will ich mich karitativ beschäftigen, evtl. Vorträge über Ernährung in Volkshochschulen halten, oder als Gasthörer an der Uni "Psychologie " studieren. So genau weiß ich es noch nicht. Aber zu Beginn meines Rentnerdaseins werde ich mich erstmal von dem "Stress" der letzten Jahre erholen. Was meinen Bekanntenkreis anbelangt, bin ich kritischer geworden. Mich stören die "Oberflächlichkeiten". Auch hier will ich in Zukunft manches verändern. So, nun habe ich doch mehr geschrieben als ich wollte.
Ich wünsche Dir, liebe Irmgard eine schöne Zeit in Hannover.
Liebe Grüße
Jani
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  #5  
Alt 03.08.2007, 14:45
Jen Jen ist offline
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Standard AW: Das Leben nach der Erkrankung in all seinen Aspekten

Hallo,

dieses Thema anzusprechen finde ich sehr gut. Ich kann zwar "nur" aus der sicht eines Angehörigen sprechen, aber auch ich merke die enormen Auswirkungen des SPK auf das Leben meiner Eltern nach der OP!!! Es ist jetzt gut 3 Monate her, dass mein Vater operiert wurde und nichts ist mehr wie es vorher war. Der Krebs bzw. "kein Krebs" jetzt nach der OP bestimmt das ganze Leben meiner Eltern. erst jetzt, drei Monate nach dieser wichtigen OP kommen besonders bei meiner Mama viele Dinge hoch. Sie ist in den letzten Monaten sehr tapfer gewesen und hat immer "funktioniert" ist 24 Stunden am Tag für meinen Vater dagewesen. Jetzt kommt die Zeit, wo der Altag meine Eltern einholt, aber nicht der normale Altag, wie es vor der Krankheit war, sondern ein ganz neuer Altag, der sich um Kalorien, Blutuntersuchungen und die geplante Reha dreht, die in knapp drei Wochen ansteht...Beide sind nervlich ziemlich am Ende und streiten sich oft wegen unwichtiger Kleinigkeiten, das macht mir große Sorgen
Ich würde mir wünschen, dass auch meine Eltern psychologische Betreuung annehmen würden, aber mein Vater blockt ziemlich schnell ab, wenn wir so etwas ansprechen. Ich bin davon überzeugt, dass es beiden, meiner Mutter und meinem Vater seht helfen würde, mit der Sitaution besser umzugehen.
Mein Vater ist gerade 47 (er wird am Montag 48 Jahre) und es steht noch absolut in den Sternen, ob er überhaupt wieder arbeiten kann - das hat ihn vor einigen Wochen total aus der Bahn gehauen...doch auch darüber will er eigentlich nicht reden, nicht mit meiner Mutter und mir und schon gar nicht mit einer fremden Person!
Ich finde es ganz toll, wie Du, Irmgard und Ulla euer Leben nach dem SPK in die Hand genommen habt - ich hoffe, dass mein Vater auch irgendwann da hin kommt, sein Leben so wie es jetzt ist zu akzeptieren und das beste daraus zu machen!!!

Alles Liebe

Jen
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  #6  
Alt 03.08.2007, 20:54
irmgard05 irmgard05 ist offline
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Daumen hoch AW: Das Leben nach der Erkrankung in all seinen Aspekten

