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  #16  
Alt 26.06.2010, 19:49
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Warum so schnell einen neuen Partner???

Immer wieder ein "spannendes" Thema und so viele wunderbare Antworten

Liebe Clarissa, nur noch eine Kleinigkeit zum Nachdenken: Du sprichst davon, dass es dir wie Verrat vorkommt an deinem verstorbenen Schwiegervater und dass du dir das für dich niemals vorstellen könntest. Zunächst einmal: Ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass du dir noch lange, lange Zeit nicht vorstellen kannst, was in uns hinterbliebenen Ehepartnern vorgeht.

Verrat? Du schreibst, dass sie 35 Jahre verheiratet waren. Hatte sie sich während dieser 35 Jahre in einen anderen verliebt und sich benommen, "als sei sie 25"? Hat sie Kinder und Familie während dieser 35 Jahre im Stich gelassen, um sich einer neuen Beziehung hinzugeben? Wenn sie das getan hätte, könnte ich die Vokabel Verrat verstehen.

Aber war es nicht so, dass sie 35 Jahre an seiner Seite war, in Guten und in schlechten Tagen, bis dass der Tod euch scheidet? Sie hat ihr Versprechen gehalten. Nun ist ihr Mann gestorben, der Lebensplan ist weggebrochen, sie muss neu sortieren und hat auch nur dieses eine Leben, das sie hoffentlich noch eine Weile glücklich leben kann. Alles andere wäre Verrat an ihr selbst.

Ich bin Hinterbliebene, habe mittlerweile einen liebevollen Partner an meiner Seite, der mit einer Sache klarkommen muss: Dass die Frau in die er sich verliebt hat nicht mehr so unbeschwert glücklich sein kann wie die Frau, die sie in ihrer ersten Ehe gewesen ist. Eben weil man NICHT vergisst, nur weil man wieder liebt. Die erste Liebe lebt mit, sie ist nicht einfach weg. Das zu ertragen ist für viele "neue" Partner bestimmt recht schwierig. Welch großes Glück, wenn deiner Schwiegermutter ein verständnisvoller Mann begegnet ist, der ihr Halt und Zuflucht schenkt.

Ich weiß nicht, ob du selbst Mutter bist. Aber vielleicht ist die Entscheidung, die Chance auf ein neues Glück zu nutzen auch nicht so rücksichtslos, wie ihr es auf den ersten Blick empfindet. Ich jedenfalls weiß, dass es für meine Kinder mittlerweile eine große Erleichterung ist zu wissen, dass sie ihr eigenes Leben leben können, in dem Wissen, dass ich glücklich und nicht alleine bin und sie somit die "Verantwortung" für mich getrost abgeben dürfen.

Nun Geske, das soziale Umfeld.... das kann ich nun so gar nicht nachempfinden, ich bin aber auch eher der Typ Mensch, der generell nichts auf Äußerlichkeiten und "aber bitte den Schein bewahren" gibt. ICH weiß, wie schmerzhaft meine Trauer um meinen Mann auch heute nach über 5 Jahren ist, ICH alleine weiß es, ICH alleine muss damit weiterleben. Das soziale Umfeld, das sich doch meist nach "angemessener" Zeit aus dem Leben der Hinterbliebenen verabschiedet wenn diese sich erlauben das Trauerjahr mit ihrer Traurigkeit zu überschreiten.

Wann ist der richtige Zeitpunkt? Es gibt keinen. Und das soziale Umfeld wird sich immer das Maul zerreißen, egal wie es kommt. Ein neuer Partner? : Na, die/der hat sich ja mal schnell getröstet.... Nach mehreren Jahren des Alleinlebens: Na, nun sollte es doch langsam mal wieder gut sein. Immer noch alleine?

Ich wünsche uns allen den für uns richtigen Weg zurück ins Leben, den können nur wir selbst finden, jeder einzelne auf seine Weise und in seinem Tempo

LG
Andrea
__________________
Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες
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  #17  
Alt 27.06.2010, 08:26
silverbird silverbird ist offline
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Standard AW: Warum so schnell einen neuen Partner???

Hallo

meine Mutter ist 1985 an EK gestorben. Sie war 48 Jahre alt.
Mein Vater hat meine Mutter beim Sterben begleitet, ist daran fast zerbrochen.
Er hatte danach aber noch für meine kleine Schwester zu sorgen, die war erst 9 Jahre alt und asthmakrank. Auch mein Bruder, damals 16 lebte noch daheim.

