Krebs-Kompass-Forum seit 1997  


Zurück   Krebs-Kompass-Forum seit 1997 > Spezielle Nutzergruppen > Forum für Angehörige

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
  #1  
Alt 09.04.2012, 00:16
Adlerin Adlerin ist offline
Neuer Benutzer
 
Registriert seit: 08.04.2012
Beiträge: 2
Standard Mein Bruder hat Krebs

Hallo zusammen,

nach wenigen Tagen stillem Mitlesen schreibe ich kurz entschlossen selbst einen Beitrag.

Vor wenigen Tagen erhielten wir die schockierende Diagnose: mein Bruder (23 Jahre alt) hat Krebs. Es handelt sich um eine extrem seltenes malignes Lymphom. Ich kenne die genaue Bezeichnung, möchte sie hier aber nicht hier öffentlich schreiben, da ich verhindern will, dass meine Eltern oder mein Bruder beim googlen auf meinen Eintrag stoßen.

Er hat bereits 4 Wochen im Krankenhaus verbracht, mit unzähligen Untersuchungen und letztendlich einer Entfernung der Milz, um die absolut katastrophal niedrigen Thrombozytenwerte zu behandeln. Bei genauerer Untersuchung des Organs kam dann die Krebsdiagnose.

Aktuell geht es meinem Bruder gut. Er ist zwar etwas geschwächt von der Milzentfernung und leidet ab und zu unter Hitzewallungen, aber ansonsten hat er keinerlei Symptome. Er ist ein paar Tage zu Hause, bevor er am Dienstag wieder ins Krankenhaus muss. Geplant ist eine Chemotherapie mit anschließender Rehabilitation.

Ich habe keine Ahnung, was meinem Bruder als Prognose genannt wurde, aber die wenigen Quellen im Internet besagen, dass die Heilungschancen extrem schlecht sind. Ich bin keine Medizinerin, aber ich glaube, es wäre ein Wunder, wenn er das überlebt.

Ich weiß nicht recht wohin mit all meinen Gedanken und Gefühlen. Mir geht so vieles durch den Kopf, ich habe auch liebe Menschen, mit denen ich darüber reden kann, aber immer wieder übermannen mich einfach all diese Gedanken, Sorgen, Befürchtungen und winzigkleinen Hoffnungen. Sein Knochenmark wurde mehrmals untersucht und war jedes Mal in Ordnung, wobei ich natürlich nicht weiß, inwiefern da auch nach möglicherweise veränderten Zellen gesucht wurde.

Es will einfach nicht in meinen Kopf. Mein Bruder, der sich schon seit der frühen Jugend mit einer chronischen Krankheit herumschlagen muss, soll jetzt auch noch Krebs haben, der möglicherweise nicht behandelbar ist. Es darf einfach nicht sein, dass er stirbt. Ich möchte kein Einzelkind werden. Ich möchte nicht alleine für meine Eltern verantwortlich sein, wenn sie alt werden. Ich möchte mit ihm in die Zukunft blicken, erleben, was er nach seinem Studium macht, ob er auch promovieren will, so wie ich gerade, ich möchte weiter fachsimpeln mit ihm über technische Fragen, ich möchte einfach nicht, dass er und seine besonderer Charakter von diesem Planeten verschwinden. Jedenfalls nicht so früh. Mich quälen so viele Gedanken. Ich möchte nicht übrig bleiben, da mein Bruder in meinen Augen immer das "geliebtere" Kind von uns beiden war. Mein Vater hat sich eh nie viel für mich interessiert, auch wenn er natürlich immer das Gegenteil behauptet. Es erscheint mir so unfair, dass meinen Eltern möglicherweise mein Bruder weggenommen wird. Ich denke, es hätte besser mich treffen sollen als ihn.

Entschuldigt, dass der Eintrag etwas wirr ist. Es macht mir große Probleme dies zu schreiben, da es alles so real werden lässt. Mein Bauch krampft sich zusammen, meine Schultern sind angespannt, alles in mir steht unter Stress.

Ich will unbedingt versuchen, ihm in der kommenden Zeit, egal was passieren mag, eine Stütze zu sein. Ihm wie ich nur kann zu helfen, für ihn da zu sein, mir seine Sorgen anzuhören, die er vielleicht unseren Eltern lieber nicht anvertrauen mag. Das Problem ist nur, dass ich selber nicht der stabilste Mensch bin. Ich habe einen ausgeprägten Hang zur Depression und es gibt aktuell viele Baustellen in meinem Leben. Ängste, die es zu überwinden gilt, einem Partner, von dem ich mich möglicherweise trennen muss, unendlich viel, was ich bei der Arbeit regeln und organisieren muss. Ich habe große Angst, dass ich all das nicht schaffe. Natürlich wirft so eine Diagnose jeden aus der Bahn, aber da ich vorher nicht auf sicheren Füßen stand und auch davon abgesehen kein stabiles Fundament habe, nicht in mir selbst ruhe, stellt das ganze eine noch größere Herausforderung für mich da, als es das sonst eh schon ist. Ich muss extrem auf mich aufpassen und gleichzeitig will ich meinem Bruder alle erdenkliche Unterstützung bieten.