Hallo zusammen, hallo Jen, ganz kurz nur etwas zu den "Streitereien". Deine Eltern sind gezwungen sich vollständig neu zu orientieren. Das lief auch bei uns nicht ganz reibungslos ab. Besonderes Problem ist die doch sehr unterschiedliche Belastung von Angehörigem und Selbstbetroffenem. Die Fixierung auf diesen neuen Lebensinhalt, die unterschiedlich bei jedem gesehen und erlebt wird. Alte Spannungen bekommen eine oft vollständig neue Rolle.
Ein Problem war z.B., ich wollte in eine Form Alltag zurückkehren, dass zog nach sich, dass ich diesen Arztterminen einen nicht so hohen Stellenwert wie mein Mann einräumen wollte. Er wollte mich unterstützen, mir helfen, immer mitgehen (auch um es selbst verarbeiten zu können), ich wollte Alltag, ich wollte ,dass er nur zu Terminen mitkommt zu denen auch wirklich Gespräche stattfanden. Daraus resultierte, dass er sich zurückgestoßen fühlte. So wars nicht gemeint, aber es war notwendig, dies auszutragen, auch wenn es anstrengend war. Ich denke nach fast 2Jahren haben wir da einen vernünftigeren Umgang für uns beide gefunden, selbst wenn dies Thema immer mal wieder auftaucht- in unterschiedlichem Gewand. Ich habe an anderer Stelle einmal versucht, das Spannungsfeld Angehörige/Betroffene zu diskutieren. Leider nicht mit großem Erfolg. Ich glaube fast, es ist zu schwierig. Man wird so leicht missverstanden, die eigenen Gedanken sind schwer so zu formulieren. Ich hoffe, es ist jetzt nachvollziehbar, was ich meine.
Mein Mann hat ein Einzelgespräch mit einer Psychologin abgelehnt, ich ein Paargespräch, während ich das Einzelgespräch gesucht habe. Je weiter Gesprächspartner emotional von mir entfernt waren (z.T. sind), desto leichter sind Gespräche für mich. Es bessert sich aber.
Bei dem Partner und dem Betroffenen greift eine extreme Anspannung und Erschöpfung. Deine Eltern brauchen jeder für sich und gemeinsam Zeit.
Ich weiß, dass ich phasenweise begriffen habe, warum sich Menschen in solch schwierigen Zeiten trennen. Und diese Trennung geht nicht immer von dem Partner aus- wie dann sooft mit erhobenem Zeigefinger gemeint wird.
Vielleicht hilft es ein bisschen einen Teil der Schwierigkeiten zu verstehen.
Liebe Grüße an alle auf diesem nicht einfachen Weg Irmgard
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  #7  
Alt 03.08.2007, 23:42
ulla46 ulla46 ist offline
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Standard AW: Das Leben nach der Erkrankung in all seinen Aspekten

Liebe Irmgard,
ich hatte gestern ein Erlebnis, das mich sehr irritiert hat. Da meine ältere Tochter im September heiratet, brauchte ich noch etwas zum "Aufstylen" und bin nach Düsseldorf mit der S-Bahn gefahren. Es war das erste Mal seit meiner Krankheit, dass ich überhaupt Lust auf diese Art Shopping hatte. Als ich in D´dorf ankam, passierte es. Ich ging durch den Bahnhof und bekam eine regelrechte Panikattacke wegen des Lärmpegels und der vielen Menschen, die mich auch anrempelten. Als ich endlich draußen war, musste ich mich erst einmal hinsetzen und tief durch atmen. Meine Lust auf Shopping war dahin, es wurde eine Kurzfassung, und ich bin schnell wieder nach Hause gefahren und war fix und fertig. Also ich weiß jetzt, was das Wort Reizüberflutung zu bedeuten hat. Gibt es eine Ursache für die Reaktion? Keine Routine mehr bei Reizen? Alterserscheinung (bin ja auch jetzt 60)? Chemofolgen? Größere Sensibilität?
Kennst du sowas auch???

Hallo Jen,
Irmgard hat ja sehr gut erklärt, wie die Erkrankung sich auf die Beziehung auswirken kann. Ich war manchmal richtig heilfroh darüber, dass ich Single bin, wenn ich so an einige Erlebnisse im KH zwischen Ehepartnern zurückdenke: MIssverständnisse und viel Stress, jeder nimmt Rücksicht auf den anderen und aus lauter Rücksicht wird gelogen, geschwiegen, verharmlost oder was auch immer (natürlich gab es auch positive Beispiele, aber wenige). Klar, alles steht auf einmal Kopf, nichts ist mehr wie vorher, jede Lebensplanung futsch und das bedeutet Krise hoch 3. Ich habe im FReundeskreis Paare, die daran gescheitert sind und solche, die eine Art Neuanfang gemacht haben. Ich hoffe, dass deine Eltern zu den letzteren gehören! Leicht ist das sicherlich alles nicht.
Ulla
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  #8  
Alt 04.08.2007, 11:47
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PaulaGreen PaulaGreen ist offline
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Standard AW: Das Leben nach der Erkrankung in all seinen Aspekten

Liebe Irmgard,

auch ich bin froh, dass Du dieses Thema angesprochen hast. Ich hab mich in letzter Zeit etwas aus dem Forum zurückgezogen, weil ich fand, dass meine bzw. die Probleme meiner Mutter viel zu klein(!!) seien.