Als meine Mutter tot war, hat mein Vater auch einige Frauen kennengelernt und 4 Jahre später wieder geheiratet. Er hat dann nochmal mit seiner Frau ein Kind bekommen.

Der Grund ist einfach : er heißt LEBEN.

Wenn du so intensiv mit Tod zu tun hast, dann wird dir das erstemal WIRKLICH bewusst, das Leben etwas ist, dass auch zuende sein kann.
Das Leben etwas ist, was mit lebendig fühlen zu tun hat.

Die neue Frau, das war lebendig.

Mein Vater wollte nicht auch selbst tot sein, und nach anfänglicher Irritation habe ich darüber nachgedacht und es für gut befunden.
Er hat meiner Mutter nichts mehr weggenommen dadurch.
Er hat meiner kleinen Schwester und meinem Bruder die Normalität zurückgegeben und sie auch für sich selbst in Anspruch genommen.

Ich bin sehr froh darüber. Die "neue Frau" meines Vaters hatte auch zu uns einen netten Kontakt, sprach immer lieb über meine Mutter und pflegte auch das Grab. Unsere Familie war einfach um weitere Personen gewachsen.Wir hatten alle MEHR, nicht Weniger.

Er ist inzwischen auch gestorben, hatte aber noch schöne Jahre mit seiner 2. Familie. Seine 2. Frau hat ihn lieb gepflegt und wir verstehen uns auch heute noch gut, obwohl sie auch wieder einen neuen Partner hat.

Silverbird

Geändert von silverbird (27.06.2010 um 08:30 Uhr)
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  #18  
Alt 28.06.2010, 11:46
Benutzerbild von Petra_S
Petra_S Petra_S ist offline
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Standard AW: Warum so schnell einen neuen Partner???

Hallo alle zusammen1

Als mein lieber Freund nach 4,5 Jahren Krebs gegangen ist, habe ich überhaupt nicht mehr weiter gewollt. Endlich hatte ich DEN Freund fürs Leben gefunden...! Wir hatten 3,5 Jahre ohne Krebs. Das Wort "Zukunft" begann langsam und leise im Hintergrund zu sterben seit dem Tag der Diagnose, max. Überlebensdauer 3-5 Jahre! NATÜRLICH würde es bei IHM anders sein, natürlich! Es war "anders", er hat gekämpft, war stark und hat den Schmerzen, den Tortouren widerstanden, wie ich es mir hätte nie vorstellen können. Und doch ahnten wir beide, es ist ein "Spiel" auf Zeit. Wie oft habe ich ihn traurig von der Seite angesehen, mich gefragt wie lange er noch bei mir sein wird, wie lange er noch die Kraft haben wird und was ich dann ohne ihn machen soll, wie es sich wohl anfühlen wird... Es ist furchtbar wenn der geliebte Mensch neben einem sitzt und man versucht sich auf die kommende Zeit "vor zu bereiten". Es fühlt sich dann noch schlimmer an, wenn der unglaubliche Fall eintritt. Sicher ist die Frage nach der Beziehung, wie gut oder schlecht sie war auch legitim. Die Zeit der Krankheit ist auch schon eine Trauerzeit, die wohl meist übersehen wird, man weiß man kommt den Tod täglich näher! In der ersten Zeit war ich körperlich und seelisch fix und fertig, naja die „erste Zeit“ hat sich ganz schön lang hingezogen. Ich habe für mein Leben auch nicht mehr gesehen was das noch werden soll, ich wollte auch nicht mehr, mir kam der Sinn des Ganzen abhanden. Ich verlor mich selbst langsam. Ein neuer Partner - nein, das konnte nicht gehen, nein nicht nach dieser großen Liebe – unmöglich! Und das Gerede der Leute "Die braucht wieder einen Mann!" oder „…es ist doch nun schon sooo lange her, nun muss man sich doch mal wieder fangen!“ (das Gegenteil von „Ach hat die schon wieder einen, na da kann es mit der Liebe nicht weit her gewesen sein!“- als ob das ein Allheilmittel wäre und was soll das heißen, ist man als allein stehende Frau Niemand - unfähig zu leben!? Das wollte ich dann so doch nicht gelten lassen, ich bemühte mich wieder "Sinn und Zukunft" in mein Leben zu bringen, 2-3 Monate lang, dann wurde meine Mutter pflegebedürftig und ich stehe nun mehr schon wieder seit 4 Jahren in der Sorge um einen Menschen. Doch ich habe einen sehr einfühlsamen und standhaften Freund, nicht gesucht, eigentlich aus Empörung über die Welt zusammen gefunden... Wie trostlos wäre mein Leben ohne ihn, ich hätte jetzt mit 45 Jahren keine Zukunft, nur ein jetzt mit meiner kranken Mutter. Zur Zeit habe ich ein gutes "Jetzt" und auch noch einige Zukunftspläne und ich bin sooo froh, dass mein Freund so in mein Leben geknallt ist. Es ist nicht immer leicht und es ist sicher auch nicht das Ende der Trauer um die verlorene Liebe, aber ein Leben allein mit allen erlebten Grausamkeiten, die Erinnerung an jämmerliches Leiden, Blut, Wunden, ungeheuerliche Kämpfe mit Ämtern bzw. deren Amtspersonen die noch Beweise brauchen, wenn der Sarg schon im Wohnzimmer steht. Das alles bringt den Sinn auf dieser Welt zu sein furchtbar durcheinander... Wir sind sehr schnell zusammen gekommen, für meine Kinder sicher überraschend schnell. Nicht nach Monaten, nein ich meine als wir uns das erste Mal trafen, haben wir uns kaum mehr getrennt, trotz der 500 km zwischen uns, die mein Freund durch seinen Umzug ausradierte. Und noch eine Überlegung für Kinder. Es ist für mich als Mutter eine schlimme Vorstellung, wenn ich so geblieben wäre wie ich die ersten Monate war. Ich hatte keinen Antrieb, zu nichts, habe unter lachenden Menschen mit Tränen in den Augen gesessen und fühlte mich allein, abgerissen von meiner Liebe und sinnlos umher treiben, unnütz im Leben... wollte nicht reden und nix. Es ist eine schwere Aufgabe einen solchen verlorenen Menschen täglich aufbauen zu müssen, eine Aufgabe, die ein Partner in der Regel den Kindern abnimmt – das kann auch für die Kinder ein Geschenk sein. Doch vielleicht fühlen sie sich um die gemeinsame Trauer betrogen? Ich glaube da hilft nur reden, ehrliches Interesse an den Gefühlen der Mutter. Es gibt viele Varianten des Umgehens mit diesen "Zuständen", manche flüchten, manche resignieren, manche halten sich an gewohnten Strukturen ihres Lebens fest um sich selbst nicht spüren zu lassen, dass der Boden unter den Füßen weg ist... Keine Variante wird für alle Menschen die richtige sein, es ist immer nur ein Versuch mit dem Unmöglichen um zu gehen.