Ich traue mich nicht zu fragen, aber ich würde gern wissen, was sie meinem Bruder genau gesagt haben hinsichtlich seiner Heilungschancen. Einerseits denke ich mir - die Milz ist weg, das Knochenmark ist ok - der Rest muss doch mit Chemo zu schaffen sein! Andererseits ist er ohne Milz natürlich besonders krankheitsanfällig, seine chronische Erkrankung kann auch jederzeit wieder ausbrechen, zumal er aktuell keine Immunsuppressiva nimmt (die höchstwahrscheinlich den Krebs verursacht haben) und er ist extrem untergewichtig (liegt in der Familie, aber auch an seiner anderen Krankheit), weshalb ich große Angst habe, dass er das ganze körperlich einfach nicht übersteht.

Ich weiß gar nicht, was ich mit diesem Beitrag bezwecken will und ich weiß auch gar nicht, ob ich abgesehen von diesem nächtlichen Intermezzo noch mal hier schreiben werde. Aber vielleicht haben andere betroffene Angehörige ein paar Denkanstöße für mich, irgendetwas, was die furchtbare Situation ein wenig erträglicher macht ...

Liebe Grüße
Adlerin
Mit Zitat antworten
  #2  
Alt 09.04.2012, 00:33
Adlerin Adlerin ist offline
Neuer Benutzer
 
Registriert seit: 08.04.2012
Beiträge: 2
Standard AW: Mein Bruder hat Krebs

Jetzt habe ich den Beitrag abgeschickt und kann gar nicht glauben, dass ich das geschrieben habe.

Das ist doch alles nur ein furchtbarer Alptraum, aus dem ich bald erwache und dann ist alles wieder gut, oder?

Der schlimmste Moment war heute bei meinen Eltern (wo das Thema so gut es ging irgendwie vermieden wurde, alle hatten Angst, dass Unausweichliche zu besprechen), als mein Bruder sagte "Papa, ich habe Krebs, da kann das schon mal vorkommen" (in Bezug auf seine Hitzewallungen und seine leicht erhöhte Temperatur). Er hat es selber noch nicht ganz realisiert. Was haben die Ärzte ihm wohl gesagt? Sitzt er hier bei uns mit dem Wissen, dass er nur noch wenige Tage / Wochen / Monate zu leben hat? Oder mit der Hoffnung, dass die Chemotherapie hilft? Ich will ihn danach fragen, anderseits merke ich, wie stark er das Thema gerade verdrängen will und ich will ihn ja auch nicht nötigen etwas zu sagen, was er nicht sagen will, da er weiß, welche Reaktionen dies bei uns hervor rufen würde ... und was würde mir das Wissen bringen? Es ändert ja nichts.

Ich bin so ratlos ... ich bin so hilflos ... ich bin so fassungslos ...
Mit Zitat antworten
  #3  
Alt 09.04.2012, 07:07
Alpenveilchen Alpenveilchen ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 09.11.2010
Ort: Im hohen Norden
Beiträge: 388
Standard AW: Mein Bruder hat Krebs

Liebe Adlerin,

ich verstehe, dass Du in einer sehr schwierigen Situation bist, mit aller Unsicherheit und der begrenzten Information über die Prognose/Aussichten nach der Diagnose, die Dein Bruder bekommen hat. Als Schwester bist Du einerseits einbezogen, andererseits nicht. Aber natürlich kreisen Deine Gedanken um Deinen Bruder und was das jetzt alles für das weitere Leben, sowohl Deines als auch seines, bedeuten mag. Du schreibst auch, dass Du im Moment genügend eigene Probleme hast, die Dich belasten und die Entscheidungen von Dir verlangen.

Ich würde Dir empfehlen, Dich auf eine unterstützende Rolle einzustellen. Versuche einfach, für Deinen Bruder dazusein, ihm zuzuhören und wenn es geht, die Situation zu erleichtern. Oft sind es Kleinigkeiten im Alltag, die eine grosse Hilfe sein können.