Mein Ma ist am 09.01.06 mit damals 75 Jahren an Sprk operiert worden. Es war damals ein langer Aufenthalt im Krankenhaus ( Lungenentzündung und Nierenversagen kamen hinzu). Nun hat sie vor 4 Wochen eine neue Hüfte bekommen, weil sie es vor Schmerzen nicht aushalten konnte.

Ich hab geglaubt, nun müsste sie doch langsam mal etwas zufriedener werden, weil sie außer einem starken Reizhusten (hat sie seit ihrer Sprk-OP), keine Schmerzen haben dürfte. Aber nichts.....

Sie wiegt nur noch eben über 40 Kilo (ist dementsprechend schwach) und keiner kann ihr etwas recht machen. Besonders bei gut gemeinten Ratschlägen, bekommt man die Breitseite. Alles, aber auch alles ist falsch. Mein Vater versucht zu helfen, wo er nur kann. Aber auch er bekommt nur ihre Aggressionen zu spüren.

Hat jemand eine Idee, wie man ihre Psyche ein wenig aufheitern kann?

Ich freue mich über jeden Ratschlag!

Auch, wenn meine Mutter diese Welt lieber verlassen würde, freue ich mich doch, dass sie es mit Ihren inzwischen fast 77 Jahren schon 1,5 Jahre geschafft hat. Deshalb sollte ich eigentlich unter "Positives" berichten!!

Viele liebe Grüße
Anke

Geändert von PaulaGreen (04.08.2007 um 14:58 Uhr)
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  #9  
Alt 05.08.2007, 12:25
ulla46 ulla46 ist offline
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Standard AW: Das Leben nach der Erkrankung in all seinen Aspekten

Liebe Anke,
bei mir ist die Situation mit meiner Mutter ähnlich, obwohl sie eine andere Erkrankung hat (Parkinson). Seit einem Jahr ist sie bei mir um die Ecke in einem (sehr guten) Altenheim. Ich besuche sie täglich undd höre von ihr nur eines: Jammern, Jammern, jammern, Dabei hat sie keine Schmerzen, ist im Kopf und auch sonst körperlich topfit, wegen Parkinson etas bewegungseingeschränkt. Sie ist auch freiweillig in das Altenheim gegangen.
Ich habe schon alles mögliche versucht wie ihren Kommandoton einfach zu irgnorieren (Satt Begrüßung "Hol mir mal..."), habe "Erziehungsmaßnahmen" getroffen ("Ich besuche dich nur noch, wenn du mich freundlich begrüßt und nicht direkt jammers, sonst gehe ich sofort wieder", hat auch eine Weile funktioniert, dann nicht mehr), ihr sehr viel Zuwendung zu geben, was alles noch verschlimmerte und habe mich dann mit dem wirklich kompetenten Pflegepersonal beraten, da mich das alles richtig fertig macht und ich mit das bei meiner Krankheit nicht erlauben will. Ich habe jetzt gelernt, meiner Mutter gegenüber eine Art professionelle Haltung einzunehmen. Ich versuche sie als Patientin zu sehen, die keine Lust mehr auf Leben hat und all ihre Ängste und Nöte nur auf dem Wege der Agression und Manipulation ausdrücken kann. Durch diesen innerlichen Abstand bin ich ruhiger geworden und habe jetzt darauf gedrungen, dass sie stationär wg. ihres Parkinsons und der Depressionen (alle diese Verhaltensweisen sind Zeichen einer Depression) behandeln zu lassen. Bei einer anderen Dame auf ihrer Station hat das klasse funktioniert. Ich vermute, auch bei deiner Mutter liegt eine Depression vor. Wird sie entsprechend behandelt? Wenn ja, dann muss die Medikamentation regelmäßig angepasst werden.
Ich hoffe, dass ihr eine Lösung findet, denn sonst gehst du selbst und vor allem dein Vater selbst schnell am Krückstock!
Alles Liebe
Ulla
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  #10  
Alt 07.08.2007, 11:46
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PaulaGreen PaulaGreen ist offline
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Standard AW: Das Leben nach der Erkrankung in all seinen Aspekten

