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  #1  
Alt 09.09.2012, 21:49
Enchantee Enchantee ist offline
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Registriert seit: 09.09.2012
Beiträge: 2
Standard Verzweifelt, doch zu spät

Hallo ihr Lieben,

seit ungefähr vier Monaten schaue ich regelmäßig in dieses Forum rein, doch ich habe mich nie getraut, selbst aktiv zu werden. Viele der Beiträge haben mir in sehr schweren Stunden geholfen... im April diesen Jahres wurde bei meinem geliebten Papa Lungenkrebs festgestellt. Es kam zunächst einmal ein harmloser Anruf meiner Mutter, dass es da einen "wirklich nur ganz kleinen" Tumor gäbe, den man aber herausoperieren könne.. innerhalb weniger Tage wurde aus dieser kleinen Geschichte dann die Diagnose Lungenkrebs im Endstadium. Ich bin 20 Jahre alt und dass für meine Familie eine Welt zusammengebrochen ist, muss ich sicherlich nicht sagen... Ich weiß nicht, ob es angebracht ist, dass ich erst jetzt etwas schreibe. Innerhalb der letzten vier Monate ging alles ganz schnell, wir haben funktioniert wie Maschinen und gleichzeitig irgendwie gelebt wie in Trance. Es ist schwer zu beschreiben. Alles ging so unfassbar schnell... Wir haben meinen Vater die letzten vier Wochen leiden gesehen, bis zur letzten Sekunde... am 28.08.2012, genau vier Monate und einen Tag seit dem ersten Arztbesuch, ist mein Vater verstorben. Mein Bruder, meine Mutter und ich haben jedoch alle Zeit genutzt, die wir konnten. Durch mein Studium konnte ich nur die Wochenenden bei meinen Eltern sein und glücklicherweise nun durch meine Semesterferien. Es ist sehr schwer zu akzeptieren, was passiert ist. Ich habe wohl erst vor ein oder zwei Tagen wirklich angefangen, das alles zu realisieren... Es ging so wahnsinnig schnell, was im Endeffekt vielleicht auch irgendwie positiv zu bewerten ist, ich weiß es nicht.. Vielleicht klingt es dumm, aber ich weiß nicht, was ich mit diesem Beitrag bezwecken will. Vielleicht möchte ich mich bedanken, für die vielen guten Ratschläge, die ich still angewendet habe. Irgendwie hatte ich den Drang, das zu schreiben, ich finde es enorm, wie offen hier viele mit ihren Erfahrungen umgehen, denn die letzte Zeit hat mich gelehrt, dass das sehr wichtig ist. Mein Papa hat ein tiefes Loch hinterlassen, was sicherlich sehr sehr lange bleiben wird, aber ich bin froh, dass wir die Zeit nutzen konnten, so gut es eben ging und er nicht alleine sterben musste... Ich danke euch.

Enchantee
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  #2  
Alt 09.09.2012, 23:15
ulphin ulphin ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 08.08.2010
Beiträge: 140
Standard AW: Verzweifelt, doch zu spät

Liebe Enchantee,

mein aufrichtiges Mitgefühl zum Tode Deines Papa. Ich nachvollziehen, wie es sich anfühlt, wenn ein Elternteil – auch dann wenn es absehbar ist, dass er oder sie sich bald auf die Reise ohne Wiederkehr begeben wird – dann doch irgendwie von einem Augenblick auf den anderen nicht mehr da ist. Sei von Herzen umarmt.

So, wie Du es beschreibst, konntet Ihr als Familie Deinen Papa auf seiner letzten Reise begleiten. Ich bin sicher, dass dies Euch helfen kann, bei allem Schmerz und aller Trauer auch den Blick wieder nach vorne zu richten.

Ob Du heute oder in drei Monaten hier schreibst, ich denke, das ist egal. Der Austausch über das Schreiben, den ich in einer bestimmten Phase meiner Trauer überwiegend im Chat mit Betroffenen, Angehörigen, Hinterbliebenen fand, hat mir persönlich sehr geholfen. Möge dies auch für Dich so sein.

Ich könnte mir daher vorstellen, dass diese Zeilen Dich auf den Weg der Auseinandersetzung mit dem Tod Deines Papas bringen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass dies ein schmerzlicher Prozess ist, mir aber in bestimmten Dingen Klarheit gebracht hat.

Ich wünsche Dir, dass Du nicht in das tiefe Loch fällst, dass Dein Papa hinterlassen hat.