Lege Dir selbst keine Verantwortung für seine Krankheit und deren Behandlung auf die Schultern. Die Entscheidungen muss er alle selbst zusammen mit den Ärzten fällen. Wenn Du es schaffst, ein gutes Vertrauensverhältnis zu Deinem Bruder aufzubauen, will er vielleicht mehr mit Dir darüber sprechen, was die Ärzte gesagt haben. Es kann jedoch sein, dass es einige Zeit braucht, bis Dein Bruder so weit ist, dass er darüber reden kann und mag, und diese Zeit musst Du ihm geben.

Versuche also einfach für ihn da zu sein, eine Stütze zu sein und ihn alles in seinem eigenen Takt verarbeiten zu lassen. Vielleicht hat er eine zeitliche Prognose bekommen, die er selbst erst einmal verarbeiten muss, bevor er darüber sprechen kann und will. Also gebe ihm die Zeit, und zeige ihm einfach, dass Du für ihn da bist, wenn er etwas braucht.

Ganz liebe Grüsse
vom Alpenveilchen
Mit Zitat antworten
  #4  
Alt 09.04.2012, 08:24
Ilse Racek Ilse Racek ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 30.07.2005
Ort: Main-Kinzig-Kreis
Beiträge: 3.395
Standard AW: Mein Bruder hat Krebs

Hallo Adlerin,

Du hast Dir Deinen Schrecken von der Seele geschrieben - ich finde Deine Beiträge überhaupt nicht wirr.

Ich möchte mich Alpenveilchens Aussagen anschließen und Dich damit bestärken, in dieser familiären Situation so ruhig wie möglich zu bleiben.

Das liest sich wahrscheinlich etwas lapidar, aber im Endeffekt unterstützt Du Deine Familie und natürlich hauptsächlich Deinen Bruder so am Besten.

Als selbst vom Krebs Betroffene und Angehörige von an Krebs Erkrankten (allerdings alle um Einiges älter als Du und Dein Bruder) weiß ich, dass Du Deinen Angehörigen durch Umsicht und taktvolles Verhalten die beste Stütze sein kannst.

Du wirst sehen, es geht Dir, Deinem Bruder und den Anderen besser, wenn Du besonnen bleibst.


Alles Gute wünscht mit herzlichen Grüßen
__________________
Ilse
Mit Zitat antworten
  #5  
Alt 09.04.2012, 13:31
vintage vintage ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 29.05.2009
Beiträge: 745
Standard AW: Mein Bruder hat Krebs

liebe adlerin,

deine beiträge und deine gedanken und sorgen
kommen authentisch und emphatisch rüber!

du kannst deinem bruder signalisieren,
das er mit dir reden kann, wenn er das will.
intuitiv wirst du wissen, wann was zu tun ist.
es ist auch wichtig, das du dich selbst in dieser
familienkonstellation nicht verlierst! achte auf dich.

Zitat:
Ich denke, es hätte besser mich treffen sollen als ihn.
das ist kein guter gedanke. wir haben keine macht darüber und
jedes leben ist für sich wertvoll.
es geht doch nicht danach, wer mehr geliebt wird.
manchmal geht das leben merkwürdige wege.
ich wünsche dir viel kraft, da du ja auch schon kämpfst
um eine bessere lebensqualität für dich....und die depris haben ja auch ihre (familien?)ursachen.

psychisch ist das sicher alles sehr anstrengend,
da vieles ja in eurer familie unausgesprochen und unbearbeitet ist.



vg, vintage
__________________
lieben gruß, vintage



Mein geliebter Mann wurde nur 49 Jahre alt und
starb knapp fünf Monate nach der Diagnose.
* Juli 1965 - + Mai 2015

ED Weihnachten 2014 Darmkrebs mit zu vielen Lebermetastasen,
dann auch Lungenmetastasen...

Geändert von vintage (09.04.2012 um 13:36 Uhr)
Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 17:09 Uhr.


Für die Inhalte der einzelnen Beiträge ist der jeweilige Autor verantwortlich. Mit allgemeinen Fragen, Ergänzungen oder Kommentaren wenden Sie sich bitte an Marcus Oehlrich. Diese Informationen wurden sorgfältig ausgewählt und werden regelmäßig überarbeitet. Dennoch kann die Richtigkeit der Inhalte keine Gewähr übernommen werden. Insbesondere für Links (Verweise) auf andere Informationsangebote kann keine Haftung übernommen werden. Mit der Nutzung erkennen Sie unsere Nutzungsbedingungen an.
Powered by vBulletin® Version 3.8.7 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
Gehostet bei der 1&1 Internet AG
Copyright © 1997-2024 Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V.
Impressum: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Eisenacher Str. 8 · 64560 Riedstadt / Vertretungsberechtigter Vorstand: Marcus Oehlrich / Datenschutzerklärung
Spendenkonto: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Volksbank Darmstadt Mainz eG · IBAN DE74 5519 0000 0172 5250 16 · BIC: MVBMDE55