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Erle 16.04.2011 12:57

AW: Hinterblieben, nur wo?
 
Lieber Helmut,
ich habe nun schon so oft hier in Deinem neuen Thread gelesen, aber immer wieder habe ich mich leise weggestohlen.
Aber dieses "Allein-sein", dass Ihr hier in letzter Zeit verstärkt thematisiert, bringt mich immer wieder zum Grübeln und bringt mich dazu, doch mal in die Tasten zu hauen.

Helmut weiß es, ich habe meinen Partner verloren, einen wunderbaren, liebevollen Menschen. Und doch ist es passiert, was ich nie gedacht habe, ich habe mich wieder verliebt, habe ein neues "Goldstück" an meiner Seite. Ich bezeichne ihn oft als mein persönliches Wunder, ich kann es gar nicht fassen, dass solche Gefühle nach einer innigen, tiefen Liebe und Ehe nochmal passieren können.

Aber alleine.... das Gefühl bleibt, das kann ich Euch sagen. Egal wie glücklich ich jetzt bin, ganz plötzlich ist das Einsamkeitsgefühl wieder da.
Das verdammte Trauertier springt mich immer noch (und wird ja auch auf ewig immer wieder) an und wirft mich um.
Ich sitze in einer Menge Menschen, mein neuer Partner ist ganz anders als mein Mann, ein Vereinsmensch, immer und überall dabei, "einsame" Momente, friedliche Abende auf der Couch, die muss man sich mühsam freischaufeln, da sitze ich auf jeden Fall und ganz plötzlich muss ich raus, weg, es passiert, dass ich keine Menschenseele mehr ertragen kann.

Dann will ich zwar keinen mehr sehen, aber eben nur, weil ich mich unverstanden fühle, weil diese Menschenmenge mir auf einmal fremd und unheimlich ist.

Anfangs war ich um jeden Tag traurig, an dem ich meinen Partner nicht sehen konnte, aus beruflichen Gründen oder warum auch immer. Aber irgendwann war mir auch klar, dass ich zuhause weglaufen wollte, mich verstecken vor meiner Trauer. Ich hatte aufgehört, Trauer zu bearbeiten.

In den letzten Monaten war ich wieder in einem ekelhaften Loch, ich weiß, dass ich versuche, die Trauer zu verdrängen, anstatt ihr ehrlich ins Gesicht zu sehen.
Aber daran arbeite ich jetzt.

Ach Helmut, Deine Schilderung vom Standesamt hat mir dermaßen die Tränen in die Augen getrieben, ich hab einen ganzen Tag "einsam" in mir verbracht.

Ich frage mich seitdem ständig, was wäre, wenn mein Partner mich fragt, ob wir uns "trauen" sollten??? Er betreibt gerade intensiv seine Scheidung, ist eigentlich nur Formsache, weil er schon Jahre von seiner Frau getrennt ist.

Kopflos bin ich seitdem.... und immer wieder in mir... einsam halt, obwohl mit diesem neuen, liebevollen, wunderbaren Mann so glücklich.

Nein, Einsamkeit in Menschenmengen, die vergeht nie, die kommt mit dem Trauertier immer wieder.......

Liebe Grüße Erle

HelmutL 18.04.2011 23:05

AW: Hinterblieben, nur wo?
 
Liebes Karolinchen,

schön, mal wieder von dir zu lesen. Ersatz wird es in dem Sinne auch nicht geben. Das würde weder deinem Vater noch dem "Ersatz" gerecht.

Zitat:

Zitat von Karolinchen (Beitrag 1027016)
Aber ich gebe nicht auf!

Ich auch nicht ;)


Liebe Mollie,

nein, Freunde können dieses Loch nicht füllen. Unmöglich. Eben weil es "nur" Freunde sind. Was sie jedoch können, das ist eine Brücke bauen oder zumindest die Hand reichen. Das ist doch schon was, oder?


Zitat:

Zitat von ulphin (Beitrag 1024714)
Ein Teil meiner Lösung ist eine viel innigere, intensivere, vertrauensvollere, bewusstere Beziehung zu meinem Papi, zu meiner Schwester und anderen mir nahestehenden Menschen.