Liebe Ulla,

vielen Dank für Deine liebe und umfangreiche Antwort. Meine Mutter hat schon eine Zeit lang Antidepressiva genommen. Aber da sie leider ständig Halluzinationen und andere Ausfallerscheinungen bekommt, wenn ein neues Medikament zu ihren vielen anderen verabreicht wird, hat mein Vater dieses nach 2 Wochen einfach wieder abgesetzt. Er sagt, dann hält er lieber Ihre heftigen Launen aus, als dass sie nachts auf Wanderschaft geht....

Ich hab versucht, ihm zu erklären, dass es das wahrscheinlich keinen Zusammenhang gibt, aber da ist er sehr eigen.

Ich wünsche Dir und natürlich auch Deiner Mutter (wäre schön, wenn die Behandlung bei ihr anschlagen würde!)alles Liebe und Gute ! Für Dich besonders weiterhin toi,toi,toi!!!!

Viele Grüße
Anke

Geändert von PaulaGreen (07.08.2007 um 11:53 Uhr)
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  #11  
Alt 07.08.2007, 13:37
estella estella ist offline
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Standard AW: Das Leben nach der Erkrankung in all seinen Aspekten

Liebe Irmgard,

ich finde es sehr gut, dass du einen thread aufgemacht hast, wo man sich nicht nur über "medizinische" Aspekte austauschen soll...es ist interessant und somit auch sicher hilfreich für einige, über die psychische Seite zu "sprechen". Was macht der Verlust von Arbeit mit einem? Warum mag man auf einmal nicht so viele Menschen sehen? Was für Werte sind einem wichtig?
Mit Spannung habe ich die Beiträge gelesen und finde es toll, dass du dieses Thema angepackt hast!
Liebe Grüsse!!!
e
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  #12  
Alt 07.08.2007, 14:41
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lima-mali lima-mali ist offline
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Standard AW: Das Leben nach der Erkrankung in all seinen Aspekten

Danke für dieses interessante Thema!

Mein Mann, 52, ist an Knochenmarkkrebs (Multiples Myelom) erkrankt. Diese Erkrankung ist nicht heilbar. Seither ist nichts mehr, wie es einmal war...

Wir waren beide in der gleichen Branche berufstätig, häufig auf Dienstreisen; unsere Karriere war uns wichtig. Wir hatten daher nur wenig Freizeit, haben diese aber intensiv miteinander genossen. Wir konnten uns Annehmlichkeiten leisten - ein großes Haus, einen Gärtner, die Putzfrau, etc. Unser Leben war schön und rund - es hätte von uns aus immer so weitergehen können.

Der Krebs hat uns ohne Vorwarnung mitten im Leben erwischt. Wir hatten keine Krebserkrankungen im Familien- oder Freundeskreis, waren mit dem Thema nie konfrontiert. Krebs bekommen immer nur "die Anderen"...

06. November 2006: Falsch gedacht. Peng. Aus. Weltuntergang.

Es hat uns den Boden unter den Füßen weggezogen und wir sind in ein tiefes, schwarzes Loch gefallen. Seither versuchen wir, mühsam wieder nach oben zu krabbeln. Sehr mühsam.

Alle Perspektiven, Ziele und Werte im Leben haben sich geändert, verschoben.

Wir haben schmerzhaft lernen müssen, dass wir auf unserem neuen, schwierigen Weg Menschen verlieren werden. Menschen, die leider nicht bereit sind, diesen Weg mit uns zu gehen. Wir haben aber auch Hilfe, Wärme und Zuneigung von Menschen erfahren dürfen, von denen wir das nie erwartet hätten. Unser Freundes- und Bekanntenkreis hat sich zu 2/3 verabschiedet. Aus dem Familienumfeld haben wir rd. die Hälfte Menschen verloren. Die, die jetzt noch bei uns sind, werden aber für immer bei uns bleiben - was auch kommt. Dafür sind wir sehr dankbar.

