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  #1  
Alt 22.11.2010, 16:55
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Karolinchen Karolinchen ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Ehrlich gesagt ist der Totensonntag total an mir vorübergegangen, aber das war auch ok
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Papa (20.12.1949-03.10.2010) -
die Zeit die ich mit Dir haben durfte war schön, ich wünschte Du hättest mehr davon gehabt - ich hoffe es geht Dir besser da wo Du jetzt bist! Und ich hoffe Du kannst mich von irgendwo noch sehen und an meinem Leben teilhaben, wenn Deins schon so plötzlich enden musste .
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  #2  
Alt 22.11.2010, 19:09
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Daumen hoch AW: Hinterblieben, nur wo?

Liebes Karolinchen,

ist auch nicht furchbar tragisch. Mir gingen diese Gedanken auch nur durch den Kopf, weil just an diesem Wochenende in den Blumenläden in weitem Umkreis Weihnachten eingeläutet wird. Weiss nicht, ob das sonstwo auch so ist. Kann es mir aber vorstellen. In der Woche davor ist noch lange nach Ladenschluss hektische Betriebsamkeit um für Weihnachten gerüstet zu sein. Freitags wird dann bis spät in die Nacht der Laden komplett umgebaut. November raus, Weihnachten rein.

Ein Kontrast? Ja. Ein Wiederspruch zu diesem Feiertag? Nein. Tod und Leben gehören zusammen, untrennbar. Nicht nur da, sondern auch überall. Beides bewusst erleben. Friede, Freude ..... nicht Eierkuchen! Nach dem Friedhof ein Bummel durch die Blumenläden. Glühwein, Sekt, Weihnachtsplätzchen, Kerzenschein. Wir (Über)Lebenden brauchen diesen Kontrast nicht nur an diesem Wochenende.

Was heisst eigentlich: Feiertag?


Alles Liebe,

Helmut
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  #3  
Alt 23.11.2010, 11:09
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Daumen hoch AW: Hinterblieben, nur wo?

Es ist heller Tag. Ich bin in der Stadt unterwegs. Vom Schloss aus gehe ich über die Brücke am Staatstheater nach St. Johann. Viele Menschen sind unterwegs. Auffällig viele. Die Gassen um den Markt sind verstopft, ich komme nur langsam vorwärts. Was ist da los? Keine Ahnung. Die Hände tief in den Taschen, es ist kalt, die Sonne scheint.

An der Ecke bleibe ich stehen und sehe mir das Treiben auf dem Marktplatz an. Alle Restaurants und Geststätten sind geöffnet. Zahllose Tische und Stühle uaf dem Platz, alles besetzt. Ich will weitergehen. Wohin? Keine Ahnung, hab nichts besonderes vor ..... und bleibe wie angewurzelt stehen. Mir bleibt die Luft weg.

Da drüben, mitten auf dem Platz unter den Menschen sitzt sie mit dem Rücken zu mir. An einem grossen Tisch, zusammen mit anderen. Sie ist es, da gibt es keinen Zweifel. Ich höre Unterhaltung, Lachen. Was tun? Hingehen? Weglaufen? Einfach weitergehen? Ich bleibe einfach stehen. Kann nicht weiter. Freude, Trauer, Weinen und Lachen purzelt durch meinen Kopf. Kann nicht definieren, was mich gerade bewegt. Ich möchte ... ich kann nicht. Möchte hingehen und weglaufen.

Plötzlich dreht sich Myriam auf ihrem Stuhl um. Den rechten Arm auf der Stuhllehne sieht sie mich an. Obwohl es kalt ist, hat sie nur eine Bluse an. Die rote, karierte. Jetzt schauen alle aus der Gruppe interessiert, abwartend herüber. Myriam lächelt, steht auf und kommt zu mir. Lächelnd gibt sie mir einen kleinen Begrüssungskuss, so wie früher, wenn ich nach Hause kam. Ihre Augen strahlen.

Ohne ein Wort dreht sie sich um und geht zurück zur ihrer Gruppe. Bevor sie den Tisch erreicht, sieht sie mich noch einmal fragend an, lächelt, setzt sie sich hin und die Unterhaltung geht weiter wie gehabt. Niemand beachtet mich mehr. Wie vom Blitz getroffen stehe ich an der Ecke. Möchte ihr nach, etwas sagen und kann mich nicht bewegen, nicht rufen .... nichts. In mir tobt ein Orkan. Alles purzelt durcheinander. Der kleine Kuss brennt auf meinen Lippen.

Langsam löst sich meine Erstarrung. Ich gehe nach rechts um den Brunnen herum. Schaue nach ihnen. Keiner beachtet mich. Ich sehe, wie sie sich unterhalten, sehe die Gestik ihrer Hände. Keiner beachtet mich. Verwirrt, unsicher gehe ich Richtung Innenstadt. Bleibe stehen. Sieht sie nochmal rüber? Nein. Ich drehe mich um, gehe schweren Herzens in die Gasse, lasse den Marktplatz hinter mir. Keine Ahnung, ob sie mir jetzt nachschaut. Ich drehe mich nicht mehr um.