Liebe Ulphin,

ja, das stimmt. Und es tröstet auch ein bisschen. Wir sehen unsere Verstorbenen in ihnen wieder. Das verbindet. Seltsam nur, dass man so eine Verbindung nicht schon früher aufbauen konnte. Musste erst ein Mensch sterben, damit man das erkennen kann? Nähe?


Liebe Erle,

ich kann dich nur zu gut verstehen. Hin und her, her und hin. Höre einfach auf dein Herz. Wie war das damals in eurem ersten gemeinsamen Urlaub? Du und deine neue Liebe? Der Handtasche blieb zu. War es die Handtasche? Egal. Hauptsache zu. Du weisst, was ich meine ;). Mal ne Frage: warum eigentlich Standesamt? Muss doch nicht sein. Zumindest nicht jetzt. Auch das würde dein Partner verstehen. Ganz bestimmt.



Einsamkeit, Stille, alleine sein ....... kann Luxus sein, den wir uns leisten können. Manchmal ja, manchmal nein. In letzter Zeit sitze ich wieder oft unten auf meiner Terasse und geniesse die Ruhe und die Aussicht, die Geräusche und die Stimmen, das Vogelgezwitscher und das Grün. Alleine. Bin dabei nicht glücklich, doch zufrieden. Wissend, das sich das jederzeit ändern kann.


Alles Liebe

Helmut

ulphin 19.04.2011 00:56

AW: Hinterblieben, nur wo?
 
Ja und nein, lieber Helmut.

wenn Nähe nicht voher vorhanden war, dann kann sie - so meine ich - auch nicht plötzlich da sein, wie mit dem Stab herbei gezaubert.

Aber auch Nähe verändert sich, sie kann einengen und befreien.

Herzlich

ulphin

HelmutL 19.04.2011 22:16

AW: Hinterblieben, nur wo?
 
Liebe Ulphin,

ja, du hast recht. Ich hatte das eher vor einem anderen Hintergrund gesehen. Sehr oft hab ich hier schon gelesen von der Versöhnung, der Aussprache, das Neuentdecken von verschlissenen Beziehungen. Das ist natürlich nicht immer der Fall. Hab ich bei dir auch nicht so angenommen. Die Nähe verändert sich auf jedem Fall. Sie wird bewusster und man wird sich ihrem Wert sicher.

In dem Sinne kann sie auch befreien. War sie zuvor eben nur weil man sich "nahe steht", familiär, gezwungernermassen, so kann sie dann gelebt werden. Eine tatsächliche Nähe. Vielleicht auch eine Versöhnung? Das wäre dann so eine Befreiung. Natürlich gibt es auch die Situation, dass man mit "nahen" Menschen wieder Kontakt aufnehmen muss, mit welchen man eigentlich schon abgeschlossen hat. Auch das gibt es.

Es gibt noch eine anderes Erlebnis der Nähe. Nach dem Tod von Myriam fand ich unter ihren Sachen einen Brief. Ein Brief an mich. Geschrieben von ihr zu unserem 24-ten Hochzeitstag. Ich hatte ihn vorher nie gelesen, sie hat ihn aufbewahrt über all die Jahre. Warum auch immer. Erst die Tage hab ich ihn mal wieder gelesen. Er gibt mir jetzt eine Nähe zu ihr, die zu ihren Lebzeiten so nicht möglich gewesen wäre. Heute ist es für mich unvorstellbar, gäbe es diesen Brief nicht. Noch viel mehr: er gibt mir Sicherheit und Kraft.


Eine kleine Geschichte am Rande. Nach Feierabend sassen wir noch im Hof hinter dem Blumenladen zusammen. Töchterlein, ein Ehepaar, welches über dem Laden wohnt. Ein schöner Abschluss bei herrlischem Wetter. Es ging um dies und das. Unter anderem dann um Beziehungen, die Ehe. Meine Tochter brachte den Satz: "Wer behauptet, an 7 Tagen in der Woche gäbe es nur Friede, Freude, Eierkuchen, der lügt. Mama hat mir mal gesagt: an 2 Tagen in der Woche könnte ich Papa umbringen. Umso schöner sind dann die anderen 5 Tage" Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen. Wir haben herzlich darüber gelacht.