Ich habe inzwischen meine Berufstätigkeit aufgegeben. Das tut etwas weh, ist aber die einzige Möglichkeit, alle Anforderungen parallel zu meistern und immer für meinen Mann da sein zu können. Zum Glück können wir uns das - mit ein paar Einschränkungen - leisten. Auch dafür sind wir dankbar.

Wir haben erkannt, dass das Leben "jetzt" ist. Die Vergangenheit ist vorbei, die Zukunft ungewiss - es zählt nur die Gegenwart. Der heutige Tag, vielleicht noch der morgige - das sind unsere Aufgaben. So hangeln wir uns von Tag zu Tag. Hoffend, kämpfend, ängstlich, mutig, verzweifelt, tapfer, lachend, weinend, zufrieden, überfordert, liebend, leidend...

Wir waren es stets gewohnt, perfekt zu funktionieren. Auch unser neues Leben mit der Krankheit haben wir - soweit eben möglich - in kürzester Zeit perfekt organisiert. Ein bißchen sind wir stolz darauf, in so kurzer Zeit alles Notwendige auf die Beine gestellt zu haben. Niemand ahnt, welche Kraft uns das gekostet hat, wieviel Tränen, wie viel schlaflose Nächte.

Mit dem Mut der Verzweiflung und viel Liebe stellen wir uns dem Krebs in den Weg. Wir haben ihm den Kampf angesagt und die Zuversicht, diesen zumindest befristet zu gewinnen. Einen Tag, und noch einen, und dann noch einen und danach eine Woche, einen Monat, ein Jahr, ein Jahrzehnt...

Unsere Beziehung zueinander war schon immer sehr gut. Unter der Belastung ist sie tiefer geworden, enger. Wir wissen, dass wir es nur gemeinsam schaffen werden. Wir wollen nicht zulassen, dass ein paar verrückt gewordene Zellen uns beide auseinanderreissen.

Wir wollen nicht aufgeben - noch lange nicht. Wir haben gelernt, dass das ganze Leben eine Krankheit ist, die immer tödlich endet. Unsere Hoffnung ist nur, dem Schicksal Zeit abtrotzen zu können - kostbare, gemeinsame Zeit. Zeit, um auf der Terrasse einen Kaffee zu trinken. Zeit, um miteinander im Klinikgarten ein paar Hummeln beim Tanz um die Blüten zuzusehen. Zeit, um miteinander den Sternenhimmel zu betrachten und zirpenden Grillen zuzuhören. Zeit.

So wenig. So viel.
__________________
Weitergehen - und nach dem Wunder Ausschau halten.
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  #13  
Alt 07.08.2007, 16:06
Mona66 Mona66 ist offline
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Standard AW: Das Leben nach der Erkrankung in all seinen Aspekten

Liebe Lima-Mali
ich fand deine Schilderung und die Einstellung dahinter sehr spannend... Besonders habe ich bei dem Satz innegehalten:

Zitat:
Zitat von lima-mali Beitrag anzeigen
Wir haben gelernt, dass das ganze Leben eine Krankheit ist, die immer tödlich endet.
Und ich versuche zu übersetzen, was du das schreibst... Es gehört zu dieser Krankheit Hoffnung zu haben, zur Krankheit, dem Schicksal Zeit abzutrotzen , zur Krankheit kostbare, gemeinsame Zeit zu verbringen. Gehört zur Krankheit, auf der Terrasse zu sitzen und einen Kaffee zu trinken. Zur Krankheit, die Zeit zu haben, um miteinander im Klinikgarten ein paar Hummeln beim Tanz um die Blüten zuzusehen. ... Denn das alles gehört ja eben auch zum Leben.

Ich meine diese Übersetzung nicht ironisch. Es war einfach eine Darstellung um innezuhalten und drüber nachzudenken. Ich teile die Erkenntnis, dass das Leben immer tödlich endet... Und ich denke immer noch drüber nach, ob alles was tödlich endet, eine Krankheit ist... Irgendwas in mir sagt nein. Das Leben ist endlich. Ich vermute, die Möglichkeit zu Krebs gehört zum Leben irgendwie dazu. Vielleicht ist der Begriff Krankheit, wie er üblicherweise verwendet wird, für Krebs nicht so einfach... aber irgendwie ist doch nicht das ganze Leben eine Krankheit...

viele nachdenkliche Grüße
Mona
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  #14  
Alt 07.08.2007, 20:37
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lima-mali lima-mali ist offline
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Idee AW: Das Leben nach der Erkrankung in all seinen Aspekten

Liebe Mona,

die Sache mit der virtuellen Kommunikation ist schweirig... aber du bist schon sehr nahe dran, an dem, was ich eigentlich ausdrücken wollte. Danke dafür!