Ok, ein Traum. Nur ein Traum? Nein. Nicht nur ein Traum. Es ist nicht der Erste. Ich denke, ich habe verstanden. Wenn auch mit einem flauen Gefühl in der Magengegend. Danke.


Helmut
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  #4  
Alt 24.11.2010, 01:05
Mariesol Mariesol ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Lieber Helmut..prima, dass Du trotz vieler Abschiede nach wie vor hier sehr präsent bist.


Mariesol
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  #5  
Alt 24.11.2010, 10:43
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HelmutL HelmutL ist offline
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Daumen hoch AW: Hinterblieben, nur wo?

Liebe Mariesol,

weisst du, ich lebe ganz gerne und hoffe, noch einige Jahre auf dieser Erde mein Unwesen treiben zu können .

Der Tod von Myriam hat mich aus der Bahn geworfen. Um bei der Bahn zu bleiben: vielleicht auch aus eingefahrenen Gleisen? Ich habe schon oft überlegt, was wäre wenn? Doch das sind Phantasien, von welchen ich nicht weiss, ob sie tatsächlich eingetroffen wären, noch lassen sie sich erfüllen.

Es vergeht kein Tag, an welchem ich nicht an Myriam denke. Die Trauer braucht mich nicht ein zu holen, sie steht neben mir. Muss Trauer immer schrecklich sein? Nein. Sie hilft, das Vergangene nicht zu vergessen. Ich betrachte sie inzwischen eher wie einen guten Kumpel, der mich wie ein Zwilling durch mein zukünftiges Leben begleiten wird. Gute Kumpels sind nicht immer pflegeleicht. Manchmal werfen sie einem Steine in den Weg, manchmal stehen sie mit erhobenem Zeigefingervor da. Ja, und manchmal bringen sie einem zum Lachen.

Ist letzteres ein Wiederspruch? Nein, kein Wiederspruch.


Alles Liebe,

Helmut
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Geändert von HelmutL (24.11.2010 um 10:57 Uhr) Grund: Schreibfehler
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  #6  
Alt 25.11.2010, 22:32
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Blume68 Blume68 ist offline
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Beiträge: 1.752
Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Lieber Helmut.

Dann und wann schneie ich hier rein. Ins "Hinterbliebenen-Forum." Lese mit, schreibe selten, eigentlich fast nie.
Und dann lese ich dich. Deine ganz besondere "Schreibe".

Und stelle ein ums andere Mal fest: das berührt mich. DU berührst mich.

Deine Worte, deine Beschreibungen - deine Gabe, Dinge auf den Punkt zu treffen - nicht von der Beschreibung, sondern vom Gefühl her.
Unsentimental - und doch sentimental.
Mit eigenem Humor, und doch eigen traurig.
Mutverlassen, und doch so mutig.
Manchmal unsicher und vage, und doch so tapfer.
Ein Thema nie einseitig beleuchtend.

Gerade die Schilderung von vorgestern - ich kenne kaum jemanden, der das so hätte zu schreiben gewagt.
Genau wie deinen letzten Satz von gestern.

Wir kennen uns so gar nicht, sind uns kaum begegnet, denke ich. Darf ich trotzdem danke sagen?
Danke, dass du teilhaben lässt an deinen Gedanken und Gefühlen.

Dich lesen zu dürfen, ist ein Geschenk.

Alles Liebe für dich!
Blume
__________________
In uns allen findet sich die Quelle höchster Weisheit -
die Quelle der Liebe.
(Thich Nhat Hanh)
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  #7  
Alt 26.11.2010, 16:34
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HelmutL HelmutL ist offline
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Daumen hoch AW: Hinterblieben, nur wo?

Hallo Blume,

doch, ich glaube, wir sind uns schon mal begegnet im Forum. Frag mich jetzt aber nicht wann und wo. Ist ja auch nicht so wichtig.

Hab mir lange überlegt, ob ich das schreiben kann/darf. Der Kumpel, der einem zum Lachen bringt und dass das kein Wiederspruch ist. Ich kann mir vorstellen, dass auch viele Neu-Hinterbliebene das gelesen haben. Es könnte sie erschrecken. Ich für meinen Teil hätte noch vor einem Jahr gedacht: "So ein Blödsinn! Hat der sie noch alle richtig auf der Reihe?" Bestimmt denken auch viele so, die schon längere Zeit hier sind.

Was heisst: Trauer? Trauer wird gleichgesetzt mit Angst, Verzweifelung, Friedhof, Einsamkeit, Stille, Leere, Verlassenheit, schwarzen Löchern, Sehnsucht nach den Verstorbenen, Weinen, nicht vergessen können bis hin zu sogar körperlichen Schmerzen. Für viele nimmt es kein Ende.


Trauer ist seelischer und körperlicher Schmerz.
Trauer ist weinen für unsere Verstorbenen.
Trauer ist Verlust des geliebten Menschen.
Trauer ist Verlust von Zukunft, Träumen.
Trauer ist Wut.

Trauer ist mühselige Erkenntnis.
Trauer ist Demut.
Trauer ist Dankbarkeit.
Trauer ist Erinnerung.

Erinnerung ist Schmerz oder eben ............ Lachen!



Alles Liebe

Helmut
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Geändert von HelmutL (26.11.2010 um 16:42 Uhr) Grund: Was vergessen
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