Tja, was Mütter alles so mit ihren Töchtern bereden ;).


Alles Liebe

Helmut

Ariadne 19.04.2011 23:32

AW: Hinterblieben, nur wo?
 
Ich lasse einen Gruß bei dir und fliege einfach weiter - zum Schlafen, mit der Katze Fine ....., und ich bin froh, dass es dich hier noch gibt.
...............................http://s1.directupload.net/images/110419/ayu7uvm5.jpg

Hasi1965 20.04.2011 11:13

AW: Hinterblieben, nur wo?
 
Lieber Helmut,
von mir auch mal wieder schöne Grüße.....alles Liebe und schöne sonnige Ostern.

Liebe Grüße
Ulli

HelmutL 20.04.2011 23:47

AW: Hinterblieben, nur wo?
 
Liebe Ariadne, liebe Ulii,

danke für eure lieben Grüsse. Jou, noch ein paar Tage, dann ist Ostern.

Euch und auch allen anderen, die hier lesen, wünsche ich ein schönes Osterfest, ein paar Tage der Ruhe, mit der Hoffnung auf schönes Wetter. Ein bisschen Zeit, das Gras wachsen zu hören. Ein bisschen Zeit, die Natur zu bestaunen.



Für Dich


Was ist falsch, was ist wichtig?
Was ist schlecht, was ist richtig?

Die gedanken, die man denkt?
Die wege, auf die man lenkt?

Gestern, heute und auch morgen?
Die vielen zweifel, die kleinen sorgen?

Ab und zu das grosse glück?
Vom himmel ein kleines stück?

Der junge mit dem schaukelpferd?
Das auto, das der vater fährt?

Der erfolg und die Karriere?
Was wäre wenn was wäre?

Das lächeln eines kindes?
Der kühle hauch des windes?

Die kleine blume am wegesrand?
Ein mensch und dessen warme hand?

Die erinnerung und die vergesslichkeit?
Das jetzt und auch die ewigkeit?

Das wissen um die liebe
Weil alles sonst vergeblich bliebe



Alles Liebe

Helmut

Jyrina 22.04.2011 22:32

AW: Hinterblieben, nur wo?
 
hallo lieber helmut,
ich bin nun nicht mehr sehr oft hier, lese aber immer noch gerne bei dir mit.
ich möchte dir ganz liebe ostergrüsse da lassen
liebe grüsse jyrina:)

HelmutL 23.04.2011 00:40

AW: Hinterblieben, nur wo?
 
Liebe Jyrina,

danke und liebe Grüsse zurück. Ich hoffe, es geht dir gut?


Wenn ich mal grad so beim Dichten bin :rolleyes:

Die Pechtaube

Die Taube wars, die Taube,
die auf Daches Gaube
liebestrunken gurrt.

Doch den sie will betören,
der wollt das garnicht hören
und flog furrt.

Hier könnte sein jetzt Schluss
mit der Geschicht, ohne Verdruss
nämlich für ihn

Doch wie das Leben weiter spielt
Die Taube auf was andres ziehlt
nämlich auf ihn!

Da sass die hübsche Taube nun
Was sollte sie sonst andres tun
deshalb sie weiter gurrte

Der Täuberich, der Schlimme
erhob darob die Stimme
und lauthals für sich murrte

Hasst du nix anderes zu tun?
Willst vom Gurren nicht mal ruhn?
und schüttelte den Kopf

Ich sauss hier ständig rum
und leg mich für dich krumm
zu füllen deinen Kropf

Ach Liebster, du weisst sicher doch
es gibt was andres noch ;)
hör auf zu murren

Hach ja, ganz schnell zurück er flog
Sein Köpfchen an das ihre bog
und seinerseits tut gurren.

Das hät er besser bleiben lassen
denn kurz darauf, da sassen
3 statt einer Taube

Zwei Kleine und ne Grosse
jetzt sass er richtig in der Sosse
da oben auf der Gaube

der arme Taube



:lach2: Helmut

mischmisch 23.04.2011 00:48

AW: Hinterblieben, nur wo?
 
Ach, du alter Poet....

Schön, zu früher Stunde übers ganze Gesicht
lächelnd in die Heia zu gehn.