Es grüßt Dich herzlich

ulphin
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  #3  
Alt 10.09.2012, 18:33
dickie dickie ist offline
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Registriert seit: 15.07.2012
Ort: Rheinland
Beiträge: 40
Standard AW: Verzweifelt, doch zu spät

Liebe Enchantee,

erst als Angehörige, seit dem 23. August leider als Hinterbliebene, lese und schreibe ich in diesem Forum. Als ich gestern spät deine Zeilen las, dachte ich zunächst, meine Tochter hätte hier geschrieben, so gleich hast du das beschrieben, was auch wir in den letzten Wochen erlebt haben. Ich möchte dir mein Beileid aussprechen, von ganzem Herzen. Es ist seltsam, aber durch den fast gleichen Verlauf dieser furchtbaren Krankheit Lungenkrebs fühle ich mich dir und deiner Familie sehr verbunden. Uns - meinen beiden Töchtern - und mir erging es ebenso: mein Mann ging am 25. April ins Krankenhaus, erhielt am 2. Mai seine Diagnose "unheilbar" und verstarb am 23. August. Wie ihr haben wir die Hölle erlebt, unser Familienleben brach mit Gewalt ein, nichts konnte mehr so sein wie vorher und das Allerschlimmste war die Ohnmacht, einen geliebten Menschen so leiden, das aushalten zu sehen. Mit jedem Tag wurde uns ein Stück von ihm genommen, er hatte trotz Maßnahmen niemals eine Chance gehabt - und dennoch haben wir diese trügerischen kleinen "Erfolge" mit Hoffnung vollgetankt und konnten vielleicht auch nur deshalb noch in diesen vier letzten Monaten diese kostbaren Momente mit ihm erleben. Es war wie bei euch diese Talfahrt von ganz oben nach ganz unten, immer am Limit, immer der Wunsch, alles für ihn tun zu wollen. Wir waren ihm so nahe und dafür sind wir unendlich dankbar. Die Fassungslosigkeit, dass er nicht mehr da ist und die Traurigkeit, weil er fehlt, ist kaum zu ertragen.
Aber genau wie du hat auch meine Tochter diese vier Monate erlebt, wollte sich gerade auf ihr Studium konzentrieren, was ihr nicht gelingen konnte. Oft fuhr sie zwischendurch nach Hause, um ihren Papa abzulenken, mit ihm zu diskutieren, - denn er hatte ja für alles immer eine Lösung ... Auch meiner älteren Tochter erging es so. Er bestand darauf, dass beide ihre lange geplante Reise in den Semesterferien antreten sollten. Ich denke, dass er besonders meine jüngere fortschicken wollte, weil er spürte, wie unglücklich sie war, sie sollte wenigstens eine kleine Auszeit haben dürfen. Es gelang, aber als sich sein Zustand innerhalb eines Tages von: "Weihnachten noch?" auf "einige Wochen" über "wahrscheinlich Tage nur", schließlich auf "... er hat nur noch wenige Stunden" reduzierte, hatte sie es nicht mehr rechtzeitig zu ihm ins Krankenhaus geschafft. Am Ende ging alles viel zu schnell, aber er musste nicht alleine sterben. Dafür bin ich so dankbar, Seite an Seite, Hand in Hand haben meine ältere Tochter und ich ihn begleitet. Der zu schnelle Abschied war - wie du schreibst - wahrscheinlich besser .... wir sind wie du und deine Familie erst am Anfang dies zu akzeptieren, ein Leben ohne den lieben Vater und Partner weiterführen zu müssen. Wenn endlich alles andere geregelt sein wird, dann wird die Zeit zum "trauern dürfen" kommen. Aber noch immer erscheint alles einfach nur unwirklich. Es schmerzt.

Nun wünsche ich dir, liebe Enchantee, Kraft und Geduld. Wir werden es schaffen, denn das hätten unsere Lieben, dein Papa, so gewollt. Wir mussten lernen, dass das Unmögliche in unser Leben eintreten kann, um es radikal und rücksichtslos zu verändern. Dennoch müssen wir dankbar sein, dass wir auch auf der Sonnenseite gestanden haben, dankbar für das, was wir hatten. Noch sind die Schatten zu stark, aber auch sie werden eines Tages verschwinden. Alles braucht seine Zeit. Diese kurze intensive, die wir - deine Familie und meine - unsere Lieben begleitet haben, hat sicherlich viele Maßstäbe und auch die Sicht auf vieles verschoben. Wir sind gereift, haben gelernt, was wirklich wichtig ist.

Alles Gute für dich (und vielleicht kann dich auch mal meine Tochter anschreiben ... der Gedanke kam mir gerade ... ).
Herzlichst
Dickie
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