Als wir zum ersten Mal hörten "unheilbar an Krebs erkrankt", war mein Kopf leer, mir war übel, alles drehte sich und mein Herz schlug bis zum Hals. Nach ein paar Minuten der Stille und der Fassungslosigkeit sagte "unser" Professor:

"Wissen sie, wir alle sind unheilbar krank. Das Leben ist eine Krankheit, die immer tödlich endet. Das klingt zynisch, aber es ist auch tröstlich. Alle meine Patienten sind letztlich doch gestorben - sogar die, die ich heilen konnte, nur eben später. Der Sinn unserer Arbeit besteht also darin, so viel Lebenszeit und Lebensqualität zu gewinnen, wie eben möglich - mehr nicht."

Ich habe diese Sätze erst nach langem Nachdenken verstanden...

Krebs ist eine Krankheit, die sich von anderen unterscheidet: Sie kommt aus dem Inneren des Menschen, aus dem Kern seiner Körperlichkeit, aus der einzelnen Zelle. Der Krebs zerstört den Organismus, von dem er lebt - und damit letztlich sich selbst. Das Leben an sich ist immer auf Fortbestand ausgerichtet. Das Leben sucht sich immer wieder (s)einen Weg. Der Krebs handelt diesem Grundsatz zuwider. Woher kommt dieses selbstzerstörerische "Etwas"?

Und Krebs ist ein Stigma, noch immer - das Todeszeichen auf der Stirn. Die Krankheit, von der man nicht zu sprechen wagt. Die Krankheit, von der man am liebsten gar nichts wissen will. Menschen, die meinen Mann sehen, schauen erschreckt und blicken ganz schnell peinlich berührt zur Seite. Manchmal auch mitleidig mit dem Gesichtsausdruck "Oh Gott, der arme Mann." Kollegen gehen einem aus dem Weg. Nachbarn wechseln die Straßenseite. Sie sind unsicher, wissen nicht, was sie sagen sollen. Alle wollen nur eines: Abstand halten zu dieser Krankheit, vor der sich jeder fürchtet.

Und letztlich ist es so wenig, was die Ärzte tun können. Viel zu wenig, immer noch.

Aber wir, die Patienten und die Angehörigen, können viel tun: Wir können die ganze Kraft unserer Liebe einsetzen und wir können mit unseren Herzen gegen den Feind aus dem eigenen Körper ankämpfen. Wir dürfen nie vergessen: Das einzige Organ, dass nicht vom Krebs befallen wird, ist das menschliche Herz. Das sollte uns etwas sagen...
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Weitergehen - und nach dem Wunder Ausschau halten.
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  #15  
Alt 07.08.2007, 22:32
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Standard AW: Das Leben nach der Erkrankung in all seinen Aspekten

Liebe Mona,

Du sprichst mir aus der Seele. Genauso sehe ich das auch.

Es tut mir sehr leid, dass auch Ihr gegen diese Krankheit kämpfen müsst.

Dass sich viele Bekannte, Freunde und Verwandte von Euch abgewandt haben, ist sehr bedauerlich. Das war bei uns zum Glück nicht der Fall. Alle waren sehr verständnisvoll. Auch wenn man manchmal gemerkt hat, dass einige etwas Schwierigkeiten hatten zu fragen bzw. nicht so richtig wussten, wie sie mit der Situation umgehen sollten, haben sie uns immer beigestanden.

Gerade als Angehöriger geht man oft an seine Grenzen. Aber wie Du geschrieben hast, man kann die ganze Kraft der Liebe einsetzen. Auch wir haben das getan und das hilft mir auch heute noch mit dem Verlust klar zu kommen.

Alles Glück der Welt für Deinen Mann und natürlich auch für Dich!

Liebe Grüße
Viola
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