Lieber Gruss
von mir und meiner Trostkatze

Rosita

Kamuffel 23.04.2011 13:45

AW: Hinterblieben, nur wo?
 
Hallo,

auch Dir ein dickes Dankeschön für das Gedicht. Habe mich sehr amüsiert, sah zum Schluss auch die drei Tauben alleine auf dem Dach sitzen so richtig in der Phantasie.
Ich wünsche allen, die auf deiner Seite lesen und besonders Dir ein wunderschönes Osterfest.

Gruß Ilonka

HelmutL 29.04.2011 21:21

AW: Hinterblieben, nur wo?
 
Die Gedanken sind frei


Sie wurden und werden gedacht

Haben der welt viel gutes gebracht
Nicht nur gute, auch manch böse dinge
Auf dass der gedanke auch gelinge.

Die Gedanken sind frei!


Auch ein lied wurde einst geschrieben

Was ist davon geblieben
Auf dass die welt wird schöner und besser
Wenn's sein muss, in der hand das messer.

Die Gedanken sind frei!


Die liebenden in rosarot nur denken

Sie glauben, dass sie ihr leben lenken
Sie denken nicht, was kann später sein
Sie trinken fröhlich des lebens wein.

Die Gedanken sind frei!


So haben sie das leben sich gedacht

Geliebt, getrunken und gelacht
In gedanken bunte bilder gemalt
Sich vorgestellt, wie man zusammen alt.

Die Gedanken sind frei!


Und dann passiert, ob tag, ob nacht

Was der mensch sich nie gedacht
Alles, was bisher war gewesen
Liegt im grab, ist am verwesen.

Die Gedanken sind frei!


Der tod, er grinst und lacht

Das hast zu einfach du gedacht.
Hast übersehen, was kann und könnte sein
Jetzt holt das leben dich heimlich ein.

Die Gedanken sind frei!


So hat der mensch das niemals gedacht

Egal ob früh, ob spät, ob tag, ob nacht
In seinem kopf gedanken dröhnen
Die er mit dem leben nicht kann versöhnen.

Die Gedanken sind frei!


Gedanken, ständig laut und trüb

Tagein, tagaus durch schwarzes Gemüt
Gestern, heute, früh morgens oder spät
Im Dunkeln, im licht, wo er geht oder steht.

Die Gedanken sind frei!
Der Mensch?




Ute08 29.04.2011 23:53

AW: Hinterblieben, nur wo?
 
Lieber Helmut,
ich lese nicht mehr so oft hier, aber wenn, dann bei dir.
Ich finde deine Texte oder Gedanken immer wieder erfrischend
oder zum Nachdenken anregend - und das ist gut so.

Sende dir einen lieben Gruß
Ute mit Mel im Herzen

HelmutL 10.05.2011 11:00

AW: Hinterblieben, nur wo?
 
Am Geländer


Der Mann da drüben läuft geschäftig durch seinen Garten
Seine Frau auf dem Balkon, die Blumen auf Wasser warten

An der Stirn ist festgetackert
Der Stempel der Zeit

Da unten, im Garten, das Gras und das Moos
Erfrischend grün, umschmeichelnd weich und sorgenlos

An der Stirn ist festgetackert
Der Stempel der Zeit

Vogelgezwitscher und Grillenzirpen, beissend laut, verzweifelt versöhnlich
Ach komm, mein Herz, nimm es nicht so verletzend persönlich

An der Stirn ist festgetackert
Der Stempel der Zeit

Ein Maunzen, grauweiches Fell, am Knie kühle Tatzen
Der Blick unergründlich vertrauensvoll, ich mag diese Katzen

Auch an meiner Stirn ist festgetackert
Der Abrisskalender der Zeit



Helmut

Ariadne 15.05.2011 16:38

AW: Hinterblieben, nur wo?
 
So kommt es mir auch gerade vor - das mit der Zeit.
Muss wohl an der Jahreszeit liegen:)
Ist bisher Dein Bestes:) - finde ich.

Lasse einen Katzengruß bei Dir ...............

http://s1.directupload.net/images/110515/dc4ut8bh.jpg

Scarlett o'Hara und der Zusammenhalt der Massen :)

Gruß Ariadne


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