Versucht euch gegenseitig zu verstehen, sonst verlieren alle noch mehr als den Vater/ Schwiegervater.

Gruß Petra
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  #19  
Alt 30.06.2010, 07:41
Lily7 Lily7 ist offline
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Standard AW: Warum so schnell einen neuen Partner???

Hallo Clarissa,

ich erzähl dir auch unsere Geschichte.

Meine Mama starb letztes Jahr im Herbst an Darmkrebs mit 57 Jahren.
Papa und Mama waren 40 Jahre verheiratet und ich seh sie heute noch händchenhaltend spazieren gehen.

Das war eine sehr schwere Zeit für meinen Papa, da er auch schon in Rente war und von da an nur noch zu Hause sitzt

Meine Mama war die Aktive, die viel unterwegs war ..Freunde riefen an...das telefon läutet oft...und dann war alles verstummt.

Er verfiel in Depressionen und ertränkte seinen Kummer im Alkohol, was für mich auch sehr schlimm war.

Wieder einmal stand ich machtlos da und konnte nicht helfen.

Und nun hat er eine Frau kennengelernt, die ihm gut tut und mit der er viel unternimmt...die Freude ist wieder zurückgekehrt in sein Leben.

Wenn es meinen Papa gut geht geht es mir auch gut und ich freue mich für ihm.

Als wir neulich darüber redeten, sagte er mir, das Mama immer in seinem Herzen ist...da musste er weinen.

Das mit der neuen Partnerin war gefühlsmässig nicht ganz einfach, weil er das Gefühl hatte das er Mama bedrügt....aber meine Mama hätte nicht gewollt, das er alleine bleibt mit seinem Kummer und dem Alkohol.

Ich denke jeder Mensch geht anders mit seinen Trauer um und das sollte man respektieren auch mit der Zeit danach....das soll nicht heißen, das sie ihre Liebe vergessen haben.

LG Lily
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